Sonntag, 23. Februar 2014

214 »Vögel, Mythen, Fabelwesen«

Teil 214 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein



Ein Mensch reitet einen fliegenden Drachen.
Sammlung Prof. Dr. Javier Cabrera.
Foto Walter-Jörg Langbein

Anno 1912 erschien der fantastische Roman »The Lost World« (»Die vergessene Welt«) von Sir Arthur Conan Doyle. Auf einem mysteriösen Plateau in Südamerika haben Kolonien von Sauriern überlebt. Herrliche Fantasie...

In Prof. Dr. Javier Cabreras damals noch geheimer Sammlung fantastischer Statuetten sah ich in den frühen 1990ern angeblich uralte Statuetten von allen möglichen Arten von Sauriern. Manche dieser Figürchen tragen Reiter. Auch auf Flugsauriern hocken in Prof. Cabreras Museum Menschen, die die riesigen Tiere durch die Lüfte steuern. Fantastische Märchen für die Kinoleinwand... und (bei Cabrera) geschickt gefälschte Fantasieprodukte?

Anno 1945 entdeckte der deutsche Einwanderer Waldemar Julsrud bei Ausgrabungen am Fuße des »El Toro«-Berges, Acambaro, Mexiko, Tonfigürchen u.a. von Sauriern. Nachdem die wissenschaftliche Lehrmeinung »Mensch und Saurier« als unanzweifelbares Evangelium gilt, durften Cabrera- und Julsrud-Saurier nur Fälschungen sein, Fantasiegebilde wie Sir Arthur Conan Doyles Roman »The Lost World« und Camerons »Avatar«. Indes, allen Widerständen zum Trotz, erwiesen sich die fantastischen Objekte aus der Julsrud-Sammlung als echt, Jahrtausende alt.


Acambaro collection DEGUFO Archiv Sammlung Krump

33 000 Objekte umfasst die Julsrud-Sammlung, die wie durch ein Wunder Jahrzehnte in einer Scheune überlebte, obwohl sie angeblich nur aus wertlosem Plunder bestand. Niemand weiß, wie viele Artefakte heimlich verkauft wurden. Unklar ist nach wie vor, wie Menschen vor Jahrtausenden naturgetreue Saurier modellieren konnten, so als hätten sie die Riesen der Urzeit leibhaftig gesehen, wie auf Sir Arthur Conan fiktivem Plateau irgendwo in Südamerika.

Cabreras Figürchen und Julsrud Statuetten erinnern an die Drachen der Mythen... und stellen realistisch Saurier dar, die längst ausgestorben sein sollen, bevor der Mensch die Bühne des Lebens betrat. Ich habe wiederholt Cabreras Sammlungen besucht. In seinem lange Zeit der Öffentlichkeit nicht zugänglichen »geheimen Sammlung« fühlte ich mich in die Welt der Sagen versetzt, als Siegfried den Drachen des Nibelungenliedes tötete... Wie bewerten wir derlei Sagengestalten? Etwa als Ausgeburten der menschlichen Fantasie? Machen wir einen Unterschied zwischen Siegfried und dem Heiligen Georg, der auch Drachen metzelte?

Georg tötet einen Drachen. Darstellung in der kleinen Wehrkirche
von Urschalling am Chiemsee. Foto Walter-Jörg Langbein

Wie können Künstler vor Jahrtausenden, ich wiederhole mich, die Julsrud-Saurier so naturgetreu dargestellt haben? Woher bezogen christliche Künstler ihre Anregung, als sie Saurier als Drachen in frommen Kontext stellten?

Warum findet sich auf einer Fahne, die Jesus in der Kirche von Marienmünster trägt, ein Saurier?  Welche Vorlage stand dem unbekannten Maler zur Verfügung, der vor vielen Jahrhunderten in der Wehrkirche von Urschalling am Chiemsee den Heiligen Georg beim Töten eines Drachen-Sauriers zeigt? Drachen-Saurier in christlicher Kunst sind in der Regel recht klein, vielleicht etwa so groß wie ein Schäferhund.

Der Drache auf der Fahne Jesu. Marienmüsnter.
Foto W-J. Langbein

»Das Fantasieprodukte!«, bekomme ich oft zu hören, wenn ich nach der Bedeutung von fantastisch anmutenden Darstellungen frage. Diese Antwort aber zieht eine wichtige Frage nach sich: Wie ist es möglich, dass in der Fantasie des Menschen weltweit Bilder von Sauriern schlummern, und das schon seit Jahrtausenden?

Fakt ist: Drei wissenschaftliche Institute aus Nordamerika (1) haben Julsrud-Objekte getestet. Unabhängig voneinander kamen alle drei zu Ergebnissen, die nur einen Schluss zulassen: Die datierten Artefakte sind keine Fälschungen! Untersuchung wurden durchgeführt:

  • vom »Teledyne Isotopes Laboratories«, Westwood, New Jersey
  • vom »Museum Applied Science Center for Archaeology« der »University of Pennsylvania« und
  • von den »Geochron Laboratories«, Massachusetts.
Wieder muss ich fragen: Wenn vor einigen Jahrtausenden in Zentralamerika Saurier richtig dargestellt wurden, woher stammte das Wissen? Die Schöpfer der Julsrud-Plastiken können damals keine Saurier gesehen haben. Selbst wenn sie Skelette von Sauriern gekannt haben sollten, konnten sie nicht die so korrekten Darstellungen der Urechsen rekonstruieren! Sollte es so etwas wie eine Ur-Erinnerung geben, die in uns schlummert, vererbt vor unseren Vorfahren, die leibhaftige Saurier gesehen haben?

Der mysteriöse »Vogel auf der Stange« von Tanna.
Foto Walter-Jörg Langbein

Der »Vogel auf der Stange« beim
feierlichen Hissen der Flaggen.
Foto Walter-Jörg Langbein
Auf meinen Reisen zu den mysteriösesten Orten unseres Globus begegneten mir immer wieder Hinweise auf geheimnisvolle Fabelwesen. Auf Tanna in der Südsee nahm ich an der großen Jahresfeier des John Frum Kults teil. Kaum beachtet von der Wissenschaft fristet ein künstlicher Vogel sei Dasein. Gewöhnlich wird er am zentralen Punkt der Feierlichkeiten auf einer langen Stange präsentiert. Wo ehrfürchtig Fahnen gehisst werden, dort ist auf Tanna auch dieser »Vogel« präsent, wenn es denn wirklich ein gefiederter Vogel sein sollte!

Angeblich hauste das furchteinflößende Tier in unterirdischen Höhlen und kam nur selten ans Tageslicht. Der als Kultmodell so harmlos aussehende Vogel war laut Überlieferung ein wirklich kurioses Fabelwesen, das eher an eine künstliche Maschine als an ein lebendes Wesen erinnert!

Von der Südsee ins Reich der Inkas: Die Inka-Herrscher, so heißt es, besaßen einen heiligen Gegenstand, der in einer besonderen Truhe aufbewahrt wurde. Einst, so heißt es, brachte Manco Cápac den mysteriösen Kultgegenstand von einer  Reise mit ... in einer Kiste. Die wurde von Inka zu Inka weitervererbt, durfte aber nicht geöffnet werden. Erst der fünfte Inka hätte das Recht gehabt, das Kultobjekt, genannt Inti, aus seinem Behältnis zu holen.  Mayta Cápac, der vierte Herrscher des Königreiches Cusco, befreite das Ding. Es soll wie ein Vogel ausgesehen haben. Der »Anti-Vogel« begann der Überlieferung nach sofort zu sprechen und gab Ratschläge, etwa in Sachen Kriegsführung. Solcher Ratschläge konnte Mayta Cápac auch gut gebrauchen, kam es zu seiner Regierungszeit doch immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen um die Stadt Cusco.

