»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
und das Wort war bei Gott,
und das Wort war Gott.«
(Evangelium nach Johannes,
Kapitel 1 Vers 1)
Was ist Religion? Viktor Cathrein (*1845; †1931), ein schweizerisch-deutscher Moral- und Rechtsphilosoph, Priester der Societas Jesu, formulierte folgende Definition von Religion (1): »Verehrung geistiger, außer und über der sichtbaren Welt stehender persönlicher Wesen, von denen man sich abhängig glaubt und die man irgendwie günstig zu stimmen sucht.«
Religion ist meiner Meinung nach ursprünglich immer der Versuch gewesen hinter der sichtbaren, der greifbaren Welt der Materie ein unsichtbares spirituelles Wesen zu suchen, das für die Realität verantwortlich gemacht werden kann. Der religiöse Mensch glaubt, dass es jenseits des Irdischen eine überirdische Realität gibt. Wir erleben in unseren Tagen eine erstaunliche Entwicklung. Prof. Niemz (* 1964 in Hofheim am Taunus) schrieb ein erstes Werk, an das sich offensichtlich kein großer Publikumsverlag heranwagte. So erschien »Lucy mit c: Mit Lichtgeschwindigkeit ins Jenseits« (2) im Selbstverlag. Und schlug ein wie eine Bombe. 28.000 verkaufte Exemplare katapultierten das Werk auf die GONG-Bestsellerliste.
Jetzt zeigten große Publikumsverlage lebhaftes Interesse. Weitere Werke (3) folgten, in denen Prof. Markolf H. Niemz eine konkrete Beschreibung verborgener Wirklichkeit vorstellt, die fantastisch anmutet. Sie ist aber präzise durchdacht und scheint zu bestätigen, was schon vor Jahrtausenden in religiösen Bildern festgehalten wurde. Es stellt sich eine Frage: Können wir mit wissenschaftlichen Methoden überhaupt eine Wirklichkeit hinter der vordergründig sichtbaren und messbaren Realität erkennen? Konkreter: Nehmen wir an, wir sind eine Computersimulation einer künftigen Hochtechnologie-Menschheit, so wie der schwedische Philosoph Nick Bostrom (*1973) das für sogar wahrscheinlich hält. Nach Bostrom könnten die Wissenschaftler einer künftigen Zivilisation geradezu unendlich viele Simulationen von Menschheiten erschaffen, die alle die eigene Existenz für real halten. Nehmen wir einmal an, wir wären eine solche computergenerierte Illusion. Könnten wir das erkennen und beweisen? Wenn wir eine Illusion wären, nämlich als Teil einer Menschheit, die insgesamt auch nur ein computergeneriertes Trugbild wäre, gäbe es dann wissenschaftliche Möglichkeiten, mit deren Hilfe wir unsere vermeintlich reale Existenz als künstliche Illusion erkennen könnten?
Prof. Niemz (4): »Religionen sind Wegweiser, die uns auf der Suche nach Wahrheit Orientierung geben können.« Und weiter (5): »Als Wegweiser zu Gott sind Religionen von sich aus nicht feindselig. Zur Konfrontationen kommt es aber oft dann, wenn sich ihre Wege kreuzen und es für die Gläubigen nicht offensichtlich ist, dass sie zum gleichen Ziel führen.« Vor allem will kein fundamentalistischer Vertreter einer der großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam zur Kenntnis nehmen, dass religiöse Bilder eine tiefere Wahrheit eventuell nur symbolisch beschreiben. Stattdessen werden Symbole von Fundamentalisten der drei großen Weltreligionen beharrlich als realistisches Abbild der Wirklichkeit missverstanden. So entstehen Bilder von Gott, der alles andere als göttlich ist und oft an einen unerträglichen Tyrannen erinnert, der willkürlich belohnt und bestraft und der knechtischen Gehorsam fordert und Unterwürfigkeit abverlangt.
Wer glaubt, dass wir Menschen von Gott erschaffen wurden, der kann doch nicht unterstellen, dass Gott Denkverbote ausspricht. Wer glaubt, dass Gott dem Menschen ein Gehirn gegeben hat, der wird keine Scheu haben und nachdenken. Denn wenn Gott nicht wollte, dass der Mensch denkt, warum hat er ihm dann ein Gehirn gegeben. Es ist also kein Sakrileg, wenn der Mensch sein Gehirn benutzt, auch dann nicht, wenn es um »Heilige Schriften« geht. Kein Gott, der seinem Geschöpf Mensch die Fähigkeit zu denken schenkt, wird erwarten, dass der Mensch alles kritiklos hinnimmt, was in einem »Heiligen Buch« steht, und das nur weil es in einem »Heiligen Buch« steht.
