Sonntag, 24. November 2019

514. »Von Nan Madol bis Ugarit«

Teil 514 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Monstermauern haben mich schon immer fasziniert. Staunend stand ich vor so manchem Bauwerk der Superlative. Ein Beispiel: Die Ruinen von Nan Madol, deren Mauern auch heute noch bis in den Himmel zu ragen scheinen. Es ist erstaunlich, zu welch fantastischen Leistungen Menschen in der Lage waren! Weltweit, von der Südsee bis nach Indien, von Japan bis nach Peru, wurden vor ewigen Zeiten tonnenschwere Monstersteine zu gewaltigen Mauern aufgetürmt. Sie trotzten den Jahrhunderten, ja den Jahrtausenden. Manche hielten Erdbeben stand. Andere überdauerten Tsunamis. Monstermauern stehen noch, wenn von der Kultur ihrer Erbauer ansonsten schon lange nichts mehr zu finden ist.


Fotos 1-4: Einige der Monstermauern von Nan Madol.

Es kommt mir so vor, als hätten die zerstörerischen Kräfte längt den Kampf gegen diese Monstermauern aufgegeben.

Man sagt in Ägypten, dass sich der Mensch vor der Zeit fürchtet, die Zeit aber Angst vor der Pyramide hat (1). Zumindest Respekt hat die Zeit dann wohl vor der einen oder der anderen Monstermauer auf unserem Planeten, die von Meistern der Baukunst schon vor Ewigkeiten errichtet wurden. Angst und Bange muss es aber der Zeit werden, wenn sie an andere Mauern denkt. Die stabilsten und dauerhaftesten Mauern werden nicht aus Stein gebaut. Sie sind durabler als die massivste megalithische Mauer aus Stein und doch nur imaginär. Religiöse Fanatiker bauen scheinbar unüberwindbare Mauern, nicht aus Stein, sondern aus Angst. Religiöse wie vermeintlich wissenschaftliche Fundamentalisten mauern sich selbst ein, weil sie nur die eigene Wahrheit sehen möchten. Sie positionieren sich gern als die Alleinvertreter der angeblichen Wahrheit schlechthin. Sie mauern sich ein, weil sie Angst vor Fakten haben, die ihr simples Weltbild erschüttern könnten. Fanatiker belügen sich selbst. Je weniger sie selbst an ihre Weltsicht glauben, desto höhere und dickere Mauern bauen sie in ihren Köpfen auf. Und desto fanatischer bekämpfen sie Zweifler und Andersdenkende: früher mit Feuer und Schwert, heute machen sie sie unglaubwürdig und lächerlich.

Foto 5: Cheopspyramide und Sphinx.
Historische Aufnahme um 1910

Es gibt eine Wahrheit, vor der Fundamentalisten jeder Couleur Angst haben. Sie verstärken ihre Mauern, sie lassen sie noch weiter in die Höhe wachsen. Dabei unterscheiden sich »religiöse« wie »wissenschaftliche« Fundamentalisten sehr viel weniger als beiden Lagern bewusst und lieb sein kann. Man präsentiert sich als alleiniger, als einzig berechtigter Vertreter »der Wahrheit«.

Letztlich wird der Schock umso größer werden, je länger sich Fanatiker gegen Zweifel an ihrer Weltsicht zur Wehr setzen. Es wird weltweit zu Panik kommen, wenn sich diverse »wissenschaftliche« wie »religiöse« Pseudowahrheiten als »Humbug« erweisen, um Ebenezer Scrooge (2) aus dem berühmten »Weihnachtsmärchen« von Charles Dickens (*1812; †1870) zu zitieren.

In einem Punkt unterscheiden sich »religiöse« und »wissenschaftliche« Fundamentalisten: Wissenschaftliche Hardliner sind der Überzeugung, dass der Mensch mehr von der Wirklichkeit erkannt hat als alle seine Vorfahren. Das heute gültige Weltbild hat sich nach seiner Überzeugung nach und nach evolutionär aufgebaut. Der heutige Mensch ist für ihn die momentane Krone der Evolution.

Für den religiösen monotheistischen Hardliner hat es keine solche allmähliche und zufällige Evolution des Menschen gegeben. In seinem Weltbild war der Mensch von Anfang an die »Krone der Schöpfung«, weil Gott höchstpersönlich den Menschen erschaffen und ins Paradies gesetzt hat. Beide Fanatiker haben den Menschen auf einen Thron gehoben, der früher oder später zusammenbrechen wird.

Mauern können schützen, aber auch einengen. Manche Mauern in den Köpfen sind brüchig geworden und werden von Vordenkern zum Einsturz gebracht. So wird langsam immer deutlicher sichtbar, dass es vor Jahrhunderten und Jahrtausenden keine isolierte Entwicklung auf den Kontinenten gegeben hat. Vielmehr gab es offenbar zu frühen Zeiten lange vor Kolumbus transozeanische Kontakte. Europäer waren vor Jahrhunderten im Norden Perus. Kelten haben am Bau von Kuelap, der Metropole der Wolkenmenschen, zumindest mitgewirkt. Bleiben wir in Peru: Europäer aus dem »griechischen Kulturkreis« kannten das Monster in der Unterwelt der geheimnisvollen Ruinenstadt Chavín de Huántar. Das sageumwobene Monster Minotaurus und die Kreatur von Chavín de Huántar waren womöglich identisch.

Zwei Varianten bieten sich an:

Variante 1: Einwanderer aus Griechenland brachten vor mindestens 2.500 Jahren das Abbild eines monströsen »Dings« über Syrakus nach Peru. Oder sie kannten das unheimliche »Ding« aus Europa und fertigten in Peru ein Gegenstück an.

Variante 2: Besucher aus Europa bekamen Jahrtausende vor Kolumbus die Anlage von Chavín de Huántar zu sehen. Sie erkundeten den riesigen Komplex und entdeckten das monströse »Ding« im Zentrum des Labyrinths. Sie kehrten nach Griechenland zurück und fertigten aus Stein ein furchteinflößendes »Etwas« an: ein Abbild des Monsters von Peru.  Das »Ding« von Syrakus, das aus Griechenland stammte, hatte einen Namen: »Gorgo«. Offenbar hauste »Gorgo« oder ein naher »Verwandter« aus der griechischen Mythologie in der Unterwelt von Chavín de Huántar im Norden Perus!

Foto 6: ‭Monster »Gorgo«.
Zeichnung: Grete C. Söcker
Es gibt verblüffende Tatsachen, die eigentlich unmöglich, aber doch real sind. Homer beschreibt in seiner »Odyssee« und in seiner »Ilias« (3) »Gorgo« als eine scheußliche Kreatur der Unterwelt, so wie das »Ding« von Chavín de Huántar, das im Norden Perus in der Unterwelt verborgen ist.

