Teil 2: Das mysteriöse »Grab«.
Teil 117 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Bei strahlendem Sonnenschein bin ich von Larmor-Baden mit der Fähre Richtung Gavrinis aufgebrochen. Drei Bauersfrauen halten eine meckernde Ziege im Zaum. Das Töchterchen der Jüngsten der drei Damen erklärt mir in gutem Englisch, dass die Damen eine Ziegenzucht beginnen wollen. Sie sind sich in einer zentralen Frage uneinig. Ist dafür eine amtliche Genehmigung erforderlich? Die offenbar Älteste in der rustikal-femininen Dreifaltigkeit wird wütend: »Schon mein Urgroßvater hat auf Gavrinis eine kleine Ziegenherde gehabt! Natürlich darf ich in die Fußstapfen meiner Vorfahren treten und eine Ziegenherde halten!« Das wolle sie sich von irgendwelchen Bürokraten nicht verbieten lassen!
Tatsächlich lässt sich der Name »Gavrinis« auf das Altbretonische »Gavriniz« zurückführen, auf das französische »ile de la chevre«, zu Deutsch »Ziegeninsel« ... erkläre ich den Damen via Übersetzung durch das Töchterchen: »Einst hatte Gott Kronos Angst, einer seiner Söhne könnte ihn vom Thron stürzen. So beschloss er, seine männlichen Kinder zu verschlingen. Auf Gavrinis. Rhea wandte einen Trick an. Anstatt des kleinen Zeus gab sie dem bösartigen Kronos einen in Windeln eingewickelten Stein zum Fressen. Der verschlang den schweren Klumpen ...«
Kopfschüttelnd lauschen die Bauersfrauen meinen neunmalklugen Ausführungen. »Und was hat das mit unserer Ziege zu tun?« will die Älteste des Trios schließlich wissen. »Nun, die Kinderfresserei soll auf Gavrinis geschehen sein ... «, antworte ich. »Zeus überlebte dank des Tricks, Kronos verdarb sich den Magen ... und Pan zog den kleinen Zeus auf. Und Pan war halb Mensch, halb Ziege!« Kurz berät sich die weibliche Triade, dann setzt ein keifendes Schimpfen ein. Zögernd erklärt mir das Töchterchen:
»Meine Mutter, meine Oma und meine Urgroßmutter sind sehr verärgert! Sie sind beleidigt ... weil Sie behauptet haben, wir Bewohner von Gavrinis würden kleine Kinder fressen!« Vergeblich versuche ich das mythologische Missverständnis aufzuklären. Aber mir wird kein Gehör geschenkt. Die drei Ladies starren mich nur noch feindselig an, verfallen in energisches Schweigen.
Endlich kommt das winzige Eiland von Er-Lannic in mein Blickfeld. Ich versuche, die aus dem Meer ragenden Menhire zu fotografieren. Ich krame in meinen Unterlagen. Der wahrscheinlich größte Menhir der Bretagne, der »Grande Menhir Brisé« von Locmariaquer – 21 Meter hoch, 300 bis 350 Tonnen schwer – wurde schon vor Jahrtausenden – warum auch immer – umgestürzt. Er zerbrach in vier Teilstücke.
Ein steinzeitliches Kuriosum: Teile von bereits vor Jahrtausenden zerschlagenen Menhiren oder Ganggräbern sollen per Floß nach Gavrinis geschafft und im mysteriösen »Grab« verbaut worden sein ... Offenbar gab es schon vor Jahrtausenden einen besonderen »Secondhand-Handel«. »Gebrauchte« Monstersteine wurden nach der Zerstörung uralter Monumente ... wieder verarbeitet ...
Endlich erreichen wir Gavrinis. Die Fähre legt an und nach wenigen Minuten ist das Ziel erreicht: der Tumulus von Gavrinis. Der runde Grabhügel schmiegt sich in die Landschaft. Man könnte ihn für eine natürliche Erhebung halten. Ich schreite den Tumulus ab ... rund 100 Meter beträgt sein Durchmesser. Seltsam: Nach anderen »Messungen« ist sein Durchmesser nur halb so groß.