Im »Phallus-Tempel« von Chucuito, Peru, gibt es seltsame Darstellungen in Stein, die - so wurde mir vor Ort mitgeteilt - den mythisch-legendären Iti-Vogel zeigen sollen. Oder wollte der Künstler so etwas wie einen Vogel-Menschen abbilden?

Der Iti-Vogel von Chucuito, Peru?
Oder doch ein Vogel-Mensch-Mischwesen?
Fotos Walter-Jörg Langbein

Wie viel Wahrheit mag in Mythen vom Höhlenvogel (Tanna) und vom »Vogel« Inti stecken? Inti-Vogel erinnert mich an den namenlosen Maschinen-Vogel der Südseeinsel Tanna ...

Mysteriöse, manchmal monströse Fabelwesen gibt es nicht nur in fremden Ländern, sie wurden auch »vor der Haustür« verewigt, wo man sie nun ganz und gar nicht vermutet ... zum Beispiel am Ulmer Münster, anno 1377 begonnen. In luftiger Höhe wurden Traufrinnen angebracht. Damit das auf dem Dach gesammelte Wasser nicht ins Mauerwerk eindringen kann, wurden Gargouillen angebracht, Wasserspeier die das fürs Mauerwerk gefährliche Nass möglichst weit weg vom Gebäude gespuckt wird.

Mischwesen aus Fisch und Schlange
am Münster zu Ulm.
Foto Walter-Jörg Langbein
Am Ulmer Münster entdeckte ich Gargouillen, die wirklich monströs sind... als seien sie einem Albtraum entwichen. Da gibt es – zum Beispiel- Mischwesen aus  Fisch und Schlange (2). Ein mächtiges Fischhaupt sitzt auf einem ganz und gar nicht passenden gewundenen und geschlungenen Schlangenleib. Andere Wasserspeier am gleichen Gotteshaus sind in vorbildlicher Weise realistisch und naturnah dargestellt. Wer also die Fisch-Schlangen-Monstrositäten anfertigte, war sehr wohl dazu in der Lage völlig naturgetreu zum Beispiel Rinder und Kühe darzustellen...

Naturgetreue Darstellung von realen Tieren am Münster zu Ulm.
Foto Walter-Jörg Langbein

Die Burg Eltz, eine Höhenburg aus dem 12. Jahrhundert im Tal der Elz, zwischen Maifeld und Vordereifel gelegen, hat einen »Lindwurm« als Wasserspeier zu bieten. An der Fassade von St. Jacobi, Göttingen, wimmelt es von Dämonen in unterschiedlichsten Varianten! Es sollen Dämonen sein, die die Gestalt von Drachen-, Wolfs-, Affen- oder Löwenwesen angenommen haben. Manche von ihnen haben Flügel, manche sind teuflisch gehörnt. Drachen-, Wolfs-, Affen-, oder Löwengestalt mit Flügeln, teilweise auch mit Hörnern zu sehen. Im Mittelalter war der Glaube an solche Wesen weit verbreitet. Sie sausten angeblich durch die Lüfte, stets den Menschen feindselig gesonnen!

»Der Kölner Dom«, so lese ich in einer Buchvorstellung (4), »verfügt über Wasserspeier vom 13. bis zum 21. Jahrhundert. Dämonenabwehr und Ereignisse aus der Stadtgeschichte spiegeln sich in den Wasserspeiern wieder, die am Kirchbau zur fließenden Grenze zwischen Heidentum und christlichem Gauben werden.«
Von der christlichen Kirche wurden die oft so gar nicht christlichen Wasserspeier in der Tat nicht erfunden. Sie waren schon in der Antike bekannt und zierten dort Tempeldächer (3).


Fußnoten

1) Bürgin, Luc: »Lexikon der verbotenen Archäologie: Mysteriöse Funde von A bis Z«, Rottenburg
2009, S. 22
2) Bergander, Birgit : »Wasserspeier am Ulmer Münster«, Laupheim 2004
3) Schymiczek, Regina E. G.: »Über deine Mauern, Jerusalem, habe ich Wächter bestellt/ Zur Entwicklung der Wasserspeierformen am Kölner Dom«, »Europäische
Hochschulschriften«, Reihe 28, Kunstgeschichte, Frankfurt am Main, Berlin u.a., 2004
4) Sehr empfehlenswert: Siehe 3!


215. Jesus, Atahualpa und die Pyramiden von Cochasqui
Teil 215 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 02.03.2014


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Samstag, 22. Februar 2014

Poesie am Samstag: Der Kreidekreis

ihr selbst
habt den kreidekreis gezogen
in dem ihr jetzt steht
jede von euch
fasst eine hand von ihm
er selbst
gibt das zeichen
Illustration: Sylvia B.

sie reißt ihn zu sich
was hast du anderes erwartet
und du lässt los
weil du nicht anders kannst
weil du ihm nicht weh tun willst

jetzt hat sie ihn zurück
schau ihn dir an
erkennst du ihn noch
ist das wirklich der mann
den du geliebt hast

sieh genau hin
aber achte darauf
dass er es auch bemerkt
dann wirst du 
einen todtraurigen menschen erblicken
der keine andere möglichkeit sah
wie er meinte

so wird sie ihn auch sehen können
in manchen momenten
dann 
wenn er unachtsam ist
und ihre blicke nicht erahnt

du weinst dir um ihn die augen aus
und weit und breit
kein weiser richter
der sein bindendes urteil spricht

er musste sich entscheiden

wir glauben zu wissen
was sein herz sagte
und was der kopf
dagegen setzte

ein kreidekreis
nicht in augsburg
nicht in kaukasien

und ich sehe
drei unglückliche menschen
die nicht wissen
wie es weitergehen soll

Text: Sylvia B.

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nimm es nicht persönlich
Poetische Texte und erotische Bilder
von Sylvia B.
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Montag, 17. Februar 2014

Ein Jahr Fido Buchwichtel auf »Ein Buch lesen!« - das große Interview

Seit fast genau einem Jahr hat sich Fido Buchwichtel zu unserem Team gesellt und stellt seitdem jeden Montag ein Buch vor. Zeit für ein Interview mit der kleinen Leseratte: Die Redaktion von »Ein Buch lesen!« sprach mit Fido Buchwichtel.


Fido (vorne),
spananische Loreley
Foto: Selbstauslöser
Frage: Lieber Fido, Du bist einer der wenigen Wichtel, die es geschafft haben, sich im Netz so richtig breitzumachen, was uns allen schon ein Jahr lang jeden Montag sehr viel Spaß bereitet. Woher hast Du nur diesen enormen technischen Durchblick, verglichen mit anderen Wichteln?

Fido Buchwichtel: Danke für das Lob. Aber das mit dem Durchblick kommt Dir nur so vor! Wenn ich aber etwas anmerken darf: Meinen ersten Internetauftritt hatte ich bereits im Dezember 2012 mit meinem Adventskalender. Und auch im vergangenen Jahr öffnete sich jeden Tag ein Türchen im Advent auf meinem Blog.


Frage: Deine Adventskalender waren wirklich eine Schau! Woher hast Du nur die Zeit genommen, Dich auch noch mit HTML-Codes auseinanderzusetzen? Ist bei Euch Wichteln um Weihnachten herum nicht Großkampfzeit angesagt?

