Teil 424 der Serie
„Monstermauern, Mumien und
Mysterien“
von Walter-Jörg
Langbein
„Pahn Kadira“, wo die hochherrschaftlichen „Städteplaner“ und die besten Steinspezialisten residierten (1), war mit einem „Tabu“ belegt. Gewöhnliche Sterbliche durften das Eiland nur mit spezieller Genehmigung betreten. Der Eingang zu der „verbotenen Stadt“, die auch „Unter dem Tabu stehend“ genannt wurde, hieß „Rin“. Hier wachte der angesehene „Keus“. Dieser Titel lässt sich mit „Wer bist du?“ übersetzen. Wer von diesem Hüter die Erlaubnis erhalten hatte, das künstliche Eiland zu betreten, durfte noch lange nicht in die „königliche Stadt“ selbst gehen. Darauf achtete ein weiterer Wächter, „Sohn Pu Douwas“.
Foto 3: Monstermauer auf Marke |
Wer aber waren diese „Städteplaner“? Im Rahmen verschiedener Reisen machte ich wiederholt Station in Hawaii. So manche Stunde verbrachte ich im „Bernice P. Bishop Museum“ (2). Ich bestaunte eine Original-Osterinsel-Statue im Garten des Museums, auch hölzerne Statuetten, die den Osterinsel-Riesen recht ähnlich sahen. Vor allem gewährte man mir Einblick in seltene alte Bücher. So fand ich eine höchst interessante Überlieferung in F.W. Christians „The Caroline Islands“, erschienen anno 1899 in London.
Demnach wurden die steinernen Bauten von „Nanmatal“ (3) von fremdartigen Wesen gebaut, lange bevor die „heutige Rasse“ nach Pohnpei kam. Die „Chokalai“ seien dunkelhäutig und kleinwüchsig gewesen. Christian berichtet, dass nach alter Überlieferung die „Chokalai“ als „kleine Volk“ oder „Zwerge“ bezeichnet würden. Darf man da an die „kleinen Grauen“ denken, die laut heutiger UFO-Mythologie aus dem Weltraum kamen?
Foto 4: Ein Hund in den Ruinen |
Die
wissenschaftlichen Datierungen der Einzelnen künstlichen Inseln werden vor Ort
nicht sonderlich ernst genommen. Und das mit Recht. „Nan Douwas“ soll um 230
n.Chr., „Pahn Kadira“ erst zwischen 900 und 1000 n.Chr. erbaut worden sein. Das
erscheint unlogisch! Von Pahn Kadira aus wurden der Bau der gesamten Nan
Madol-Anlage dirigiert. Folglich muss es der älteste Teil des gesamten
Komplexes sein. Wie alt aber ist Nan Madol? Oder genauer: Wann wurde mit dem
Bau begonnen? Niemand vermag das zu sagen.
Foto 5: Der Weg in eines der Bauwerke |
Forscher David Hatcher Childress weist darauf hin, dass das „Smithsonian Institute“ einige alte Töpferwaren von Nan Madol datierte und ein Alter von 2.000 Jahren feststellte. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass das steinzeitliche Venedig vor zwei Jahrtausenden gegründet wurde. Wir wissen jetzt nur, dass um die Zeit Christi Menschen an jenem geheimnisvollen Ort siedelten. Unbekannt ist und bleibt das Alter von Nan Madol.
Das
Personal der „VIPs“, so heißt es, hauste auf Kelepwel (5). Diese Insel – ebenso
künstlich angelegt wie alle anderen – wurde auch als „Gästebezirk“ benutzt. Die
Herrscher schätzten offenbar Fremdlinge
nicht besonders und hielten sie sich möglichst auf Distanz. Sie mussten
vor jedem Besuch Waffen und Geschenke abliefern. Auch die meisten Priester
lebten zurückgezogen auf einer eigenen künstlichen Insel, auf Usendau. Auch
hier wurden enorme Bauleistungen vollbracht! Auf dem kleinen Eiland (Ausmaße 85
mal 70 Meter!) wurden 18.000 Kubikmeter Stein verarbeitet! Leider ist ein
großer Teil der ursprünglichen Bausubstanz auf der einst so stolzen
Priesterinsel zerstört worden - vor wenig mehr als einhundert Jahren. Damals
siedelten sich hier die Nachfahren der Ureinwohner von Nan Madol wieder an. Die
bebaubaren Flächen waren äußerst klein, da mussten scheinbar nutzlose Ruinen
weichen.
Foto 6: Lageplan Nan Madol. |
Wasau hat noch viele Geheimnisse zu bieten, die sich unter mysteriösen Plattformen und künstlich aufgetürmten Hügeln verbergen. Einst wurden hier alle Nahrungsmittel, die für die Bevölkerung von Nan Madol gedacht waren, sorgsam eingelagert. Besondere Köche wählten die besten Speisen für die Oberschicht der Hohepiester und weltlichen Herrscher aus und bereiteten sie vor, bevor sie ins „Vip-Zentrum“ von Pahn Kadira verschifft wurden.
