»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Ein mysteriöses Gemälde im Dom
- in Memoriam Rolf Streblow † -
Foto 1: Der Dom etwa 1918 |
Denkt man an Limburg, so kommt einem auch heute noch der Name Tebartz-van Elst in den Sinn. Franz-Peter Tebartz-van Elst, am 20. November 1959 als zweites von fünf Kindern einer Landwirtsfamilie geboren, wurde am 28. November 2007 von Papst Benedikt XVI. zum neuen Bischof zu Limburg ernannt. Im Herbst 2013 wurde er wegen extrem gestiegener Baukosten für das »Diözesane Zentrum Sankt Nikolaus« vor Ort im Bistum, aber auch bundesweit attackiert. Schon am 23. Oktober 2013 wurde der einst jüngste Bischof in Deutschland vom Papst von seinen Pflichten entbunden. Die Deutsche Bischofskonferenz kam bis März 2014 zum Schluss, dass van Elst für die Kostenexplosion des umstrittenen Bauvorhabens auf über 30 Millionen Euro mitverantwortlich sei. Am 26. März 2014 akzeptierte Papst Franziskus van Elsts Rücktritt vom Bischofsamt. Seit Dezember 2014 ist van Elst als »Apostolischer Delegat im Päpstlichen Rat« tätig.
Am 27. Juli 1964 kam ein 1000-DM-Schein in Umlauf. Die Rückseite zierte eine Darstellung des Doms zu Limburg. Auf der Vorderseite zeigte er ein Männerporträt nach einem Gemälde von Lucas Cranach d.Ä., das entweder den Magdeburger Domherrn Johannes Scheyring oder den Mathematiker und Astronom Johannes Schöner darstellt. Die Sehnsucht nach Rückkehr zur »guten alten DM« wächst. Sollte es je zur Wiedereinführung der DM kommen, könnte man den 1000-DM-Schein neu gestalten und den einstigen Bischof von Limburg van Elst ehren.
Foto 2: Der Dom auf dem 1000-DM-Schein |
Reisen wir gemeinsam in die Vergangenheit. Am Ende unserer Exkursion wird die Frage stehen: Gibt es im Dom von Limburg die Darstellung eines UFOs?
Der Weg wird streckenweise ein wenig steinig werden, sprich nicht ohne das Latein der Vulgata-Bibel auskommen.
Im frühen 9. Jahrhundert soll Erzbischof Hetti von Trier (814-847) in Lympurgensis, also Limburg, eine Georgskirche geweiht haben. Die Existenz dieses Gotteshauses freilich ist umstritten, wird doch der Akt der Weihe im 16. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt. Reste eines Vorgängerbaus – wie Mauerwerk – jedenfalls wurden bei Ausgrabungen nicht gefunden. Allerdings lassen sich unter der heutigen Kirche Bestattungen nachweisen, die auf das 9. Jahrhundert datiert werden. Archäologen entdeckten sie unter dem Dom zu Limburg im Umfeld der Michaeliskapelle.
Fotos 3 und 4: Mann mit Bart oder Bischof? |
Noch im 19. Jahrhundert diente sie als »Beinhaus«. Anno 1857 stellte man das Obergeschoss der Kapelle dem Totengräber als Wohnung zur Verfügung.
Zurück zum Dom, zurück ins 10. Jahrhundert: Am 10. Februar 910 stellte König Ludwig das Kind, anno 900 als Sechsjähriger in Forchheim zum König des Ostrfrankenreiches gekrönt, eine Schenkungsurkunde aus. Alsbald wurde mit dem Bau einer Stiftskirche begonnen. Anno 940 war das dreischiffige Gotteshaus vollendet.
Unklar ist, warum der altehrwürdige Bau durch den heutigen Dom ersetzt wurde. Es liegen auch keine Dokumente vor, denen das Jahr, geschweige denn der Tag der Grundsteinlegung entnommen werden könnte. Nach wissenschaftlicher Einschätzung wurde Ende des 12. Jahrhunderts mit dem Bau begonnen. Als gesichert gilt das Jahr der Kirchweihe durch den Trierer Erzbischof Theoderich von Wied. Kirchenpatrone waren, auch daran gibt es keinen Zweifel, der legendäre Drachentöter St. Georg und Nikolaus von Myra.
Foto 5: Der Dom um 1899 |
Leider wurde bei der »Restaurierung« des Doms anno 1872 und 1873 der bis dahin erhaltene Außenputz der Originalbemalung entfernt. 1968 bis 1972 versuchte man den Außenputz zu rekonstruieren. Spärliche Reste der Außenfarbfassung dienten als Orientierungshilfe.
Der Dom zu Limburg thront wie ein verwunschenes Schloss oder eine wehrhafte Ritterburg, eine echte Veste, über der Altstadt von Limburg. Kenner preisen das monumentale Bauwerk auf dem Kalkfelsen als eines der schönsten Beispiele spätromanischer Baukunst mit Elementen der frühen Gotik (1).
