Teil 3: Karl May, Marie und ich
Walter-Jörg Langbein
Karl May war schon zu Lebzeiten ein Superstar. Unzählige Leserinnen und Leser bombardierten ihn mit Briefen. Kaum eine andere Bewunderin kam aber Karl May so nahe wie Marie Hannes. Marie Hannes (1881-1953), seit einem Unfall chronisch krank, nahm 1896 per Briefpost Kontakt mit Karl May auf. Marie lernte May dann 1897 – 16-jährig – persönlich kennen.
Familie Hannes war vom fabulierenden May begeistert. Der Sachse gab sehr überzeugend den Bestsellerautor, der tatsächlich als Old Shatterhand Blutsbruderschaft mit Winnetou geschlossen hatte ... und der als Kara Ben Nemsi wirklich echte Abenteuer mir Hadschi Halef Omar durchlebt und durchlitten hatte. Kurz, Karl May ließ keinen Zweifel an der Wahrheit seiner geschilderten Erlebnisse aufkommen. Er erzählte, ließ sich von der eigenen Begeisterung mitreißen ... und entführte vor allem Marie und ihren Bruder Ferdi in seine Fantasiewelten.
Marie Hannes schwärmte für Karl May. Und Karl May scheint die schwärmerische Zuneigung der jungen Frau genossen zu haben. Eine geradezu familiäre Bindung entstand. So bezeichnete Marie Karl May gern schwärmerisch als ihren Onkel. Und Karl May akzeptierte diesen Titel.
Anno 1897 erschien Karl Mays Roman »Weihnacht«.Anno 1900 schickte May Marie Hannes ein Exemplar mit persönlicher Widmung:
Karl May, auf dem Zenit seiner Popularität, wurde in der Presse immer wieder angegriffen. May-Feind Lebius attackierte die Legenden von Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi. Karl May selbst versuchte, seine Abenteuer als symbolhafte Märchen zu erklären. Marie Hannes aber glaubte nach wie vor, dass »Onkel Karl« wirklich erlebt hatte, was er in seinen Büchern schilderte.
Wie innig die Beziehung zwischen Marie Hannes und Karl May waren, belegt der umfangreiche Briefwechsel zwischen dem Schriftsteller und seiner Verehrerin. Marie Hannes schrieb: »Meinem herzallerliebsten Onkel Karl!« May antwortete am Heiligen Abend 2012: »Mein Liebling« (1)
Und so verfasste sie eine Schrift mit all den faszinierenden Legenden, die ihr »Onkel Karl« doch selbst erzählt hatte. Marie Hannes wollte ihre Verteidigungsschrift unter dem Titel »Allerlei von Karl May« veröffentlichen.
Daran aber war Karl May ganz und gar nicht gelegen. So bat er seine Frau Klara, sich doch an Marie Hannes zu wenden. Angeblich wollte Klara das Manuskript lesen. Marie Hannes schickte der Gattin Mays ihr Traktat und schrieb eine nicht für die Öffentlichkeit gedachte, vernichtende Kritik. Marie Hannes aber sollte erfahren, was Karl May von ihrer Verteidigungsschrift hielt. Wieder war es Klara May, die Marie Hannes kontaktieren musste. So kam die junge Frau in den Besitz von Mays Ausführungen über »Allerlei von Karl May«. Marie verstand die Welt nicht mehr. Hatte sie doch, empört über die Anfeindungen durch Lebius und Co., ihrem »Onkel« Beistand leisten wollen. War sie doch nach wie vor davon überzeugt, dass sich die Heldentaten der fiktiven May-Helden wirklich so abgespielt hatten!
Hatte sie doch beabsichtigt, der Welt den ihrer Meinung nach wahren Karl May, alias Old Shatterhand, alias Kara Ben Nemsi vor Augen zu führen ... Karl May allerdings wollte sich von diesen einst angeblich »realen Gestalten« verabschieden. Karl May war entsetzt. Auf keinen Fall durfte das Bändchen veröffentlicht werden! Angeblich vernichtete er das Manuskript. Sicher schätzte May die Situation richtig ein: Die flammende »Verteidigungsschrift« hätte ihm damals sehr geschadet!
