Samstag, 3. März 2018

424 „Wo die Reise endet - Künstliche Inseln und das kleine Volk“


Teil  424 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein
    

Fotos 1 und 2: Schätze aus dem Bernice P. Biskop Museum

„Pahn Kadira“, wo die hochherrschaftlichen „Städteplaner“ und die besten Steinspezialisten residierten (1), war mit einem „Tabu“ belegt. Gewöhnliche Sterbliche durften das Eiland nur mit spezieller Genehmigung betreten. Der Eingang zu der „verbotenen Stadt“, die auch „Unter dem Tabu stehend“ genannt wurde, hieß „Rin“. Hier wachte der angesehene „Keus“. Dieser Titel lässt sich mit „Wer bist du?“ übersetzen. Wer von diesem Hüter die Erlaubnis erhalten hatte, das künstliche Eiland zu betreten, durfte noch lange nicht in die „königliche Stadt“ selbst gehen. Darauf achtete ein weiterer Wächter, „Sohn Pu Douwas“.

Foto 3: Monstermauer auf Marke

Wer aber waren diese „Städteplaner“? Im Rahmen verschiedener Reisen machte ich wiederholt Station in Hawaii. So manche Stunde verbrachte ich im „Bernice P. Bishop Museum“ (2). Ich bestaunte eine Original-Osterinsel-Statue im Garten des Museums, auch hölzerne Statuetten, die den Osterinsel-Riesen recht ähnlich sahen. Vor allem gewährte man mir Einblick in seltene alte Bücher. So fand ich eine höchst interessante Überlieferung in F.W. Christians „The Caroline Islands“, erschienen anno 1899 in London. 

Demnach wurden die steinernen Bauten von „Nanmatal“ (3) von fremdartigen Wesen gebaut, lange bevor die „heutige Rasse“ nach Pohnpei kam. Die „Chokalai“ seien dunkelhäutig und kleinwüchsig gewesen. Christian berichtet, dass nach alter Überlieferung die „Chokalai“ als „kleine Volk“ oder „Zwerge“ bezeichnet würden.  Darf man da an die „kleinen Grauen“ denken, die laut heutiger UFO-Mythologie aus dem Weltraum kamen?

Foto 4: Ein Hund in den Ruinen
Im „Villa Resort Hotel“ (4) las ich spät am Abend in Ralph Lintoms „Ethnology of Polynesia and Micronesia“, 1926 in Chicago erschienen, dass die „Panopäer“ eine „Tradition“ kannten, wonach es einst „schwarzhäutige Zwerge“ auf Ponape gegeben habe, die sehr gefürchtet waren. Noch in den 1990ern wussten besonders alte Einwohner von Ponape Legenden zu erzählen, die von „bösartigen schwarzen Zwergen“ berichteten. Ob derartige Überlieferungen heute noch erzählt werden?
    
Die wissenschaftlichen Datierungen der Einzelnen künstlichen Inseln werden vor Ort nicht sonderlich ernst genommen. Und das mit Recht. „Nan Douwas“ soll um 230 n.Chr., „Pahn Kadira“ erst zwischen 900 und 1000 n.Chr. erbaut worden sein. Das erscheint unlogisch! Von Pahn Kadira aus wurden der Bau der gesamten Nan Madol-Anlage  dirigiert. Folglich muss es der älteste Teil des gesamten Komplexes sein. Wie alt aber ist Nan Madol? Oder genauer: Wann wurde mit dem Bau begonnen? Niemand vermag das zu sagen.

Foto 5: Der Weg in eines der Bauwerke

Forscher David Hatcher Childress weist darauf hin, dass das „Smithsonian Institute“ einige alte Töpferwaren von Nan Madol datierte und ein Alter von 2.000 Jahren feststellte. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass das steinzeitliche Venedig vor zwei Jahrtausenden gegründet wurde. Wir wissen jetzt nur, dass um die Zeit Christi Menschen an jenem geheimnisvollen Ort siedelten. Unbekannt ist und bleibt das Alter von Nan Madol.
    