FB: Nun, die Weihnachtszeit ist schon heftig für uns Wichtel. Irgendwann im November meldet sich der Weihnachtsmann bei uns. Das ganze Jahr verpennt er irgendwo in Lappland und dann muss plötzlich alles ganz schnell gehen. Jedes Jahr der gleiche Stress und immer auf den Knochen von uns Wichteln, wir sind ja quasi Saisonarbeiter und noch dazu unterbezahlt. Oder würdest Du Dir für 20 Bucheckern die Stunde die Füßchen platt laufen? Na also. Was ist denn HTML?


Frage: So etwas würde ich glatt als Ausbeutung bezeichnen! Denkt Ihr nie darüber nach, Euch zu wehren?

FB: Ausbeutung könnte es treffen. Aber wir Wichtel sind nicht alleine betroffen, denke an die armen Rentiere. Wenn der Weihnachtsmann wenigstens über die Sommerpause Diät machen würde, aber daran denkt der im Traum nicht. Die armen Rentiere müssen dieses Übergewicht und die schweren Päckchen für Euch Menschen schleppen. Und das alles nur für irgendwelche Erwartungshaltungen zu Weihnachten. Den armen Elchen geht es aber noch schlechter. Sobald irgendeine nordische Autofirma ein neues Modell herausbringt, müssen die Elche herhalten, nur damit die Autofritzen mit bestandenen Tests prahlen können. So etwas gehört an den Pranger gestellt.


Frage: Ja, es tut einem in der Seele weh! Findest Du denn mit Deiner Tätigkeit als Bloggerwichtel wenigstens ein wenig Ausgleich?

FB: Ja, ich bin absolut froh, jetzt als Literaturkritiker bei »Ein Buch lesen!« tätig zu sein. In gewisser Weise bin ich also als Aussteigerwichtel zu bezeichnen.


Frage: Treten denn manchmal Autoren mit unmoralischen Angeboten an Dich heran, um eine besonders verkaufsfördernde Besprechung zu erhalten, um es mal vorsichtig auszudrücken?

FB: Ein Wichtel, der auf sich hält, ist unbestechlich! Aber natürlich könnte ich in der Zeit, in der ich ein Buch lese und bespreche, jede Menge Bucheckern sammeln ... sagen wir mal, mindestens 50 …


Frage: Lieber Fido, Deine Lieblingsaussagen sind ja: »Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen!« Ist das nicht ein wenig zu aufdringlich?

FB: Nö, man muss den Leuten schon sagen, was sie wollen sollen. Sonst kommt man zu nix.


Frage: Fido, Du bist ganz schön frech, findest Du nicht?

FB: Das sagt meine über alles geliebte Wichtelfrau auch immer!


Frage: Lieber Fido, Du liebst ja Menschenbücher! Wie kannst Du die schweren Dinger nur heben mit Deinen kleinen Ärmchen? Bist Du nicht insgesamt nur 30 cm groß?

FB: Ja, das ganze Dorf schleppt das Buch und stellt es auf Marktplatz, alle helfen beim Umblättern, das geht natürlich nur bei gutem Wetter, das lesen.


Frage: Wie man hört, gehst Du bald auf Reisen. Magst Du unseren Lesern ein bisschen mehr darüber verraten?

FB: Das stimmt. In diesem Jahr werde reisen. Mich interessieren ja nicht nur die Bücher, sondern auch die Orte, von denen die Rede ist. Besonders freue ich mich auf die nächste Zeit. Walter-Jörg Langbein nimmt mich mit auf große Fahrt. Ich darf vielleicht schon verraten, dass unser Ziel die Osterinsel ist. Dort werde ich erst einmal Eier suchen gehen und mir von Walter die Sehenswürdigkeiten erklären lassen. 



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Sonntag, 16. Februar 2014

213 »Phallus und Göttin«

Teil 213 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Landkarte mit Hinweis auf Chucuito
(wiki commons/ gemeinfrei)




Von Puno bis Chucuito sind es nur 18 Kilometer. Ich legte die kurze Strecke in einem Taxi zurück. Die Fahrt war atemberaubend, weniger wegen der schönen Landschaft, sondern wegen des Fahrstils meines Chauffeurs. Der versuchte offenbar, einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen. Der Mann könnte ohne Probleme gefährliche Stunts in einem Film übernehmen. Meine Empfehlung: Entweder mit dem Bus fahren, das schont Nerven und ist sehr viel sicherer. Oder man bietet dem Taxifahrer den doppelten Fahrpreis an, wenn er auf riskante Manöver verzichtet ...

Chucuito, am Titicacasee gelegen, hat eine glanzvolle Vergangenheit. Es war einst eine Metropole der Inka und der Lupaca.  Auch die Spanier maßen dem uralten Ort große Bedeutung zu. Chucuito blieb die Hauptstadt der Region. Die Spanier bauten imposante Kirchen im kleinen Fischerdorf: »Iglesia de Nuestra Senora de la Asuncion« und »Iglesia Santo Domingo«. Wer auch immer in den Gotteshäusern predigt, wettert gewöhnlich gegen das »Sodom und Gomorrha« von Chucuito ...

(Die Maria von Chucuito. Foto Wiki commons, Foto Leon Petrosyan)


Der Stein des Anstoßes ist eher unscheinbar, heute zumindest ... »Inca Uyo«. Leicht übersieht man die Mauer aus glatt polierten Steinen. Das steinerne Geviert hat – ich habe selbst ein Maßband angelegt – eine Länge von zwanzig und eine Breite von zehn Metern. Und doch muss dieses kleine Mauerwerk vor rund einem halben Jahrtausend für Nachkommen der Inkas und Lupacas immer noch so wichtig gewesen sein, dass die Spanier es nicht abzureißen wagten.

(Der Verfasser wird von jungen Verkäufern bestürmt.
Foto Ingeborg Diekmann)

Ich erinnere mich an meinen Besuch im »Inca Uyo«-Tempel. Zwei kleine Kinder boten mir und meinen Begleitern kleine gestrickte Fingerpuppen an. Zunächst wollten sie pro Fingerpuppe einen Dollar kassieren. Ich zögerte, und schon sank der Preis auf die Hälfte. Ich zückte schon meinen Geldbeutel, um einige der kleinen innig fein gestrickten Minitierchen zu  erwerben, da strömten schon die nächsten kleinen Händler ins Tempelareal. Sie boten zehn Püppchen für einen Dollar. Der Preis erschien mir als zu niedrig für die wirklich schönen kleinen Kunstwerke aus bunter Wolle. Also machte ich ein Angebt: Fünf Minifingerpüppchen für zwei Dollar.

Kaum stand mein Angebot, war ich von Kindern unterschiedlichster Größe umringt, die mir alle schreiend und lachend ihre Ware anboten ... Fingerpüppchen in Gestalt von Löwen, Schildkröten, Hühnern, Affen, Pferden. Ich glaube, ich habe die Produktion von Wochen, wenn nicht gar Monaten aufgekauft ... Der Handel blühte an jenem Tag im Areal des »Inca Uyo«-Tempels. Warum wird der kleine »Hof« im Mauerwerk von der christlichen Geistlichkeit als ein »Sodom und Gomorrha« verabscheut? Es sind die Phallusse unterschiedlicher Größen, die wie Steinpilze aus dem Boden wachsen.

(Phallusse in allen Größen ...
Foto: Walter-Jörg Langbein)
»Diese unzüchtigen Steine müssen zerschlagen werden!«, hatte ein Professor vom Fachbereich »Altes Testament« gewettert, als wir bei meinen Vorbereitungen für den Besuch in Chucuito auf den geheimnisvollen »Inka-Tempel« zu sprechen kamen. »Dort wird das männliche Genital in unziemlicher Weise dargestellt! Zerschlagen müsste man diese Obszönitäten!« Rechts und links vom schmalen Eingang des Mauerwerks steht je ein steinerner Phallus. Mich erinnern sie an die beiden Säulen »Jachin« und »Boas« am Eingangstor zum Tempel von Jerusalem (1).