Es kann sich lohnen, die Aussagen von »Heiligen Büchern« zu hinterfragen. Nur so kann man verborgene Wahrheiten entdecken, die sonst verborgen blieben. Hinterfragen muss man auch Übersetzungen, besonders wenn es um Ausdrücke von zentraler Bedeutung geht. Eine der wichtigsten »Stellen« der Bibel findet sich im Neuen Testament: Evangelium nach Johannes, Kapitel 1, Vers 1. Johannes Piscator (* 27. März 1546 in Straßburg; † 26. Juli 1625 in Herborn), er übertrug 1602 bis 1604 die Texte des Alten und des Neuen Testaments aus den Originalsprachen Hebräisch und Griechisch ins Deutsche seiner Zeit, übersetzte so: »Im anfang war das Wort, und das Wort war bey Gott, und das Wort war Gott.« Diese Übersetzung blieb unverändert, wir finden sie beispielsweise in der Piscator-Bibel von 1684 und in Piscators Ausgabe des Neuen Testaments von 1771. Eine Luther-Bibel von 1912 weicht erheblich vom Originaltext ab und interpretiert mehr als dass sie eine textnahe Übersetzung präsentiert (6): »Das da von Anfang war, das wir gehört haben, das wir gesehen haben mit unsern Augen, das wir beschaut haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens.«
Die Lutherbibel von 2017 kehrt zu Luthers Bibel-Ausgabe von 1545 (7) zurück: »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.« Wir in deutschsprachigen Übersetzungen in der Regel das griechische Wort »logos« vermieden, in spanischen Bibeln – zum Beispiel in »La Biblia Textual (8)« – belässt man es beim »logos«.
Nur die »Zürcher Bibel« lässt erkennen, welche Klippe alle gängigen Übersetzer umschiffen. Da lesen wir: »Im Anfang war das Wort, der Logos, und der Logos war bei Gott, und von Gottes Wesen war der Logos.« In einer Fußnote erklärt die »Zürcher«: »Für die Wendung ›das Wort, der Logos‹ steht im griechischen Text nur der Begriff ›logos‹. Die Übersetzung gibt den griechischen Begriff doppelt wieder, um anzudeuten das dieser zwar ›Wort‹ heißen, aber auch eine umfassende, aber auch eine umfassende, bis ins Kosmologische reichende Bedeutung annehmen kann.«
Was aber bedeutet nun das Griechische »logos«? Was ist mit »kosmologischer Bedeutung« gemeint? Interessant ist, was »Das Neue Testament – Wiederlangungs-Übersetzung«, die kostenlos an Interessierte verteilt wird und nicht verkauft werden darf, in einer Fußnote erklärend anmerkt: »Das Wort ist nicht von Gott getrennt. Es ist nicht so, dass das Wort das Wort und Gott Gott wäre, und diese somit voneinander getrennt wären. Vielmehr sind die beiden eins, deshalb heißt es auch in der nächsten Wendung, dass das Wort Gott war.« Wie ist zu verstehen, dass »logos« Gott war? Denken wir an den Hinweis in der »Zürcher Bibel«, wonach »logos« eine » bis ins Kosmologische reichende Bedeutung annehmen kann.«
Foto 5: Das Universum... Materie oder Illusion? |
Während meines Studiums der evangelischen Theologie beschäftigte ich mich relativ intensiv mit dem Begriff »logos«. »Logos« deckt ein wahrlich weites Spektrum von Bedeutungen ab: von »Wort« bis »Zitat einer Äußerung von Gott«, von »Vernunft« bis hin zu »Lehrsatz«. Ernst Bammel (*1923; †1996) hielt einen Vortrag über die Bedeutung von »logos« in der »Stoa«, eine bedeutsame griechische Philosophen-Schule. Prof. Bammel wurde anno 1953 Privatdozent an der Universität Erlangen und 1984 Professor an der Universität Münster (»Wissenschaft des Judentums und neutestamentliche Theologie«). Der stets bescheiden auftretende, sympathische Gelehrte war auch im europäischen Ausland tätig. In den 1960er und 1970er Jahren hat er mehrere Gastprofessuren in Cambridge wahrgenommen. Sehr gern denke ich an mehrere Seminare, die ich bei Professor Bammel besuchte. Wir übersetzten damals Texte der »Qumran-Bibliothek« aus dem Hebräischen ins Deutsche. In kleiner Runde erörterten wir interessante Themen.
»Logos« stand, so erfuhr ich damals, bei den griechischen Philosophen der Stoa für die von höchster Intelligenz geordnete Struktur des Kosmos. Offenbar sah man den Kosmos als beseelt an, von einem Weltgeist, aus dem alles kam. Über diesen »animus mundi« hat Marcus Tullius Cicero (*106 v.Chr.; †43 v. Chr.) ausführlich in seinem Werk über die Natur der Götter geschrieben.
Was ist Religion? Was weiß Religion, was weiß Philosophie über die wahre Natur der Wirklichkeit? Nach Prof. Markolf H. Niemz sind Raum und Zeit, vereinfacht ausgedrückt, eine Illusion, gewoben aus Licht, aus dem alles kommt und in das alles wieder zurückkehrt. Steht »logos« für etwas letztlich unfassbar Unbegreifliches, dem sich seit Jahrtausenden Religion und Philosophie anzunähern versuchen? Wird die Wissenschaft von morgen oder übermorgen die wahre Essenz des Seins begreifen?
