»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Foto 1: Kuriose Kreaturen... |
Schriftliche Aufzeichnungen über die Geschichte von Menschen und Völkern gibt es erst seit wenigen Jahrtausenden. So manches Dokument wie die sprechenden Hölzer der Osterinsel konnte bis heute nicht entziffert werden. Aber auch längst übersetzte alte Texte werden immer noch nicht verstanden. Warum? Sie wurden nicht selten falsch übersetzt, weil sie womöglich von fantastischem Wissen unserer Vorfahren berichten. Hinweise auf »unmögliches Wissen« wurden durch falsche Übersetzungen zum Verschwinden gebracht, nicht aus Bosheit, sondern weil mancher fantastische Text zur Zeit der Übersetzung nicht verstanden werden konnte. So schlummern in riesigen Bibliotheken Schätze, die bis heute nicht gehoben wurden. So künden von Sagen und Überlieferungen, von Mythen aus uralten Zeiten.
Wenn wir uns damit begnügen, nur die in Wort und Schrift verfassten Geschichtsbücher zu studieren und dabei die Mythen außer Acht lassen, dann entgeht uns ein Großteil der Menschheitsgeschichte. Stellen wir uns vor, es gebe eine gewaltige Bibliothek der Menschheit mit unzähligen endlosen Korridoren und unzähligen Räumen mit unzähligen Büchern. Wir konzentrieren uns auf zwei oder drei Räume, die anderen betreten wir nicht. Die Menschheitsgeschichte ist nun einmal sehr viel älter als die ältesten Texte auf Keilschrifttafeln, die wir kennen. Was wir übersehen: Es gibt neben den Geschichtsbüchern die faszinierenden Mythen, die in der fernen Vergangenheit entstanden, lange bevor der Mensch schreiben konnte. Sie überliefern uns Geschichten aus der »Kinderstube« der Menschheit. Leider nehmen wir diese uralten Mythen, die uns doch auf geheimnisvolle Weise berühren und ansprechen, nicht ernst. Zum Glück wurden viele dieser Mythen im Laufe der Jahrhunderte schriftlich festgehalten.
Fragen wir Fachleute, wie nach ihrer Ansicht Mythen zu bewerten sind und ob sie Fakten über die Vergangenheit der Menschheit zu bieten haben. Religionswissenschaftler Louis Marillier (*1862; †1901) zum Beispiel erkennt die Gleichartigkeit der Mythen, verneint aber ein kollektives Denken, wie es ja Carl Gustav Jung vermutet (1). Er hält sie vielmehr für spontane individuelle Schöpfungen, die auf eine Erfahrung, die unsere Vorfahren machten, zurückgehen. Was für eine Erfahrung?
Sein Landsmann Georges Dumezil (*1898; †1986), er analysierte indoeuropäische Religion und Gesellschaft, formulierte es wie folgt (2): »Die Mythen sind Alleinbesitz der Urzeiten gewesen und spiegeln den Zustand und die Ereignisse der damaligen Gesellschaft wider.« Der Ethnologe Konrad Theodor Preuss (*1869; †1938) zählt zu den Pionieren der modernen Ethnologie. Der Gelehrte war der gleichen Ansicht wie Louis Marillier und Georges Dumezil (3): »In Mythos und Kult werden die Erlebnisse der Urzeit nachvollzogen!«
Foto 4: David hat Goliath getötet |
Karl Friedrich Kohlenberg (*1915; †2002) betrieb intensive ethnologische Studien. Fasziniert von der rätselvollen Vergangenheit der Menschheit vertiefte er sich in die ältesten Überlieferungen aus grauer Vorzeit. Sein Resümee lautet (4): »Jeder Mythos, jede Legende spiegelt, wie von der Wissenschaft nachgewiesen, einen Zustand und ein wirkliches Geschehen wieder.«
Wir kennen den Mythos von David und Goliath. Wir wissen aus der Bibel, dass der schmächtige David den Riesen Goliath tötete. Mit seiner Schleuder streckte David den Riesen mit einem Stein zu Boden und hieb ihm mit seinem eigenen Schwert den Kopf ab. Stolz präsentierte David das abgeschlagene Haupt des Giganten (5).