Aber sind die steinernen Phalli wirklich Obszönitäten, wie der gelehrte Theologe evangelisch-lutherischen Glaubens meinte? Die vielleicht ältesten »Phalli« gehörten im »Alten Indien« zu den heiligsten Symbolen. Eine uralte Überlieferung erklärt ihre wahre Bedeutung:

Im »Alten Indien« stritten sich einst die Götter, wer von ihnen denn der Höchste sei. Sie konnten sich nicht einigen. Da tauchte gerade noch rechtzeitig am Himmel eine riesige Feuersäule auf. Die war so riesig, dass selbst Gott Brahma nicht an ihr oberes Ende fliegen konnte. Und Gott Vishnu gelang es nicht,  bis zum unteren Ende vorzudringen. Das obere Ende ragte weit in den Himmel, das untere Ende weit in die unergründlichen Tiefen des Meeres.

Schließlich öffnete sich die Feuersäule ... und in ihr erschien Gott Shiva, der Höchste aller Götter. Die Feuersäule Shivas, so heißt es, war die Urform des altindischen Linga(m). Bis heute wird er in Stein und Holz nachgebildet und nach wie vor vordergründig sexistisch missverstanden. Dabei kennen wir Gott Shiva unter anderem Namen aus dem »Alten Testament« ....

Auch wenn es bibelfromme Christen abstreiten, so kennen wir Shivas »Lingam« aus der Bibel. Gott Shiva erschien in der Feuersäule, der biblische Gott Jahwe erschien in der Feuersäule (2): »Und Jahwe zog vor ihnen her … des Nachts in einer Feuersäule.« Wie sich doch die Bilder gleichen!


(Foto: Walter-Jörg Langbein. Aufgenommen in Konarak, Indien)

Scheinbar »erotische« Darstellungen in alten indischen Tempeln wurden von Missionaren vor Jahrhunderten als »sündhaft unsittlich« gesehen. Es gab Überlegungen, die Kunstwerke zu zerstören, was aber zum Glück unterblieb. Wenn sich Göttinnen und Götter vereinen, steht dies für etwas Heiliges. Es geht nicht um akrobatischen Sex, sondern um das Miteinander der Kräfte, um den ewigen Kreislauf des Lebens.

Betrachtet man die »Phalli« von Chucuito genauer, so stellt man fest, dass es zwei »Modelle« gibt. Die einen stehen in steinerner Pracht da. Die anderen wurden mit der Spitze nach unten eingegraben. Warum? Die Spitze der einen weist ins Erdinnere, ins Reich der Pacha Mama. Die Spitze der anderen verbindet die Erde mit dem himmlischen Reich des Sonnengottes Inti. Wie sich doch die Bilder gleichen! Der Linga(m) Shivas reichte aus den Tiefen des Meeres in den Himmel. Die »Phalli« von Chucuito verbinden das Reich der Muttergöttin mit den Gefilden des männlichen Sonnengottes!

Im »Heiligen Land« der Bibel war Jahwe keineswegs immer der einsame, alleinige Gott. Ihm zur Seite stand eine Göttin aus vorbiblischen Zeiten, Ascherah genannt. Über viele Jahrhunderte war die Göttin im Allerheiligsten des Tempels präsent. Je mehr Anerkennung Jahwe im Verlauf der Jahrhunderte als der Gott des »Heiligen Landes« zuteil wurde, desto heftiger wurde Göttin Ascherah bekämpft. So lesen wir im 5. Buch Mose (3): »Du sollst dir keinen Holzpfahl als Ascherahbild errichten bei dem Altar Jahwes.«

Barbara Walker bringt es in ihrem viel beachteten Lexikon auf den Punkt (4): »Eine Zeit lang akzeptierte Ascherah den semitischen Gott El als ihren Geliebten. Sie war die Himmelskuh, er der Stier.« El war, was gern verdrängt wird, einer der vielen Beinamen des biblischen Jahwe. Kurios: Während sonst die »Säule« Symbol des männlichen Gottes ist, steht im Allerheiligsten von Jahwes Tempel der »Pfahl« für die Göttin.

Ascherah war dem bekanntesten Bibelübersetzer Martin Luther ein Dorn im Auge, so dass er den Namen »Ascherah« aus der Bibel verschwinden ließ. In den meisten neueren Übersetzungen aber ist Ascherah wieder an die Seite Jahwes zurück gekehrt. (5)

(Einige der Phallusse im Tempel.
Foto Leon Petrosyan. Wiki commons, gemeinfrei)

Inzwischen weiß man, dass die Mauern von Chucuito astronomische Bedeutung hatten.Verbindet man die beiden gegenüberliegenden Ecken mit dem schmalen Eingang im Steingeviert, dann bilden eben diese beiden gegenüberliegenden Ecken mit dem Eingang den exakten Schnittpunkt der Nord-Süd und Ost-West-Achse. Deshalb wird vermutet, dass »Inca Uyo« zur astronomischen Beobachtung diente (6).

20 mal 10 Meter misst das Mauergeviert von Chucuito. War es einst Teil eines weitaus größeren Komplexes? Ein Archäologe erklärte mir vor Ort, der »Phallus-Tempel« sei das zentrale Kernstück einer sakral-astronomischen Anlage gewesen. Man habe Sonne, Mond und Sterne beobachtet, wie die Mayas auf ihren Pyramiden und die Wissenden Indiens. Wie auch immer: Mit schmuddeligem Sex hat Chucuito ebenso wenig zu tun wie Shivas Linga(m) und Jahwes »Feuersäule«. Es geht um die Verbindung zwischen unten und oben, zwischen Himmel und Erde. Von einem »Fruchtbarkeitskult« ist immer wieder die Rede, wenn es um Chucuito geht.

Schon die ersten Missionare erkannten, wie wichtig den Menschen der Anden die »Heilige Mutter« war. Sie setzten Maria mit der alten Göttin gleich, was von den Inkas und ihren Nachfahren akzeptiert wurde. Was die Menschen – nicht nur in Peru – nicht verstanden, das war das Verbot, auch weiterhin zu Pacha Mama zu beten, ihr weiter zu huldigen. Dieses häufig mit grausamer Gewalt propagierte Verbot wurde nur oberflächlich befolgt.

Maria von Guadalupe.
Foto W-J.Langbein
Sowohl bei den Mayas als auch bei den Inkas ersetzte nach der Christianisierung Maria heidnische Göttinnen. Eines der wichtigsten Marienheiligtümer der Welt finden wir in Guadalupe, Mexico. Wo heute öffentlich Maria verehrt wird, wird auch heute noch zur Aztekengöttin Tonantzin gebetet. Und aus Pacha Mama wurde offiziell Maria, auch wenn heute noch Pacha Mama verehrt wird, gleichberechtigt mit Maria.

Pacha Mama war die personifizierte Mutter Erde, ihr Name lässt sich mit »Mutter Welt«, auch »Mutter Kosmos« übersetzen. War? 2008 wurde Pacha Mama in die Verfassung Ecuadors aufgenommen, als Prinzip »Leben im Einklang mit der Natur«.









