Sonntag, 29. Juli 2012

132 »Schienen in den Himmel«

Teil 132 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Unterwegs nach El Fuerte
Foto W-J.Langbein
Im Vergleich zu Puma-Punku (4.000 Meter über dem Meeresspiegel gelegen) liegen die mysteriösen »Schienen in den Himmel« in nur »geringer« Höhe ... 1.950 Meter über Normal-Null. Meine Besuche der ungewöhnlichen archäologischen Stätte werde ich so schnell nicht vergessen ... Die erste Visite verlief besonders strapaziös: Von Santa Cruz fuhr ich mit dem Bus bis nach Bermejo. Hier übernachtete ich in »Hostal und Restaurant Oriental«. Meine Unterkunft war weniger »orientalisch« als einfach ... für die Übernachtung inklusive Frühstück bezahlte ich aber auch nur 4 US-Dollar.
Von Bermejo ging es weiter bis zur »Abzweigung Fuerte«.

Der Rest der Strecke konnte nicht mehr motorisiert zurückgelegt werden. Grund: Sintflutartige Regengüsse waren in den Tagen zuvor vom Himmel geprasselt und hatten die Straße unbefahrbar gemacht. Das ist eine Erfahrung, die der Reisende in den Anden häufig macht. Regenschauer führen zu Schlammlawinen ... Erdreich mit Steinbrocken rutscht ab ... und schon ist eine Straße unpassierbar. Geduldig wartet man auf das Eintreffen von Räumfahrzeugen ... oder macht kehrt und versucht sein Glück am nächsten Tag noch einmal. Von der »Abzweigung« aus, so versicherte mir der Busfahrer, sei es nur noch ein »Katzensprung« bis zu meinem Ziel.

Mein Ziel ... der Huckel von
El Fuerte - Foto Paco1966
Der Katzensprung bezog sich wohl auf ein gigantisches Riesentier. Zwei Stunden ging es immer steil bergauf. Dieser Fußmarsch war die Hölle und wurde durch die in Schwärmen auftretenden Moskitos nicht wirklich angenehmer.

Diese Strapazen mit erheblichen Blutspenden an die surrend-fiepsenden Moskitos wollte ich beim zweiten Besuch meinen Reisegefährten ersparen. So mietete ich für unsere kleine Reisegesellschaft einen Bus ... und wir fuhren gut gelaunt von Santa Cruz aus durch eine fruchtbare Ebene Richtung Samaipata. Die gut zweistündige Fahrt ließ uns eine idyllische Landschaft kennenlernen, geprägt von Feldern, auf denen Zuckerrohr, Mais, Orangen und Pampelmusen angebaut wurden. Zufrieden graste kraftstrotzendes Vieh links und rechts der Straße. Zufrieden genossen alle Reiseteilnehmer die Fahrt ... bis es zusehends »gebirgiger« wurde ...

Je höher die Berge der »Cordillera Oriental« wurden, desto wagemutiger nahm der Busfahrer die zum Teil recht engen Kurven der Serpentinen. Wer rechts aus dem Fenster blickte, der sah die scheinbar senkrecht ansteigende Felswand. Wer links aus dem Fenster sah, wurde nicht selten von Schaudern erfasst. Denn da ging es fast senkrecht hinab in die Tiefe ... Von einer Teerstraße konnte keine Rede sein. Es war eher eine Schotterfurt, die den Bus gelegentlich abrutschen und von links nach rechts schwenken ließ. Und da die Straße doch recht schmal war, kam es immer wieder zu erschreckenden Momenten.

Das Zentrum von El Fuerte
Foto W-J.Langbein
Je höher sich unser Bus empor quälte, desto häufiger wurden die Augenblicke des Schreckens ... Das eine oder das andere Mal ragte schon ein Rad des Busses über den Abgrund hinaus! Der Fahrer pfiff dabei unbeeindruckt muntere Weisen und ergötzte sich an uns, den ängstlichen Gringos. Immer wieder baten Mitreisende den Busfahrer, doch anzuhalten. Sie wollten, so erklärten sie, sich lieber zu Fuß bis zu den »Schienen in den Himmel« aufmachen ... als mit dem Bus in den Abgrund zu stürzen. Immer wieder stoppte der Busfahrer sein Vehikel, immer wieder stiegen weitere Reisende aus.

Die Busbesatzung wurde immer kleiner, der Busfahrer aber wich nicht von seinem Arbeitsplatz. In Erinnerung an die Moskitoschwärme, die mich bei meinem ersten Besuch begleitet hatten, blieb ich im Bus ... und erreichte dann auch das Ziel. Bis auf einen – und den Busfahrer natürlich – waren alle übrigen Reisegefährten ausgestiegen ...

Die letzten 500 Meter habe ich erstaunlich schnell zurückgelegt. Es waren besonders stechwütige Moskitos, die meinen Schritt erheblich beschleunigten. Endlich stand ich vor »El Fuerte« ... vor der »Festung«. Die spanischen Eroberer haben der mysteriösen Anlage diesen Namen verliehen. Eine Festung war El Fuerte allerdings nie. Im Internet-Lexikon ist hoffnungsvoll Stimmendes zu lesen:

Die mysteriösen Schienen von El Fuerte
Foto: Erich von Däniken
»Der Zweck der Anlage war lange Zeit unbekannt.« Wenn der Zweck »lange Zeit unbekannt war« ... wissen wir dann heute, welchem Zweck El Fuerte diente? Wir lesen weiter bei Wikipedia (1): »Auch wenn die Bedeutung der Darstellungen im Einzelnen nach wie vor nicht vollständig geklärt ist, besteht heute Einigkeit, dass es sich um eine Zeremonialstätte der Inka handelt.« So wird das nicht vorhandene Wissen der Archäologie trefflich zusammengefasst. Sobald Archäologen auf eine Kultstätte stoßen, deren Sinn sie nicht erkennen ... wird rasch ein Etikett aufgeklebt: »Zeremonialstätte«.

Sollte El Fuerte ein heiliger Platz gewesen sein, an dem »Zeremonien« gefeiert wurden ... dann müssen wir zugeben, nicht den Hauch einer Ahnung zu haben, wie diese Zeremonien ausgesehen haben mögen. Zudem ist El Fuerte einzigartig im Reich der Inkas. Vielleicht waren es die Inkas, die El Fuerte »bauten«. Vielleicht nutzen die Inkas tatsächlich die Stätte für »Zeremonien«. Vielleicht waren es aber auch nicht die Inkas, die den gewachsenen Sandstein von El Fuerte modellierten. Vielleicht hat er auch nichts mit »Zeremonien« zu tun. Kurzum: Wir haben keine Ahnung!

Da stehe ich also im Zentrum einer mysteriösen Stätte, im Urwald Boliviens, knapp 2.000 Meter über dem Meeresspiegel. Wie groß die »Stätte« einst war ... wir wissen es nicht. Verschiedentlich ist von »vierzig Hektar« die Rede. Vor Ort nannte man weit größere Zahlen. Ausgegraben wurde aber erst ein winziger Bruchteil. Und dieses kleine Teilstückchen ist leicht zu überschauen. Es ist ein Sandsteinrücken, etwa 200 Meter lang und 40 Meter breit.

Rätselhaftes El Fuerte
Foto W-J.Langbein
Gelegentlich wird dieser steinerne Huckel als eine »Pyramide« bezeichnet, was völliger Unsinn ist! Eine Pyramide ist ein künstlich geschaffenes Denkmal. Das steinerne Zentrum von El Fuerte besteht aus gewachsenem Stein ... Allerdings wurde fast jeder Quadratzentimeter bearbeitet und behauen.

Im Zentrum des pyramidenförmigen »Huckels« verlaufen zwei »Schienen«, genauer gesagt zwei Rillen. Beide sind fast vierzig Zentimeter breit und – meiner Messung nach – fast dreißig Meter lang. Ich stehe am Fuße des Huckels und schaue nach oben. Neben den Rillen – sie sehen wie Schienen in den Himmel aus – hat man auf beiden Seiten Zickzacklinien in den Sandstein gemeißelt.