Foto 6: Das Universum... Materie oder Illusion? Foto wikimedia commons/ gemeinfrei/ NASA |
»Das Licht aber ist die Erkenntnis, durch sie reifen wir.«, so lesen wir im mysteriösen »Evangelium nach Philippus« (10). Nach Prof. Markolf H. Niemz ist (11) »Licht … ein komplexer, das gesamte Universum durchdringender Speicher, in dem jedes Objekt unauslösliche Spuren hinterlässt.«
Wird uns Wissenschaft eines Tages verstehen lassen, was wissende Weise schon vor Jahrtausenden in bis heute verkannten Werken der Erkenntnis formulierten? Prof. Markolf H. Niemz (12): »Licht ist, wie schon erläutert, ein Speicher. Der Speicher ist so unermesslich, dass Religionen ihm die schillerndsten Namen gegeben haben: ›Paradies‹, ›Himmelreich‹, ›Reich Gottes‹, ›Jenseits‹ oder ›Nirwana‹, um nur einige zu nennen.« Ist dieses »Licht« so etwas wie eine unvorstellbare Kraft, die in der Illusion uns, Planet Erde, unser Sonnensystem, ja das Universum, entstehen und wieder verschwinden lässt?
Fußnoten
(1) Cathrein, Viktor: »Moralphilosophie. Eine wissenschaftliche Darlegung der sittlichen, einschließlich der rechtlichen Ordnung«, Erstauflage erschienen 1890, 2 Bände, 5., neu durchgearbeitete Auflage, Freiburg im Breisgau 1911, Zitat siehe Band 2, S. 4–7. Victor Cathrein publizierte zunächst, auch später noch bei brisanteren Themen unter dem Pseudonym N. (für Nikolaus) Siegfried.
(2) Niemz, Markolf H.: »Lucy mit c: Mit Lichtgeschwindigkeit ins Jenseits«, Books on Demand, Norderstedt 2005
(3) Niemz, Markolf H.: »Lucy im Licht: Dem Jenseits auf der Spur«, München 2007, Seite 402, linke Spalte, Zeilen 7-13 von unten
Niemz, Markolf H.: »Lucys Vermächtnis: Der Schlüssel zur Ewigkeit«, München 2009
Niemz, Markolf H.: »Bin ich, wenn ich nicht mehr bin? Ein Physiker entschlüsselt die Ewigkeit«, Freiburg 2011
Niemz, Markolf H.: »Sinn: Ein Physiker verknüpft Erkenntnis mit Liebe«, Freiburg 2013
Niemz, Markolf H.: »Sich selbst verlieren und alles gewinnen: Ein Physiker greift nach den Sternen«, Freiburg 2015
Niemz, Prof. Markolf H.: »Ichwahn: Ein Physiker erklärt, warum Abgrenzung gegen unsere Natur ist. Der Schlüssel für ein neues Miteinander, München 2017
(4) Niemz, Prof. Markolf H.: »Ichwahn: Ein Physiker erklärt, warum Abgrenzung gegen unsere Natur ist. Der Schlüssel für ein neues Miteinander, München 2017, Seite 108, Zeilen 1 und 2 von oben
(5) ebenda, S. 109, Zeilen 14-17 von unten
(6) https://bibeltext.com/1_john/1-1.htm (Stand 9. Mai 2019)
(7) »Im Anfang war das Wort/ Vnd das Wort war bey Gott.«
(8) »En un principio era el Logos, y el Logos estaba ante Dios, y Dios era el Logos.«
(9) »Living Stream Ministry«: »Das Neue Testament – Wiederlangungs-Übersetzung«, Anaheim, Kaliforniern, erste Ausgabe 2010
(10) Spruch 115
(11) Niemz, Prof. Markolf H.: »Ichwahn: Ein Physiker erklärt, warum Abgrenzung gegen unsere Natur ist. Der Schlüssel für ein neues Miteinander«, Ludwig-Verlag/ Random Hose, München 2017, Seite 86, Zeilen 1 und 2 von unten und Seite 87, Zeile 1 von oben
(12) ebenda, Seite 89, Zeilen 10 bis 13 von unten
Zu den Fotos
Foto 1: Das Universum - eine Illusion? Foto wikimedia commons/ gemeinfrei/ NASA
Foto 2: Blick in die Piscator-Bibel von 1771. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Evangelium nach Johannes, Kapitel 1, Vers 1 (Piscator 1771). Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Das Universum... Materie oder Illusion? Foto wikimedia commons/ gemeinfrei/ NASA
Foto 5: Das Universum... Materie oder Illusion? Foto wikimedia commons/ gemeinfrei/ NASA
Foto 6: Das Universum... Materie oder Illusion? Foto wikimedia commons/ gemeinfrei/ NASA
489 »Wer ist der kosmische Puppenspieler?«,
Teil 489 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 2. Juni 2019
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