Betreten wir nun den Georgsdom zu Limburg durch den Haupteingang. Zielstrebig durchschreiten wir das Gotteshaus Richtung Altar und wenden uns der Westwand des Nordquerhauses zu. Wir stehen vor einem beeindruckenden Gemälde, das uns so viel erzählen kann, das aber auch Geheimnisvolles zu bieten hat. Zeigt es vielleicht gar – im Dom zu Limburg! – die Darstellung eines »UFOs«?
Nach Willy Wyres (2) wurde es im 17. Jahrhundert restauriert, womöglich von »Übermalungen« befreit. Finanziert haben die Wiederherstellung des Gemäldes Johann Zanger und Anna Kalchoffen anlässlich der Hochzeit von Anna Maria Kalchhoffen, Nichte von Johann Zanger. Am 5. Mai 1638 wurde das fromme Werk vollendet, wie es eine Inschrift in lateinischer Sprache verrät (4).
Foto 6: Der Dom, etwa 1917 |
Konzentrieren wir uns auf die komplexe und durchaus mysteriöse Malerei. Das »Wurzel-Jesse-Fenster« aus der Zeit um 1226/30 verdient gründliche Beachtung und Recherche (3). Was stellt die durch die zahlreichen Personen fast etwas verwirrende Malerei an der Wand im Gotteshaus dar? Roman Nickel hat sich im Auftrag des Diözesanmuseums Limburg intensiv mit dem gehaltvollen Gemälde beschäftigt und mit geradezu detektivischem Spürsinn manche Frage beantworten können.
Er schreibt (4):
»Die Wurzel Jesse ist eine weitverbreitete Darstellung des Stammbaumes Jesu, angefangen bei Jesse, dem Vater von König David. Besonders im Mittelalter wurde dieses Symbol verwendet, um die familiäre Beziehung von Jesus zu dem Hause Davids darzustellen. Es dient in erster Linie dazu, die alttestamentarischen Prophezeiungen um den Messias in Jesus von Nazaret erfüllt zu sehen. Die Vorstellung der Wurzel Jesse schlägt sich aber nicht nur in bildlicher Kunst nieder, sondern auch musikalisch. Das berühmte Weihnachtslied aus dem 16. Jahrhundert ›Es ist ein Ros‘ entsprungen aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art.‹ Das Bild zeigt die wichtigsten und bedeutendsten Vertreter aus dem Hause Davids, allerdings nur in männlicher Erblinie.«
Im Zentrum des Gemäldes rankt sich der sprichwörtliche »Stammbaum«, von Jesse (sitzend) nach oben. Bevor wir uns an eine Interpretation des Gemäldes »Stammbaum Jesu« wagen, wollen wir überlegen, für wen denn das komplexe Bildnis gedacht war. Gewöhnlich gelten des Lesens Unkundige als die Adressaten von bildhaften Darstellungen in Gotteshäusern. Und in der Tat schmückten einst herrliche Wandmalereien viele Kapellen und Kirchen. So erzählten Wandmalereien in der Wehrkirche von Urschalling am Chiemsee (5) zum Beispiel vom Verrat Jesu durch Judas, von Jesu Kreuzigung und von seiner Himmelfahrt. Diese lang unter Putz verborgenen Kunstwerke kamen ohne Worte aus. In zahlreichen Kirchen schlummern noch heute Wandmalereien seit Jahrhunderten unter unansehnlichem Putz. Es fehlen freilich die finanziellen Mittel, um sie freizulegen.
Foto 7: Der Dom, etwa 1935 |
Das Bildnis »Wurzel Jesse« wendet sich an Menschen, die nicht nur des Lesens kundig, sondern die auch des Lateinischen mächtig waren. Diverse »Spruchbänder« in lateinischer Sprache erklären, was – genauer gesagt wer – im Bild dargestellt wird. Jesse alias Isai (Person 1). sitzt zentral unter dem »Stamm-Baum«. Die Personen rechts und links von Jesse sind nicht als historische oder biblische Personen gekennzeichnet. Links neben Jesse machen wir eine Person in Blau aus (Person 2). Auf dem vom Kopf der unbekannten Person nach oben angebrachten Schriftband entziffern wir die Worte: »Egredietur virga de radice Jesse. Is:11«.
Foto 8: »Wurzel Jesse«. Foto E. und R. Streblow |
Im 4. Jahrhundert gab es offenbar bereits Übersetzungen der ursprünglich in griechischer Sprache verfassten Evangelien und anderer Texte des »Neuen Testaments« ins Lateinische. Im Jahre 382 nahm sich Hieronymus, enger Vertrauter des Papstes Damasus I., diese lateinischen Texte vor und überarbeitete sie. Dabei korrigierte er nicht in erster Linie sprachliche Fehler, sondern er zensierte. Auch die anderen Schriften des »Neuen Testaments« knöpfte sich Hieronymus vor und bearbeitete sie ebenfalls, offenbar weniger stark als die vier Evangelien. Im Jahre 384 verstarb Papst Damasus I., Hieronymus setzte seine begonnene Arbeit fort.