Welchem Zweck dienten die beiden Rillen? Waren sie als »Kanäle« gedacht, in denen einst flüssiges Metall floss, im Rahmen eines technischen Programms? Wurde ein heute nicht mehr bekanntes Verfahren zur Reinigung von Metallen angewandt? Ein immer wieder wiederholtes technisches Verfahren könnte aus Sicht technisch vollkommen Unbedarfter wie ein seltsames sakrales Ritual verstanden worden sein, das dazu diente – beispielsweise – reines Gold zu gewinnen.

Rätselhafte Steinbearbeitungen
Fotos W-J.Langbein
Ich marschierte auf Strumpfsocken den »Schienen« folgend ... nach oben. Mir flößt »El Fuerte« Respekt ein – wie eine christliche Kirche, ein indischer Tempel oder ein Steinkreis auf der Osterinsel. Hoch oben, am höchsten Punkt des Huckels, wurden Rondelle in den Fels gemeißelt. Eines befindet sich am Ende der »Schienen« in den Himmel. Sollte hier tatsächlich etwas »in den Himmel« geflogen sein? UFOs waren es sicher nicht ... aber vielleicht sehr viel primitivere »Flugobjekte«?

Erich von Däniken schlägt eine kühn anmutende Lösung vor (2): »Bei einer solchen Betrachtungsweise hätten die Erbauer am unteren Ende der Rillen einen Drachen oder eine Art Segelflugzeug befestigt, das auf Schienen in den Rillen lief. Oben, am Rondell, wäre ein Gummiband aufgewickelt gewesen, das hinunterlief und an dem Flugapparat befestigt war. Auch vorinkaischen Völkern dürfte es nicht schwer gefallen sein, eine Ausklinkvorrichtung zu konstruieren.«

Kurz und bündig: Am unteren Ende der beiden »Schienen« wartet ein Segelflugzeug auf seinen Start. Es ist an einem starken Gummiband befestigt, das von starken Männern mittels einer Vorrichtung im Rondell so straff wie möglich angespannt wurde. Sobald das Band maximal gespannt war, wurde ein »Ausklinkmechanismus« betätigt – und der Segelflieger sauste empor und wurde schließlich in den Himmel katapultiert. In den beiden Rillen könnten – auch das ist Spekulation – die Kufen des Segelflugzeugs entlang geglitten sein ... bis zum Start des Vehikels.

Miniatur-Modell
El Fuerte - Foto:
W-J.Langbein
Zugegeben: Diese technische Version, von Erich von Däniken vorgeschlagen, passt so ganz und gar nicht zu unseren Vorstellungen von den Inkas und den Vorfahren der Inkas. Aber vielleicht sind ja unsere Vorstellungen falsch? Auch wenn wir von der »Segelflug-Erklärung« ausgehen, bleibt noch vieles rätselhaft in El Fuerte. Da wurden nischenartige Vertiefungen in den Stein gemeißelt. Da wurden kleine Becken in den Stein geschlagen, in denen sich Wasser sammelt. Da wurden offenbar im Stein Röhren gebohrt, die die Becken miteinander verbinden ... El Fuerte bei Samai Pata in Bolivien ist und bleibt geheimnisvoll. Könnten wir doch die Steinbearbeitungen von El Fuerte wie ein Buch lesen ...

Bei einem meiner Besuche erwarb ich vor Ort ein kleines Miniaturmodell von El Fuerte. Es hat in meinem Arbeitszimmer einen Ehrenplatz gefunden ... Mich überzeugt die Wischiwaschi-Erklärung von der »Zeremonialanlage« El Fuerte nicht. Sie passt überall und nirgendwo auf geheimnisvolle Stätten unseres Planeten. Sie macht bequem, weil Hinterfragen überflüssig ...

Ein kleines Gedankenspiel ... In einigen Jahrtausenden ist von unserer Zivilisation kaum etwas übrig geblieben. Archäologen finden Überbleibsel eines Fußballstadions im süddeutschen Raum. Vereinzelte Stoff-Fetzen tragen Inschriften. Rasch haben die Archäologen eine Erklärung zur Hand: Das war eine Kultstätte, für Zeremonien der Glaubensgemeinschaft »FC Bayern«. Manchmal kamen auf fernen Gestaden Besucher, die an den sakralen Handlungen teilnahmen ... zum Beispiel Anhänger der »St.Pauli-Religion« ...

Fußnoten
1 Stand 14.10.2011
2 Däniken, Erich von: »Raumfahrt im Altertum. Auf den Spuren der Allmächtigen«, München 1993, S



»Ein Motor aus Stein?«,
Teil 133 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 05.08.2012



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Samstag, 28. Juli 2012

Poesie am Samstag: »zornige Zeiten« von Sylvia B.

es gibt zeiten
da brauche ich mich
nicht anzustrengen
um den zorn
mancher menschen
auf mich zu ziehen
das geht dann
von ganz alleine
und vor allem
kann das
ganz schnell gehen

dann denke ich
dass es manchmal
wirklich schwer ist
sich ein bild
von mir
zu machen




vielleicht
ist ein grund
dass ich lebe
und ein bild
nicht

vielleicht
liegt es auch nur daran
dass sich
manchmal
die dinge
anders gestalten
als sie sich
diesen menschen
darstellen
oder

sind
vielleicht
manche menschen
einfach nur
oberflächlich


mein bestreben
sollte es
wirklich nicht sein
es jedem
verstrahlten arschloch
recht machen
zu wollen

____

Text aus: der tiger am gelben fluss: Texte und Illustrationen

Bilder aus: nimm es nicht persönlich






Sonntag, 22. Juli 2012

131 »Eine steinerne Nachlese«

Das Geheimnis der Anden X,
Teil 131 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Der Rillenstein
Foto W-J.Langbein
Es ist bitterkalt. Feiner, eisiger Regen durchdringt scheinbar alles ... meine doppelte Schicht wollener Pullover ebenso wie meine Kameratasche. Ich möchte das Weitwinkelobjektiv abschrauben und durch ein 300-mm-Tele ersetzen. Aber bei diesem Regen? Ich suche also ein trockenes Plätzchen ... entferne mich nach und nach vom Ruinenfeld Puma-Punku. Plötzlich mache ich so etwas wie einen Bretterverschlag aus ... einen Unterschlupf gegen den Regen.

Knarrend lässt sich eine Holztüre öffnen. Ich stehe im Trockenen, aber der eisige Regen ist schlagartig vergessen ... Vor mir erkenne ich ein schier unüberschaubares Depot von eng beieinander stehenden archäologischen Schätzen. Ich fotografiere mehrfach ... bis meine Kamera ihren Geist aufgibt. Obwohl der Negativfilm noch längst nicht aufgebraucht ist ... meiner Kamera ist kein weiteres Foto mehr zu entlocken.

Ich setze mich auf einen massiven, glatt polierten Steinblock. Mysteriöse Steinbearbeitungen gibt es weltweit, aber Puma-Punku/Tiahuanaco ist so etwas wie eine prähistorische Zentrale der Steinmetzkunst ...

Durchbohrter Stein
Foto W-J.Langbein
Da steht mitten im Trümmerfeld von Puma-Punku in einem Meer von gelben Blumen – 4.000 Meter über dem Meeresspiegel – ein steinerner Block (Andesit?). Er ist spiegelglatt poliert. Von oben nach unten verläuft, exakt parallel zur Außenkante des Blocks ... eine senkrecht in das harte Material gefräste Rille. Und in diese Rille hinein wurden in regelmäßigem Abstand kleine Löcher gebohrt. Mit welchen Werkzeugen ... zu welchem Zweck? Heute kann man mit modernen Maschinen solche Rillen in härtesten Stein ziehen ... auch feinste Löcher bohren. Aber wie machten das »Steinzeitmenschen«?