Fußnoten
(1) Siehe 1. Buch der Könige Kapitel 7, Verse 13-22
(2) 2. Buch Mose Kapitel 13, Vers 21
(3) 5. Buch Mose Kapitel 16, Vers 21
(4) Walker, Barbara: »Das Geheime Wissen der Frauen«, Frankfurt 1993, S. 67
(5) Langbein, Walter-Jörg: »Lexikon der biblischen Irrtümer«, München 2003, siehe Kapitel »Ascherah: Rückkehr einer Göttin«, S. 16-21!
(6) Schmidt, Kai Ferreira: »Peru Bolivien/ Handbuch für individuelles Reisen und Entdecken«, 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Markgrönnigen 6/ 2000, S. 381

214. Vögel, Mythen, Fabelwesen
Teil 214 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 23.02.2014

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Samstag, 15. Februar 2014

Poesie am Samstag: Die Diva

Illustration: Sylvia B.
sie ist eine diva
und schon sehr lange ganz oben
wo sie sich auch hält
wie eine festung
die mächtig den zeiten trotzt

ich bewundere sie
aber beneiden
tue ich sie nicht
denn das geschäft ist hart

als kotzbrocken
kann ich nachvollziehen
dass irgendwann
ein moment kommen kann
in dem auch eine diva
den kotzbrocken herauskehrt

neulich und eher beiläufig
hörte ich von dem versuch einer kritik
der sie sich stellen sollte
die dumme frage
einer kleinkarierten krämerseele
sollte die diva beantworten
ich hätte die aushorche ignoriert
aber ich bin auch nur ein kotzbrocken

diven gehen mit solchen fragen anders um
und so gab es von ihr eine reaktion
keine antwort auf die frage
eher ein kommentar

wenn ich
ein arschloch hören will
dann furze ich

ich gebe zu
nicht nur die wortwahl
auch die art wie sie es sagte
hat mich schwer beeindruckt
und ja
vor dem spiegel habe ich beides
fleißig geübt
denn
auch kotzbrocken sollten hin und wieder
wenn es denn die situation gebietet
die diva herauskehren
was ich übrigens schon
durchaus mit erfolg
getan habe

Text: Sylvia B.


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Montag, 10. Februar 2014

Fido Buchwichtel: Wichtel über Bord

Hallo liebe Menschen!

In der vergangenen Woche habe ich ein richtiges Abenteuer erlebt. Davon muss ich Euch unbedingt berichten!

Folgendes ist geschehen:
Wie Ihr ja wisst, ist meine Verwandtschaft über den ganzen Globus verteilt. Regelmäßig besuchen wir uns. So führte mich meine Reise zu den Spananischen Inseln. Sozusagen war Inselhopping angesagt. Ein lieber Schwippschwager von mir lebt mit seiner Sippe auf einer dieser Inseln. Er pflegt gute Kontakte zu den einheimischen Menschen. Und so kam es, dass ich zu einer Bootsfahrt eingeladen wurde. Die verlief zuerst sehr angenehm.

Aber dann musste ich natürlich ein Foto von mir schießen. Dieses Geschlunse mit dem Selbstauslöser bringt mich noch eines Tages um, ich sage es Euch! Hier ist das Bild von mir, da bin ich noch ganz gut getroffen. Dummerweise wollte ich mich danach ablichten, wie ich es mir gemütlich an der Reling machte. Dabei habe ich nicht berücksichtigt, dass zwar die Vorschriften auf Fahrgastschiffen für Menschen eingehalten worden sind. Aber die gelten nicht für Wichtel. Was soll ich Euch sagen: alles ging plötzlich ganz schnell!

Ich konnte noch nicht einmal »Blaubeerkuchen« stöhnen, da trieb ich arme dicke Nudel schon auf offener See und die ist unendlich, berücksichtigt bitte meine Körpergröße! Während die Wellen über meinen armen Kopf schlagen wollten, konnte ich aber eine menschliche Stimme vernehmen: »Sodom und Gomera!«, ich vermute, das ist ein einheimischer Notruf, »WICHTEL ÜÜÜBER BOOORD!«, und »ALLE MAAASCHIIIINEN STOOOOOHHOOOOPPPPP!«

Meine Güte. Ich dachte wirklich, jetzt hat mein letztes Stündchen geschlagen. Wild schlug ich mit meinen kleinen Ärmchen um mich. Ihr müsst wissen, ich kann nicht schwimmen. Meine Gedanken waren bei meiner über alles geliebten Wichtelfrau. Und bei meinen armen Wichtelkindern. Sollten die zu Halbwaisen werden, nur weil ihr Papa für einen kleinen Augenblick unaufmerksam gewesen war? 

Ich sag Euch was. In einer solchen Situation wird der Moment zur Ewigkeit. Ehrlich gesagt, war ich sehr mit mir selbst beschäftigt. So merkte ich erst gar nicht, wie ich das Wasser verließ. In einem Netz. Genauer gesagt, hatte der Mensch, der das Boot führte, mich mit einem Kescher herausgefischt. Ich war sicher in dem Netz eines guten Menschen, will ich mich jetzt poetisch ausdrücken. Dieser Mensch führte das Netz ganz nahe an sein Gesicht, betrachtete mich aufmerksam und sagte dann: »Na, da ist mir ja ein seltenes Fischlein ins Netz gegangen!« Dann lachte er und brachte uns an sichere Ufer.

Das ganze Wichteldorf war am Strand versammelt. Ich habe mich dann schnell hinter einen Sonnenschirm verzogen. Schließlich musste ich meine nassen Sachen irgendwie trocknen. Mein Schwippschwager hat dann heimlich Fotos von mir gemacht. Er kam mit der Technik nicht klar, das war aber auch gut so, wer will schon Fotos von einem nackigen Wichtel sehen. 

Die Geschichte hätte auch böse für mich enden können. Wenn ich mich nämlich in anderen Netzen verfangen hätte, wie es 
Hanns B.Überschreck in
sehr gut beschreibt.

Jetzt muss ich mich ersteinmal im Kreis meiner Lieben von diesem Abenteuer erholen.

Winke winke Euer

Fido Buchwichtel



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Sonntag, 9. Februar 2014

212 »Der ›Inka-Tempel‹ und Maria«

Teil 212 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Hinweis auf das Geheimnis von Otuzco.
Foto Walter-Jörg Langbein

Otuzco, Peru. Die mysteriöse Stätte liegt 8 Kilometer nordöstlich von Cajamarca. Wer von guter Kondition ist, kann von Cajamarca aus zu Fuß gehen. Einheimische weisen dem Wanderer gern den Weg. Aber Vorsicht ist geboten: Der Ort Otuzco liegt 2641 Meter über Normalnull. Die Kultstätte gar bei 2850 Metern über Null. Der in jedem Hotel, in jeder Pension, in Supermärkten, aber auch auf Märkten angebotene Mate-Tee hilft, mit der dünnen Luft der Anden besser zurecht zu kommen.

Löcher in der Felswand. Foto Walter-Jörg Langbein

Plötzlich stehen wir vor der eigenartigen Struktur. Die Felswand erinnert an eine Bienenwabe aus Stein. Bienen bauen ein Wabengebilde aus Wachs. Wie von einer Maschine gestanzt sehen die kleinen sechseckigen Zellen aus, in denen die fleißigen Bienen Honig und Pollen lagern, aber auch Bienenlarven aufziehen. Mit Honig gefüllte Zellen werden mit einer Wachsschicht verschlossen. Im Winter wollen sich die Bienen von ihrem Honig ernähren. Um an den Honig der Bienen zu kommen, entfernt der Imker diese Wachsschicht wieder...

Die Löcher in der Felswand erinnern mich an geöffnete Zellen einer Bienenwabe... aus Stein! Die mysteriöse Stätte trägt den Namen »Ventallias de Otuzco«, »Fenster von Otuzco«. Was verbirgt sich hinter den unzähligen kleinen Fenstern? Das heißt: Was befand sich einst hinter den Fenstern? »Die Inkas haben ihre Toten hier bestattet!«, heißt es. Das ist mehr als unwahrscheinlich. Warum sollten die Inkas nur bei Otuzco und Combayo (auch von Cajamarca gut zu erreichen) derartige Nekropolen geschaffen haben?