Nach Hesiods Werk »Theogonie«, das die Mythologie der Entstehung der Götter beschreibt, hausten die furchteinflößenden Gorgonen (4) »jenseits des großen Okeanos, hart an der Grenze der Nacht«. Dr. Enrico Mattievich, Prof. emeritus der »Federal University of Rio de Janeiro«, ist davon überzeugt, dass Homers Reise in die Unterwelt keine dichterische Fiktion ist. Vielmehr kommt er in seinem Werk zur Überzeugung, dass da reale Örtlichkeiten beschrieben werden, die  in Südamerika anzusiedeln sind. In seinem penibel recherchierten Werk »Journey to the Mythological Inferno« (5) lässt der Wissenschaftler kaum Zweifel aufkommen! Homer beschreibt, so Dr. Mattievich, die »Unterwelt« von Chavín de Huántar. »Ancient Origins« fasst zusammen (6):

»Ein Teil des Buchs erforscht die Ähnlichkeiten zwischen Chavín de Huántar und der Beschreibung bei Hesiod. Es passen nicht nur Hesiods geographisch Beschreibungen zur Stätte (von Chavín de Huántar), örtliche Legenden stimmen auch mit der griechischen Mythologie überein und außerdem scheinen Funde im Tempel zu korrespondieren.« Ich darf noch einmal das Fachblatt »Ancient Origins« zitieren (7): »Antike griechische Legende scheint Ort in Peru zu beschreiben: Früher Kontakt?«

Für den religiösen monotheistischen Hardliner hat es keine solche allmähliche und zufällige Evolution des Menschen gegeben. Sein »Heiliges Buch« kann und darf auch nicht nach und nach entstanden sein. Es wurde, so die Fundamentalisten der monotheistischen Religionen, von Gott erschaffen und existierte von Anfang an in der heute vorliegenden Form.  Mancher Fanatiker unterscheidet gar nicht zwischen Gott und seinem Heiligen Buch. Für ihn ist das Buch das Heilige und vollkommen frei von Fehlern. Natürlich hat Gott auch nicht abgeschrieben oder auch nur ältere Texte weiterentwickelt oder gar übernommen.

Zu den spannendsten Stunden meines Studiums der evangelischen Theologie gehörte die detektivische Beschäftigung mit den Namen biblischer Personen. Jehu war in der Zeit von 841 v.Chr. bis etwa 814 v. Chr. König von Israel. Sein Name Jehu lässt sich mit »Jahwe ist er« übersetzen. Sollte es sich bei Jehu in Wirklichkeit um eine Chiffre für Jahwe handeln? Über »Jahwe ist er« lesen wir (8): »Und Jehu versammelte alles Volk und ließ ihnen sagen: Ahab hat Baal wenig gedient; Jehu will ihm besser dienen.« Dieser »Jahwe ist er« gibt sich scheinheilig als Anhänger Baals aus. Er lässt alle Baals-Priester zu einem Festgelage einladen. Wer die Einladung ausschlägt, wird umgebracht (9), lässt Jehu verkünden und verleiht so seiner Einladung mehr Nachdruck. Jehus Motivation (10): »Aber Jehu tat dies mit Hinterlist, um die Diener Baals umzubringen.« Das traurige Ergebnis der Hinterlist Jehus: Alle Diener Baals werden ermordet. Jehu alias »Jahwe ist er« lässt unter den Baal-Anhängern ein Blutbad anrichten, so steht’s im »Alten Testament«.

Foto 7:  Eine Seite aus
Hesiods Theogonie
Weniger brutal geht es nach einem sehr viel älteren Keilschrifttext aus Ugarit (11) zu. Unterweltgott Mt sendet Götterboten zu Baal. Baal erhält »eine Einladung zu einem Gastmahl, verbunden mit der Drohung ihn zu durchbohren und aufzufressen, falls er der Einladung nicht entsprechen würde.« Erst nach einer zweiten Einladung macht sich Baal auf den Weg. Wenig später ist Baal tot. »Die Göttin Anat geht auf die Suche nach Baal und findet ihn niedergesunken, tot in der Unterwelt.«

In Ugarit wurde nur Baal selbst mit dem Tod bedroht, so er die Einladung ausschlagen sollte. Der »Jahwe ist er« lädt alle Priester Baals ein und schüchtert sie alle ein. Wer nicht zum Festschmaus kommt. Der wird umgebracht.

Jetzt wird es spannend: »Hierauf vollzieht El die Trauerriten und klagt laut um Baal. El ersucht seine Gemahlin, Atrt, einen Nachkommen Baals im Königtum vorzuschlagen.«

Gott El taucht um 1400 v.Chr. erstmals in den Keilschrifttexten von Ugarit auf. El war (zumindest für einen Teil der Bevölkerung von Ugarit) der höchste Gott. Er wurde als »Schöpfer der Schöpfung«, »Erbauer des Erbauten« und »Vater der Menschheit« bezeichnet. Diese lobpreisenden Beinamen passen auch auf den Schöpfergott des Alten Testaments Jahwe. Und der hatte – auch – den Beinamen El! Freilich wird häufig der Name El einfach mit »Gott« übersetzt und »El« verschwindet als Name. Ein Beispiel (12)! Wörtlich: »Du El mich sehend!« Freier: »Du bist El, der mich sieht.« Luther-Bibel 2017: »Du bist ein Gott, der mich sieht.« Ein Gott, der mich sieht? Daraus kann man schließen, dass es nicht nur einen Gott gab, sondern mehrere. Und einer davon war »ein Gott, der mich sieht«.

Noch ein Beispiel (13)! Wörtlich: »Er ist El, der mich mit Kraft umgürtet.« Luther 2017: »Gott rüstet mich mit Kraft« Der ugaritische El wird von den Autoren diverser Texte des »Alten Testaments« übernommen, teil als Eigenname, teils als Titel.

Es gibt keine »Mauern« zwischen den Epochen, auch nicht zwischen den Religionen. Eines geht ins andere über, wird verändert und weiterentwickelt. Alles fließt ineinander. Keine Religion entsteht sofort aus dem Nichts. Jede neue Religion entwickelt sich aus einer älteren. Nur rechthaberische Fundamentalisten bauen Mauern, grenzen ab. Wer nicht daran glaubt, alle überzeugen zu können, der konzentriert sich auf eine Gruppe, sperrt sie in »Mauern« und traktiert sie mit Drohungen. Wer nicht glaubt, dem winken Teufel und Hölle.


Fußnoten
(1) Das ägyptische Sprichwort kursiert in voneinander abweichenden Varianten. Drei Beispiele: »Mensch fürchtet die Zeit, Zeit fürchtet die Pyramiden«, »Der Mensch fürchtet sich vor der Zeit – die Zeit fürchtet sich vor den Pyramiden« und »Die Menschen fürchten die Zeit, aber die Zeit fürchtet die Pyramiden«.
(2) Ebenezer Scrooge ist die Hauptperson in der Erzählung »A Christmas Carol« (deutscher Titel: »Eine Weihnachtsgeschichte«), 1843 von Charles Dickens verfasst.
(3) »Odyssee« 11/633, »Ilias« 5/741, 8/349 und 11/36
(4) Hesiod: »Theogonie«, Verse 274-276
(5) Mattievich, Enrico: »Journey to the Mythological Inferno«, Rogem Press, 21. Juni 2010 (»Reise ins Mythologische Inferno« würde der Titel in deutscher Übersetzung lauten. Aber das bahnbrechende Werk wurde nie ins Deutsche übersetzt!)
(6) https://www.ancient-origins.net/myths-legends-europe/ancient-greek-legend-seems-describe-place-peru-early-contact-003153 (Stand 7.10.2019)
(7) »Ancient Greek Legend Seems to Describe a Place in Peru: Early Contact?«,
https://www.ancient-origins.net/myths-legends-europe/ancient-greek-legend-seems-describe-place-peru-early-contact-003153 (Stand 7.10.2019)
(8) 2. Könige 10, Vers 18
(9) Ebenda, Vers 9
(10) Ebenda, Vers 19
(11) »Die mythologischen und kultischen Texte aus Ras Schmra«, übersetzt von J. Aisleitner, 2. Auflage, Budapest 1964, Seite 13
(12) 1. Buch Mose, Kapitel 16, Vers 13
(13) Psalm 18, Vers 33
Siehe http://www.die-buecherstube.de/bibelarb/t19/bk1901.htm (Stand 8.10.2019)

Zu den Fotos
Fotos 1-4: Einige der Monstermauern von Nan Madol. Fotos Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Cheopspyramide und Sphinx. Historische Aufnahme um 1910. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 6: ‭Monster »Gorgo«: Chavín de Huántar und Syrakus. Zeichnung Grete C. Söcker
Foto 7:  Eine Seite aus Hesiods Theogonie, mittelalterliche Handschrift. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein


515. »Auf der Suche nach den Göttersöhnen«,
Teil 515 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 1. Dezember 2019



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Sonntag, 17. November 2019

513. »Unser Gott und seine Frau«

Teil 513 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1:
Rekonstruktion einer
Aschera
Fotomontage
Je mehr man sich mit den Göttinnen und Göttern der ältesten Zeiten beschäftigt, desto schneller verliert man sich in einer schier unüberblickbaren Flut von Himmlischen, die von den Völkern ferner Zeitepochen angebetet wurden.

