Ursula Prem |
Die buddhistische und hinduistische Tradition kennt die
Rezitation von Mantren seit vielen Jahrhunderten: Gemeint ist die meditative
Wiederholung von Kernaussagen des Glaubens, auch »Merksprüche« genannt. Womit
wir beim Thema wären: Die bayerische Justizministerin Beate Merk, Mitglied im
katholischen Frauenbund, erweist sich in jüngster Zeit als besonders eifrige
Rezitatorin von Mantren. Genauer gesagt: eines bestimmten Mantras, welches da
lautet: »Unabhängigkeit der Gerichte«.
Vor dem inneren Auge fantasiebegabter Menschen mag nun ein
Film ablaufen: Beate Merk, im Lotussitz meditierend, eingehüllt in die dicken
Schwaden von Patchouli-Räucherstäbchen, ohne Unterlass ihr Mantra rezitierend:
»Unabhängigkeit der Gerichte – Unabhängigkeit der Gerichte – Unabhängigkeit der
Gerichte ... « – Ziel jeder
buddhistischen Bemühung ist das Nirwana, die Erlösung. So, wie sich jedes
Mantra irgendwann im allumfassenden Laut »Om« auflöst, stellt das Nirwana die
endgültige Auflösung aller falschen Vorstellungen dar: »Unabhängigkeit der
Gerichte – Unabhängigkeit der Gerichte – Unabhängigkeit der Gerichte –
Oooooommmmm ... «
Unabhängig oder
unkontrolliert?
Die von Beate Merk beschworene Form der richterlichen Unabhängigkeit
kommt einem Freifahrtsschein gleich und postuliert in Wahrheit keine
unabhängige, sondern eine vollkommen unkontrollierte Justiz, deren Schwächen
der Fall Gustl Mollath in eklatanter Weise offenbart: Ohne die permanenten
Anstrengungen seines Unterstützerkreises und einer wachsenden Öffentlichkeit
hätte sich für Gustl Mollath hochwahrscheinlich nie mehr etwas bewegt. Er würde
aufgrund eines mehr als fragwürdigen Urteils den Rest seines Lebens gegen
seinen Willen in der Psychiatrie verbringen.
Gerade weil die richterliche Unabhängigkeit vielen
Anfechtungen ausgesetzt ist, kommt sie ohne Kontrolle nicht aus. Die Definition
von Unabhängigkeit darf nicht in das Belieben des einzelnen Richters gestellt
sein, der womöglich entscheidet, sich tatsächlich unabhängig zu machen:
unabhängig von Recht und Gesetz. Ist es also vorstellbar, dass ausgerechnet die
dritte Gewalt nach Belieben schalten und walten kann? – Nein. Auch wenn Beate
Merk dies vergessen zu haben scheint: Das Gesetz sieht durchaus eine externe
Kontrolle der Justiz vor, die in § 26 des Deutschen Richtergesetzes festgeschrieben ist. Dort heißt es:
»(1) Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird. (2) Die Dienstaufsicht umfaßt vorbehaltlich des Absatzes 1 auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. (3) Behauptet der Richter, daß eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtige, so entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht nach Maßgabe dieses Gesetzes.«
Hieraus lässt sich unschwer entnehmen, dass die
Dienstaufsicht zwar keinen Einfluss auf gerichtliche Entscheidungen nehmen,
jedoch zur ordnungsgemäßen Amtsführung ermahnen darf. Wer die Dienstaufsicht
über die Gerichte ausübt, ergibt sich aus dem Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz, § 16, wo es heißt:
»(1) Die Dienstaufsicht üben aus
1.
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das
Justizministerium über alle Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit sowie
über sämtliche Staatsanwaltschaften und Vollzugsanstalten; [...]
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Hieraus ergibt sich, dass Justizministerin Merk von Anfang
an ganz offiziell über Möglichkeiten verfügt hätte, im Fall Mollath regulierend
einzugreifen. Nicht durch Einflussnahme auf das Urteil oder dessen Aufhebung,
selbstverständlich, sondern durch die Ausübung ihrer Dienstaufsicht im Sinne
der Durchsetzung rechtsstaatlicher Grundsätze.
Die Suche nach dem
Wiederaufnahmegrund
In der Sendung »BR-Sonntagsstammtisch« am 7. April 2013
erklärte Merk, sie habe selbstverständlich nach Gründen zur Wiederaufnahme des
Verfahrens gesucht. Tatsächlich hatte sie im Dezember 2012 Informationen aus
einem Zeitungsbericht der Nürnberger Nachrichten zum Vorwand genommen, die
Staatsanwaltschaft Regensburg mit der Abfassung eines Wiederaufnahmeantrags zu
betrauen. Vorausgegangen war eine Intervention von Ministerpräsident Horst Seehofer,
ohne dessen Machtwort es so weit wohl nicht gekommen wäre. Pikant ist
allerdings, dass die Regensburger Staatsanwälte Richter Brixners mutmaßlich widerrechtliche
Intervention bei der Finanzverwaltung, welche angeblich Merks lang ersehnten
Wiederaufnahmegrund darstellen sollte, in ihrem Wiederaufnahmeantrag gar nicht
erwähnen. Im Zentrum stehen vielmehr zahlreiche Fakten, die schon lange vor
Erscheinen des entsprechenden Zeitungsartikels bekannt gewesen waren.