Ein weiterer Steinbrocken stellt uns Fragen. Er ist nur roh zugehauen ... und wurde zweimal durchbohrt. Genauer: Zwei kreisrunde Löcher durchdringen den Fels, an zwei weiteren Stellen hat man offenbar den Bohrer nur angesetzt. Mir kommt es so vor, als handele es sich bei diesem gelochten Stein um eine Art »Probier-Stein«. Haben hier Lehrlinge erste Versuche mit einem Bohrer unternommen, bevor sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen durften? Sollten besonders schön bearbeitete Steine im Lauf der Jahrhunderte von der archäologischen Stätte besonders gern verschleppt worden sein? Und blieben die weniger schönen Steine – etwa mit Probebohrungen – liegen?

Einer von vielen rätselhaften Steinen
Foto W-J.Langbein
Die Bohrlöcher passen nicht so recht zu einem »Steinzeitvolk«, was Archäologen vor Ort im Gespräch unter vier Augen auch zugeben. Steinzeitmenschen besaßen keine Bohrer im heutigen Sinn. Und doch finden sich klare Hinweise auf den Einsatz eben solcher Werkzeuge! In der »wissenschaftlichen« Literatur sind aber kritische Fragen nach den Steinmetzen von Puma-Punku verpönt. Warum ist es so problematisch, zuzugeben, dass wir nicht wissen, wer da so spielerisch mit Stein gewerkelt hat? Offenbar sehen es gesetzte Wissenschaftler als Schwäche an, Wissenslücken zuzugeben ...

Zufällig hat dieser Block mit den Bohr-Experimenten überlebt. Jahrhunderte lang lag er im Ruinenfeld von Puma-Punku ... Andere Steinkreationen aus uralten Zeiten regten womöglich gar humorvolle Archäologen zu fantasievollen Steincollagen an. Ein schönes Beispiel ... Die Kreation aus seltsamen archäologischen Artefakten erinnert mich an ein abstraktes Denkmal für den fleißigen Arbeiter.

Kuriose Collage aus altem Stein
Foto W-J.Langbein
Da wurden zum Beispiel eine halbe Steinröhre und ein steinerner Quader zu einem abstrusen Ensemble aufgetürmt. Die Steinmetzen von Puma-Punku würden gewiss ob dieser Kombination erstaunt die Köpfe schütteln. Oder sollten sich da ein paar Arbeiter über die Herren Professoren lustig gemacht haben?

Steine über Steine bestimmen auch heute noch das Bild von Puma-Punku: Steine, die mit erstaunlicher Präzision bearbeitet wurden. Weil nur noch ein Bruchteil der Steinquader von Puma-Punku vorhanden ist, können wir heute nicht mehr diese komplex gestalteten Elemente zu einem passenden dreidimensionalen Bild zusammenfügen ...

Der eisig-kalte Regen hat mich förmlich in einen hölzernen Verschlag getrieben ... und plötzlich sehe ich mich einer kaum zu überblickenden Flut von bearbeiteten Steinen gegenüber. Einige wenige Aufnahmen gelingen mir, dann versagt die Kamera. Und plötzlich steht jemand hinter mir. Ein Wächter? Es ist, wie ich später erfahre, ein Student der Archäologie... In gutem Englisch erklärt er mir: »Die Erbauer von Tiahuanaco setzten auf Massenproduktion von Steinen. Es kommt mir so vor, als habe es genormte Steine gegeben, die massenhaft hergestellt wurden. Ich glaube, es gab so etwas wie ein Baukastensystem ... dank der genormten Steine konnten Gebäude von geradezu perfekter Gleichmäßigkeit gebaut werden ...«

Der Student kommt ins Grübeln. »Jahrhunderte lang wurden Skulpturen von Puma-Punku und Tiahuanaco, so sie halbwegs transportabel waren, weggeschleppt: an Sammler verkauft, von Dörflern in ihren Hütten versteckt ...« Er deutet auf ein kurioses »Tier« in Stein. »Solche Funde sind echte Raritäten ...«

Sind noch bedeutende Entdeckungen möglich? »Von den überirdischen Bauten ist so gut wie nichts mehr erhalten ... « wende ich ein. Der Student nickt. »An der Erdoberfläche ... nicht ... aber unterirdisch. Unterirdisch warten noch sensationelle Entdeckungen auf uns!« Aber werden diese Entdeckungen wirklich gemacht werden? Ich habe da meine Zweifel. Es ist fast unmöglich, eine Genehmigung für Ausgrabungen in Puma-Punku zu erhalten. Unabhängige Forscher haben keine Chance. Zugriff auf Grabungslizenzen haben nur bewährte Kräfte, die von der »Steinzeit-Theorie« ausgehen ...

Kurioses Tier im Steindepot
Foto W-J.Langbein
Puma-Punku hat von primitiven Steinzeitlern gebaut worden zu sein. Das ist die Vorgabe. Ausländische Kapazitäten könnten vielleicht helfen, so manches Rätsel von Tiahuanaco und Puma-Punku zu lösen. Das aber verhindert der ausgeprägte Nationalstolz: Wenn jemand etwas entdeckt, dann ein »Einheimischer«. Und nicht jede Entdeckung scheint »genehm«.

Fakt ist: Am 13. Juni 2006 wurde der winzige Eingang zu einem unterirdischen »Tunnel« entdeckt, der direkt unter die ehemalige »Pyramide« von Tiahuanaco führte. Der Begriff »Tunnel« ist irreführend. Es handelte sich eher um eine Röhre ... die nur mit einem kleinen Miniaturroboter erkundet werden konnte. Mit einer Kamera bestückt, so heißt es, fuhr die wendige Maschine in die Unterwelt von Tiahuanaco ... durch eine uralte »Röhre«. Niemand weiß, welchem Zweck sie diente.

Weinender Gott von
Tiahuanaco
Foto: Bellamy
(Archiv Langbein)
Was hat der kleine Roboter entdeckt? Was wurde gefilmt? Was wurde fotografiert? Bislang sind keine erwähnenswerten Resultate an die Öffentlichkeit gedrungen. Warum nicht?

»Sehen Sie ... ich studiere Archäologie... « erklärte mir vor Jahren der Student im seltsamen Steindepot. »Meine Aussichten auf einen bezahlten Job, etwa an einem Museum, sind nicht einmal schlecht!« Eine Voraussetzung aber muss der junge Mann erfüllen: Er muss stets die Überzeugung seines Professors vertreten. So lange er das tut, kommt er voran. »Sollte ich eine Entdeckung machen, die der Überzeugung meines Professors widerspricht ... dann halte ich den Mund!«

»Wird die Wahrheit über Puma-Punku und Tiahuanaco also nie publik werden?« frage ich den Studenten. »Ich befürchte es!« antwortet er. Inzwischen hat der Regen aufgehört. Gemeinsam gehen wir zum Sonnentor von Tiahuanaco. Wir blicken empor zur Zentralgestalt, einem seltsam fremd wirkenden Wesen. »Der Gott weint ... « sinniert der Student. Und lächelnd fügt er hinzu: »Wenn wir sehen, was aus den prachtvollen Bauten von Puma-Punku und Tiahuanaco geworden ist ... dann ist das ja auch zum Weinen ...«

 Mysteriöse Rille mit feinen Bohrlöchern ... Foto: W-J.Langbein





Dank und Lektüre-Empfehlung
Ohne Erich von Dänikens wunderbare Bücher – seit »Erinnerungen an die Zukunft« – hätte ich mich nie nach Puma-Punku aufgemacht. Ein herzliches Dankeschön an E.v.D.!
Sehr empfehlenswert ist das meiner Meinung nach faszinierendste aktuelle Buch zum Thema überhaupt, verfasst von Erich von Däniken.