Freilich täuscht die Vielzahl der Namen, die wir oft nicht aussprechen können,  eine noch viel höhere Anzahl von Göttinnen und Göttern vor als es tatsächlich Himmlische gab. Vor Jahrtausenden wurden weniger Göttinnen und Göttern verehrt als es Namen von Göttinnen und Göttern gibt. Nicht selten verbergen sich nämlich hinter unterschiedlichen Namen die gleichen, identischen Gottheiten. Viele Namen sind in Vergessenheit geraten und von so mancher Gottheit wissen wir nicht mehr, welche speziellen Aufgaben sie zu erledigen hatte.

Der große Schöpfergott von Ugarit war »Ilu«. »Ilu« galt als (1) »Vater der Menschheit« und als »Erschaffer der Schöpfung«. Wir denken dabei zwangsläufig an den Schöpfergott der Bibel. An »Ilus« Seite stand die Göttin »Atirat« (2), die »Gebieterin der See« und »Königin des Hohen Himmels«. Als »die Göttin, die über das Meer  wandelt« ist »Aschera« bekannt. »Atirat«, die »ugaritische Meeres- und Himmelskönigin«, lebte an der Küste und beschützte die Seeleute. Dargestellt wird »Atirat« häufig vollkommen nackt, so wie die Eva des »Alten Testaments«. »Atirat« war auch unter dem Namen »Chawat« bekannt. »Chawat« alias »Hawat« spazierte wie Adam einst nackt im Paradies.

Jetzt wird es verwirrend. Eva, Adams Frau, heißt im hebräischen Original »Hawat«. Warum? Das wird im Buche Genesis erklärt (3): »Und er rief, Adam, einen Namen seiner Frau: Chawa, denn sie wurde die Mutter aller Lebenden.« Demnach hieß Eva im biblischen Paradies so wie die Partnerin von Gott »Ilu«. »Mutter aller Lebenden« ist ja ein uralter Göttinnen-Name.

Noch einmal, vielleicht finden wir mehr Klarheit: Der große Schöpfergott von Ugarit war »Ilu«. »Ilu« war auch als »El« bekannt. Also: Die Partnerin von Obergott »Ilu« alias »El« war Göttin »Atirat«. Und der »Atirat« entsprach tatsächlich »Aschera«.

Wir haben ein Pärchen im Himmel von Ugarit: Gott »Ilu« alias »El« und »Atirat« alias »Aschera«. Die Göttin Aschera kommt in Texten des Alten Testaments sehr viel häufiger vor als Übersetzern wie Martin Luther (*1483; †1546) lieb war. Durch falsche Übersetzungen ließ Luther ihren Namen aus den Texten des Alten Testaments verschwinden. So stand einst bei Luther im Buch Richter (4): 

Foto 2:
Darstellung eines
Baals. Fotomontage
»Und zerbrich den Altar Baals … und haue ab den Hain, der dabei steht.« Von einem »Hain«, also einem Wäldchen ist im Original nichts zu finden. Falsch übersetzte Luther weiter: »Und baue dem Herrn, deinem Gott, einen Altar und opfere ein Brandopfer mit dem Holz des Hains, den du abgehauen hast.« Es sind keine Bäume gefällt und verbrannt worden, so wie Luther glauben lassen wollte.
Erst in der revidierten Luther Bibel von 1912 kehrte die Göttin im Text der Übersetzung wieder: »Und haue um das Ascherahbild, das dabei steht und opfere ein Brandopfer mit dem Holz des Ascherahbildes, das du abgehauen hast.«

Wie offensichtlich falsch Luthers Übersetzungen in Sachen Aschera sind, das verdeutlicht ein Vers aus den Königsbüchern. Bei Luther hieß es da anno 1545 (5): »Er (Josia) ließ den Hain aus dem Hause des Herrn führen.« Mit dem »Haus des Herrn« war der Tempel in Jerusalem gemeint. Und aus dem Tempel soll ein Hain, also ein Wald,  »geführt« worden sein? Wie »führt« man einen Wald von A nach B? Natürlich gab es im Zentralheiligtum der gläubigen Israeliten keinen Wald. Der hebräische Originaltext lässt keinen Zweifel aufkommen: Entfernt wurde eine Aschera-Statue!

Luther steht als Fälscher keineswegs allein da. »Young’s Literal Translation«, also »Young’s Wörtliche Übersetzung«, tilgt Aschera aus dem Text und fabuliert von einem »Heiligtum« oder »Schrein«. Und vom »Holz des Heiligtums« oder »Holz des Schreins«. Eine Göttin soll im Hauptheiligtum der Juden über ein eigenes Heiligtum verfügt haben? Das kann den Verfassern von »Young’s Literal Translation« auch nicht gefallen haben. Ihnen kam es wohl vor allem darauf an, dass nichts mehr von Göttin Aschera zu lesen war. Auch in der »King James Version« ist für Göttin Aschera kein Platz. Sie weicht wie bei Luther einem »Wäldchen«, das abgeholzt und zu Ehren des im Monotheismus einzig erlaubten Gottes verbrannt wird.

Erst in der Ausgabe »21st Century King James Version« der Bibel taucht »Aschera« auf. Der »Aschera-Pfahl« wird umgehauen und das Holz des »Aschera-Pfahls« wird verbrannt.

Kehren wir zu Luther und seinen Manipulationen zurück. In Luthers Übersetzung von 1545 heißt es (6): »Auch blieb stehen der Hain zu Samaria.« In der revidierten Luther Bibel von 1912 darf die vom Reformator getilgte Göttin wieder zurückkehren: »Auch blieb stehen das Ascherabild zu Samaria.« Aschera wurde also nicht nur im Heiligtum der Juden in Jerusalem verehrt, sondern auch in Samaria. Das verwundert nicht! Denn wenn Aschera im Tempel Jahwes verehrt wurde, kann man davon ausgehen, dass auch in anderen Tempeln im Land Aschera zuhause war. Der Gedanke an eine Göttin neben Jahwe muss Luther ein Gräuel gewesen sein.

Foto 3: Typische
Aschera-Göttin
Fotomontage/ Collage


Das Erste Buch der Könige berichtet über ein Essen mit anschließendem eigenartigem Opferwettbewerb, der in einem Massenmord endete (7). Luther übersetzte wieder falsch. Er machte aus »Propheten der Aschera« anno 1545 »Propheten des Hains«. 400 Propheten der Aschera und 450 Propheten von Baal speisten gemeinsam. Dann kam es zum Zweikampf der besonderen Art. Die Aschera-Priester beteiligten sich daran nicht.

