»Lieber Michael Schumacher«, BILD, 24. 12. 2009
Lieber Franz Josef Wagner,
bei einem Streifzug durch Ihre früheren Briefe stieß ich heute auf ein echtes Juwel. Adressiert an Michael Schumacher, enthüllten Sie der mitlesenden Nation das wahre Wesen des Mannes.
Schade!, dachte ich mir, dass solche Blüten des deutschen Humanismus einfach so in der Versenkung verlorengehen sollten: Die Erkenntnisse des Franz Josef Wagner über das, was echte Männlichkeit ausmacht, sollten der Welt doch erhalten bleiben.
Die Welt eines Mannes sei eine simple Welt, merkten Sie an. Ein Mann wolle beim Skat gewinnen, oder beim Bowlen. Und: Ein Mann verliere im Schoß seiner Familie sein eigentliches Wesen: den Krieger.
Vielleicht ist das auch gar nicht so falsch, wenngleich in einem ganz anderen Sinne als dem von Ihnen gemeinten. Schon lange hege ich den Verdacht, dass die aus allen Zeiten überlieferte Begeisterung von in den Krieg ziehenden Männern weniger auf politischen Überlegungen resultiert, oder gar aus dem Bedürfnis, das Vaterland zu beschützen. Nein, die Kriegsbegeisterung hat eine viel profanere Ursache: Durch den Kriegseinsatz hatten Männer zu allen Zeiten die Möglichkeit, Kindergeschrei und dampfenden Windeln für eine längere Zeit zu entkommen. Ein wenig Kameradschaft, Heldentum, Kriegsbeute, sowie die Möglichkeit zur Vergewaltigung einer unbekannten Zahl von »Feindesbräuten«, das hat wirklich etwas von Sandkastenromantik aus längst vergangenen Kindertagen. Wenn die geschlagenen Helden dann mit blutigen Schrammen vom Feld getragen werden, können sie sich dennoch darauf verlassen, von Mama gehätschelt und aufgepäppelt zu werden. Dann plötzlich wird der so beengende Schoß der Familie überlebenswichtig
Wissen Sie, wofür ich die Behauptung halte, ein »Krieger« sei für das Windelwechseln nicht geeignet? Ich halte sie für eine reine Ausrede, ersonnen einzig zu dem Zweck, dem Erwachsenwerden zu entgehen und die Jahre des Sandkastens bis zum Heldentod (oder der Rente) ausdehnen zu können.
Wir Frauen, muss ich leider feststellen, haben das Spiel lange Zeit mitgespielt. Mutierten wunschgemäß zur Mama längst erwachsener Männer, oder aber, im Falle impertinenter, nicht zu unterdrückender Lebensimpulse, zur Hure.
Keine Ahnung, ob Frauen im Allgemeinen Spaß am Kämpfen und Siegen haben. Sie hatten alles in allem wenig Zeit, es auszuprobieren, denn Männes Suppe war irgendwie nie rechtzeitig vor dem Start des Rennens fertig. War sie es doch mal, musste noch dringend seine Kriegeruniform aus der Reinigung abgeholt werden, für die nächste Aufsichtsratssitzung. Zeit für Kampfspiele? - Fehlanzeige.
Doch was, wenn es mal nicht um Kampfspiele geht? Sondern eine Bedrohung zum blutigen Ernst wird? Wenn die eigenen Kinder angegriffen werden? - In diesem Falle, Herr Wagner, können die meisten Männer wohl von den meisten Frauen lernen, was das Wort Kampf in seinem archaischen Sinne bedeutet. Nicht umsonst heißt es schließlich »Löwenmutter«, und nicht »Löwenvater«.
Herzlichst,
Ursula Prem
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