Die ursprünglich in hebräischer Sprache verfassten Bücher des »Alten Testaments« standen dem frommen Kirchenmann in altgriechischer Sprache zur Verfügung.
Nebenbei: Luthers Hebräischkenntnisse waren wohl recht bescheiden. Es ist anzunehmen, dass er die Texte des Alten Testaments aus dem Altgriechischen und/ oder Lateinischen ins Deutsche übersetzte.
Hieronymus übertrug den Psalter, Buch Hiob, Sprichwörter, Hohelied und die beiden Bücher der Chronik ins Lateinische. Schließlich wurde das Werk vollendet, so dass eine komplette Fassung von beiden Teilen der Bibel in lateinischer Sprache vorlag. Die lateinische Bibel – heute als »Vulgata« bekannt – mag vom Erschaffer des Gemäldes »Wurzel Jesse« als Vorlage für die Schriftbänder gedient haben.
Fotos 9 und 10: Jesse und Co |
Kehren wir zur Person in Blau (Person 2) zurück. Auf ihrem Sprachband steht »Egredietur virga de radice Jesse. Is:11«. Wir schlagen in der »Vulgata« nach und werden rasch fündig. Gleich Vers 1 von Kapitel 11 im »Buch Jesaja« lautet (6): »Et egredietur virga de radice Jesse, et flos de radice ejus ascendet.« Ein Teil dieses Verses findet sich – korrekt zitiert – im Schriftband wieder. Die Luther-Bibel – Ausgabe 2017 – übersetzt wie folgt: »Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.«
Dieser Bibelvers ist heute die wohl bekannteste Prophezeiung des Alten Testaments überhaupt. Keine zweite wird so häufig in Gottesdiensten unserer Tage zitiert. Sie wird dahingehend verstanden, dass der ersehnte Messias ein Nachkomme des Isai alias Jesse sein würde. Isai alias Jesse alias – hebräisch – Jischaj (zu Deutsch »Geschenk Gottes«) war der Vater von König David. Die Voraussetzung für das Messias-Amt schlechthin war, von David abzustammen.
Ob Jesus tatsächlich ein Nachkomme Davids war, mag dahingestellt bleiben. Vielleicht wurde ihm sein »Stammbaum« nur angedichtet.
Fußnoten
1) Metternich, Wolfgang: »Der Dom zu Limburg an der Lahn«, Darmstadt 1994
2) Weyres, Willy: »Der Georgsdom zu Limburg. Festschrift zur
Siebenhundertjahrfeier«, Limburg 1935, Seite 72
3) Grodecki, Louis: »Romanische Glasmalerei«, o.O., 1977, Abb. 195, 196.
4) Nickel, Roman: Manuskript ohne Titel, Archiv. Sabine Benecke vom
»Diözesanmuseums Limburg«, Abteilung »Kunst und Museen«,
Limburg, hat mir dankenswerter Weise eine Kopie des Manuskripts zur
Verfügung gestellt.
5) Siehe hierzu:
Aß, Karl J. et al: »Die Kirchen der Pfarrei Prien«, Schnell Kunstführer 49, 4.
Auflage, Regensburg 1998.
von Bibra, Maria Feiin: »Wandmalereien in Oberbayern 1320–1570«,
erschienen in »Miscellanea Bavarica Monacensia 25«, München 1970.
6) Vulgata
Foto 11: Das mysteriöse Gemälde |
Ein Wort des Dankes
Eva
und
Rolf Streblow †
Rolf Streblow †
machten mich auf das geheimnisvolle Gemälde im Dom zu
Limburg aufmerksam und stellten mir Fotos zur Verfügung! Dafür möchte
ich mich bei ihnen recht herzlich bedanken!
Zu den Fotos
Foto 1: Der Dom etwa 1918. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Der Dom auf dem 1000-DM-Schein. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Fotos 3 und 4: Mann mit Bart oder Bischof? Fotos Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Der Dom um 1899. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Der Dom, etwa 1917. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Der Dom, etwa 1935. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 8: »Wurzel Jesse«. Foto Eva und Rolf Streblow
Fotos 9 und 10: Jesse und Co. Fotos wikimedia commons crop SteveK crop Bennylin
Foto 11: Das mysteriöse Gemälde. Foto Eva und Rolf Streblow
382 » Gibt es im Dom von Limburg die Darstellung eines UFOs? Teil 2«,
»König David und der Heilige vom Gebirge Paran?«,
Teil 382 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein, erscheint am 14.05.2017
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