Erst schlachteten und zerteilten die Baal-Anhänger ein Rind und legten es auf einen Holzstoß. Schließlich beteten sie flehentlich zu Baal. Vergeblich. Baal schwieg. Er reagierte in keiner Weise. Jetzt fügten sich die Baal-Anhänger selbst mit Messern und Spießen Wunden zu. Vergeblich floss ihr Blut. Gott Baal ließ, so der angebliche »Bericht«, seine Anhänger im Stich. Er nahm ihr Opfer nicht an.

Dann kam die zweite »Partei« ins Spiel. Die Jahwe-Anhänger und ihr Gott Jahwe wurden gefordert. Die Bedingungen mussten aus Gründen der Fairness die gleichen sein. Auch Jahwe bekam zerstückelte Rinderteile auf einem Holzstapel angeboten. Jetzt aber machten es sich die Jahwe-Anhänger selbst schwerer, oder ihrem Gott. Sie  wollten unbedingt ein göttliches Wunder erzwingen. Also übergossen sie den zerstückelten Tierkadaver und das Holz mit reichlich Wasser. Alles schwamm förmlich im Wasser. Und doch geschah das erhoffte Wunder: Auf Elias Bitte hin ließ Jahwe sein Feuer vom Himmel fallen. Nicht nur das Holz des »Scheiterhaufens« und das Rind verbrannten trotz der Wassergüsse. Auch die Steine und Erde wurden vom göttlichen Feuer »gefressen«.

Foto 4:
Ascheras.
Fotomontage/
Collage
Der Wettstreit war entschieden. Die Jahwe-Anhänger waren die eindeutigen Sieger! Sie erwiesen sich aber als sehr schlechte Gewinner! Sie begnügten sich nicht mit der Niederlage ihrer Gegner im Opferwettbewerb. Sie brachten ihre Baals-Konkurrenten um. Die Luther-Bibel von 2017 formuliert recht drastisch (8): »Elia aber sprach zu ihnen: Greift die Propheten Baals, dass keiner von ihnen entrinne! Und sie ergriffen sie. Und Elia führte sie hinab an den Bach Kischon und schlachtete sie daselbst.« Elia bringt seinem Gott die Baals-Propheten als Schlachtopfer dar. (Der Ausdruck »Prophet« stand nach biblischem Verständnis nicht für Wahrsager oder Zukunftsdeuter. Propheten waren die »Pressesprecher« ihrer Götter. Sie übermittelten Verlautbarungen ihrer Götter. So war Moses der »Prophet« Jahwes.)

Über die Aschera-Propheten wird kein Wort mehr verloren. Warum waren sie dann überhaupt mit den Baals-Priestern eingeladen worden? Raphael Patai argumentiert (9): »Die Schlussfolgerung muss sein, dass ihnen, da sie nicht am Wettstreit teilnahmen, kein Leid zugefügt wurde. Wenn dem so war, dann müssen sie ungehindert auch weiterhin ihrer Göttin gedient haben.«

Es ist eine ganze Reihe berechtigter Fragen! Warum wurden unter Ahab die Baals-Priester niedergemetzelt, die Aschera-Priester aber verschont? Warum wurde Jahrzehnte später unter König Joahaz der Aschera-Kult weiterhin geduldet (10)? Die Statue der Göttin  in Samaria blieb unangetastet. Wurde die Verehrung der Göttin akzeptiert, wie Raphael Patai vermutet (11), weil »die Verehrung der Aschera als legitime religiöse Ausübung auch von denen angesehen wurde, die gegen den Baalskult waren«?

Weiter geht es mit Gemetzel. Gegen die Priester und Propheten anderer Gottheiten durfte mit Arglist und Tücke vorgegangen werden. Jehu ließ die Priester Baals einladen (12). Angeblich wollte er ihm huldigen.  Wer der Zeremonie zu Ehren Baals fernbleibe, so wurde gedroht, werde getötet. Abgeschlachtet wurden dann aber die Baal-Priester. Aus den Baal-Tempeln ließ Jehu öffentliche Toiletten machen. Sein Hass gegen Baal war groß, Aschera aber wurde toleriert.

Foto 5:
Ascheras.
Foto-
montage
Collage
Spärlich sind die konkreten Angaben über das Allerheiligste des Jerusalemer Jahwe-Tempels. Die Vermutung, dass Salomos Tempel ausschließlich der Verehrung Jahwes diente, ist definitiv falsches Wunschdenken der Monotheisten. Die Zahlen sprechen eine deutliche, klare Sprache! Der salomonische Tempel bestand 370 Jahre. Immerhin 236 Jahre davon, also fast zwei Drittel der Zeit, beherbergte er eine Aschera-Statue. Das verstieß eindeutig gegen Jahwes Gebot! Hatte doch Jahwe angeblich selbst nicht nur das Anbeten fremder Götter im Allgemeinen verboten, sondern ganz konkret gefordert (13): »Du sollst dir keinen Holzpfahl als Ascherabild errichten bei dem Altar Jahwes!«

Genau das aber geschah immer wieder! Jahrhunderte lang war Aschera fester Bestandteil im religiösen Leben der jüdischen Stämme. Konkretem göttlichem Gebot zum Trotz stand ihre Statue im Allerheiligsten des Salomonischen Tempels neben  Jahwes Altar:
•Salomos Sohn, König Rehoboam, brachte die göttliche Statue in den Tempel. Sie wurde etwa 35 Jahre lang im Zentrum der Religiosität verehrt.
•König Asra ließ sie entfernen, König Joash wieder installieren.
•Nach 100 Jahren sorgte König Hezekiah dafür, dass Aschera wieder aus dem Heiligtum verschwand. König Manasseh aber brachte sie wieder an ihren angestammten Platz. 
•König Joshiah setzte eine religiöse Reform durch. Aschera wurde aus dem Tempel verbannt, kehrte aber nach dem Tod des Königs wieder zurück. 

Warum war Salomos Tempel lange Zeit das heilige Haus für Jahwe und  gleichzeitig für Aschera? Die Antwort entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie (14): »Eine Zeitlang akzeptierte Aschera den semitischen Gott El als ihren Geliebten. Sie war die Himmelskuh, er der Stier.« El aber war einer der Beinamen Jahwes (15).

Endlich wird klar, wieso Baal als Rivale von Jahwe blutig verfolgt, Aschera aber geduldet, ja lange Zeit im Tempel Salomos verehrt wurde. Aschera, die uralte Göttin aus Ugarit, wurde rund ein Jahrtausend später die Geliebte und Partnerin von Jahwe alias El! Es ist offensichtlich, dass sture Verfechter des Monotheismus wie Luther Aschera aus den Texten des Alten Testaments verschwinden ließen. Es ist erfreulich und lobenswert, dass in den meisten neueren Übersetzungen die Göttin Aschera zurückkehrt. Ich glaube nicht, dass dies auf eine Rückbesinnung auf religiöse Urkulte hinweist, in deren Zentrum Göttinnen standen. Ich nehme an, dass neuere Übersetzungen schlicht und einfach korrektere Angaben machen wollten.