Marie Hannes war zutiefst verletzt. So brach der direkte Kontakt zwischen Marie und May ab. Erst 1906 besuchte Marie Hannes Karl May wieder in der »Villa Shatterhand«. Marie Hannes hatte sich von ihren fantasievollen Vorstellungen verabschiedet. Sie akzeptierte nun, dass Mays Romane nur in der Fantasie »wahr« waren. Aber traf dies nicht auf unzählige Werke der Weltliteratur zu? Waren die Abenteuer von Tom Sawyer und Huck Finn, von Mark Twain ersonnen, nicht auch nur Fiktion? Und hatte nicht James Fenimore Cooper (1789-1851) seinen Lederstrumpf erfunden? Auch Miguel de Cervantes hatte seinem fiktiven Don Quijote (Don Quixote) ein ewiges, unvergängliches Denkmal geschaffen. Keinem dieser Literaten wurde je vorgeworfen, fantasiert zu haben.
Für Marie Hannes konnte es jetzt nur eine Strategie geben. Karl May musste sich radikal von seiner Pseudowirklichkeit abwenden und knallhart zur Realität bekennen. Mag sein, dass die von Marie Hannes geforderte vollkommene Abkehr Karl und Klara May zu weit ging. Wie auch immer: Das Verhältnis zwischen dem greisen, vorgealterten Schriftsteller und seiner Frau einerseits zu Marie Hannes andererseits war von nun an dauerhaft gestört.
Als Karl May am 4. April 1912 in Radebeul beigesetzt wird, verfasst Marie Hannes einen Bericht für das »Radebeuler Tageblatt«. Zu ihrer großen Enttäuschung nimmt Klara May den Text nicht in die Neuausgabe von Karl Mays Autobiografie auf. Folge: Die Verbindung zwischen Klara May und Marie Hannes wird endgültig abgebrochen ...
Vor 100 Jahren starb Karl May. Der berühmte Sachse zählt seit mehr als 100 Jahren zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Welt. Insgesamt sind wohl weltweit mehr als 200 Millionen Karl-May-Bände erschienen. Schon 1881 gab es die erste Übersetzungen von May-Texten ... in französischer Sprache. Vor rund 50 Jahren stellte die UNESCO fest: Karl May ist der meistübersetzte deutsche Autor. Seine Werke wurden in mehr als vierzig Sprachen publiziert. Man kann sie in Bulgarisch lesen ... oder in Vietnamesisch. Englische Übersetzungen allerdings ließen lang auf sich warten.
Zu 100. Todestag von Karl May erschien »The Treasure in Silver Lake«. Marlies Bugmann hat Mays erfolgreichstes und bekanntestes Werk - »Der Schatz im Silbersee« - einfühlsam übersetzt. Der Maysche Friedensgedanke kommt in den Übersetzungen von Marlies Bugmann besonders schön zur Geltung. Man spürt, dass Marlies Bugman eine wirkliche Bewunderin Karl Mays ist.
Karl May soll selbst versucht haben, bei seiner großen USA-Reise wenige Jahre vor seinem Tode, amerikanische Verleger für sein Werk zu gewinnen. Vergeblich. Es war seine Hoffnung, die amerikanische Bevölkerung auf das unsägliche Unrecht hinzuweisen, das die »Indianer« Nordamerikas nach wie vor zu ertragen hatten. Er wollte den Ureinwohnern Amerikas ein Denkmal setzen, auf ihre Kultur hinweisen ... Vergeblich.
Vor fast einem halben Jahrhundert lebten meine Eltern (Walter und Herty Langbein) mit uns Kindern (mein Bruder Volker und ich) für ein Jahr in Michigan, am Ufer des »Lake Michian«. Wir waren monatelang unterwegs, besuchten fast alle fünfzig Staaten der USA.