Der »Hügel« ist künstlich aufgeschüttet ... keine Laune der Natur. Seine Konturen sind kaum zu erkennen, da er vollkommen überwuchert ist. Bevor mich ein aufmerksamer Wächter zurückpfeift, gelingt es mir, ein Stück an dem mysteriösen Gebilde emporzuklettern. Meiner Überzeugung nach hat man da vor Jahrtausenden nicht einfach einen überdimensionalen Maulwurfshügel aufgetürmt. Ich halte die »Kultanlage« von Gavrinis für eine steinerne Stufenpyramide, die unter dem üppig überwucherten Erdreich auf seine Ausgrabung wartet.
Zwischen kleinen Büschen und Bäumen mache ich kurze Gräben aus, die in den »Hügel« gerissen worden sind. Am Boden sind eindeutig bearbeitete Steine zu erkennen. Wer hat da die wahren Umrisse der Pyramide von Gavrinis zu ergründen versucht? Waren es die Wächter vor Ort? Waren es Archäologen ... oder potentielle Diebe? Wie auch immer: Es gelingt meinem Wächter, mich am Fotografieren der Gräben zu hindern.
Mein Führer geleitet mich energisch zum Eingang der Anlage. Hier darf ich fotografieren ... und hier erkennt man die weitestgehend verborgene Struktur des steinzeitlichen Bauwerks: Es ist eine Stufenpyramide!
Jacques Bergier, Bestsellerautor und Kenner der großen Geheimnisse unseres Planeten, erklärte mir im Interview: »Gavrinis entstand in Etappen. Der erste Bauabschnitt war die Errichtung des ›Ganges‹. Die Seitenwände wurden aufgestellt, die Dekorationen wurden angebracht.« Tatsächlich sind die Seitenwände des Ganges mit einer Vielzahl von sorgsam eingeritzten Symbolen übersät. Nachdem die Gravuren bei Tageslicht fertiggestellt waren, deckte man den Gang mit gewaltigen Platten ab. Um den Gang herum ... über dem Gang wurde eine Stufenpyramide errichtet.« Ob man den steinernen Bau von Anfang an mit einem Erdhügel krönte? Jacques Bergier hielt das für denkbar: »Als zusätzlichen Schutz vielleicht ...«
Der Eingang, so weiß ich aus der Literatur, ist präzise zur aufgehenden Sonne hin ausgerichtet. Das »Tor« wirkt wie der Eingang in einen Bunker. Mächtige Steinplatten bilden die Seiten, eine dicke Steinplatte ruht als »Decke« darauf. Für Riesen ist der Eingang nicht gedacht. Er ist nur 1,60 Meter hoch. Gebeugt gehe ich durch die Granit-»Türfassung« ... und stehe vor einem fünfzehn Meter langen Gang.
Die Höhe des Gangs bleibt konstant 1,60 Meter, seine Breite variiert zwischen 1,20 und 1,50 Metern. Ich folge dem gerade verlaufenden Gang. Er führt mich in eine annähernd quadratische Kammer. Der stockdunkle Raum misst zweieinhalb Meter mal zweieinhalb Meter. Als Decke dient ein tonnenschwerer Granit-Monolith. Er soll etwa 2,70 Meter mal 2,70 Meter groß sein!
Keine Frage: Hier haben Meister-Bauwerker ein Denkmal für die Ewigkeit geschaffen, das schon viele Jahrtausende überdauert hat und wohl noch viele Jahrtausende bestehen wird. Ich bin davon überzeugt: Sollte die heutige Zivilisation in einer atomaren Apokalypse untergehen ... werden die modernen Denkmäler unserer Kultur – von der Autobahn bis zum Hochhaus aus Beton – nach Jahrhunderten verschwunden sein. Die Anlage von Gavrinis aber wird auch schlimmste Kataklysmen überstehen. Wenn Beton längst zerbröckelt und zerbröselt sein wird ... wird Gavrinis noch stehen.
Da fragt man sich doch: Wer sind die »Primitiven« der Erdgeschichte?
Baumeister-Genies wie die der Bretagne ... oder die Vertreter unserer Zivilisation, deren »Wunderwerke« keine Jahrhunderte, geschweige den Jahrtausende überdauern werden!