Foto 6:
Ascheras.
Foto-
montage
Collage
Fußnoten
(1) Im Englischen: »Father of mankind« und »Creator of creation«
(2) Andere Schreibweise: Athirat
(3) 1. Buch Mose, Kapitel 3, Vers 20
(4) Das Buch der Richter Kapitel 6, Verse 25 und 26 in Luthers Übersetzung von 1545, hier der heutigen Rechtschreibung angepasst.
(5) Das 2. Buch der Könige Kapitel 23, Vers 6 in der Übersetzung Luthers von 1545, in angepasster Rechtschreibung!
(6) Das 2. Buch Könige Kapitel 13, Vers 6
(7) Siehe hierzu: Das 1. Buch der Könige Kapitel 18, Verse 19-46.
(8) Das 1. Buch der Könige Kapitel 18, Vers 40
(9) Patai, Raphael: »The Hebrew Goddess«, 3., erweiterte Auflage, Detroit 1990, S. 43
(10) Siehe Das 2. Buch der Könige Kapitel 13, Vers 6
(11) Patai, Raphael: »The Hebrew Goddess«, 3., erweiterte Auflage, Detroit 1990, S. 43
(12) Siehe Das 2. Buch der Könige Kapitel 10, Verse 18-27
(13) Das 5. Buch Mose Kapitel 16, Vers 21
(14) Walker, Barbara: »Das Geheime Wissen der Frauen«, Frankfurt 1993, S. 67
(15) Siehe zum Beispiel 1. Buch Mose Kapitel 14, Vers 18!

Foto 7
Zu den Fotos
Foto 1: Rekonstruktion einer Aschera. Fotomontage. Foto Archiv Langbein
Foto 2: Darstellung eines Baals. Fotomontage. Foto Archiv  Langbein
Foto 3: Typische Aschera-Göttin. Fotomontage/ Collage. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Fotos 4-6: Aschera(s). Fotomontage/ Collage. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Eva, Schlange am Baum des Lebens, Adam/ Briefmarkenmotiv Israel

514. »Von Nan Madol bis Ugarit«,
Teil 514 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 24. November 2019



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Sonntag, 10. November 2019

512. »Als Adam und Eva Götter waren«

Teil 512 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Wie sah es im Paradies aus? Was spielte sich im Paradies ab? Wer kommt wie ins Paradies und wer nicht? Fragen wie diese versuche ich erst gar nicht zu beantworten.


Adam und Eva
Fotomontage gespiegelt
Links im Bild: Adam nach Lukas Cranach d.Ä.,
In der Mitte: Eva nach Rubens 
Rechts im Bild: Adam nach Dürer
Fotomontage gespiegelt

Stellen wir uns ein riesiges Puzzle vor. Wir wissen: Setzt man alle Einzelteile zusammen, dann entsteht ein Bild von der Vergangenheit unseres Planeten. Nun werden die Einzelheiten aber nicht sorgsam verpackt in einem Karton geliefert. Und wir wissen nicht, wie das fertige Bild aussehen wird. Wir müssen uns die einzelnen Puzzleteilchen mühsam zusammensuchen und hoffen, dass wir ein sinnvolles Bild aufbauen können. Mehr noch: Es soll auch das richtige Gesamtbild entstehen. Das aber ist so einfach nicht.

Sicher, da gibt es Menschen, die uns vorschreiben wollen, wie das Bild am Schluss auszusehen hat. Sie akzeptieren nur solche Puzzles als richtig zusammengesetzt, die ihren Vorstellungen entsprechen. Andere Sichtweisen sind zwar möglich, aber nicht erlaubt.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Puzzleteilchen verlorengegangen sind. Wenn wir »unser« Puzzle zusammenfügen, werden – das ist unumgänglich – Lücken bleiben. Damit nicht genug! Wir werden feststellen, dass es nicht nur ein Bild gibt, das es zu rekonstruieren gilt. Vielmehr werden wir eine Vielzahl von Einzelteilchen finden, die eine ganze Reihe von verschiedenen großen Puzzlebildern ergeben, wobei wir nicht wissen, welches Teilchen in welches Puzzle gehört. Es besteht also die Gefahr, dass wir die falschen Teilchen ins falsche Bild einsetzen. Leicht sind Lücken in einem Bild mit Puzzleteilchen eines anderen Bildes aufgefüllt. Schnell entsteht so ein falsches Bild.

Stellen wir uns ein riesiges Puzzle vor. Es zeigt ein Bild aus frühen Tagen der Menschheit. Wir betrachten das Bild näher und stellen fest, dass große Teile des Bildes dort, wo Teilchen fehlten, mit viel Fantasie ausgemalt wurden.

Unser imaginäres »Bild Nummer 1« zeigt eine Szene aus dem Paradies mit Adam und Eva. Wir erkennen Adam und Eva und natürlich die Schlange. Wir betrachten das Bild und glauben sofort, dass wir die Geschichte kennen, zu der das Bild gehört. Die Schlange verführt Eva, Eva isst von der verbotenen Frucht und verführt nun Adam, der ebenfalls von der verbotenen Frucht isst. Adam und Eva werden aus dem Paradies gejagt. Sie und ihre Nachkommen müssen bis ans Ende der Tage leiden. Eva und ihre weiblichen Nachkommen müssen unter Schmerzen gebären, Adam und seine männlichen Nachkommen müssen bis ans Ende der Zeiten schuften. Ist das die Geschichte? Es ist eine Geschichte, die zum Bild erzählt wird.

Es gibt ein weiteres Bild und dazu eine andere, abweichende Geschichte. Unser imaginäres »Bild Nummer 2« ähnelt dem imaginären »Bild Nummer 1« sehr. Und doch gibt es entscheidende Unterschiede. Eva verführt nicht ihren arglosen Mann Adam. Eva ist nicht die Sünderin, die auch noch ihren Mann Adam ins Verderben reißt. Adam und Eva verstoßen gemeinsam gegen Gottes Verbot. Sie werden aus dem Paradies verbannt. Damit sind sie bestraft genug. Gott verzeiht Adam und Eva. Also kann es in diesem Bild keine Erbsünde geben. Folgerichtig ist auch kein Erlöser nötig.

Imaginäres »Bild Nummer 2« erzählt die Geschichte, so wie sie im Koran steht. Wie im Alten Testament gibt es auch im Koran einen »verbotenen Baum« (1): »Und Wir (Gott) sprachen: ›O Adam, weile du und dein Weib in dem Garten, und esset reichlich von dem Seinigen, wo immer ihr wollt; nur nahet nicht diesem Baume, auf dass ihr nicht Frevler seiet.‹«

Die Verfehlung folgt auf dem Fuß im nächsten Vers (2): »Doch Satan ließ beide daran straucheln und vertrieb sie von dort, worin sie waren. Und Wir (Gott) sprachen: ›Gehet hinweg, einige von euch sind Feinde der anderen, und für euch ist eine Wohnstatt auf Erden und Nießbrauch für eine Weile.« Meiner Meinung wendet sich Gott hier ausschließlich an die Menschen. Nach Vertreibung aus dem Paradies dürfen sie noch weiter, allerdings zeitlich begrenzt, auf der Erde leben.