Foto 7: Seitenansicht eines der Bauwerke |
Kanus waren das einzige Transportmittel, das die einzelnen Inseln miteinander verband. Auf speziellen Kanus wurden auch die Verstorbenen von Nan Madol auf die letzte Reise gebracht. Nach streng reglementiertem Zeremoniell trat jeder Tote seinen letzten Weg an. Spezialisten salbten und ölten ihn, parfümierten ihn mit Kokosnussöl. Schließlich wurde er, mit einigen persönlichen Dingen ausgestattet, in eine kunstvoll geflochtene Matte gehüllt. Bevor er auf einer der Inseln bestattet wurde, wurde seine sterbliche Hülle nochmals auf den Kanälen des steinzeitlichen Venedigs der Südsee zu jeder Insel gefahren. Auf Kohnderek fanden dann die heiligen Totenzeremonien statt. Sakrale Tänze wurden zu Ehren des Toten aufgeführt. Er sollte gebührend von seinem irdischen Zuhause verabschiedet werden, in der Hoffnung, dass ein besseres Jenseits auf ihn warten möge.
Gefährdet
war das irdische Leben der Bewohner von Nan Madol durch die Gewalten des
Meeres. Deswegen wurde mit kaum nachvollziehbarem Aufwand ein riesiges
steinernes Bollwerk geschaffen, das die Meeresfluten abhalten sollte: „Nan
Mwoluhsei“, zu Deutsch: „Wo die Reise endet“. Die allem Anschein nach für die
Ewigkeit gebaute Mauer ist heute noch 860 Meter lang. Sie ist erdbebensicher
erstellt worden.
Foto 8: Eine der Monstermauern von Nan Madol |
Immer wieder muss die wichtige Frage gestellt werden: Warum wurde Nan Madol im Südosten der Hauptinsel Temuen gebaut? Denn dieser Platz scheint alles andere als günstig gewählt zu sein. Er liegt nämlich dort, wo die Gefährdung durch das Meer am größten ist. Und wo potenzielle angreifende feindliche Truppen am schwersten abgewiesen werden konnten!
Foto 9: Erdbebensichere Mauern von Nan Madol. |
Im Nordwesten der Hauptinsel (auf der Insel Ponape selbst!) indes wären die Voraussetzungen für die Verteidigung geradezu ideal gewesen. Feindliche Flotten hätten nicht direkt attackieren können. Sie hätten vielmehr das Eiland erst einmal umschiffen müssen. Dabei wäre die Gefahr, wegen der häufig auftretenden Untiefen auf Grund zu laufen, eine beachtliche gewesen. Auf alle Fälle wären aber die so anrückenden Feinde rechtzeitig entdeckt worden. Von kriegerischen Gefahren zur Bedrohung durch die Natur. Eine Schutzmauer gegen die anstürmenden Meeresfluten wäre auch nicht nötig gewesen. Denn dann läge ja Nan Madol auf dem Trockenen, ein Schutzwall hääte nicht mühsam aufgebaut werden müssen.
Foto 10: Karte von der Hauptinsel |
Wären findige Arbeitertrupps auf gewaltigen Umwegen den Bergen ausgewichen, sie wären mit ihren Lasten im Schlamm stecken geblieben. Ein Transport quer über die Hauptinsel erscheint als unwahrscheinlich, ja unmöglich.
Foto 11: Faktensammlung |
Spätestens bei der Annäherung an den Bestimmungsort Nan Madol wären sie stecken geblieben. Ist doch im weiten Umkreis um die künstlichen Inseln das Meer selbst bei Flut so seicht, dass schwer beladene Kähne, Kanus oder Flöße zwangsläufig auf Grund gelaufen wären!
1)
Reisenotizen Walter-Jörg Langbein, Archiv Walter-Jörg Langbein
2)
Bereits in den 1970er Jahren korresponiderte ich mit dem „Bernice P. Bishop
Museum“ und erwarb Fachliteratur zum Beispiel über die Mythologie der
Osterinsel.
3)
Gemeint ist natürlich Nan Madol! F.W. Christian: „The
Caroline Islands/ Travel in the Sea of the Little Lands“, London 1899, S. 108
4)
Familie Bob und Patti Arthur haben das wunderbare Hotel aufgebaut, aus
Altersgründen vor Jahren – leider – aufgegeben.
5)
So wurde mir vor Ort erzählt. Andere Schreibweise von Kelepwel: Kelepwei.
Zu den Fotos
Fotos 1 und 2: Schätze aus dem Bernice P. Biskop Museum, Hawaii. Fotos Walter-Jörg Langbein.Foto 3: Monstermauer auf Marke. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Ein Hund in den Ruinen von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein.
Foto 5: Der Weg in eines der Bauwerke. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Lageplan Nan Madol. Foto wiki commons/ Hobe Holger Behr
Foto 7: Seitenansicht eines der Bauwerke. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Eine der Monstermauern von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein.
Foto 9: Erdbebensichere Mauern von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein.
Foto 10: Karte von der Hauptinsel, ca. 1956. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 11: Faktensammlung, 1956. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 12: Bunkerartiges Bauwerk. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 13: Ersttagsbrief Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
425 „Das himmlische Riff“
Teil 425 der Serie
„Monstermauern, Mumien und
Mysterien“
von Walter-Jörg
Langbein,
erscheint am 11.03.2018
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Viele Grüße aus Bremen vom 23. Seminar PHANTASTISCHE PHÄNOMENE. Um 9 Uhr geht's los... Walter
AntwortenLöschenDas 23. Seminar "Fantastische Phänomene" ist Geschichte. Mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer denn je kamen nach Bremen. Und immer wieder wurde und wird gefragt: Nächstes Jahr wieder? Ja, nächstes Jahr wieder! Wie immer am ersten Wochenende im März! 2. und 3.3.2019... Ich freu' mich schon!
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