Warum wurde der »Tunnel« genau zum Sonnenaufgang hin ausgerichtet? Sobald ein steinzeitliches Denkmal astronomische Merkmale aufzuweisen scheint ... wird gern die Theorie vom vorzeitlichen »Kalender« aufgebracht. Tonnenschwere Steinkolosse wurden nach komplizierten Berechnungen exakt so aufgestellt, dass – zum Beispiel – zum Frühlingsanfang das Sonnenlicht einen besonders markanten Punk erstrahlen ließ.
Die primitiven Steinzeitmenschen mussten doch wissen, wann das Frühjahr begann, um rechtzeitig mit landwirtschaftlichen Arbeiten zu beginnen. Solchen Thesen stehe ich skeptisch gegenüber. Aussaat und Ernte richten sich nicht nach Terminen wie der Winter- oder der Sommer-Sonnwende, sondern schlicht und einfach nach dem Wetter. Wenn in einem besonders kalten Jahr Eis und Schnee Wochen länger die Natur im eisigen Griff haben ... verschieben sich die landwirtschaftlichen Arbeiten. Gesät und geerntet wird nach Wetterlage ... nicht nach astronomisch feststehenden Terminen!
Wenn der Kultbau von Gavrinis kein »Kalender« war ... was war er dann? Doch wohl eine Grabanlage!
Die Bücher von Walter-Jörg Langbein
»Geheimnisvolles Gavrinis«,
Teil 3: »Licht im Dunkel«,
Teil 118 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein«,
erscheint am 22.04.2012
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Teil 117 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Er-Lannic im Nebel Foto W-J.Langbein |
Tatsächlich lässt sich der Name »Gavrinis« auf das Altbretonische »Gavriniz« zurückführen, auf das französische »ile de la chevre«, zu Deutsch »Ziegeninsel« ... erkläre ich den Damen via Übersetzung durch das Töchterchen: »Einst hatte Gott Kronos Angst, einer seiner Söhne könnte ihn vom Thron stürzen. So beschloss er, seine männlichen Kinder zu verschlingen. Auf Gavrinis. Rhea wandte einen Trick an. Anstatt des kleinen Zeus gab sie dem bösartigen Kronos einen in Windeln eingewickelten Stein zum Fressen. Der verschlang den schweren Klumpen ...«
Vorbei an Er-Lannic ... Foto W-J.Langbein |
»Meine Mutter, meine Oma und meine Urgroßmutter sind sehr verärgert! Sie sind beleidigt ... weil Sie behauptet haben, wir Bewohner von Gavrinis würden kleine Kinder fressen!« Vergeblich versuche ich das mythologische Missverständnis aufzuklären. Aber mir wird kein Gehör geschenkt. Die drei Ladies starren mich nur noch feindselig an, verfallen in energisches Schweigen.
Endlich kommt das winzige Eiland von Er-Lannic in mein Blickfeld. Ich versuche, die aus dem Meer ragenden Menhire zu fotografieren. Ich krame in meinen Unterlagen. Der wahrscheinlich größte Menhir der Bretagne, der »Grande Menhir Brisé« von Locmariaquer – 21 Meter hoch, 300 bis 350 Tonnen schwer – wurde schon vor Jahrtausenden – warum auch immer – umgestürzt. Er zerbrach in vier Teilstücke.
Ein steinzeitliches Kuriosum: Teile von bereits vor Jahrtausenden zerschlagenen Menhiren oder Ganggräbern sollen per Floß nach Gavrinis geschafft und im mysteriösen »Grab« verbaut worden sein ... Offenbar gab es schon vor Jahrtausenden einen besonderen »Secondhand-Handel«. »Gebrauchte« Monstersteine wurden nach der Zerstörung uralter Monumente ... wieder verarbeitet ...
Ein zerbrochener Riese Foto: W-J.Langbein |
Der »Hügel« ist künstlich aufgeschüttet ... keine Laune der Natur. Seine Konturen sind kaum zu erkennen, da er vollkommen überwuchert ist. Bevor mich ein aufmerksamer Wächter zurückpfeift, gelingt es mir, ein Stück an dem mysteriösen Gebilde emporzuklettern. Meiner Überzeugung nach hat man da vor Jahrtausenden nicht einfach einen überdimensionalen Maulwurfshügel aufgetürmt. Ich halte die »Kultanlage« von Gavrinis für eine steinerne Stufenpyramide, die unter dem üppig überwucherten Erdreich auf seine Ausgrabung wartet.