Übersetzungen des Korans ins Deutsche fallen manchmal relativ unterschiedlich aus. So lesen wir ein einer anderen Übersetzung (3) »›Der eine von euch sei des anderen Feind. Und ihr sollt auf der Erde Wohnstätten und Versorgung auf beschränkte Dauer haben.‹«

Sind nun einige der Menschen Feinde der anderen? Oder ist jeder Mensch des anderen Menschen Feind? In der vielleicht bekanntesten Version des Koran von Rudi Paret wird keine Feindschaft der Menschen untereinander angekündigt, sondern zwischen den Menschen einerseits und dem Satan andererseits (4): »Und wir (Gott) sagten: ›Ihr (d.h. ihr Menschen und der Satan) seid (künftig) einander feind.«

»Adam und Eva«
Fotomontage gespiegelt
Adam rechts und links außen: nach Lukas Cranach d.Ä.
In der Mitte Eva nach Dürer
Fotomontage gespiegelt

Das Paradies scheint sich in der Übersetzung von Paret im Himmel zu befinden. Gott befiehlt den Menschen (5): »Geht (vom Paradies) hinunter auf die Erde)!« Und noch einmal lesen wir bei Paret (6): »Wir (Gott) sagten: ›Geht allesamt von ihm hinunter (auf die Erde).« Auch in der Übersetzung von Simon Abram (7) befiehlt Gott: Raus aus dem Paradies und dann (7): »Geht (vom Paradies) hinunter! ... Geht hinunter von hier allesamt!« Geht –  von wo wohin? Von welchem Ort aus sollen die ersten Menschen zu welchem anderen Ort gehen? Wurden Adam und Eva aus einem Ort im Himmel hinunter auf die Erde geschickt? Konkreter: War das Paradies gar kein Ort auf der Erde, sondern im All? Oder war das Paradies gar kein räumlicher Ort, sondern ein Geisteszustand? So könnte man einen wichtigen Vers in der Koranübersetzung von Paret verstehen (8): »Da veranlaßte sie der Satan, einen Fehltritt zu tun, wodurch sie des Paradieses verlustig gingen, und brachte sie so aus dem (paradiesischen) Zustand heraus, in dem sie sich befunden hatten.« Sollte der Aufenthalt im Paradies lediglich ein »Zustand«, eine Geisteshaltung gewesen sein? Steht der Sündenfall im übertragenen Sinne für eine Abwendung der Menschen vom Glauben?

Nach christlicher Interpretation der Geschichte von Adam und Eva im Paradies verstoßen Adam und Eva gegen göttliches Gebot. Sie werden aus dem Paradies geworfen. Folge der Verfehlung der ersten Menschen ist die Erbsünde, die von nun an alle Menschen bis zum Jüngsten Gericht mit sich schleppen müssen. Erlösung bringt der Opfertod des Messias. Nach muslimischem Glaubensverständnis verzeiht Allah den Menschen unmittelbar nach der Vertreibung aus dem Paradies (9):

»Da empfing Adam von seinem Herrn Worte, worauf Er ihm verzieh; wahrlich, Er ist der Allverzeihende, der Barmherzige.« Eine »Erbsünde« ist im Koran nicht vorgesehen. Das heißt, es muss im Koran auch keinen Erlöser geben, der sich für die Menschen opfert und ermorden lässt.

Wenden wir uns einem dritten imaginären Bild zu! Es ist das älteste, das bislang bekannt wurde. Es hat womöglich jüngeren Bildern (Altes Testament, Koran!) als Vorlage gedient. Die niederländischen Theologen Professorin Marjo C. A. Korpel (*1958) und der emeritierte Theologieprofessor Johannes C. de Moor (*1935) haben dieses dritte »Bild« wieder entdeckt. Es entstand fast ein Jahrtausend vor der Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments und erzählt eine ganz andere Geschichte. Ihr penibel recherchiertes und fundiert begründetes Werk wurde von der »University of Sheffield«, Fachbereich »Biblische Studien« publiziert. Inzwischen liegt eine zweite Auflage in erweiterter Fassung vor (10).

Urgott Ilu schuf den Götterhimmel, die Erde als Zwischenwelt und die Unterwelt. Das Paradies liegt in der Zwischenwelt. Dor steht auch der »Baum des Lebens«. Im Himmel rebelliert Gott Horranu gegen Gott Kirtu. Der ungehorsame Horranu wird aus dem Himmel geworfen und auf die Erde verbannt.

Horranu will die Götter umbringen. Die Himmlischen müssen regelmäßig vom Baum des Lebens essen, damit sie unsterblich bleiben. Die zahlreichen Götter in himmlischen Gefilden leben also nur so lange sie regelmäßig vom Baum des Lebens naschen können. Zu diesem Zweck steigen sie regelmäßig aus dem Himmel zur Erde hinab.

Horranus perfider Racheplan: Er verwandelt sich in eine Schlange und vergiftet den Baum des Lebens. Die Welt überzieht er mit einem giftigen Nebel.

Gott Adammu, die »Urversion« des Adam, wird von den Göttern zur Erde geschickt. Sie gaben ihm totale Macht über die gesamte Erde, nicht nur über ein Flecken Erde namens Paradies. Er soll die Schlange im Baum des Lebens besiegen, damit die Götter endlich wieder Zugang zu den Früchten der Unsterblichkeit haben. Adammu wird von der Monsterschlange gebissen, verliert so im Kampf gegen den Schlangengott seine Unsterblichkeit und wird sterblicher Mensch. Die Götter machen die Muttergöttin Kubaba zur sterblichen Frau und schicken sie dem Ex-Gott Adammu, damit er nicht mehr einsam ist.

Auch auf unserem imaginären »Bild Nummer 3« sehen wir Adam und Eva. Aber beide werden als Ex-Götter gezeigt, die zu Menschen wurden. In der »Urversion« gibt es keine Schuld von Adam und Eva. Es gibt auch keine von Adam und Eva begangene »Erbsünde«.

Auf den Ugaritischen Tafeln rebelliert Gott Horranu im Himmel gegen Gott Kirtu. Ein anderer Name des Obergottes Kirtu war El. Und El begegnet uns auch im Alten Testament.

»Adam und Eva«
Fotomontage, gespiegelt
Links außen und rechts außen: Adam nach Lukas Cranach d.Ä. 
In der Mitte Eva nach Rubens
Fotomontage, gespiegelt
 


Fußnoten
(1) Sure 2, Vers 36 zitiert nach »Koran. Der Heilige Qur-ân: Arabisch / Deutsch Kindle Ausgabe von Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland KdöR (Autor), Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (Herausgeber)«, Frankfurt 2013
(2) ebenda, Sure 2, Vers 37
(3) Sure 2, Vers 38, zitiert nach »Der Koran Muslim Bibel Deutsche Ausgabe«, Kindle-Ausgabe, Simon Abram (Herausgeber/ Übersetzer)
(4) Sure 2, Vers 36, zitiert nach »Der Koran/ Übersetzung von Rudi Paret«, Kindler Ausgabe. Die unterschiedlichen Übersetzungen des Koran weichen in der Verszählung geringfügig voneinander ab.
(5) Ebenda
(6) Bei Paret ist das in Sure 2, Vers 37 zu finden.
(7) Sure 2, Vers 38, zitiert nach »Der Koran Muslim Bibel Deutsche Ausgabe«, Kindle-Ausgabe, Simon Abram (Herausgeber/ Übersetzer), hier Verse 36 und 38
(8) Sure 2, Vers 36, zitiert nach »Der Koran/ Übersetzung von Rudi Paret«, Kindler Ausgabe. Die unterschiedlichen Übersetzungen des Koran weichen in der Verszählung geringfügig voneinander ab. Die Rechtschreibung wurde unverändert übernommen.
(9) Sure 2, Vers 37, zitiert nach »Der Koran Muslim Bibel Deutsche Ausgabe«, Kindle-Ausgabe, Simon Abram (Herausgeber/ Übersetzer)
(10) Korpel, Marjo C. A. und De Moor, Johannes C.: »Adam, Eve, and the Devil: A New Beginning«, 2. erweiterte Auflage,  Sheffield, 20. August 2015


513. »Unser Gott und seine Frau«,
Teil 513 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 17. November 2019



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Sonntag, 3. November 2019

511. »Als Adammu vom Himmel stieg«

Teil 511 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Schriftzeichen aus Ugarit


»Er hat die Idee von irgendwo gestohlen, alle Ideen sind gestohlen, denn es gibt so gut wie keine originellen Ideen in der Welt.«, sagte der amerikanische Schauspieler Burt Kwouk (*1930; †2016) im Interview (1). »Alles nur geklaut« heißt ein Lied er Leipziger Band »Die Prinzen« (2). In der christlichen Theologie wird schon sehr lange erforscht, ob uralte fremde Mythen in die Bibel eingeflossen sind. Um es salopp auszudrücken: Die Autoren des Alten Testaments haben sich bei sehr viel älteren Quellen bedient und geklaut.