Ein Archäologe vor Ort berichtete mir von einer lokalen Überlieferung. Demnach fanden die Inkas die Fenster von Otuzco bereits vor. Sie enthielten Tote. Die Inkas, so heißt es weiter, holten die Leichname aus ihren Gräbern und funktionierten die  Begräbnisstätten um, in »collcas« (Quechua-Sprache)... als Lagerräume für Getreide.

Fenster, Fenster.. Höhleneingänge..
Foto Walter-Jörg Langbein

Die Fenster  sind in der Regel rechteckig, manchmal quadratisch und haben eine Höhe von 50 bis 60 Zentimetern. Hinter den Fenstern schließen sich höhlenartige Räume an. Manche sind vergleichbar mit kleinen Zimmern, in die Tageslicht fällt. Andere sind geradezu unheimliche, schlauchartige, acht bis elf Meter lange Gänge. Welchem Zweck sie auch immer dienten: Als Getreidespeicher wie als Grabstätten waren die langen Gänge denkbar ungeeignet. Auch halte ich es für mehr als unwahrscheinlich, dass die Inkas just dort Getreide lagerten, wo zuvor Tote verwesten.

Einigkeit scheint inzwischen weitgehend in einem Punkt zu herrschen, nämlich dass die »Fenster« mit anschließenden »Räumen«, »Röhren« oder »Gängen« zu Zeiten der Inkas schon längst bestanden haben. Wer hackte die Zimmer, wer trieb die mysteriösen Tunnel in das nicht sonderlich harte Vulkangestein? Und warum? Die kleinen Räume sind sowohl als Krypten wie als Lager vorstellbar. Welchem Zweck aber dienten die Gänge, die nicht begehbar waren wegen ihrer geringen Höhe und Breite?

Es ist nicht schwer, Vulkangestein zu bearbeiten. Man kann mit einfachen Werkzeugen Gänge oder Räume anlegen. Mühsamer ist es allerdings eine Röhre von beispielsweise 60 mal 60 Zentimetern zehn Meter weit in weichem Gestein anzulegen. Dabei müssen die Bergleute auf dem Bauch liegend geschuftet haben. Je tiefer sie vordrangen, desto mühsamer wurde der Abtransport des herausgebrochenen Materials ins Freie, von der Luftzufuhr für die malochenden Arbeiter ganz zu schweigen. Und zu welchem Zweck schufteten sie?

Bizarre Felslandschaften säumen unseren Weg.
Foto Walter-Jörg Langbein

Mich erinnern diese mysteriösen Gänge an ganz ähnliche Anlagen in Deutschland, zum Beispiel in Bayern, an die sogenannten Schratzelhöhlen.

Ich selbst war vor Ort in Otuzco. Die zimmergroßen Räume waren überhaupt nicht spektakulär. Meine Neugier, eine der Röhren zu erkunden, war eigentlich groß, zumal nach örtlichen Überlieferungen der mutige Forscher auf ein weit verzweigtes Tunnelsystem stoßen soll, das viele Kilometer weiter zu uralten Kultstätten führen soll.

Mein Interesse war aber doch nicht groß genug, tatsächlich durch eines der »Fenster« zu kriechen. Vor Feuchtigkeit hätte ich mich nicht fürchten müssen. Ein Archäologe versicherte mir, dass die Erbauer der Anlage Rinnen in den Gängen angebracht haben. So wurden sie selbst bei starken Regenschauern nicht überschwemmt und blieben trocken. Dennoch verzichtete ich auf eine Erkundung. Die Vorstellung, bäuchlings zehn Meter weiter ins Ungewisse zu krabbeln, fand ich schon bedenklich, von der Rückkehr ans Tageslicht ganz zu schweigen.

»Wenn sie eine plausibel scheinende Erklärung suchen...«, schlug mir ein Archäologe vor Ort vor, »dann nennen Sie doch die Anlage in ihrer Gesamtheit einfach ›Inkatempel‹!« Ob ich ihn denn mit diesem Vorschlag namentlich zitieren dürfe. Der studierte Mann winkte lachend ab. »Nur das nicht! Vielleicht nutzten die Inkas tatsächlich Räume und Gänge zu kultischen Zwecken, wer weiß. Die ganze Gegend hier scheint so etwas wie heiliges Gebiet gewesen zu sein. Schon lange vor den Inkas.« Dank der konkreten Anweisungen des Archäologen und unserer beiden Führer kamen wir dann zu einer mysteriösen Höhle... nach einiger Anstrengung.


Unser Ziel: Eine »Zyklopenhöhle«.
Foto Walter-Jörg Langbein


Der Fußweg in scheinbar immer dünner werdender Luft führte uns durch eine bizarr anmutende, karge Gebirgslandschaft. Bald erspähten wir in der einen Vulkankegel.. unser Ziel. Der Vulkanstumpf wies einen Eingang auf, der ein wenig an die Höhle des Polyphem in der griechischen Odysseus-Sagenwelt erinnert. Die Hohle selbst diente kultischen Zwecken. Leider haben »kultivierte« Besucher aus der »zivilisierten« Welt Namen und sonstige Inschriften in die Höhlenwand kratzen müssen, wobei sei uralte Kunstwerke vollkommen zerstörten.


Im Inneren der Kulthöhle. Foto Walter-Jörg Langbein

Der Boden der Höhle wurde ganz offensichtlich penibel geglättet. Nischen wurden in den Wänden angebracht, in denen einst Statuetten gestanden haben mögen. Von »Muttergöttinnen« sprach der Archäologe vor Ort.

Der »gehörnte Teufel mit Schwanz«.
Foto Walter-Jörg Langbein

Halbwegs zu erkennen ist noch die Darstellung einer unheimlich wirkenden Gestalt, die womöglich vor Jahrtausenden an die Höhlenwand gemalt wurde.... Das Wesen kann aus christlicher Sicht als »gehörnter Teufel« mit Schwanz gesehen werden.

Wie lange Otuzco ein Zentrum auch von religiöser Bedeutung war? Wir wissen es nicht. Ob in der Höhle wirklich Muttergöttinnen verehrt wurden? Wir wissen es nicht. Es ist aber nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Weltweit ist zu beobachten, dass das Christentum just dort bedeutende Kirchen errichtete, wo zuvor heidnische Kulte betrieben wurden.

Abschied vom mysteriösen Otuzco. Foto: Walter-Jörg Langbein


Nach Otuzco -10 000 Einwohner – strömen am 15. Dezember Jahr für Jahr 100 000 gläubige Katholiken, um die »Virgen de la Puerta«  (»Jungfrau vor der Tür«) zu ehren! Otuzco ist das bedeutendste Marienheiligtums Nordperus. Angeblich tauchten anno 1674 Piraten vor Trujillo auf und plünderten einen Ort nach dem andern. Auch Otuzco war bedroht. Die Katholiken von Otuzco aber – so wird überliefert – stellten ihre Marienstatue vor das Stadttor. Die Piraten verzichteten darauf, Otuzco einzunehmen und zogen ab. Seither wird am 15. Dezember das große Fest der Maria von Otuzco zelebriert.

In einer Prozession wird die verehrte Statue der Gottesmutter durch die Straßen getragen. An den übrigen Tagen im Jahr befindet sich die Gottesmutterfigur aber nicht in der Kirche, sondern in einer Art Glasschrein außerhalb des Gebäudes auf einem Balkon. So können die Gläubigen jederzeit einen Blick auf ihre »Mamita« werfen. Ratsuchende bitten die stets prächtig gekleidete Marienfigur um Hilfe. Vor wichtigen Entscheidungen wenden sie sich an »Mamita« und glauben aus ihren Augen eine Antwort ablesen zu können.