Ich las damals schon Karl May ... und war erschüttert von Mays pessimistischer Vision vom Untergang der roten Nation. May schreibt in seiner Einleitung zu »Winnetou I« (1): »Ja, die rote Nation liegt im Sterben! Vom Feuerlande bis weit über die nordamerikanischen Seen hinaus liegt der riesige Patient ausgestreckt, niedergeworfen von einem unerbittlichen Schicksale, welches kein Erbarmen kennt. Er hat sich mit allen Kräften gegen dasselbe gesträubt, doch vergeblich; seine Kräfte sind mehr und mehr geschwunden; er hat nur noch wenige Atemzüge zu tun, und die Zuckungen, die von Zeit zu Zeit seinen nackten Körper bewegen, sind die Konvulsionen, welche die Nähe des Todes verkünden.«
Als sich Karl May gegen Ende des 19. Jahrhunderts für die Indianer Nordamerikas einsetzte, verachtete die breite Masse in den Staaten die Indianer als unzivilisierte Wilde. Nach wie vor galt für viele »zivilisierte« Amerikaner: Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer. 1868 hatte Indianerschlächter George Armstrong Custer während des »Winterfeldzugs« an den Ufern des Washita-Flusses ein Dorf der Cheyenne attackiert und dem Erdboden gleichgemacht. Custers Niederlage am Little Bighorn von 1876, wurde zu Mays Zeiten noch als Verbrechen am Weißen Mann gesehen, nicht als Racheakt der gepeinigten Indianer. Und da wollte Karl May Verständnis für den Roten Mann wecken?
Rund ein halbes Jahrhundert erlebte ich als Kind die Ruinen von Mesaverde im Südwesten von Colorado. Die Bauten erinnerten mich stark an die von Karl May beschriebenen Behausungen der Apachen. Rund ein halbes Jahrhundert nach Karl Mays Tod sah ich als Kind das Elend der Indianer, die von ihrem Land vertrieben und in Reservate gesperrt worden waren. Auch als Kind registrierte ich die Trostlosigkeit vieler Indianer, die im Alkohol Vergessen suchten. In den Ruinen von Mesaverde traten Indianer auf, die mich an die stolzen Ureinwohner erinnerten. Sie legten ihre Kostüme an, vollführten kriegerische Tänze ... und gehörten zum Folklore-Programm von Reiseveranstaltern.
Ich erinnere mich an das Unbehagen, das ich empfand, als ich mit meinem Bruder vor »echten« Indianern fotografiert wurde. Waren das die stolzen Brüder und Schwestern Winnetous, die Jahrmarktsdarbietungen boten für die Nachkommen jener, die ihre Vorfahren immer und immer wieder betrogen, vertrieben und ermordet hatten? Heute, 100 Jahre nach Karl Mays Tod, ist der verbrecherische Umgang der weißen Amerikaner mit den roten Ureinwohnern alles andere als aufgearbeitet. Das Empfinden, den Brüdern und Schwestern Winnetous schlimmstes Unrecht angetan zu haben ... und auch heute noch anzutun ... ist meiner Erfahrung nach auch heute nur sehr schwach ausgeprägt. Das moderne Amerika, das sich gern als Weltpolizisten und Verteidiger der Freiheit sieht, sollte endlich damit anfangen, das blutigste Kapitel der eigenen Geschichte zur Kenntnis zu nehmen!
Karl May (2): »Der Rote mußte weichen, Schritt um Schritt, immer weiter zurück. Von Zeit zu Zeit gewährleistete man ihm ›ewige‹ Rechte auf ›sein‹ Territorium, jagte ihn aber schon nach kurzer Zeit wieder aus demselben hinaus, weiter, immer weiter. Man ›kaufte‹ ihm das Land ab, bezahlte ihn aber entweder gar nicht oder mit wertlosen Tauschwaren, welche er nicht gebrauchen konnte. Aber das schleichende Gift des ›Feuerwassers‹ brachte man ihm desto sorgfältiger bei, dazu die Blattern und noch andere, viel schlimmere und ekelhaftere Krankheiten, welche ganze Stämme lichteten und ganze Dörfer entvölkerten. Wollte der Rote sein gutes Recht geltend machen, so antwortete man ihm mit Pulver und Blei, und er mußte den überlegenen Waffen der Weißen wieder weichen.«
Die Botschaft Mays wollte man vor 100 Jahren nicht hören. Sehr viel hat sich daran bis heute nicht geändert.