Freilich empörten sich nicht wenige Theologen ob der Vorstellung, das Alte Testament könnte aus Versatzstücken älterer Kulturen zusammengebaut worden sein.

Ich kann mich an die eine oder die andere Diskussion an der »Friedrich Alexander Universität« zu Erlangen erinnern. Da wurde, besonders von einigen christlichen Theologen aus der arabischen Welt behauptet, die biblischen Texte seien erst einige Jahrtausende mündlich überliefert und erst sehr spät schriftlich festgelegt und in die Bibel aufgenommen worden. Die biblischen mündlichen Überlieferungen seien die ältesten, auch wenn es auf Keilschrifttafeln ältere, vergleichbare Texte gebe. N.D., evangelisch-lutherischer Theologe aus dem Libanon: »Die Beschreibung von der Sintflut im Alten Testament (3) wurde zunächst über Jahrtausende mündlich überliefert, bevor Moses sie schließlich aufgeschrieben. Die Sumerer haben die biblische mündliche Überlieferung gekannt, einfach übernommen und auf ihren Tafeln verewigt.« Mit anderen Worten: Nicht die Verfasser des Alten Testaments haben älteres Gedankengut geklaut, sondern Sumerer und Babylonier hätten fremde mündliche Überlieferung vereinnahmt.

Die niederländischen Theologen Prof. Marjo C. A. Korpel (*1958) und der emeritierte Theologieprofessor Johannes C. de Moor (*1935) kritisierten: »Nach unserer Meinung machten frühere Generationen von Gelehrten einen großen Fehler, wenn sie versuchten, die Bibel gegen die abscheuliche heidnische Welt zu schützen, indem sie  sie in ein wasserdichtes Fach steckten. Immer mehr Parallelen zwischen dem ›Alten Israel‹ und seinen nahöstlichen Nachbarn werden entdeckt.  Es wird vollkommen klar, dass keine Theologie einfach Konzepte, die für eine vollkommen andere Situation gedacht waren, auf unsere Zeit übertragen kann. Die Bibel von ihrer Welt zu isolieren, das führt unweigerlich zu einem weltfremden fundamentalistischen Typus des Glaubens.«

Bevor Gott mit der Schöpfung beginnen konnte musste er erst Rahab besiegen (5): »Durch seine Kraft hat er das Meer erregt, und durch seine Einsicht hat er Rahab zerschmettert.« Was die meisten emsigen Bibelleser nicht wissen: Gott hat, noch bevor er mit seiner Schöpfung begann (beginnen konnte?), das Meer aufgewühlt und »Rahab« getötet. Wer oder was aber war Rahab?

Verschiedene Lutherausgaben der Bibel erklären in Fußnoten, »Rahab« sei »der Drache der Urzeit« gewesen. Tatsächlich umschreibt der biblische Prophet Jesaja Rahab als Drachen. Jesaja Feuert Gott an  (6): »Wach auf, wach auf, zieh’ Macht an, du Arm des Herrn! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat?«

Der bedeutende Theologe Prof. Dr. Hermann Gunkel (*1862; †1932) spürte die Quelle auf, aus der die biblischen Autoren das Material für den »biblischen« Drachen der Urzeit schöpften. In seinem Werk »Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit« (7) verfolgt er eine Spur vom biblischen Gott gegen das Meeresmonster Rahab weit, weit zurück in die Vergangenheit. Im babylonischen Schöpfungsmythos »Enūma eliš« wurde er fündig. Ein Exemplar des mysteriösen Epos befand sich vor rund vier Jahrtausenden in der legendären Bibliothek des Aššurbanipal in Ninive.

Was im Alten Testament kurz und bündig abgehandelt wird, das wird im Mythos Jahrtausende früher ausführlich abgehandelt. Es wird in bildhaft-fantastischer Weise geschildert, wie einst die Erde geschaffen wurde. »Der Uranfängliche« (Apsû) und »die, die alle gebar« (Tiamat) sind die Hauptakteure eines vorzeitlichen Dramas. Seltsam: »Tiamat«, »die alle gebar«, war ein Monster, ein Meeresungetüm. In der Bibel ist Eva die, die alles gebar. War also Tiamat aus dem  Schöpfungsmythos »Enūma eliš« die Vorläuferin des Meeresmonsters Rahab und der Göttin Eva?

Wie wäre es mit einem Ausflug in die Welt des Films? Nehmen wir das »Erste Buch Mose« als ein Drehbuch für einen Film über »Die ersten Tage der Menschheit«! Da sind die Hauptakteure schnell aufgezählt: Gott, die »teuflische Schlange«, Adam und Eva. Die Verfilmung eines frommen Buches garantiert heute nicht mehr hohe Einnahmen an den Kinokassen. Lassen wir uns von einem der erfolgreichsten Blockbuster inspirieren! In »Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2« (8) kommt ein Riesenmonster zum Einsatz.

In höchst beeindruckender Weise zerlegt der Krake das Segelschiff »Black Pearl« in seine Einzelteile. Ein Seemonster hat das »Alte Testament« ja auch zu bieten: Rahab. Sehr viel actionreicher geht es im babylonischen Schöpfungsmythos »Enūma eliš« zu. Da wagt Göttin Tiamat den Aufstand gegen die mächtige Göttertriade Gottvater Anu, den göttlichen Sohn Ea und den göttlichen Enkel Marduk. Gewaltige Riesenschlangen kämpfen auf der Seite der Göttin. Göttin Tiamat, selbst ein Meeresmonster, wird vom mächtigen Gott Marduk besiegt und getötet. »Enūma eliš« geht ins Detail, bietet eine Fülle von Informationen, aus denen ein guter Drehbuchautor einen an Horroreffekten reichen Blockbuster zimmern kann.

Während der biblische Gott vor der Schöpfung nur Rahab zerschlagen muss, geht im Mythos »Enūma eliš« ein Götterkrieg der Schöpfung voraus. Prof. Dr. Hermann Gunkel informiert uns in seinem Werk »Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit« über die Einzelheiten (9): »Dann erzählt der Mythus weiter, wie sich Tiamat, die ›Mutter der Götter‹, sammt den Mächten der Tiefe gegen die ›oberen Götter‹ ›empörte‹. … Im Folgenden wird nun der sich so entspinnende Krieg zwischen Tiamat und den Göttern erzählt.«

Auf der einen Seite kämpfen Anu und seine Getreuen, auf der anderen Seite Göttin Tiamat, einige weitere aufständische Götter und elf Monsterkreaturen, von Tiamat eigens für den Krieg der Götter geschaffen. Die Rebellen werden von Gott Quingu geführt. Götterkriege werden auch in jahrtausendealten Epen Indiens beschrieben. Sie wurden am Himmel ausgefochten, wobei Waffen zum Einsatz kamen, die gut in einen »STARWARS«-Film passen würden.