»Virgen de la Puerta«. Foto gemeinfrei
Wie mag der Kult um die »Virgen de la Puerta« entstanden sein? Ob es die plündernden Piraten wirklich gegeben hat? Historisch verbürgt ist die Legende nicht.

Die Erzdiözese Freiburg ist mit der Kirche von Otuzco partnerschaftlich verbunden. Reinhold Nann, Freiburger Diözesenpriester, Pfarrer von Trujillo, geht davon aus, dass mit der Christianisierung in Peru ein Wechsel stattgefunden hat. Die von den »Heiden« verehrte Muttergöttin Pacha Mama wurde durch »Virgen de la Puerta« ersetzt. So sollte den Nachkommen der Inka der Wechsel zum Christentum erleichtert, die alte Religion mit Pacha Mama vergessen werden.







213. Phallus und Göttin
Teil 213 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 16.02.2014



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Montag, 3. Februar 2014

Fido Buchwichtel macht sich eine fluffige Zeit

Hallo liebe Menschen!

Viele Grüße aus dem sonnigen Spananien schicke ich Euch. Mir geht es gut, meinem Schwippschwager, bei dem ich gerade Urlaub mache, auch. Gestern waren wir im Botanischen Garten, schaut mal, ist das Bild nicht schön? Vorne könnt Ihr mich sehen, hinter mir den Garten.

... irgendwann habe ich das raus,
das mit dem Selbstauslöser ...
Das Leben hier lässt sich für Wichtel wie mich ganz einfach und unkompliziert gestalten. Ihr Menschen macht es Euch manchmal wirklich unnötig schwer, wie ich immer wieder feststellen kann. Zum Beispiel halten sich unsere Völker keine Beamten. Also brauchen wir uns auch nicht bemühen, es denen recht zu machen. Wir haben auch keine Baumärkte und darum auch keine Mitarbeiter, von denen wir eine Auskunft haben möchten. Das alles überlassen wir Euch Menschen und amüsieren uns königlich, wenn wir Bücher lesen, in denen genau über solche Situationen des menschlichen Seins berichtet wird, in denen Euch längst das Lachen vergangen ist.

Mir ist ein besonderes Buch aufgefallen, in dem ich skurrile Geschichten, tiefgründige Fabeln aber auch Gedichte vom Lachen und vom Weinen gefunden habe. Der ganz normale menschliche Alltag, mit all seinen Facetten ist beschrieben und lässt uns Wichtel tief in die menschliche Seele blicken. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es dem ein oder anderen Erdenbürger einen Spiegel vorhält. Und in einen solchen zu blicken, könnte auch nachdenklich machen. Das lese ich jetzt am Strand, wo ich mir eine fluffige Zeit machen werde:

g. c. roth 
Taschenbuch: 104 Seiten
ISBN-13: 978-3837055979
Preis: 9,80 €

Auch als E-Book
Kindle-Preis: 8,49 €

Bis nächste Woche und winke winke Euer

Fido Buchwichtel



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Sonntag, 2. Februar 2014

211 »Viracocha«

Teil 211 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein

»Viracocha«- ein Name von vielen für den großen Schöpfergott
der peruanischen Anden.
Foto: Archiv Walter-Jörg Langbein

Bevor Südamerika von christlichen Entdeckern aus Europa heimgesucht wurde, wurde in Peru ein mächtiger Schöpfergott verehrt. Für viele Inkas war er namenlos, trug aber zahlreiche Ehrentitel wie Ilya-Tiqsi Wiraqoca Pacayacaciq. Viracocha mag ein Name sein, der aus einem Ehrentitel entwickelt wurde. Viracocha war nur ein Name von vielen, unter denen der große Schöpfergott in Südamerika bekannt war.

Bei San Pedro im nördlichen Peru wurde Viracocha in einer riesigen Kultanlage verehrt. Sein Tempel dürfte das höchste und größte überdachte Bauwerk Südamerikas gewesen sein. Wie es einst aussah, wir wissen es nicht mehr... so wie wir die ältesten Namen der Schöpfergötter Südamerikas nicht mehr kennen.

Teilweise stümperhafte Rekonstruktion von »Inkamauerwerk«.
Foto Walter-Jörg Langbein

Weltweit gab es einen Wandel in den Glaubenswelten. Alte Religionen wichen »neuen«, alte Götter sollten in Vergessenheit geraten. Sie überlebten aber die Jahrtausende, erhielten nur neue Namen. So ist die heute im Katholizismus verehrte »Himmelskönigin« Maria, die nach neueren Glaubensvorstellungen leibhaftig in den Himmel aufgenommen wurde, kaum zu unterscheiden von ägyptischen oder altperuanischen Muttergottheiten.

Links: Inkamauerwerk, rechts Archäologenpfusch.
Fotos Walter-Jörg Langbein

Die Rekonstruktion der Ruinen von Raqchi mutet teilweise mehr als stümperhaft an. Auf der einen Seite ist nach wie vor »Inkamauerwerk« erhalten, bestehend aus millimetergenau auf- und ineinander gefügten Andesit-Steinen. Wie aber sah das einst riesige Viracocha-Gebäude aus? Hatte es einst ein spitzes Dach, das von einer wahren Monstermauer getragen wurde? Wurde dieses Dach von wuchtigen Steintürmen getragen, deren runde Fundamente noch erhalten sind? Oder hatten diese Türme einst eine ganz andere Funktion? Sie erinnern stark an die »Grabtürme« von Sillustanti (Triticaca-See).


Dachstützen oder Grabtürme? Fotos Walter-Jörg Langbein

Wiederholt sprach ich vor Ort mit Archäologen, die schmunzelnd zugaben, nicht wirklich zu rekonstruieren, sondern ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen. Archäologische Stätten sind nun einmal auch in Peru Anziehungspunkt für Touristen, sprich Einnahmequelle.

Um den immer größer werdenden Besucherströmen etwas bieten zu können, wurden Teile der Tempelanlage »rekonstruiert« - als eine Art »Pfusch am Bau«. Statt exakt zugeschnittene Steine aneinander millimetergenau anzupassen und mörtellos zusammen zu setzen... wurden vergleichsweise primitiv wirkende Mauerteile aus viel Mörtel und wahllos  eingebauten Steinen auf die bewundernswerten originalen Mauerwerkreste gesetzt... Viracocha würde sich mit Grausen wenden.

Die Monstermauer von Raqchi... Foto Walter-Jörg Langbein

Inkabauten... die Originale... überstanden Erdbeben zum Trotz Jahrhunderte. Die teilweise stümperhafte »Rekonstruktion« durch moderne Baumeister wackelt schon nach wenigen Jahrzehnten und droht auch ohne Erdbeben einzustürzen. Primitive Holzstützen sollen das verhindern.

Viracocha wurde auch in der einst gigantischen Kultanlage von Tiahuanaco verehrt. Die mysteriöse Ruinenstätte aus Vorinkazeiten liegt knapp 4 000 Meter über dem Meeresspiegel in der trostlosen Hochebene des Altiplano bei Tiwanacu, Bolivien, im Westen von La Paz (Entfernung 70 Kilometer). Wer von La Paz nach Tiwanacu reist, fühlt sich in eine fremde Welt versetzt, die als Kulisse für einen Science-Fiction-Film dienen könnte. Astronauten könnten im Film die Reste einer uralten Kultur auf einem fernen Planeten untersuchen. Doch die Ruinen von Tiahuanaco und Puma Punku entstanden auf unserem Heimatplaneten, auf der Erde. Sie wurden erst im Jahre 2000 zum Weltkulturerbe der UNESCO ernannt... und nur zu einem kleinen Bruchteil erforscht.