Däniken, Erich von: »Götterdämmerung«, Rottenburg 2009



»Schienen in den Himmel«,
Teil 132 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 29.07.2012


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Samstag, 21. Juli 2012

Poesie am Samstag: »Auf Weisung der Götter« von Sylvia B.

kann es sein
dass Du
rastlos
ziellos
suchst

Illustration: Sylvia B.
kann es sein dass Du
gleich handelst
und doch
immer wieder
ein anderes ergebnis erwartest

kann es sein dass Du
Dir gerade diese partner wählst
von denen Du sicher weißt
dass Du Dich nie
in sie verlieben kannst
kann es sein
dass es gerade das ist
wovor Du am meisten
angst hast

weißt Du um diese alte legende
von den beiden die eins waren
und dann
auf weisung der götter
zerrissen wurden
und so
bis heute einander suchen
um wieder eins zu werden


kann es sein
dass es Dein anderes ich ist
das Du so schmerzhaft
vermisst


_________________

Aus: der tiger am gelben fluss: Texte und Illustrationen

Lesen Sie auch: nimm es nicht persönlich





Sonntag, 15. Juli 2012

130 »Abschied von Puma Punku«

Das Geheimnis der Anden IX,
Teil 130 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Das Sonnentor als Teil einer imposanten Anlage.
Fotos: Archiv Hans Schindler-Bellamy,
Ingeborg Diekmann (kl. Foto)
Einst gab es einen riesigen Baukomplex in den Hochanden des heutigen Bolivien. Die heutigen Ruinen von Tiahuanaco und Puma Punku lassen kaum noch erahnen, wie die weitestgehend verwüstete und vernichtete Stätte ausgesehen haben mag. Meine Meinung: Sie bildeten einst einen großen Komplex. Prof. Hans Schindler-Bellamy legte mir vor mehr als dreißig Jahren eine sorgsame zeichnerische Rekonstruktion der einst stolzen Bauten vor. Er breitete Fotos und Zeichnungen auf dem Boden eines luxuriösen Hotels in München aus. »Das war nicht das Werk von steinzeitlichen Menschen!« wiederholte er immer wieder. Ich konnte ihm nur beipflichten.

Die Erbauer der prachtvollen Anlagen hinterließen uns, so der hochgebildete Gelehrte, nicht ein Buch, das wir lesen können ... »Aber die Symbolik des Sonnentores beschreibt in einer mathematischen Sprache ungeheureres Wissen, zum Beispiel Astronomie!« Prof. Hans Schindler-Bellamy war überzeugt, die Sprache des Sonnentores entschlüsselt zu haben und wie ein Buch lesen zu können. (1) Es ist nicht die »primitive« Sprache eines Steinzeitvolkes. Sie wurde – zum Beispiel – in das legendäre »Sonnentor« von Tiahuanaco graviert. Offenbar sollten es spätere Generationen wie ein Buch lesen können.

Das »Sonnentor von Tiahuanaco« war demnach einst Teil einer imposanten Fassade. Heute steht es einsam und verloren auf freier Fläche, notdürftig repariert. Im Trümmerfeld bei Tiwanaku entdeckte ich den traurigen Rest eines ähnlichen Tores. Offenbar wurde es einst zerschlagen. Einen Teil hat man abtransportiert und vielleicht in einer Kirche verbaut ... oder zu Schotter für die Eisenbahntrasse verarbeitet. Vielleicht liegt aber der Rest des Tores irgendwo im Erdreich verborgen.

Rückseite des weltberühmten
Sonnentores (oben).
Unten Fotomontage.
Fotos W-J.Langbein
In einer Fotomontage setzte ich das Bruchstück eines weiteren Tores in das Foto des weltbekannten Sonnentores. Kein Zweifel: Das Teilstück gehörte einst zu einem weiteren Tor. Wie viele solcher Tore mag es einst gegeben haben? Wie viele wurden zerschlagen, wie viele wurden weggeschleppt und verbaut?

Ich erinnere mich gut daran: Mit dem greisen Professor kroch ich am Boden seines Hotelzimmers zwischen Plänen, Büchern, Zeichnungen und Fotos umher. Wir betrachteten faszinierende Fotos der Stätte Puma-Punku/Tiahuanaco, wir verglichen rund 100 Jahre alte Aufnahmen mit heutigen. Wir überprüften zeichnerische Rekonstruktionen mit Fotos von Ruinen, die die Zeiten überdauert hatten.

»Vor Jahrtausenden verschwanden die eigentlichen Erbauer von Puma Punku und Tiahuanaco ...« meinte nachdenklich Prof. Hans Schindler-Bellamy. »War es ein freiwilliger Abschied?« Wir wissen es nicht. Gab es eine gewaltige Katastrophe? Übernahmen vermeintlich »primitivere« Stämme die Ruinen, viele Generationen nach dem Verschwinden der Erbauer? Wir würden wahrscheinlich Antworten auf unsere Fragen in jenen alten Texten finden, die von den spanischen Eroberern planmäßig gesucht und dann verbrannt worden sind. Der Chronist Fernando Montesino jedenfalls behauptet, die mysteriösen Steinbauten seien vor der Sintflut errichtet worden. Gab es eine solche Katastrophe? Die Aymara – so wird behauptet – haben angeblich die einst so stolzen Bauten erbaut. Die Aymara aber weisen das weit von sich. Die steinernen Städte seien sehr viel älter ... Sie stammen – so die Aymara – aus Zeiten, da es den heutigen Menschen noch gar nicht gab. Damals sei der Titicaca-See sehr viel größer als heute gewesen.

 Versuch der Rekonstruktion
 Foto: Ingeborg Diekmann
Sollte der »Fantast« Prof. Dr. Arthur Posnansky (1873-1946) die Wahrheit entdeckt haben (2)? Der Gelehrte ging von wiederholten gewaltigen Überschwemmungen aus ... von einem Titicacasee, der die Treppen von Tiahuanaco umspülte. Kalkspuren auf Steinen von Tiahuanaco sollen das beweisen. Noch heute soll auf der Hochebene von Puma-Punku und Tiahuanaco der einstige Küstenverlauf deutlich zu erkennen sein. Mir drängte sich vor Ort dieser Eindruck auf: Da und dort scheinen bei sporadischen archäologischen Arbeiten willkürlich Gräben gezogen oder Löcher ausgehoben worden zu sein. Da und dort liegen noch Schaufeln und Hacken herum. Ob den Wissenschaftlern das Geld ausgegangen ist? Es sieht so aus, als habe man die Arbeiten abrupt abgebrochen. Ich krabble in so einen Graben.

Sauber bearbeitete Steine scheint fest im einstmals schlammigen Morast förmlich verbacken worden zu sein. Es kommt mir so vor, als ob ein Erdbeben Gebäude umgestürzt hat, als ob die Trümmer dann von einer gewaltigen Flutwelle mit Schlamm bedeckt worden seien. Als sich die Wassermassen zurückzogen, blieb vieles im Schlamm verborgen. Nach und nach verfestigte sich der Schlamm. Für die christlich-missionierten Ureinwohner durfte eine solche Flut-Katastrophe nur jene des Alten Testaments gewesen sein.

So manches Mal habe ich Puma Punku und Tiahuanaco besucht. So manches Mal habe ich Abschied von den mysteriösen Ruinen genommen ... und mir einen Schatz aus Erinnerungen zusammengetragen. Was, so frage ich mich, ist das Geheimnis der Ruinen in den Hochanden?

Tonnenschwere
Steinmonster
Fotos: W-J.Langbein
Sind es die viele Tonnen schweren Steinmonster, von denen auch heute noch manche halb im Erdreich stecken? Sind es die zum Teil über 100 (einhundert!) Tonnen schweren Platten aus massivem Stein, die man – wie auch immer – transportiert hat? Sind es die kleinen gelben Blümchen, die in einer Höhe von 4.000 Metern über dem Meeresspiel förmlich strahlen?