Weniger bekannt ist der Mythos von König Artus, der gegen Riesen gekämpft haben soll. In Artusromanen tauchen sie auf, mächtige Riesen. In der christlichen Mythologie wohlbekannt ist der gutmütige Riese Christophorus, der einst in jeder katholischen Kirche in beeindruckender Weise dargestellt wurde. Riesen tauchen immer wieder auf, im Alten Testament wie in Mythen, in Sagen und Erzählungen. Mehr als mysteriös ist, was im 6. Kapitel des Buches Genesis berichtet wird (6): »Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Gottessöhne, wie schön die Töchter der Menschen waren, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten.
Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn er ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertzwanzig Jahre. Es waren Riesen zu den Zeiten und auch danach noch auf Erden. Denn als die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen. Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.«
Foto 5: Artus gegen den Riesen |
Im Hebräischen des Originaltextes heißen sie »bənê ha’älohîm«, also Söhne der Elohim, der Götter. Söhne der Götter wurden bereits vor Jahrtausenden in den Keilschrifttexten aus Ugarit beschrieben. Als ich während meines Studiums der evangelischen Theologie nach diesen ominösen Söhnen der Elohim-Götter fragte, bekam ich meist ausweichende Antworten. Nach Professor Georg Fohrer handelte es sich bei den himmlischen Wesen um »niederrangige Götter«, die aus uralten Mythen übernommen und ins Buch Genesis aufgenommen wurden. Aus der Verbindung zwischen den Söhnen der Elohim und Menschenfrauen entstanden nach Genesis Kapitel 6 die Riesen. Die biblischen Riesen wurden in der Sintflut ausgetilgt. Die Göttersöhne waren nach den Keilschrifttexten aus Ugarit unsterblich, ob die Söhne der Elohim-Götter des Alten Testaments auch ewig lebten, darüber schweigt sich die Bibel aus. Nach Hiob (7) gehörten die Göttersöhne zum Hofstaat Jahwes, wurden offenbar immer wieder einberufen, um Gott gegenüber Rechenschaft über ihre Taten abzulegen.
Riesen, Riesen, Riesen. Die Frage, die wir uns stellen müssen: Hat es sie einst wirklich gegeben?Sind alte Mythen und heilige Bücher wie die Bibel glaubwürdig, wenn sie uns von Riesen erzählen?Louis Marillier hält, wie erwähnt, Mythen für spontane individuelle Schöpfungen, die auf eine Erfahrung, die unsere Vorfahren machten, zurückgehen. Was für eine Erfahrung (Siehe Fußnote 1!)? Sollten unseren Vorfahren in grauer Vorzeit Riesen begegnet sein? Sollten Mythen, Sagen, Märchen und Legenden, die von Riesen berichten, doch einen wahren Kern haben? Sollten Berichte über angebliche Funde von menschenähnlichen Riesenskeletten Hinweise auf reale »Fabelwesen« geben? Sollten gar auf der Osterinsel noch vor wenigen Jahrhunderten gelebt haben? Hausten auf der Insel »Santa Catalina«, etwa 35km südwestlich von San Pedro, Los Angeles, Riesen in einer Art »Kolonie der Giganten«?
Fotos 6-8: Der Riese Christophorus im Dom zu Paderborn |
Fakt ist: Durch die gesamte Mythenwelt geistern Riesen, die vor Urzeiten auf unserem Planeten gewirkt haben sollen. Dabei wird in den Überlieferungen hartnäckig versichert, diese Riesen seien Abkömmlinge der Götter. Riesen sind als Götterabkömmlinge in der Mythologie wirklich zahlreich dokumentiert. Es erhebt sich die Frage: Gab es sie wirklich? Waren es nur Ausgeburten erzählerischer Fantasie? Haben Riesen leibhaftig unter unseren Vorfahren gelebt und gewütet? Wer hat recht? Wen nehmen wir ernst: der Mythologie oder der heutige Anthropologie, die sich schwer daran tut, vorgeschichtliche Riesen in ihr Denken mit einzubeziehen?
Foto 9: Eine Ritzzeichnung (Osterinsel) |
Es gilt nicht »entweder … oder«, wer die Vergangenheit der Menschheit erforschen will, muss auch die Mythologie in seine Überlegungen einbeziehen, auch wenn sie im Widerspruch zur Anthropologie stehen mag. Wir können es uns nicht leisten, eine einzige Quelle außer Acht zu lassen! Je weiter wir in die Vergangenheit reisen wie in die Tiefen eines fernen Kontinents, desto mehr vermischen sich Mythen und historische Fakten. Je gründlicher wir die graue Vorzeit zu erforschen versuchen, desto fantastischer muten manchmal Fakten und desto realistischer kommen uns Mythen vor. Je weniger Angst wir vor mutigen Antworten auf die Rätsel der Vergangenheit haben, desto mehr erfahren wir über uns und die Zukunft der Menschheit. Und desto glaubwürdiger wird womöglich das scheinbar Fantastische. Vielleicht verstehen wir dann zum Beispiel Geheimnisse der Osterinsel wie ihre rätselhaften Ritzzeichnungen von merkwürdigen Gestalten, die an Riesen erinnern.