Anmerkungen des Verfassers
Der Band »Weihnacht«, versehen mit einer handschriftlichen Widmung Karl Mays für Marie Hannes befindet sich in meinem Besitz. Was diese Rarität für mich zur besonderen Kostbarkeit macht:
Karl May schrieb die Widmung am 6. November 1900. Genau 100 Jahre später,auf den Tag genau, am 6. November 2000, haben meine Frau und ich geheiratet.
Zu meiner Karl-May-Sammlung gehören noch weitere Raritäten: Ein Karl-May-Autogramm und eine Fotopostkarte »Karl May vor den Niagara-Fällen«, auf der Rückseite von Klara und Karl May signiert.
Fußnoten
1: Wer sich über die spannende, tragische Beziehung von Marie Hannes zu Karl May indormieren möchte, dem sei folgendes Werk empfohlen: Steinmetz, Hans-Dieter und Sudhoff, Dieter: »Leben im Schatten des Lichts«, Bamberg und Radebeul, 1997
2: May, Karl: »Winnetou/ Erster Band/ Reiseerzählung«, Band 12 der Historisch-Kritischen Ausgabe für die Karl-May-Gedächntnis-Stiftung, Ausgabe Haffmans Verlag, Zürich 1990, S. 9
Literaturempfehlungen
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Walter-Jörg Langbein
Karl May um 1906 Foto: Erwin Raupp |
Familie Hannes war vom fabulierenden May begeistert. Der Sachse gab sehr überzeugend den Bestsellerautor, der tatsächlich als Old Shatterhand Blutsbruderschaft mit Winnetou geschlossen hatte ... und der als Kara Ben Nemsi wirklich echte Abenteuer mir Hadschi Halef Omar durchlebt und durchlitten hatte. Kurz, Karl May ließ keinen Zweifel an der Wahrheit seiner geschilderten Erlebnisse aufkommen. Er erzählte, ließ sich von der eigenen Begeisterung mitreißen ... und entführte vor allem Marie und ihren Bruder Ferdi in seine Fantasiewelten.
Marie Hannes schwärmte für Karl May. Und Karl May scheint die schwärmerische Zuneigung der jungen Frau genossen zu haben. Eine geradezu familiäre Bindung entstand. So bezeichnete Marie Karl May gern schwärmerisch als ihren Onkel. Und Karl May akzeptierte diesen Titel.
Anno 1897 erschien Karl Mays Roman »Weihnacht«.Anno 1900 schickte May Marie Hannes ein Exemplar mit persönlicher Widmung:
May-Widmung für Marie Hannes, Sammlung Langbein |
»Meinem Mariechen,
die mein Liebling ist,
von
ihrem Onkel Karl,
welches der Verfasser ist.
Radebeul, Dresden,
d.6./11. 00«
Karl May, auf dem Zenit seiner Popularität, wurde in der Presse immer wieder angegriffen. May-Feind Lebius attackierte die Legenden von Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi. Karl May selbst versuchte, seine Abenteuer als symbolhafte Märchen zu erklären. Marie Hannes aber glaubte nach wie vor, dass »Onkel Karl« wirklich erlebt hatte, was er in seinen Büchern schilderte.
Wie innig die Beziehung zwischen Marie Hannes und Karl May waren, belegt der umfangreiche Briefwechsel zwischen dem Schriftsteller und seiner Verehrerin. Marie Hannes schrieb: »Meinem herzallerliebsten Onkel Karl!« May antwortete am Heiligen Abend 2012: »Mein Liebling« (1)
Und so verfasste sie eine Schrift mit all den faszinierenden Legenden, die ihr »Onkel Karl« doch selbst erzählt hatte. Marie Hannes wollte ihre Verteidigungsschrift unter dem Titel »Allerlei von Karl May« veröffentlichen.
Daran aber war Karl May ganz und gar nicht gelegen. So bat er seine Frau Klara, sich doch an Marie Hannes zu wenden. Angeblich wollte Klara das Manuskript lesen. Marie Hannes schickte der Gattin Mays ihr Traktat und schrieb eine nicht für die Öffentlichkeit gedachte, vernichtende Kritik. Marie Hannes aber sollte erfahren, was Karl May von ihrer Verteidigungsschrift hielt. Wieder war es Klara May, die Marie Hannes kontaktieren musste. So kam die junge Frau in den Besitz von Mays Ausführungen über »Allerlei von Karl May«. Marie verstand die Welt nicht mehr. Hatte sie doch, empört über die Anfeindungen durch Lebius und Co., ihrem »Onkel« Beistand leisten wollen. War sie doch nach wie vor davon überzeugt, dass sich die Heldentaten der fiktiven May-Helden wirklich so abgespielt hatten!