Sind es die unglaublichen Steinmassen, die präzise bearbeitet wurden? Ist es die Präzision einzelner Steinquader, die nie und nimmer mit primitiven Werkzeugen so exakt zugeschnitten worden sein konnten? Wie wurden sie geschaffen ... und zu welchem Zweck? Schon vor rund 130 Jahren wurden tonnenschwere Steinquader millimetergenau vermessen, die einfach paradox sind. Sie sind Fremdkörper in der Geschichte.

Beispiel: Wer kreierte in »grauer Vorzeit« einen gut acht Tonnen (!!!) schweren Steinquader ... um ihn dann mit unbekannten Werkzeugen zu traktieren? Wer schnitt vielzackige Kanten in den Stein, wer fräste Vertiefungen? Wer hat diese Steinbearbeitungen geplant? Wie wurden die Pläne festgehalten ... von einem Volk, das keine Schrift kannte?

Ich muss immer wieder fragen: Wie konnte diese Präzision erreicht werden ... ohne Metallschablonen, ohne hochtourige Bohr/Schneide-Maschinen? Mir ist nicht bekannt, dass auch nur ein einziger solcher Stein in unseren Tagen kopiert wurde ... unter Verwendung primitiver Werkzeuge! Heute würde man Diamantbohrer verwenden, mit hoher Drehgeschwindigkeit. Man würde Stahlschablonen fest fixieren, die zu bearbeitenden Brocken in mächtige Klammern spannen. Man würde heute modernste Geräte einsetzen ... und hätte doch seine liebe Not, wollte man wiederholen, was vor ewigen Zeiten angeblich mit primitiven Werkzeugen gelungen ist!

Unglaublich komplex bearbeitete Steinquader
Fotos: Bellamy /Archiv Langbein
Die »Hünengräber« Norddeutschlands sind Zeugnisse erstaunlicher Fähigkeiten der Menschen vor Jahrtausenden. Sie konnten mit Brocken gewaltiger Masse scheinbar spielerisch umgehen. Sie konnten sie über große Entfernungen schleppen. Die Erbauer von Puma-Punku waren dazu auch in der Lage. Sie konnten aber zudem die Monstersteine millimetergenau schneiden, fräsen, schleifen, bohren.

Immer wieder höre ich von sogenannten »Skeptikern«, es gebe gar kein »Geheimnis« Puma-Punku/ Tiahuanaco. Wirklich nicht: Dann ans Werk: Man fertige mit einfachsten Mitteln so ein kurioses Steingebilde, sagen wir aus härtestem Diorit ... Man schleppe einen 130-Tonnen-Block mit primitivsten Mitteln nur ein paar Kilometer querfeldein, in der dünnen Luft der Hochanden! Wenn es so einfach war, jene steinernen Kuriosa zu erschaffen ... dann möge man bitte wiederholen, was den »Steinzeitmenschen« angeblich so leicht von der Hand ging. Man muss sich dann aber auch wirklich auf die primitiven Methoden beschränken, die man den Menschen von Puma-Punku zubilligt. Bis heute ist das nicht gelungen!

Ich habe den Eindruck, dass sich mancher »Experte« rasch von Puma-Punku/Tiahuanaco verabschiedet, ohne über die eigentlichen Geheimnisse nachzudenken.

Vielleicht muss man wirklich vor Ort vor diesen riesigen Steinmonstern stehen, um wahrzunehmen, dass »primitive Werkzeuge« nicht ausgereicht haben können, um die Meisterleistungen von Puma-Punku zu vollbringen! Man mag darüber streiten, ob Puma-Punku vor 1.500 oder vor 15.000 Jahren gebaut wurde. Das ist nicht die zentrale Frage! Ob Puma-Punku vor 15, vor 150, vor 1.500 oder 15.000 Jahren kreiert wurde ... mit »primitiven« Werkzeugen ging es nicht!

Steine ... wie »gegossen«
Foto: W-J.Langbein
Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Eine Antwort freilich ist auszuschließen: Das Steinzeitvolk der Aymara hat Puma-Punku nicht gebaut!

Ich glaube – um es etwas provokant zu formulieren – sogenannte »Experten« verabschieden sich viel zu schnell von Puma-Punku, weil es vor unserer Zivilisation mit ihren technischen Möglichkeiten nichts Vergleichbares gegeben haben darf! Also wollen sie die »unmöglichen« Steinbearbeitungen aus den Hochanden gar nicht wirklich kennen.

Der Weg nach Puma-Punku in den Hochanden Boliviens ist auch heute noch steinig, mühsam und nicht ungefährlich. So manches Vehikel stürzte beim Erklimmen der Serpentinen ab ... schon mancher Mensch kam ums Leben. Mir scheint: Der Weg nach Puma-Punku ist besonders jenen Experten viel zu weit und zu beschwerlich, die nicht zugeben mögen / können (??), dass die Vergangenheit immer noch so manch' ungelöstes Rätsel zu bieten hat. Manchmal sind die Bretter vor unseren Köpfen härter als Granit ...

Wissenschaft soll Wissen schaffen. Wirkliche Wissenschaftler geben zu, wenn es auf manche Frage keine plausible Antwort gibt.

Fußnoten
1 Die umfangreichen Ausführungen von Prof. Hans Schindler-Bellamy würden den Rahmen dieser Serie sprengen. Ich muss und kann daher nur auf die leider nur noch antiquarisch beziehbaren, rar gewordenen Werke des Gelehrten hinweisen ...
Bellamy, H.S. Und Allan, P.: »The Calendar of Tiahuanaco/ The Measuring System of the Oldest Civilization«, London 1956
Bellamy, H.S. und Allan, P.: »The Great Idol of Tiahuanaco«, London 1959
2 Posnansky, Arthur: »Tihuanacu, the Cradle of American Man«, Bände I und II, ins Englische übersetzt von James F. Sheaver, New York und La Paz, Bolivien, 1945 und Bände III und IV, ins Englische übersetzt von James F. Sheaver, New York und La Paz, Bolivien, 1957

Dank und Lektüre-Empfehlung
Ohne Erich von Dänikens wunderbare Bücher – seit »Erinnerungen an die Zukunft« – hätte ich mich nie nach Puma-Punku aufgemacht. Ein herzliches Dankeschön an E.v.D.!

Sehr empfehlenswert ist das meiner Meinung nach faszinierendste aktuelle Buch zum Thema überhaupt, verfasst von Erich von Däniken.

Däniken, Erich von: »Götterdämmerung«, Rottenburg 2009



»Eine steinerne Nachlese«,
Das Geheimnis der Anden X,
Teil 131 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 22.07.2012


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Samstag, 14. Juli 2012

Der Schatz der Kindheit und der Herbst der Schmetterlinge

Sehnsucht nach dem Nichtwissen.
Nach dem Sein ohne gestern und ohne morgen.

Ganz hier, ganz alles.
All-ein.
Sein ohne Maßstab von Zeit.
Friede der Ahnungslosigkeit.
Kein Anfang, kein Ende.

Irgendwo im nirgendwo.
Wechsel der Augenblicke ohne Übergang.
Alles ist – ohne zu wissen.

Zielloses Laufen, ohne den Hauch einer Frage.
Sinnfrei jeder Augenblick.
Alles schmeckt und klingt und staunt.
Müde Füße ohne klagen.


Kein Morgen am Horizont.
kein Ende von Etwas.
Gelbe Wogen endloser Ähren.
Rote Käfer paaren sich.
Düfte ohne Namen brennen sich ins Herz.



Vor Mutter flieht jede Angst.
Allwissender Vater so wenig.
Warmes Bad am Samstag.
Heißer Kakao nach Schnee.
In starke Arme kuscheln sich Erzählungen.
Faszination - Opas Zähne neben dem Teller.
Selbstgepflückte Äpfel kinderkopfgroß.
Schokolade nach dem Kirchgang.

Schlaflied.
Trost.
Lieblingsessen.
Freiheit.
Freunde immer da.