Zu nennen ist hier beispielsweise die eidesstattliche Versicherung des Dr. Edward Braun, welche die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin vom Tisch fegt. Braun
hatte das Schriftstück schon am 23.11.2011 an Beate Merk übersandt, deren
nachträglich mit Eifer bekundete Suche nach einem tragfähigen
Wiederaufnahmegrund damit als Luftnummer enttarnt sein dürfte.
Festzuhalten ist: Beate Merk hat von ihrer Dienstaufsichtsbefugnis in diesem Fall, aus welchen Gründen auch immer, keinen Gebrauch gemacht und ist erst auf Druck des Ministerpräsidenten mit einem vorgeschobenen Grund aktiv geworden. Sie hat es somit versäumt, das höchste Gut, welches sie uns mantraartig in allen Kanälen vorbetet, mit den ihr zu Gebote stehenden Möglichkeiten zu schützen: die richterliche Unabhängigkeit.
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Sehr schönes Bild mit "Frau Merk im Lotussitz".
AntwortenLöschenLeider hat Bayern keinen männlichen Justizminister, sonst würde der "Lotusblütenstil-mit-zwei-Knospen-Trick" funktionieren. :-))
Was ich damit meine, zeigt dieser Ausschnitt aus einem Filmklassiker aus dem Jahr 1973:
http://www.youtube.com/watch?v=CWGfTWnolNY
Hallo Herr Hoffmann, vielen Dank für den Link! Einfach köstlich ... :-)))
AntwortenLöschenBei uns sind Richter immer der Auffassung sie stehen über dem Gesetz.
AntwortenLöschen"Das Gesetz sieht durchaus eine externe Kontrolle der Justiz vor, die in § 26 des Deutschen Richtergesetzes festgeschrieben ist".
Die externe Kontrolle sollte durch einen Ombudsmann der EU erfolgen.
Harry Gambler
RA Strate über Beate Merk
AntwortenLöschenwww.youtube.com/watch?v=fPEv9vVtFto
Kurt Tucholsky hat in seiner "Politischen Justiz" einmal eine Geschichte über einen Strafkammervorsitzenden so überschrieben:
AntwortenLöschen"Wie aus dem Jurastudenten Blumenkohl der Stellvertreter Christ auf Erden wurde."
Vielleicht ist das Regensburger Gericht seit gestern geradezu dankbar, dass es, "Direktiven" des Ministerpräsidenten bekommen hat.
Nach meinem Gefühl steht der Tag der Entlassung Gustl Mollaths unmittelbar bevor.
GP
Die Justiz kann nicht unabhängig sein, weil auch für sie Naturgesetze (Verhaltensgesetze) gelten. Der Gruppenegoismus ist stärker als die gewünschte Achtung der Menschenrechte.
AntwortenLöschenBeispiel: Welche Rechtsverletzungen Richter auch immer begehen mögen, ihnen droht kein Tadel. Alles wird “kollegialiter” unter den Teppich des “Kernbereichs der richterlichen Unabhängigkeit” gekehrt (vgl. http://www.odenwald-geschichten.de/?p=682 ).
Der Machtapparat richtet sich insgesamt nach Verhaltensgesetzen aus wie Gruppennarzissmus, Gruppenegoismus und Gruppenaggressivität:
Die angeblich funktionierende Gesetzgebungs- und Gerichtspraxis ist die schlimmste Lebenslüge...... Gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen (nebst Justizministerien, Petitionsausschüssen etc.) fehlt wegen gewollter Verdrehungsabsicht der Tatsachen und der Rechtslage zumeist eine plausible Begründung, oft sogar die Sachbezogenheit. Hauptverantwortlich für das perfide Rechtschaos mit Methode sind die Parlamentsabgeordneten, das Bundesverfassungsgericht und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Einzelfallgerechtigkeit gibt es selbst in schwersten Fällen für die meisten Betroffenen nicht. Das bedeutet, sie sind hilflos der Willkür des Staates und den schweren Folgen dieser Willkür ausgeliefert.... Dieses System ist darauf angelegt, Menschen zu zerstören. Der Schutz des Grundrechts steht zwar auf dem Papier, wird aber in der Praxis weitgehendst ignoriert. ... Die Demokratie sichernden Grundregeln waren und sind unzureichend und haben versagt. Diktatoren, wie Diktatorengemeinschaften, sind, wie die Zeitgeschichte belegt, deshalb auch in solchen angeblichen Demokratien möglich, die ihr wahres Ansinnen jedoch mit einem demokratischen Gewand umgeben. (vgl. http://unschuldige.homepage.t-online.de/ ).
Den Verhaltensgesetzen sollte durch Störung des Gruppenverhaltens entgegengewirkt werden.