Sonntag, 17. Juli 2016

339 »Karl May und die Pyramide«

Teil 339 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


                                             »Kennt Ihr die Pyramide,
                                          die hier in der Nähe liegt?«
»Das Innere der Pyramide war
ein Geheimnis.«
Karl May »Das Waldröschen«

Foto 1: Szene aus »Der Schatz im Silbersee
« (14.07.2016)

Der »Schatz im Silbersee« lockte mich zu den Karl-May-Festspielen nach Bad Segeberg. Ich reiste per Zug an. Zwischenstopp,  steht es zumindest im zuverlässigen Fahrplan, gibt es in  Hamburg-Hauptbahnhof. Ankunft am 13.7. auf Gleis 13 um 13 Uhr 13.

Nirgendwo sonst kann man Karl May mit allen Sinnen genießen wie am Kalkberg zu Bad Segeberg. Man sieht, man hört, man riecht, man fühlt, ja man schmeckt die Welt des »Maysters«. Kein Kino – ob 3D oder 2D – kann da mithalten.

Der »Schatz im Silbersee« lockte mich nach Bad Segeberg. Und eine Pyramide. Ob Karl May je nach Bad Segeberg gekommen ist? Ob er von der Pyramide gehört hat? Fakt ist, dass der sächsische Dichter vom Geheimnis der Pyramiden fasziniert war. In seinem zehnbändigen Romanzyklus »Waldröschen oder Die Verfolgung rund um die Erde« entführt er uns auch in »Die Pyramide des Sonnengottes«. Helden wie Schurken sind vom »Schatz der Aztekenkönige« fasziniert. Dramatisch geht es bei Karl May »In der Pyramide« (1) zu.

Foto 2: Die Rantzau-Pyramide
Ob Karl May über die mysteriöse Pyramide von Bad Segeberg informiert war? Vermutlich nicht.  Anno 1622 jedenfalls soll die Pyramide bereits eine baufällige Ruine gewesen sein, anno 1632 dürfte sie weitestgehend in sich zusammengebrochen sein. Es sollten aber noch einige Jahrzehnte vergehen bis die Mauerreste abgetragen wurden. Anno 1770 stand an Stelle der einstigen Pyramide eine kleine »Kapelle«, die freilich nie als Kapelle diente.

Diese »Rantzau-Kapelle« in der »Hamburger Straße« ist von bescheidenen Ausmaßen. Nach meiner Messung hat sie eine Grundfläche von etwas weniger als vier Quadratmetern. Den Vorgängerbau – die Pyramide – hat Heinrich Rantzau anno 1588 aus einheimischem Kalkstein errichten lassen. Er muss recht imposant gewesen sein. Das pyramidenfömige Dach war immerhin stolze zehn Meter hoch. Mit dem massiven Unterbau erreichte die Pyramide eine Gesamthöhe von vermutlich fünfzehn Metern.

Foto 3: Das Türmchen auf dem Dach der Kapelle. (13.7.2016)

Das Türmchen auf dem Dach der heutigen Rantzau-Kapelle zeigt, wie einst die ursprüngliche Rantzau-Pyramide ausgesehen hat. Sie bestand aus einem würfelförmigen Unterbau und einem hohen Pyramiden-Dach.

Von der ursprünglichen Pyramide ist so gut wie nichts erhalten geblieben, nur der steinerne Altar im Inneren des winzigen Gotteshauses soll schon im Pyramidenbau gestanden haben.

Foto 4: Der Original-Altartisch...

Was mich, gelinde gesagt, wundert: Noch vor Jahren wussten viele Einheimische nichts von der einstigen »Rantzau-Pyramide«, geschweige denn, wo sie einst stand. Das hat sich inzwischen geändert. Heute ist der kleine steinerne Backsteinbau leicht zu finden. Man muss nur fragen, bekommt in der Regel richtige Auskunft. Nicht alle Zeitgenossen, die von der kleinen Kostbarkeit gehört haben, wissen, wen Rantzau anno 1588 ehren wollte, nämlich König Friedrich II. von Dänemark und Norwegen (1534-1588).