Marie Hannes als Vierzehnjährige |
Marie Hannes war zutiefst verletzt. So brach der direkte Kontakt zwischen Marie und May ab. Erst 1906 besuchte Marie Hannes Karl May wieder in der »Villa Shatterhand«. Marie Hannes hatte sich von ihren fantasievollen Vorstellungen verabschiedet. Sie akzeptierte nun, dass Mays Romane nur in der Fantasie »wahr« waren. Aber traf dies nicht auf unzählige Werke der Weltliteratur zu? Waren die Abenteuer von Tom Sawyer und Huck Finn, von Mark Twain ersonnen, nicht auch nur Fiktion? Und hatte nicht James Fenimore Cooper (1789-1851) seinen Lederstrumpf erfunden? Auch Miguel de Cervantes hatte seinem fiktiven Don Quijote (Don Quixote) ein ewiges, unvergängliches Denkmal geschaffen. Keinem dieser Literaten wurde je vorgeworfen, fantasiert zu haben.
Namenszug Marie Hannes, Sammlung Langbein |
Als Karl May am 4. April 1912 in Radebeul beigesetzt wird, verfasst Marie Hannes einen Bericht für das »Radebeuler Tageblatt«. Zu ihrer großen Enttäuschung nimmt Klara May den Text nicht in die Neuausgabe von Karl Mays Autobiografie auf. Folge: Die Verbindung zwischen Klara May und Marie Hannes wird endgültig abgebrochen ...
Vor 100 Jahren starb Karl May. Der berühmte Sachse zählt seit mehr als 100 Jahren zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Welt. Insgesamt sind wohl weltweit mehr als 200 Millionen Karl-May-Bände erschienen. Schon 1881 gab es die erste Übersetzungen von May-Texten ... in französischer Sprache. Vor rund 50 Jahren stellte die UNESCO fest: Karl May ist der meistübersetzte deutsche Autor. Seine Werke wurden in mehr als vierzig Sprachen publiziert. Man kann sie in Bulgarisch lesen ... oder in Vietnamesisch. Englische Übersetzungen allerdings ließen lang auf sich warten.
Zu 100. Todestag von Karl May erschien »The Treasure in Silver Lake«. Marlies Bugmann hat Mays erfolgreichstes und bekanntestes Werk - »Der Schatz im Silbersee« - einfühlsam übersetzt. Der Maysche Friedensgedanke kommt in den Übersetzungen von Marlies Bugmann besonders schön zur Geltung. Man spürt, dass Marlies Bugman eine wirkliche Bewunderin Karl Mays ist.
The Treasure in Silverlake Foto: Archiv Langbein |
Vor fast einem halben Jahrhundert lebten meine Eltern (Walter und Herty Langbein) mit uns Kindern (mein Bruder Volker und ich) für ein Jahr in Michigan, am Ufer des »Lake Michian«. Wir waren monatelang unterwegs, besuchten fast alle fünfzig Staaten der USA.
