Eine Antwort auf Franz-Josef Wagners Kolumne »Lieber Bischof Mixa«, BILD, 12.04.2010
Lieber Franz-Josef Wagner,
obwohl ich Ihre Kolumne nun schon seit geraumer Zeit lese, muss ich wieder einmal feststellen, dass Sie immer für eine Überraschung gut sind. »Ein Bischof ist für mich kleinen Katholiken Franz-Josef die Illusion des Guten«, teilten Sie der erstaunten Öffentlichkeit gestern in Ihrer Kolummne mit, wahrscheinlich ohne zu ahnen, wie sehr Sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Oder sollten Sie tatsächlich erkannt haben, dass es genau das ist: Ein Trugbild? Eine Illusion, die laut Wikipedia folgendermaßen definiert ist:
In anderer Auffassung von „in“-ludere als „innerlich“ spielen gerät Illusion in die Nähe des ähnlich gebildeten deutschen Ausdrucks Gedankenspiel. Von hier leiten sich vielfältige Bedeutungen von Illusion ab, die sämtlich mit Selbsttäuschungen aller Art bis hin zum Selbstbetrug zu tun haben. Dann kann ein täuschender oder (in des Wortes ursprünglicher lateinischer Bedeutung) falscher Eindruck ebenso gemeint sein wie genauso falsche und damit wie immer unrealistische Vorstellungen, die man „sich machen“ oder „bilden“ kann, indem man „sich etwas einbildet“ oder auch „vormacht“. Zitat Ende.
Ihnen wurde mit dem Rücktritt Mixas diese Illusion genommen, Herr Wagner. Doch in dieser Enttäuschung liegt die große Chance zur Metamorphose. In leichter Abwandlung des Goethe-Zitats könnte man sagen: »Hätt' Allah mich bestimmt zum Schaf / So hätt' er mich als Schaf geschaffen.«
Wann genau haben Sie beschlossen, ein Schaf sein zu wollen, Herr Wagner? Ein Mitglied der Herde dieser hohen Herren, das von denen nach Belieben geschoren oder auch geschlachtet werden kann? Wann haben Sie die Entscheidung getroffen, eigenes Denken an die Träger von Hirtenstäben und NarrenBischofskappen abzugeben?
Oder ist es nicht vielmehr so, dass diese Entscheidung für Sie getroffen wurde? Von Ihren Eltern, welche Sie ahnungslos taufen ließen? Welche Sie in das Internat der Regensburger Domspatzen schickten, nicht wissen wollend, was genau dort hinter verschlossenen Türen vor sich ging?
Was wäre aus dem kleinen Franz-Josef wohl geworden, wenn man ihm ermöglicht hätte, sein Leben als Mensch zu beginnen, nicht als Schaf?
Nun, es ist nie zu spät, den aufrechten Gang zu erlernen und aus der stinkenden Schafwolle herauszuschlüpfen. Den Herrschaften ihre Autorität abzunehmen und das eigene Leben für sich selbst zu beanspruchen. Dem »Guten Hirten« in die Hand zu beißen, wenn er wieder einmal zuschlägt und ihm klar zu machen, dass die Zeit der Degradierung zum Paarhufer nun endgültig vorbei ist.
Herzlichst,
Ursula Prem
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