Der Standort für das steinerne Denkmal war sorgfältig gewählt. Er lag außerhalb der Stadtmauer, fast einen Kilometer vom Stadttor entfernt, auf freiem Feld.  Es wurde auf einem vorgeschichtlichen Grabhügel errichtet. Auf diese Weise sollte eine Verbindung mit uralten Zeiten hergestellt werden. Heute steht der Nachfolgebau, kaum beachtet, mitten in Bad Segeberg in der Hamburger Straße.

Foto 5: ... stammt noch aus der Rantzau Pyramide

Mit besonders großer Sorgfalt ging man ans Werk beim Bau des Fundaments. Offenbar sollte die Pyramide noch in ferner Zukunft an König Friedrich II. von Dänemark und Norwegen erinnern. Wieso hat man Felsgestein für den Unterbau aus dem gut 300 Kilometer entfernten Höxter herangeschafft? Dass man auch gotländische Steine aus Schweden einsetzte – direkte Distanz rund 800 Kilometer – verwundert doch etwas.

Gotländische Bildsteine wurden schon im 5., aber noch im 14. Jahrhundert geschaffen. Bekannt ist, dass die mit Reliefs versehenen Steine öfters von ihren ursprünglichen Standorten entfernt und beim Bau mittelalterlicher Kirchen eingesetzt wurden. Der Antransport gotländischer Steine war im 16. Jahrhundert mit erheblichem Aufwand verbunden. Mussten doch die Felsen von der schwedischen Insel Gotland zunächst über Land geschleppt, dann an Bord von Schiffen verbracht, übers Meer – vielleicht über Lübeck – nach Bad Segeberg gebracht werden. Und das nur, um im eher unansehnlichen Fundament verarbeitet zu werden.

Foto 6: Die Rantzau-Kapelle am 13.07.2016

Die heute genutzte Bezeichnung »Kapelle« ist irreführend. Diente das Bauwerk doch zu keinem Zeitpunkt als Kapelle im religiösen Sinn, sondern stets als Denkmal für Friedrich II. von Dänemark und Schweden.

Die »Rantzau-Kapelle« wurde noch in jüngster Vergangenheit alles andere als besonders gepflegt. In einem traurigen Zustand fristete auch ein weiteres Monument ein kärgliches, beklagenswertes Monument sein Dasein: der Rantzau-Obelisk. Das hat sich, zum Glück, geändert. Die historischen Monumente befinden sich wieder in einem guten Zustand.

Heinrich Graf zu Rantzau hat die Steinsäule – damals wahrscheinlich bis zu fünfzehn Meter hoch – aufstellen lassen. Ein deutlich größerer Obelisk in Rom mag als Vorbild gedient haben. Thutmosis III. ließ um 1500 v.Chr. östlich vom Tempel des Amun in Theben einen 500 Tonnen schweren Obelisken aufstellen. Die fast 35 Meter hohe Steinnadel gelangte auf Umwegen von Alexandria nach Rom. 357 wurde sie im »Circus Maximus« aufgerichtet. Ein Erdbeben brachte den Koloss zu Fall. Er zerbrach in mehrere Teile, die Brocken blieben liegen. 1587 ließ Papst Sixtus V. den Obelisk freilegen, rekonstruieren und erneut aufstellen. An der Spitze wurde ein Kreuz angebracht.

Fotos 7 und 8: Der Obelisk

Der »Rantzau-Obelisk« wurde im 19. Jahrhundert Opfer eines Sturms und zerbarst. Ein kärglicher Rest fand – jetzt etwa einhundert Meter von der »Rantzau-Kapelle« entfernt – einen neuen Platz.  Zu Beginn des dritten Jahrtausends schien es so, als ob man von Seiten der Stadt kein Interesse am Erhalt der Reste des einst stolzen Obelisken habe. Offenbar hat sich das geändert. Dem Vernehmen nach wurden die noch vorhandenen Überbleibsel (mit hohem finanziellen Aufwand?) konserviert und vor weiterem Verfall bewahrt. Auch die »Rantzau-Kapelle«, einst »Rantzau-Pyramide«, wird offensichtlich gut behandelt, so wie sie es auch verdient. 