Das Personal der „VIPs“, so heißt es, hauste auf Kelepwel (5). Diese Insel – ebenso künstlich angelegt wie alle anderen – wurde auch als „Gästebezirk“ benutzt. Die Herrscher schätzten offenbar Fremdlinge  nicht besonders und hielten sie sich möglichst auf Distanz. Sie mussten vor jedem Besuch Waffen und Geschenke abliefern. Auch die meisten Priester lebten zurückgezogen auf einer eigenen künstlichen Insel, auf Usendau. Auch hier wurden enorme Bauleistungen vollbracht! Auf dem kleinen Eiland (Ausmaße 85 mal 70 Meter!) wurden 18.000 Kubikmeter Stein verarbeitet! Leider ist ein großer Teil der ursprünglichen Bausubstanz auf der einst so stolzen Priesterinsel zerstört worden - vor wenig mehr als einhundert Jahren. Damals siedelten sich hier die Nachfahren der Ureinwohner von Nan Madol wieder an. Die bebaubaren Flächen waren äußerst klein, da mussten scheinbar nutzlose Ruinen weichen.

Foto 6: Lageplan Nan Madol.

Wasau  hat noch viele Geheimnisse zu bieten, die sich unter mysteriösen Plattformen und künstlich aufgetürmten Hügeln verbergen. Einst wurden hier alle Nahrungsmittel, die für die Bevölkerung von Nan Madol gedacht waren, sorgsam eingelagert. Besondere Köche wählten die besten Speisen für die Oberschicht der Hohepiester und weltlichen Herrscher aus und bereiteten sie vor, bevor sie ins „Vip-Zentrum“ von Pahn Kadira verschifft wurden.

Foto 7: Seitenansicht eines der Bauwerke

Kanus waren das einzige Transportmittel, das die einzelnen Inseln miteinander verband. Auf speziellen Kanus wurden auch die Verstorbenen von Nan Madol auf die letzte Reise gebracht. Nach streng reglementiertem Zeremoniell trat jeder Tote seinen letzten Weg an. Spezialisten salbten und ölten ihn, parfümierten ihn mit Kokosnussöl. Schließlich wurde er, mit einigen persönlichen Dingen ausgestattet, in eine kunstvoll geflochtene Matte gehüllt. Bevor er auf einer der Inseln bestattet wurde, wurde seine sterbliche Hülle nochmals auf den Kanälen des steinzeitlichen Venedigs der Südsee zu jeder Insel gefahren. Auf Kohnderek fanden dann die heiligen Totenzeremonien statt. Sakrale Tänze wurden zu Ehren des Toten aufgeführt. Er sollte gebührend von seinem irdischen Zuhause verabschiedet werden, in der Hoffnung, dass ein besseres Jenseits auf ihn warten möge.
   
Gefährdet war das irdische Leben der Bewohner von Nan Madol durch die Gewalten des Meeres. Deswegen wurde mit kaum nachvollziehbarem Aufwand ein riesiges steinernes Bollwerk geschaffen, das die Meeresfluten abhalten sollte: „Nan Mwoluhsei“, zu Deutsch: „Wo die Reise endet“. Die allem Anschein nach für die Ewigkeit gebaute Mauer ist heute noch 860 Meter lang. Sie ist erdbebensicher erstellt worden.

Foto 8: Eine der Monstermauern von Nan Madol

Immer wieder muss die wichtige Frage gestellt werden: Warum wurde Nan Madol im Südosten der Hauptinsel Temuen gebaut? Denn dieser Platz scheint alles andere als günstig gewählt zu sein. Er liegt nämlich dort, wo die Gefährdung durch das Meer am größten ist. Und wo potenzielle angreifende feindliche Truppen am schwersten abgewiesen werden konnten!


Foto 9: Erdbebensichere Mauern von Nan Madol.

Im Nordwesten der Hauptinsel (auf der Insel Ponape selbst!) indes wären die Voraussetzungen für die  Verteidigung geradezu ideal gewesen. Feindliche Flotten hätten nicht direkt attackieren können. Sie hätten vielmehr das Eiland erst einmal umschiffen müssen. Dabei wäre die Gefahr, wegen der häufig auftretenden Untiefen auf Grund zu laufen, eine beachtliche gewesen. Auf alle Fälle wären aber die so anrückenden Feinde rechtzeitig entdeckt worden. Von kriegerischen Gefahren zur Bedrohung durch die Natur. Eine Schutzmauer gegen die anstürmenden Meeresfluten wäre auch nicht nötig gewesen. Denn dann läge ja Nan Madol auf dem Trockenen, ein Schutzwall hääte nicht mühsam aufgebaut werden müssen.
    