Die älteste Fassung des Gilgameschepos entstand in altbabylonischer Zeit, ist also etwa 3600 bis 3800 Jahre alt. Das legendäre Epos beschreibt den Werdegang von Gilgamesch, König von Uruk, und seine Heldentaten. Gilgamesch siegte im Kampf gegen Löwen, suchte aber vergeblich nach der Unsterblichkeit. Dank sensationeller Textfunde war es dem Heidelberger Assyrologen Stefan M. Maul (*24.12.1958) möglich, die bislang vollständigste Fassung des »Gilgamesch Epos« neu zu übersetzen und Textlücken zu schließen.
Die Göttin Belet-ili, auch Nimah und Nintud genannt, tat sich mit Gott Nudimmud, auch Enki und Ninsiku genannt, taten sich zusammen. Gemeinsam planten, entwarfen und schufen sie den Riesen Gilgamesch (9): »Das Bild seines Leibes entwarf Belet-ili, Nudimmud vollendete meisterhaft seine Gestalt.«
Im Louvre zu Paris befindet sich eine Statue aus dem Palast von Sargon II, die rund zweieinhalb Jahrtausende sein dürfte und wohl Gilgamesch darstellen soll. Sie ist 5,52 Meter hoch, stattliche 2,18 Meter breit und hat somit die Ausmaße, die Gilgamesch gehabt haben soll (10): »Jener ist strotzend an Kraft und von strahlender Schönheit, stattlich ist seine Statur, elf Ellen hoch ist er gewachsen.«
Foto 10: »Riesen« der Osterinsel, Ritzzeichnung |
Fußnoten
Foto 11: Gilgamesch |
(2) Dumezil, Georges: Aspects de la Function guerriére chez les Indoeuropéens, 1959 (zitiert nach Kohlenberg, Karl F.: Enträtselte Vorzeit – die Mythen geben Antwort, München und Wien 1970, Seite 20, Zeilen 1-4 von unten)
(3) Preuss, Konrad Theodor.: Der religiöse Gehalt der Mythen, Tübingen 1933
(zitiert nach Kohlenberg, Karl F.: Enträtselte Vorzeit – die Mythen geben Antwort, München und Wien 1970, Seite 81, Zeilen 9-11 von oben)
(4) Kohlenberg, Karl F.: Enträtselte Vorzeit – die Mythen geben Antwort, München und Wien 1970, Seite 81, Zeilen 7-9 von oben
(5) Siehe hierzu 1. Buch Samuel Kapitel 17
(6) 1. Buch Mose Kapitel 6, Verse 1-4
(7) Buch Hiob Kapitel 1, Vers 6 und Buch Hiob Kapitel 2, Vers 1
(8) Das Gilgamesch-Epos, neu übersetzt und kommentiert von Stefan M. Maul. 6. Auflage. München 2014
(9) ebenda, eBook-Version, Pos. 650
(19) ebenda, eBook-Version, Pos. 652
Zu den Fotos:
Foto 1: Kuriose Kreaturen... Ritzzeichnung Osterinsel/ Zeichnerische Rekonstruktion. Foto: Archiv Walter-Jörg Langbein.
Foto 2: Bücher über Bücher ... Foto pixelio.de/ Carina Döring
Foto 3: Bücher, Bücher, Bücher. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: David hat Goliath getötet. David mit dem abgeschlagenen Haupt Goliaths Bildfeld an der großen Knesset Menora/ Foto wikimedia commons/ Deror avi
Foto 5: König Artus kämpftgegen einen Riesen/ Werk von Walter Crane 1845-1915/ wikimedia commons/ public domain
Fotos 6-8: Der Riese Christophorus im Dom zu Paderborn. Fotos Walter-Jörg Langbein
Foto 9: Eine Ritzzeichnung (Osterinsel). Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 10: »Riesen« der Osterinsel, Ritzzeichnung, Collage. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 11: Gilgamesch im Kampf mit dem Löwen (Louvre). Foto wikimedia commons
460 »Astronautengötter«,
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 11.11.2018
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