Zwischen kleinen Büschen und Bäumen mache ich kurze Gräben aus, die in den »Hügel« gerissen worden sind. Am Boden sind eindeutig bearbeitete Steine zu erkennen. Wer hat da die wahren Umrisse der Pyramide von Gavrinis zu ergründen versucht? Waren es die Wächter vor Ort? Waren es Archäologen ... oder potentielle Diebe? Wie auch immer: Es gelingt meinem Wächter, mich am Fotografieren der Gräben zu hindern.
Der künstliche Pyramidenhügel von Gavrinis - Foto W-J.Langbein |
Jacques Bergier, Bestsellerautor und Kenner der großen Geheimnisse unseres Planeten, erklärte mir im Interview: »Gavrinis entstand in Etappen. Der erste Bauabschnitt war die Errichtung des ›Ganges‹. Die Seitenwände wurden aufgestellt, die Dekorationen wurden angebracht.« Tatsächlich sind die Seitenwände des Ganges mit einer Vielzahl von sorgsam eingeritzten Symbolen übersät. Nachdem die Gravuren bei Tageslicht fertiggestellt waren, deckte man den Gang mit gewaltigen Platten ab. Um den Gang herum ... über dem Gang wurde eine Stufenpyramide errichtet.« Ob man den steinernen Bau von Anfang an mit einem Erdhügel krönte? Jacques Bergier hielt das für denkbar: »Als zusätzlichen Schutz vielleicht ...«
Der Eingang, so weiß ich aus der Literatur, ist präzise zur aufgehenden Sonne hin ausgerichtet. Das »Tor« wirkt wie der Eingang in einen Bunker. Mächtige Steinplatten bilden die Seiten, eine dicke Steinplatte ruht als »Decke« darauf. Für Riesen ist der Eingang nicht gedacht. Er ist nur 1,60 Meter hoch. Gebeugt gehe ich durch die Granit-»Türfassung« ... und stehe vor einem fünfzehn Meter langen Gang.
Eingang von Gavrinis Foto W-J.Langbein |
Keine Frage: Hier haben Meister-Bauwerker ein Denkmal für die Ewigkeit geschaffen, das schon viele Jahrtausende überdauert hat und wohl noch viele Jahrtausende bestehen wird. Ich bin davon überzeugt: Sollte die heutige Zivilisation in einer atomaren Apokalypse untergehen ... werden die modernen Denkmäler unserer Kultur – von der Autobahn bis zum Hochhaus aus Beton – nach Jahrhunderten verschwunden sein. Die Anlage von Gavrinis aber wird auch schlimmste Kataklysmen überstehen. Wenn Beton längst zerbröckelt und zerbröselt sein wird ... wird Gavrinis noch stehen.
Da fragt man sich doch: Wer sind die »Primitiven« der Erdgeschichte?
Baumeister-Genies wie die der Bretagne ... oder die Vertreter unserer Zivilisation, deren »Wunderwerke« keine Jahrhunderte, geschweige den Jahrtausende überdauern werden!
Blick ins Innere - Foto W-J.Langbein |
Die primitiven Steinzeitmenschen mussten doch wissen, wann das Frühjahr begann, um rechtzeitig mit landwirtschaftlichen Arbeiten zu beginnen. Solchen Thesen stehe ich skeptisch gegenüber. Aussaat und Ernte richten sich nicht nach Terminen wie der Winter- oder der Sommer-Sonnwende, sondern schlicht und einfach nach dem Wetter. Wenn in einem besonders kalten Jahr Eis und Schnee Wochen länger die Natur im eisigen Griff haben ... verschieben sich die landwirtschaftlichen Arbeiten. Gesät und geerntet wird nach Wetterlage ... nicht nach astronomisch feststehenden Terminen!
Wenn der Kultbau von Gavrinis kein »Kalender« war ... was war er dann? Doch wohl eine Grabanlage!
Die Bücher von Walter-Jörg Langbein
»Geheimnisvolles Gavrinis«,
Teil 3: »Licht im Dunkel«,
Teil 118 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein«,
erscheint am 22.04.2012
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