Lange, stille Sonntage.
Besuche bei Tanten, mit Gerüchen.
Fragen auf die keiner Antwort erwartet.


Wolken ziehen auf.
Verwirrung.
Schamvoll gefühlt.
Schreck im Spiegel.
Frisch geborene Fragen.
Fehlende Antworten.
Hier bin ich?
Was soll ich mit mir tun?
Schlechte Noten.
Keine Lust auf Grenzen.
Weltenweit – Mama.
Papa wird selten.
Einsamkeit – von wo nur?
Sehnsucht – nach was nur?

Kein Matsch mehr an den Füßen.
Kein Hüpfen auf der Straße.
Unterdrücktes Lachen.
Verbotenes Weinen.
Plappermäulchen wurde verschlossen.

Hetzen, laufen, nicht denken.
Wo ist der Trend?
Bin ich so recht?
Jahrein.
Jahraus.
Kinder.
Mann.
Schweigen.
Arbeit.
Funktionieren.
Lieben, lachen.
Hassen, weinen.
Sorge um die Kleinen.

Wachsen aus.
Ziehen raus.

Mutter geht
Vater nach.

Stille kommt von draußen rein.
Fensterschauend schweigt der Blick.
Der Weg nach vorn -
führt zurück.



 © g.c.roth




Bücher von g.c.roth:




Bildnachweis:
oben: Juana Kreßner  / pixelio.de
unten: heinz dahlmanns  / pixelio.de



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Mittwoch, 11. Juli 2012

Cowboys küsst man nur ...

... wenn man sich einen Frosch an der Seite wünscht.

Der Cowboy präsentiert nach außen den starken Mann und ist innerlich eine Memme. Weich wie Butter in der Sonne, mit einer großen Klappe, aus der nur heiße Luft entweicht. Deshalb ist er immer einsam, hat kaum männliche Freunde, dafür zahllose oberflächliche Liebschaften. Nähe lässt einen Cowboy in Panik geraten, denn Nähe bedeutet für ihn Angriff. Sobald jemand den Lack seiner dünnen Fassade berührt, zerstört er denjenigen oder er verpisst sich unter Fadenschein.

Nach außen wirken Cowboys auf fremde Menschen wie starke, in sich ruhende Persönlichkeiten, die alles allein im Griff haben, „Es“ geschafft und irgendwie geregelt haben. Ein Macher auf allen Ebenen. Das schreckt Männer ab und macht Frauen an. Das ist beispielsweise auch der Grund, weshalb Cowboys nicht auf eigenen Füßen gehen, sondern sich von willigen starken Pferden oder Stahlrössern tragen lassen. Zudem hat es den Vorteil, dass sie auf andere herabsehen können, ohne selbst Größe haben zu müssen.

Dienstag, 10. Juli 2012

»Das Märchen vom Prinzendesaster« von Sylvia B.

Illustration: Sylvia B.
Vor nicht allzu langer Zeit lebte eine Prinzessin alleine in einem Schloss, das an drei Seiten von einer Rosenhecke umgeben war. Diese Hecke stand seit ewigen Zeiten schon dort. Die Großmutter hatte der Prinzessin an deren 18. Geburtstag die Familiengeschichte eröffnet, so wie es Tradition war. Danach soll sich die Ururomi der Prinzessin, am Tag ihrer Volljährigkeit, an einer vergifteten Spindel gestochen haben, und umgehend, mit allen Bewohnern des Schlosses, in einen tiefen, langjährigen Schlaf gefallen sein. Danach habe die Hecke angefangen, ungezügelt zu wachsen und viele Prinzen, die die Ururomiprinzessin wach küssen wollten, haben sich darin verfangen.

   Großmutter wies also ihre Enkelin auf erhöhte Wachsamkeit bezüglich der Rosen an. Dann gab sie ihr auf, sobald die erste Rose zu blühen beginnen wolle, an der Hecke nach einem Prinzgemahl Ausschau zu halten. So hätten das alle Prinzessinnen in der Vergangenheit gehandhabt. Nachdem Oma ihre Pflicht getan hatte, verstarb sie.

  Nun haben solche Familiengeschichten ihr Vor- aber auch Nachteile. In diesem Fall führte die Volljährigkeitsenthüllungen dazu, dass alle Prinzessinnen fortan an Schlafstörungen litten. Ob ihre Ahninnen die richtige Wahl ihrer Partner getroffen hatten, war der Prinzessin nicht bekannt. Denn die Prinzen des Hauses pflegten nach der jeweiligen Hochzeit und der dazugehörigen Nacht, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.

   Die Mutter der Prinzessin hatte sich irgendwann im nahe liegenden Wald verirrt und den Weg nicht mehr nach Hause gefunden. Als das passierte, war die Prinzessin noch klein. Darum hatte sich die Großmutter um die kleine Prinzessin gekümmert.
Illustration: Sylvia B.

   Der Tradition folgend, litt auch die junge Prinzessin umgehend an Einschlafstörungen. Und als der Frühling kam, folgte die Prinzessin brav der Weisung ihrer Omi und beobachtete die Rosen vor dem Schloss sehr genau.

   Tatsächlich entdeckte sie eines Morgens eine Gestalt, die sich scheinbar in der Hecke verfangen hatte. Die Prinzessin griff zu ihrer Rosenschere, verließ das Schloss und über den Weg, der an den Klippen lag, auf dem das Schloss stand, lief sie an der Hecke vorbei zu der Stelle, an der sie den gefangenen Prinzen vorfand.

   Als sie diesen erblickte, wandte sich ihre Vorfreude aber schlagartig in Entsetzen um. An der Kleidung konnte sie zwar einen Prinzen ausmachen, auch war die Gestalt hoch gewachsen. Aber der scheinbare Prinz dünstete aus wie eine Spelunke, in der er vermutlich auch die Nacht verbracht hatte. So stand die Prinzessin wie angewurzelt und starrte den Prinzen an. Als dieser die junge Prinzessin erblickte, lief er zur Höchstform auf:
»Was glotzt du mich so blöde an, du dusselige Kuh? Setz gefälligst deinen Hintern in Bewegung und schneide mich von dem Gestrüpp frei!«

   Diese Sprache gefiel der Prinzessin überhaupt nicht. Aber sie war ein hilfsbereiter Mensch und entschied für sich, den ungehobelten Menschen aus seiner misslichen Lage zu befreien. Doch diesem ging ihr tun nicht schnell genug und so fuhr er sie wieder an:
»Himmel, Arsch und Zwirn! Geht das nicht etwas schneller?«
Das machte die Prinzessin zornig und so antwortete sie:
»Wenn du nicht so zappeln tätest, würde es schneller gehen! Halte still und deinen Mund!«

   Das beeindruckte den Prinzen und so schwieg er, bis die Prinzessin ihn frei geschnitten hatte. Danach ordnete er seine Kleider so gut es ging und setzte eine freundliche Miene auf, die ihn plötzlich nicht mehr ganz so unsymphatisch machte.

   Aber die Prinzessin war auf der Hut, als er zu ihr sprach:
»Habe dich nicht beim Tanz in den Mai gesehen, du wärst mir unter all den Gesichtsbaracken dort sicher aufgefallen. Na ja, ich musste etwas über den Durst trinken und als auf dem Rückweg pinkeln angesagt war, bin ich in diese verdammte Hecke gefallen.«

   Die Prinzessin drückte ihr Bedauern über das Missgeschick aus und wandte sich zum Gehen. Der Prinz rief sie aber zurück:
»Warte mal! Schön wohnst du hier. Etwas heruntergekommen der alte Kasten, aber kann es sein, dass du Meerblick hast?«
Die Prinzessin nickte, denn die vierte Seite am Schloss ging zum offenen Meer hinaus und wenn sie die Treppe an den Klippen benutzte, konnte sie zu einem kleinen Strand gehen.

Das sagte sie dem Prinzen aber nicht, sondern antwortete ihm nur mit einem stummen Nicken ihres Kopfes.