Ich las damals schon Karl May ... und war erschüttert von Mays pessimistischer Vision vom Untergang der roten Nation. May schreibt in seiner Einleitung zu »Winnetou I« (1): »Ja, die rote Nation liegt im Sterben! Vom Feuerlande bis weit über die nordamerikanischen Seen hinaus liegt der riesige Patient ausgestreckt, niedergeworfen von einem unerbittlichen Schicksale, welches kein Erbarmen kennt. Er hat sich mit allen Kräften gegen dasselbe gesträubt, doch vergeblich; seine Kräfte sind mehr und mehr geschwunden; er hat nur noch wenige Atemzüge zu tun, und die Zuckungen, die von Zeit zu Zeit seinen nackten Körper bewegen, sind die Konvulsionen, welche die Nähe des Todes verkünden.«
Mesaverde, Indianertänze - Foto: Walter Langbein sen., 1963 |
Rund ein halbes Jahrhundert erlebte ich als Kind die Ruinen von Mesaverde im Südwesten von Colorado. Die Bauten erinnerten mich stark an die von Karl May beschriebenen Behausungen der Apachen. Rund ein halbes Jahrhundert nach Karl Mays Tod sah ich als Kind das Elend der Indianer, die von ihrem Land vertrieben und in Reservate gesperrt worden waren. Auch als Kind registrierte ich die Trostlosigkeit vieler Indianer, die im Alkohol Vergessen suchten. In den Ruinen von Mesaverde traten Indianer auf, die mich an die stolzen Ureinwohner erinnerten. Sie legten ihre Kostüme an, vollführten kriegerische Tänze ... und gehörten zum Folklore-Programm von Reiseveranstaltern.
Ich erinnere mich an das Unbehagen, das ich empfand, als ich mit meinem Bruder vor »echten« Indianern fotografiert wurde. Waren das die stolzen Brüder und Schwestern Winnetous, die Jahrmarktsdarbietungen boten für die Nachkommen jener, die ihre Vorfahren immer und immer wieder betrogen, vertrieben und ermordet hatten? Heute, 100 Jahre nach Karl Mays Tod, ist der verbrecherische Umgang der weißen Amerikaner mit den roten Ureinwohnern alles andere als aufgearbeitet. Das Empfinden, den Brüdern und Schwestern Winnetous schlimmstes Unrecht angetan zu haben ... und auch heute noch anzutun ... ist meiner Erfahrung nach auch heute nur sehr schwach ausgeprägt. Das moderne Amerika, das sich gern als Weltpolizisten und Verteidiger der Freiheit sieht, sollte endlich damit anfangen, das blutigste Kapitel der eigenen Geschichte zur Kenntnis zu nehmen!
Autor Langbein als Kind in Amerika .., links vorne Foto: Walter Langbein sen., 1963 |
Die Botschaft Mays wollte man vor 100 Jahren nicht hören. Sehr viel hat sich daran bis heute nicht geändert.
Anmerkungen des Verfassers
Der Band »Weihnacht«, versehen mit einer handschriftlichen Widmung Karl Mays für Marie Hannes befindet sich in meinem Besitz. Was diese Rarität für mich zur besonderen Kostbarkeit macht:
Karl May schrieb die Widmung am 6. November 1900. Genau 100 Jahre später,auf den Tag genau, am 6. November 2000, haben meine Frau und ich geheiratet.
Zu meiner Karl-May-Sammlung gehören noch weitere Raritäten: Ein Karl-May-Autogramm und eine Fotopostkarte »Karl May vor den Niagara-Fällen«, auf der Rückseite von Klara und Karl May signiert.
May Biografie von Marlies Bugmann |
1: Wer sich über die spannende, tragische Beziehung von Marie Hannes zu Karl May indormieren möchte, dem sei folgendes Werk empfohlen: Steinmetz, Hans-Dieter und Sudhoff, Dieter: »Leben im Schatten des Lichts«, Bamberg und Radebeul, 1997
2: May, Karl: »Winnetou/ Erster Band/ Reiseerzählung«, Band 12 der Historisch-Kritischen Ausgabe für die Karl-May-Gedächntnis-Stiftung, Ausgabe Haffmans Verlag, Zürich 1990, S. 9
Literaturempfehlungen
3: Es sind einige vorzügliche Biografien von Karl May erschienen, zum Beispiel ...
Heermann, Christian: »Winnetous Blutsbruder: Karl-May-Biografie«, Bamberg und Radebeul 2002
Heimannsberg, Joachim: »Karl May auf Reisen: Mit dem Erfinder von Kara Ben Nemsi und Old Shatterhand unterwegs«, Mannheim 2012
Klußmeier, Gerhard: »Karl May und seine Zeit: Bilder, Dokumente, Texte. Eine Bildbiografie«, Bamberg und Radebeul 2007
Wohlgschaft, Hermann: »Karl May - Leben und Werk«, 3 Bände, Bargfeld/ Celle 2005
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Sehr interessant, viele Dank an den Autor!
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