Foto 10: Karte von der Hauptinsel
Noch einmal zur Transportfrage. Wie wurden die tonnenschweren Basaltsäulen vom Steinbruch herangeschafft? Das Eiland ist  alles andere als eben! Da türmen sich auf engstem Raum bis zu 800 Meter hohe Berge, erloschene Vulkane. Ponape ist zerklüftet, für den gut konditionierten Kletterer eine Herausforderung, für Trupps mit gigantischen Steinriesen im Gepäck wäre sie ein einziges unüberwindbares Hindernis. Dazu kommt noch, dass seit Menschengedenken fast täglich wahre sintflutartige Regenfälle auf die Insel herniederprasseln und den Boden in eine Schlammwüste verwandeln. 

Wären findige Arbeitertrupps auf gewaltigen Umwegen den Bergen ausgewichen, sie wären mit ihren Lasten im Schlamm stecken geblieben. Ein Transport quer über die Hauptinsel erscheint als unwahrscheinlich, ja unmöglich.

Foto 11: Faktensammlung
Theoretisch bietet sich dann als Alternative zum Land- der Seeweg an. Aber schon ein Blick auf die Landkarte genügt, um auch diese Antwort als unwahrscheinlich erkennen zu lassen. Die wackeren Arbeiter hätten zunächst die Basaltsäulen fällen, dann an den Strand schleppen und verladen müssen. Nehmen wir an, die Einheimischen von damals wären dazu in der Lage gewesen. Nehmen wir weiter an, sie hätten es geschafft, das Riff zu überwinden, sie wären auf die hohe See hinausgelangt. 

Spätestens bei der Annäherung an den Bestimmungsort Nan Madol wären sie stecken geblieben. Ist doch im weiten Umkreis um die künstlichen Inseln das Meer selbst bei Flut so seicht, dass schwer beladene Kähne, Kanus oder Flöße zwangsläufig auf Grund gelaufen wären!



Foto 12: Bunkerartiges Bauwerk
Fußnoten
1) Reisenotizen Walter-Jörg Langbein, Archiv Walter-Jörg Langbein
2) Bereits in den 1970er Jahren korresponiderte ich mit dem „Bernice P. Bishop Museum“ und erwarb Fachliteratur zum Beispiel über die Mythologie der Osterinsel.
3) Gemeint ist natürlich Nan Madol! F.W. Christian: „The Caroline Islands/ Travel in the Sea of the Little Lands“, London 1899, S. 108
4) Familie Bob und Patti Arthur haben das wunderbare Hotel aufgebaut, aus Altersgründen vor Jahren – leider – aufgegeben.
5) So wurde mir vor Ort erzählt. Andere Schreibweise von Kelepwel: Kelepwei.

Zu den Fotos
Fotos 1 und 2: Schätze aus dem Bernice P. Biskop Museum, Hawaii. Fotos Walter-Jörg Langbein.
Foto 3: Monstermauer auf Marke. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Ein Hund in den Ruinen von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein.
Foto 5: Der Weg in eines der Bauwerke. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Lageplan Nan Madol. Foto wiki commons/ Hobe  Holger Behr
Foto 7: Seitenansicht eines der Bauwerke. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Eine der Monstermauern von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein.
Foto 9: Erdbebensichere Mauern von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein.
Foto 10: Karte von der Hauptinsel, ca. 1956. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 11: Faktensammlung, 1956. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 12: Bunkerartiges Bauwerk. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 13: Ersttagsbrief Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein/ Archiv Walter-Jörg Langbein

Foto 13: Ersttagsbrief Nan Madol


425 „Das himmlische Riff“
Teil  425 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 11.03.2018
 


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2 Kommentare:

  1. Viele Grüße aus Bremen vom 23. Seminar PHANTASTISCHE PHÄNOMENE. Um 9 Uhr geht's los... Walter

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  2. Das 23. Seminar "Fantastische Phänomene" ist Geschichte. Mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer denn je kamen nach Bremen. Und immer wieder wurde und wird gefragt: Nächstes Jahr wieder? Ja, nächstes Jahr wieder! Wie immer am ersten Wochenende im März! 2. und 3.3.2019... Ich freu' mich schon!

    AntwortenLöschen

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