   »Höre mal Schnecke,« die Stimme des Prinzen nahm einen lauernden Ausdruck an, »ich wollte mich eh sesshaft machen. Was meinst du? Sollen wir beide nicht fix heiraten? Du brauchst einen Mann an deiner Seite!«

   Energisch schüttelte die Prinzessin den Kopf, meinte, dass sie bereits vergeben sei, schlug den Heimweg ein und hörte den Prinzen noch grummeln:
»Wer nicht will, der hat schon!«

   Als sie kurze Zeit später von ihrem Turm aus nach Norden blickte, sah sie die Gestalt in eben diese Richtung verschwinden. Sie dachte über die Weisung ihrer Großmutter nach, befand, dass sie alles richtig gemacht hatte und beschloss, den Rest des Tages zu verpennen.

   An Mittsommer machte sich die Prinzessin zur Landesgrenze auf. Dort befand sich das Bistro »Vier Himmelsrichtungen« wo alljährlich ein Prinzessinnentreffen stattfand. Sie war die Prinzessin des Westens und von allen Vieren die Nachdenklichste. Die anderen drei konnten zumeist nicht laut genug klagen, aber dieses Treffen hob sich tatsächlich noch von den vorhergehenden ab. Weinend setzte sich die Prinzessin des Nordens auf ihr Erbsenkissen, das sie, der Tradition ihres Hauses folgend, immer bei sich trug, und schluchzend berichtet sie den anderen: »Ich bin verheiratet!«

  »Aber das ist doch eine gute Nachricht,« fiel ihr die Prinzessin des Südens ins Wort, »dann bist du die erste unter uns, die einen Prinzen an ihrer Seite hat.«

   Die Prinzessin des Nordens schnupfte sich umständlich das Näschen, bevor sie erzählte:
»Das habe ich auch gedacht, dass ich euch eine gute Nachricht bringe. Dieser Prinz stand unvermittelt vor dem Tor. Und ich dusselige Kuh lasse ihn herein und mich von ihm umgarnen. Ich brauchte doch einen Mann an meiner Seite und er verstand es vorzüglich, mir mein Erbsenkissen unter den Hintern zu schieben, da habe ich sofort ›Ja!‹ gesagt, als er um meine Hand anhielt. Noch in der Hochzeitsnacht ist er in den Weinkeller verschwunden. Tagsüber grantelt er und schimpft wie ein Stallbursche, nachts trinkt er wie ein Saufbold. Ich bin so unglücklich!«

  Die Prinzessin des Westens täuschte einen Migräneanfall vor, verließ die Stätte und machte sich schnell auf den Heimweg.

   Im nächsten Jahr fand sie wieder einen Prinzen in der Hecke. Dieser jammerte und klagte, flehte sie an, ihn schnell zu befreien, um im Anschluss bittend und bettelnd einen Kuss von ihr zu fordern.
Die untersetzte Gestalt und auch der breite Mund des Prinzen wirkten aber abstoßend auf die Prinzessin. So griff sie zu ihrer Notlüge, sagte, dass sie das Essen für ihren Gatten vorbereiten müsse und entfloh.

Illustration: Sylvia B.
   Von ihrem Turm aus konnte sie dann sehen, dass sich die Gestalt auf den Weg zu der Prinzessin des Ostens machte. Als sie sich an Mittsommer zu dem Treffen aufmachte, ahnte sie bereits das Unglück. Und richtig, neben der heulenden Erbsenprinzessin des Nordens saß weinend die Östliche, hielt sich an ihrer goldenen Kugel fest und berichtete unter ständigen Weinkrämpfen. Auch sie ist blind in die Ehefalle getappt, nur dass sich ihr Prinz statt in einen Schönling in eine noch hässlichere Kröte verwandelt hatte. Für diese müsse sie ständig Fliegen fangen und nachts würde er glibberich neben ihr quaken.

   Die Prinzessin des Westens meinte daraufhin, dass sie vergessen habe, das Bügeleisen auszustellen und darum schnell nach Hause müsse. Dort angekommen, betrachtete sie mit sorgenvollem Gesichtsausdruck die Rosenhecke und dachte an ihre Großmutter.

   Im nächsten Frühjahr stand die Prinzessin nachdenklich auf dem Turm, sah abwechselnd die Rosenhecke und den südlichen Horizont an. ›Versuch macht klug!‹ dachte sie bei sich und auch, mit einem Blick nach Süden, dass sie ja kein Risiko eingeht, wenn sie wieder nach der Hecke sehen würde.

Und so fand sie an jenem Frühlingsmorgen in ihren Rosen einen wunderschönen Prinzen mit güldenem Haar.

»Wunderschöne Prinzessin, habe die Güte und befreie mich aus diesen Rosen. Schau, mein Arm ist ganz zerkratzt und ich fürchte zu verbluten!«

   Vorsichtig führte die Prinzessin die Rosenschere. Als der Prinz befreit war, fiel er vor ihr auf die Knie, dankte ihr und umfasste ihre Füße. Nachdenklich erhob er sich, sah der Prinzessin in die Augen, bevor er sich zum Gehen wandte.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte die Prinzessin.
»Nein, es ist alles in Ordnung, du hast nur so … «, der Prinz zögerte, bevor er weiter sprach, »du hast so zierliche Füße!«

   Die Prinzessin überlegte für einen Moment, ob sie ihn nicht doch zum Bleiben auffordern sollte, aber der Prinz machte sich bereits auf in Richtung Süden.
›Wer weiß, wozu es gut war‹, dachte die Prinzessin, ›beim nächsten Treffen werde ich es sicher erfahren.‹

   Die Prinzessin des Südens betrat mit sehr ernstem Gesicht den Raum der Zusammenkunft. Ihren Sack mit Asche, den sie aus einer alten Tradition heraus immer bei sich führte, landete mit einer harten Bewegung auf dem Tisch, sodass sich ein Teil des Inhalts auf der Torte verteilte.

   »Kannst du nicht besser auf deine Asche aufpassen?« fuhr sie die Nördliche an.
Die Prinzessin des Südens entschuldigte sich genauso barsch und nahm mit finsterer Miene ihren Platz ein.

   »Dich scheint es jetzt auch erwischt zu haben?« fragte vorsichtig die Prinzessin des Westens.
»Mich dürfte es sogar am schlimmsten erwischt haben!« antwortete die Südliche.

Sofort protestierten die beiden anderen.

   »Jetzt lasst sie doch erzählen!«
Die Prinzessin des Westens sorgte für Ruhe und so berichtete die Braut von ihrem Fehlgriff.

   »Einer alten Tradition folgend war ich auf einem Ball. Auf dem Rückweg habe ich dann einen Schuh verloren.«

   Die Nördliche unterbrach sie: »Auch einer alten Tradition folgend … «

   »Nein«, antwortete die Südliche, »es hatte zu regnen begonnen und ich wollte nicht nass werden. Darum hatte ich es eilig. Am nächsten Tag kam dann der Prinz in mein Schloss, hielt mir den Schuh entgegen und strahlte mich an. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass er nicht von schöner Gestalt und guten Umgangsformen wäre. Und wie er so da stand und mich anlächelte, da konnte ich nur noch ein ›Ja!‹ hauchen.«

   Die Prinzessin trank einen Schluck Wasser, ehe sie weiter berichtete.
»Nach dem Hochzeitsprozedere suchten wir umgehend mein Schlafzimmer auf.«

   Die Prinzessin des Nordens begann unruhig auf ihrem Erbsenkissen zu werden. Ein mahnender Blick der anderen brachte aber wieder Ruhe in die Runde.

   »Dort passierte dann das Unglaubliche. Mir ist vorher in der Aufregung nicht aufgefallen, dass er die ganze Zeit meinen Schuh in der Hand gehalten hatte. Als wir in meinem Schlafzimmer waren, wühlte er solange in meinen Schränken, bis er den anderen auch gefunden hatte. Er legte sich dann in mein Bett und schlief mit meinen Schuhen im Arm ein.«

   »Meine Güte, was ist das denn für eine Störung?« entfuhr es der Nördlichen.