Viracocha, der Erschaffer und Zerstörer vieler Welten, galt als ein Supergott. Viracocha, so heißt es, schuf den ersten Inka, Manco Capac. In Tiahuanaco soll er lange vor dem Anbeginn der Zeit die ersten Menschen  aus Stein geschaffen haben. Die Tiwanaku hausten in den Ruinen von Tiahuanaco, gaben aber nicht vor, die uralten – nur noch bruchstückhaft erhaltenen Bauten – errichtet zu haben. Vielmehr habe Viracocha Riesen kreiert die die gewaltigen Steinmassen bewegten und auftürmten. In einer großen Flut soll Viracocha seine Geschöpfe schließlich vernichtet haben, so wie der Gott der Bibel nach dem Buch der Bibel.

Das Sonnentor mit dem Gott im Steinrelief.
Foto Ingeborg Diekmann

Auf dem berühmten Sonnentor von Tiahuanaco soll Viracocha als zentrale Gestalt im rätselhaften Steinrelief verewigt worden sein. Heute sind nur noch wenig steinerne Riesen erhalten, die einst die gewaltige Anlage von Tiahuanaco geschmückt haben. Sie sollen Viracocha dargestellt haben. Statuen wurden zwischen 1889 und 1920 im Gebiet von Tiahuanaco entdeckt, zum erheblichen Teil im Erdreich versunken. Brien Foerster (1) mutmaßt, dass die Kolosse einst »einem natürlichen Desaster, wie einer Flut aus dickem, schlammigen Wasser« ausgesetzt waren. Beweist das die historische Realität einer Flutkatastrophe im Raum von Tiahuanaco? 


Steinchaos heute (links), Steinchaos anno 1877
(Fotos Walter-Jörg Langbein, links, Squier 1877, rechts)

Tatsächlich wirkt die Umgebung von Tiahuanaco, als liege eine vor Ewigkeiten getrocknete Schlammschicht über allem, aus der monströse Felsbrocken ragen, die scheinbar mit modernen Geräten poliert und geschnitten worden sind. Teilweise wurde diese Schicht abegtragen, um eine Vielzahl präzise bearbeiteter Steinmonster freizulegen. Sie wurden, wie es scheint, einst von unvorstellbaren Naturgewalten durcheinander gewirbelt und im Schlamm begraben. Vereinzelt sind  Reste einstiger Mauerfundamente zu erkennen. Ich halte es für ausgeschlossen, zu rekonstruieren, wie die einst imposanten Gebäude von Tiahuanaco ausgesehen haben.

1833 soll es noch relativ gut erhaltene Steinplatten, Fundament eines mächtigen Bauwerks gegeben haben. War es ein sakraler Bau, ein Tempel zu Ehren des großen Viracocha? Ephraim George Squier vermeldet anno 1877 erschüttert (3): »Seit 1833 aber sind die Verwüster mit neuer Kraft an der Arbeit gewesen. Unfähig, die festen und mächtigen Steine des Fundaments .. zu entfernen, unterhöhlten sie dieselben und sprengten sie mit Schieszpulver, wonach sie sie dann viele der fleißszig und zierlich behauenen Trümmerstücke mitnahmen, um die Kathedrale zu La Paz zu pflastern.«

Tonnenschwere »Reste« der Anlage von Tiahuanaco.
Foto Walter-Jörg Langbein
Die riesige Anlage von Tiahuanaco und Puma Punku diente viele Jahrhunderte als Steinbruch. Die Bewohner des neuzeitlichen Dörfchens Tiwanaku schleppten riesige Mengen von Steinmaterial ab, um die eigenen Behausungen zu verschönern. Ephraim George Squier (4):

»Das erste, was dem Besucher des Dorfes Tiahuanuco auffällt, ist die große Anzahl schön behauener Steine, welche in die rohesten Mauern verbaut worden sind und in dem Pflaster der schmutzigsten Hofräume stecken. Sie sind als Schwellen, Thüren und Fensterpfosten, Sitze, Tische und Wasserbehälter verwendet.

Die Kirche ist durchweg aus solchen Steinen errichtet. Das Kreuz vor derselben steht auf einem Steinsockel, der das von ihm getragene Symbol bei weitem an Geschicklichkeit der Steinmetzarbeit übertrifft. Allenthalben umher finden sich die Spuren des Altertums. Die benachbarten Ruinen sind ein wahrer Steinbruch gewesen, aus welchem man die behauenen Steine nicht nur für Tiahuanuco und alle die Dörfer und Kirchen des Thales, sondern auch zum Bau der Kathedrale in La Paz, der Hauptstadt Boliviens entnommen hat... Die Baudenkmäler der Vergangenheit haben die meisten Materalien für die öffentlichen Gebäude, Brücken und Kunststraszen der Gegenwart geliefert.«

Einer der mysteriösen Steine nach Hans Schindler-Bellamy.
Foto Archiv Walter-Jörg Langbein


Was da an Kostbarkeiten für immer zerstört wurde, das lässt sich nicht einmal erahnen und erschüttert zutiefst. Prof. Hans Schindler-Bellamy stellte mir millimetergenaue Zeichnung von verschonten Steinen zur Verfügung, die erahnen lassen, dass der ursprüngliche Baukomplex von Tiahuanaco-Puma Punku eines der großen Weltwunder unseres Planeten war!

Ephraim George Squier stell bewundernd fest (5): »Ich darf mit voller Erwägung meiner Worte einfür allemal sagen: In keinem Teile der Welt habe ich mit solch mathematischer Genauigkeit und mit so erstaunlicher Geschicklichkeit behauene Steine gesehen, wie in Peru, und in keinem Teile Perus giebt (sic) es deren, welche die über die Fläche bei Tiahuanuco verrstreut liegenden überträfen.«

Die Tempelanlage von Tiahuanaco scheint von einer alten Kultur errichtet worden zu sein, von der wir nichts mehr wissen. Diese Kultur hinterließ Wunderwerke, deren Ruinen noch im 19. Jahrhundert mit barbarischer Konsequenz zerstört wurden.

Anmerkung


Die Rechtschreibung, die in den Zitaten von Squier zur Anwendung kam, blieb unverändert. Beispiele: »sz« statt »ß« und »Tiahuanauco« statt »Tiahuanaco«.

Der Viracocha-Gott vom Sonnentor.
Foto: Ingeborg Diekmann, Bremen
Fußnoten:


1) Brien Foerster: The enigma of Tiwanaku and Puma Punku, Create Space Independent Publishing Platform, ohne Ortsangabe, 2013

2) Ephraim George Squier: »Peru - Incidents and Explorations in the Land of the Incas«, 1877. Mir liegt die Erstauflage der Übersetzung ins Deutsche vor: »Peru - Reise- und Forschungs-Erlebnisse in dem Lande der Incas«,  Leipzig 1883,
Kapitel XV: »Tiahuanuco (sic), das Baalbec der neuen Welt«, S. 337-3723

3) ebenda, Seiten 349 ud 350
4) ebenda, Seite 339
5) ebenda, Seite 345






»Der ›Inka-Tempel‹
und Maria...«,
Teil 212 der Serie
»Monstermauern, Mumien
und Mysterien«                         
von Walter-JörgLangbein,                                                                                              
erscheint am 09.02.2014

Ausblick auf Folge 212. Foto Walter-Jörg Langbein














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