Seit Jahrtausenden sterben Menschen in unvorstellbarer Zahl in Kriegen. Das »Fußvolk« wird von den Staatsmännern geopfert, die selbst höchst selten im kriegerischen Gemetzel zu sehen sind. Unsägliches Leid bliebe den Menschen erspart, würden sich die irdischen Kriegstreiber so wie Gott Marduk verhalten. Marduk fordert Tiamat zum Duell. Ausgestattet ist er mit einem »Sichelschwert« und einem »Donnerkeil«. Bei dem »Donnerkeil« handelte es sich um einen doppelten Dreizack, vergleichbar mit der fürchterlichen Waffe von Gottvater Zeus. Sein Wagen wird von »furchtbaren Wesen« gezogen. Ob es an seinen Waffen lag, dass Marduk Tiamat besiegen konnte?

Der Gott der Bibel musste erst das Meeresmonster Rahab zerschmettern, um mit dem Akt der Schöpfung beginnen zu können. Genauso erging es Marduk! Erst nachdem das Meeresungeheuer Tiamat besiegt war, konnte er mit der Schöpfung anfangen. (11). Mit seinem »Sichelschwert« spaltete Marduk Tiamats Kopf, ihren Leib zerschnitt er in zwei Hälften. Daraus machte er das Universum. Sterne und Tiere werden geschaffen, da gibt es keine Unterschiede zwischen Enūma eliš und dem Alten Testament. Was aber die Erschaffung der ersten Menschen angeht, so bietet Enūma eliš eine vollkommen andere Story.

Der Anführer der Aufständischen, Gott Quingu, wird zum Hauptschuldigen erklärt und getötet. Aus seinem Blut lässt Marduk die ersten Menschen entstehen. Tafel VI des Enūma eliš lässt keinen Zweifel aufkommen: Die Menschen wurden als Sklaven für die Götter kreiert! Und wo bleibt Adam in der Geschichte? Finden sich Hinweise auf das Paradies in den uralten Texten von Ugarit?

Vor 2.400 Jahren trafen sich im Nordwesten des heutigen Syrien, im Stadtstaat Ugarit, Händler und Schriftkundige. Da wurden heute fantastisch anmutende Mythen erzählt. Ugarit war ein höchst bedeutsames Kulturzentrum. Und so entstand eine Bibliothek aus Keilschrifttafeln, die im Lauf der Jahrtausende verloren und in Vergessenheit gerieten.  Erst 1929, im Geburtsjahr meiner
Mutter Herty Gagel,  entdeckten französische Archäologen bei systematischen Ausgrabungen Keilschrifttafeln, von denen bis heute bei weitem nicht alle entziffert und übersetzt werden konnten. Man vermutet, dass in Ugarit, heute Raʾs Šamra, noch so manche Keilschrifttafel darauf wartet entdeckt zu werden. Was bis heute übersetzt werden konnte, ergibt ein lückenhaftes Mosaik. Wir erfahren eine ganz andere Geschichte von einem »Adammu« und von einem »Paradies« als die Bibel erzählt.

Wir lesen, dass es auf der Erde einst ein Paradies gab, genauer gesagt einen Weingarten oder Weinberg. Adam und Eva lustwandelten aber nicht zwischen den Weinstöcken. Von einem Sündenfall von Adam und Eva ist da auch nicht die Rede. Der Weingarten, auch Weinberg, war vielmehr den großen Göttern vorbehalten. Fast kommt es mir so vor, als wurden gestresste Götter zur Erholung in dieses Refugium geschickt. Offenbar naschten sie dann, um wieder zu Kräften zu kommen, von einem ganz besonderen Baum, den wir allerdings aus der biblischen Paradiesgeschichte kennen. Auch diesem Paradies wuchs der »Baum des Lebens«. Es scheint so, dass eben dieser Baum den Göttern nicht mehr zur Verfügung stand. Da musste eingegriffen werden!

Die Götter wählten einen aus ihren Reihen aus, den sie zur Erde sandten, um den »Baum des Lebens« für die Götter zurückzugewinnen. Der Auserwählte, der eher keine Lust hatte, die ihm gestellte Aufgabe zu meistern, war ein Gott Adammu (Adam?)!

Meine Interpretation bruchstückhafter Texte: Im »Baum des Lebens« hauste eine giftige Schlange. Beim »Baum des Lebens« angekommen, versuchte Gott Adammu, diese Schlange aus dem Baum zu entfernen, den mysteriösen Baum für die Götter wieder zugänglich zu machen. Das misslang gründlich. Adammu versagte. Er wurde von der Schlange gebissen. Unklar ist, ob Adammu starb, oder ob er nur seine Unsterblichkeit verlor. Die Vergiftung hatte, so führen niederländischen Theologen Korpel  und de Moor aus (13) »kosmische Konsequenzen«. So machte sich giftiger (?) Nebel breit, der das Sonnenlicht verdunkelte.

Sollte sich hinter der Mythologie von Adammu, der vom Himmel herab zur Erde stieg, von einer giftigen Schlange gebissen wurde und fast (?) starb und vom Nebel der das Sonnenlicht verdunkelte, eine kosmische Katastrophe verbergen?

Fußnoten
(1) Burt Kwouk im Interview mit Barry Littlechild, »The Cinema Museum«, 18.11.2010. Das Zitat lautet im Original: »He stole the idea from somewhere else, because all ideas are stolen, there are hardly any original ideas in the world.«
Zitat Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=Gl5f3mhkiV0 Stand 27.9.2019
Burt Kwouk, weltberühmter Darsteller des Cato in den »Pink Panther«-Filmen mit dem legendären Peter Sellers (*1925; †1980), bezog sich im Interview auf Blake Edwards (*1922; †2010)
(2) »Alles nur geklaut« ist das dritte Album der Leipziger Band »Die Prinzen« und wurde am 12. November 1993 veröffentlicht.
(3) 1. Buch Mose, Kapitel 7, Verse 10-24 und 1. Buch Mose Kapitel 8, Verse 1-14
(4): Becking, Bob (Herausgeber): »Reflections on the Silence of God: A Discussion with Marjo Korpel and Johannes de Moor«, Leiden 2013, Zitate aus den Seiten 174+175
(5) Hiob Kapitel 26, Vers 12
(6) Jesaja Kapitel 51, Vers 9
(7) Gunkel, Hermann: »Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit«, Göttingen 1895
(8) Originaltitel: »Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest«, etwa »Piraten der Karibik: Des toten Mannes Kiste/ Truhe« (2006)
(9) Gunkel, Hermann: »Schöpfung und Chaos in Urzeit und Endzeit«, Göttingen 1895, Seite 22 (Hinweis: Das Zitat wurde buchstabengetreu übernommen, an der Rechtschreibung wurde nichts verändert.)
(10) Ebenda, Seite 23
(11) »Enūma eliš« IV.137-146
(12) Dietrich, Manfred u.a. (Hrsg.): »Die keilalphabetischen Texte aus Ugarit, Ras Ibn Hani und anderen Orten«, Münster 2013
(13) Korpel, Marjo C. A. und Moor, Johannes C. de: »Adam, Eve, and the Devil: A New Beginning«, 2., erweiterte Auflage, Sheffield 2015,  Seite 16., 13.+14. Zeile von oben


Illustrationen
Schriftzeichen aus Ugarit



512. »Als Adam und Eva Götter waren«,
Teil 512der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 10. November 2019


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