   »Es kommt noch schlimmer! Als ich im Morgengrauen erwachte, war der Platz neben mir leer. Ich hoffte schon, dass der Schönling mit meinen Schuhen das Weite gesucht hat. Dem war aber nicht so. Als ich aufstand und einen Blick in den Schlosspark warf sah ich ihn dann.«

   Um die Dramatik zu erhöhen, blickte die Prinzessin des Südens jede ihrer Kolleginnen mit ernster Miene an, um dann auch den Rest der Geschichte zu erzählen:
»Dort sah ich meinen Gatten, er hatte meine Ballschuhe an, um seine Hüften einen rosafarbenen Tutu geschlungen und tänzelte so um die Platanen! Er hat mich geheiratet, weil wir die gleiche Schuhgröße haben!«

   Dicke Tränen liefen der Prinzessin über die Wangen und wie auf Kommando setzte ein Geheule ein, in das, mit Ausnahme der westlichen Prinzessin, die anderen einstimmten.

   Diese schloss ihre Augenlider und dachte bei sich: ›Da habe ich ja mehr Glück als Vaterlandsliebe gehabt!‹
Sie erhob sich von ihrem Platz, um umgehend von der Prinzessin des Südens angefahren zu werden:
»Was ist es denn diesmal? Migräne hatten wir ja schon, an dein Bügeleisen wirst du wohl gedacht haben! Statt tröstende Worte für uns zu haben, ergreifst du nur immer die Flucht!«

   Vorwurfsvolle Blicke wurden auf die Prinzessin geworfen.

   »Vor euch kann ich auch nur die Flucht ergreifen! Ihr vertrödelt eure Zeit, rennt Hirngespinsten hinterher und wundert euch nachher, wenn die Sache in die Hose geht. Statt zu jammern und zu klagen könntet ihr ja auch was ändern!«

   »Und was sollten wir der Meinung von Prinzessin Unverheiratet nach ändern? Bitte Vorschläge!«, zickig warf die nördliche Prinzessin ihre Worte in den Raum, bevor sie jammernd weiter sprach, »ich kann kaum noch sitzen, mir tut alles weh.«

   »Du könntest dich zuerst von deinem Körnerkissen trennen! Wenn ich den Tag auf so einem alten Ding verbringen würde, hätte ich auch nur blaue Flecken! Und deinem Gatten eröffne eine Schenke! Der wird sich selbst der beste Kunde sein, dann brauchst du nur zu warten, bis er sich tot gesoffen hat!«

   Empört fuhr die nördliche Prinzessin von ihrem Kissen hoch.
»Das ist ein Erbsenkissen! Auf diesem Kissen ruhte schon der Hintern meiner Ururomi selig! Und mein Gatte ist ein Prinz und kein Kneipier!«

   »Das ist ja ein sehr interessanter Vorschlag, den du meiner Schwester im Leid da unterbreitest! Sicher hast du auch für mich einen guten Rat zur Hand!« Die Prinzessin des Ostens spielte demonstrativ mit ihrer goldenen Kugel und blickte die Angesprochene dabei feindselig an.

   Diese konterte umgehend: »Die Kröte würde ich an einem Weiher aussetzen!«
Ein entsetzter Blick kam als Antwort zurück.

   Die Prinzessin des Westens wandte sich der Südlichen zu und noch bevor diese etwas sagen konnte sprach sie: »Versuche doch deinen Tänzer an irgendeinem Theater unterzubringen!«

   Traurig antwortete diese: »Das ist ein Prinz, dem fehlt es an jeglichem Talent. Den werde ich im Leben nicht mehr los. Ich denke, dass ich warte, bis ein anderer Prinz kommt und mich von dem Fluch befreit.«

   Die anderen Prinzessinnen nickten zustimmend. Die Prinzessin des Westens rückte ihren Stuhl unter den Tisch und im Gehen teilte sie den verbleibenden mit: »Macht, was ihr für richtig haltet. Mir kommt jedenfalls kein Prinz ins Schloss. Und an euren Jammertreffen werde ich auch nicht mehr teilnehmen. Ihr wisst, wo ich wohne, ihr könnt mich gerne besuchen kommen, aber bitte lasst eure Gatten zuhause und bringt dafür fröhliche Gesichter mit.«

Illustration: Sylvia B.
  So kam es, dass die Prinzessin des Westens im Frühling wohl noch einen vorsichtigen Blick zu der Rosenhecke warf, sich aber an irgendwelchen Gestalten, die sich dort verfangen hatten, nicht mehr störte. Stattdessen verbrachte sie sonnige Tage an ihrem Strand, malte Bilder oder las in einem Buch.

   Auf wundersame Weise verschwanden auch ihre Einschlafstörungen. So ging die Zeit ins Land. Von den anderen Prinzessinnen hörte und sah sie nichts, was sie auch nicht sonderlich bekümmerte.

   Eines Tages im Frühling, die Prinzessin machte ihren Kontrollblick zur Rosenhecke, sah sie einen Wanderer an der Hecke stehen, der diese aufmerksam betrachtete. Das machte sie neugierig. Sie stellte ihre Strandtasche ab und machte sich auf den Weg zu der Stelle.

   Der Wanderer sah sie herankommen, lächelte freundlich und fragte:
»Sag bloß, du wohnst an diesem verwunschenen Ort!«
Die Prinzessin lächelte und gab zur Antwort: »Hier wohne ich seit meiner Kindheit. Und was führt dich hierhin?«
»Ich mache Wanderurlaub und kam eher zufällig hier vorbei.«

   Die Prinzessin überlegte, ob sie den Wanderer nicht zu einem Kaffee einladen sollte. Dieser ahnte scheinbar ihre Gedanken und winkte ab.
»Mädchen, du siehst so aus, als wenn du auf jemanden wartest, der dir den alten Kasten auf Vordermann bringt. Da ließe sich auch was draus machen und, wenn ich ehrlich sein soll, gefällst du mir auch sehr.«

   Der nette Wanderer blickte auf die Rosen und das Schoss dahinter, bevor er weiter sprach:
»Beantworte mir bitte eine Frage: Was um alles in der Welt soll ich mit einer Frau anfangen, die noch nicht einmal in der Lage ist, ihrer Rosenhecke einen Formschnitt zu verpassen?«

   Darauf konnte die Prinzessin keine Antwort geben. Traurig sah sie den Wanderer an. Dieser meinte, dass er weiter wandern wolle.
»In welche Richtung? Doch nicht etwa nach Norden, Osten oder Süden?« fragte die Prinzessin entsetzt.

   »Nein«, lachte der Wanderer, »ich will zurück zum Hafen, habe ein Boot gechartert. Das liegt dort bis heute Abend vor Anker. Mein Urlaub endet heute. Du gefällst mir wirklich gut und ich denke, ich gefalle dir auch. Weißt du was? Ich schreibe dir meine Handynummer auf. Du überlegst dir, ob du mit mir gehen willst. Für das Anwesen wird sich sicher ein Käufer finden. Dann beginnen wir ein neues Leben.«

Aus seinem Rucksack holte er Papier und Bleistift, kritzelte Zahlen auf und gab den Zettel der Prinzessin. Dann küsste er sie ganz zart auf die Nasenspitze und ging Richtung Hafen davon.

   Nachdenklich ging die Prinzessin zum Schloss, nahm ihre Tasche und machte sich auf den Weg zum Strand. Dort saß sie mit dem Zettel in der Hand im Sand. Als die Sonne im Meer versank, saß sie immer noch da, betrachtete die Zahlen auf dem Zettel und fragte sich laut:
»Was um alles in der Welt ist ein Handy?«

… und wenn sie das nicht herausgefunden hat, fragt sie sich das noch bis heute …


_________________________
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nimm es nicht persönlich





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