Freitag, 2. April 2010

Freitagskolumne - »Post an Wagner«: Wissenschaft und Kinderelend

Eine Antwort auf Franz-Josef Wagners Kolumne
»Liebe Urknall-Forscher«, BILD, 30.03.2010

Lieber Franz-Josef Wagner,

am Dienstag erhielt ich wieder einmal Post von Ihnen. Nein, direkt an mich adressiert war Ihr Brief nicht. Die Anrede lautete vielmehr »Liebe Urknall-Forscher«. Ich befinde mich jedoch, als gelegentliche Leserin von BILD-Online, sozusagen in Ihrem Verteiler, zusammen mit dem Rest der Nation.

Wieder einmal ließ mich Ihr Brief in Ehrfurcht erstarren. Ja, der Mann hat den Durchblick und die Fähigkeit zum Bau wirklich kühner Gedankenkonstruktionen, das muss man ihm lassen!, sagte ich mir. Denn Sie haben hundertprozentig Recht mit Ihrer These:

Das Betreiben von Grundlagenforschung trägt die Schuld daran, wenn in Deutschland Kinder verhungern. Ohne Zweifel. Ich bin sicher, die Auszahlung einer Summe X hätte die kleine Lea über den Fakt hinweggetröstet, dass sie in ihrem Umfeld augenscheinlich niemanden hatte, der um ihr Wohl besorgt war. Wieviel Liebe und Fürsorge hätte man schließlich für 130 Mio Euro erwerben können, der Summe, die Deutschland jährlich zu diesem Forschungsprojekt beisteuert?
Eine richtige Mutter hätte man für diese Summe sicherlich kaufen können. Oder einen fürsorglichen Vater. Einfach irgendjemanden mit ein wenig menschlichem Anstand. So wurde die Chance vertan.

Ja, Herr Wagner: Sie haben richtig erkannt, dass der schreckliche Tod der kleinen Lea dem Forschungsprojekt in Bern zuzuschreiben ist. Und Sie monieren mit Recht die Tatsache, dass hier Forscher »Gott gespielt« haben. Für Sie als bekennenden Katholiken muss es sehr schwer sein, eine Hypothese wie den Urknall an sich heranzulassen, selbst wenn sie, wie in diesem Fall, nur im Protonenbereich verifiziert werden kann. Was bleibt von der biblischen Schöpfungsgeschichte, wenn die uns jetzt mit dem Urknall daherkommen?




Da gerade die katholische Kirche sich im Bereich des Kinderschutzes stets sehr hervorgetan hat, kann ich Ihre Gedankenverbindung zwischen teurer Forschung und Kinderelend wirklich gut nachvollziehen. Sie stellt eine jener genial einfachen Ideen dar, hinter deren Horizont man die Lösung sämtlicher Menschheitsprobleme vermuten muss, Chapeau!
Nun wäre solch eine geniale Eingebung ja nur die Hälfte wert, wenn man nicht nach ihren Konsequenzen fragen und Möglichkeiten ihrer Umsetzung suchen würde. Also, nehmen wir an, sämtliche Forschungsprojekte würden nun über Nacht eingestellt, und für das eingesparte Geld würden für jedes Kind liebevolle Eltern angeschafft werden. Das wäre erst mal eine gute Aktion, da sind wir uns absolut einig.

Nehmen wir weiters an, dass wir, da es Grundlagenforschung ja dann nicht mehr gäbe, auch in 50 oder 100 Jahren noch auf die überfällige Wende im Bereich von Energieversorgung, Fortbewegung, Landwirtschaft oder Medizin warten würden: Wäre dies nicht genau das, was wir uns für die künftigen Generationen wünschen würden? Denn eines Tages würde die Menschheit endlich aufhören, auf solche Verbesserungen zu warten. Sie würde schlicht vergessen, dass solche Sehnsüchte jemals existiert haben. Dies würde nicht mehr und nicht weniger darstellen, als die endgültige Befreiung vom faustischen Streben. Und auch die Bibel könnte man endlich wieder lesen, ohne dabei ständig an ihrem Wahrheitsgehalt zu zweifeln. Willkommen in der besseren Welt!

Herzlichst,

1 Kommentar:

  1. vielleicht versuchen sie's mal hiermit:

    http://infemme.twoday.net/topics/Post+an+Wagner/

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