»Lieber Lothar Matthäus«, BILD, 22. 07. 2010
Lieber Franz Josef Wagner,
Witze machen immer dann wütend, wenn sie einen gewissen Wahrheitsgehalt besitzen und man sich selbst von ihnen betroffen fühlt. Klar. Warum sonst sollte man sich über einen dummen Spruch auch aufregen? Sie kriegen richtigen Zorn über die aktuellen Lothar-Matthäus-Witze, schreiben Sie, und rechnen die Leistungen des Fußballers Matthäus gegen, dessen Rekorde nach wie vor ungebrochen dastehen.
Unabhängig von allen Rekorden aber scheint Lothar Matthäus mit seiner noch aktuellen vierten Ehe eine Beziehung eingegangen zu sein, die auf gegenseitiger Ausbeutung beruht: Eine schöne, junge Frau dient als Ersatz für vergangene Erfolgserlebnisse, wird stolz vorgezeigt wie ehemals ein Fußballpokal. Im Gegenzug bietet ein erfolgreicher, wohlhabender Mann Glanz und Luxus, den selbst zu erarbeiten für die junge Frau nicht in Reichweite zu stehen scheint. Ein Deal eben, eine Win-Win-Situation, könnte man sagen, von beiden Teilen freiwillig eingegangen. So weit, so gut.
Doch: Ist das wirklich so? Oder sind Beziehungen mit einem derartigen Gefälle in Alter und wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht eher ein Abhängigkeitsverhältnis? Freiwillig eingegangen, weil die Ketten im Rausch der ersten Gefühle noch nicht spürbar waren?
Der Mensch mit dem Erfahrungsvorsprung, sprich: der ältere Partner, handelt egoistisch. Denn auch ein Lothar Matthäus spürt bereits, wovon seine Partnerin noch keine Ahnung haben kann: den Zahn der Zeit. Er hat schon mehrfach in seinem Leben die Erfahrung gemacht, wie Gefühle sich ändern. Situationen plötzlich mit anderen Augen betrachtet werden. Illusionen zerfallen. Macht er sich nicht bewusst, dass seiner Partnerin diese grundlegende Erfahrung aufgrund ihrer Jugend fehlt, dann handelt er wie der Kater, der mit der Maus spielt. Damit sei nicht gesagt, dass Beziehungen mit großem Altersunterschied grundsätzlich schiefgehen müssen. Doch wenn es um den Erwerb eines Menschen als Trophäe geht, so birgt dies gewisse Risiken.
Ein Risiko ist eben, dass die Maus sich aufrappelt und davonläuft, wie es in diesem Fall geschehen ist. Auch wenn das hart ist, so ist es doch eine Chance für beide: die Maus sammelt dringend benötigte Lebenserfahrung, die ihr im Goldenen Käfig niemals zuteil geworden wäre, und der Kater erhält die Möglichkeit, erwachsen zu werden und sich einer passenden Katze zuzuwenden. Verweigert er dies, wird er sich möglicherweise tatsächlich dazu hinreißen lassen, Ihrer Empfehlung zufolge zu sagen: »Verpiss Dich, Alte«. Doch das wäre angesichts des Altersgefälles irgendwie noch peinlicher als das schon Geschehene ...
Herzlichst,
Ursula Prem
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