Foto 9: Inschrift im Fundament des Obelisken

Eine Inschrift am Obelisken lautet: »Deo et Friderico II«, also »Für Gott und Friedrich II«. Die»Rantzau-Kapelle« und »Rantzau-Obelisk« sind steinerne Denkmäler für eine traurige Realität geworden. Sie dokumentieren den Verfall unserer ureigenen Kultur. Unwissenheit macht sich breit, Missachtung der eigenen Wurzeln ist symptomatisch für unsere Zeit. Viele Zeitgenossen sind einfach nur gleichgültig, andere scheinen eine Art Minderwertigkeitskomplex zu entwickeln und im Rahmen von »Multi-Kulti« nur Fremdes zu schätzen. Ich selbst halte nichts von »Multikulti«. Allein schon der saloppe Begriff zeugt von Missachtung und Geringschätzung von Kultur. Ein Mischmasch aus vielen Preziosen wird zu einem wertlosen Durcheinander, wobei die Schönheiten der einzelnen Kulturen kaum mehr zu erkennen sind.

Foto 10: Regenschauer
Mit meinem kleinen Beitrag über die »Rantzau-Kapelle« und den »Rantzau-Obelisk« möchte ich Leserinnen und Leser dazu ermutigen, in der eigenen Heimat nach geschichtsträchtigen Monumenten und Kuriosa zu suchen, die mehr Beachtung verdient haben.

Ich meine: Man kann sehr wohl fremde Kulturen schätzen, ohne die eigene bestenfalls zu vergessen. Es ist ein Unding, Respekt vor fremden Kulturen zu fordern und nichts für den Erhalt der eigenen Kultur zu tun.

Am 13.7.2016 war ich vor Ort. Am Nachmittag fotografierte ich emsig. Teilweise heftige Schauer wurden immer wieder unterbrochen. Dann machte strahlender Sonnenschein das Fotografieren zum Vergnügen. Dann aber schüttete es wieder vom Himmel. Die Rantzau-Kapelle erschien in geradezu düsterem, unheimlichem Licht.

Von »meinem« Hotel, dem »Central Gasthof« (2) in der Kirchstraße, sind »Rantzau-Kapelle« und »Rantzau-Obelisk« in wenigen Minuten bequem zu Fuß erreichen. Auch zur Freilichtbühne der Karl-May-Festspiele ist es nicht weit. Auch dieser Weg ist zu Fuß gut in weniger als einer halben Stunde zu schaffen. Am Kalkberg geht es aber über eine Treppenpassage bergan. Mit dem PKW kann man nicht direkt bis zur Freilichbühne fahren. Es gibt Parkplätze in der Nähe, die sind aber oft schnell belegt.

Noch ein wichtiger Hinweis: Direkt neben dem wirklich empfehlenswerten »Central Gasthof« : die Marien-Kirche mit ihrem herrlichen Altar.

Foto 11: Der Central Gasthof im Zentrum von Bad Segeberg

Fußnoten
(1) »Die Pyramide des Sonnengottes« von Karl May erschien als Band 52 der berühmten Bamberger Gesamtausgabe der Werke Karl Mays. Kapitel 11 trägt die Überschrift »In der Pyramide«
(2) Hotel und Restaurant »Central Gasthof« (Familie Schumacher), Kirchstraße 32, 23795 Bad Segeberg

Zu den Fotos 
Fotos 1, 3, 4-12: Alle Fotos Walter-Jörg Langbein.
Foto 2: Zeichnung wiki commons/
Dieter Lohmeier Heinrich Rantzau

Foto 12: Die Darsteller vom »Schatz im Silbersee«


340 »Die Göttin und die Inka«,
Teil 340 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 24.07.2016

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