Sonntag, 22. Juli 2012

131 »Eine steinerne Nachlese«

Das Geheimnis der Anden X,
Teil 131 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Der Rillenstein
Foto W-J.Langbein
Es ist bitterkalt. Feiner, eisiger Regen durchdringt scheinbar alles ... meine doppelte Schicht wollener Pullover ebenso wie meine Kameratasche. Ich möchte das Weitwinkelobjektiv abschrauben und durch ein 300-mm-Tele ersetzen. Aber bei diesem Regen? Ich suche also ein trockenes Plätzchen ... entferne mich nach und nach vom Ruinenfeld Puma-Punku. Plötzlich mache ich so etwas wie einen Bretterverschlag aus ... einen Unterschlupf gegen den Regen.

Knarrend lässt sich eine Holztüre öffnen. Ich stehe im Trockenen, aber der eisige Regen ist schlagartig vergessen ... Vor mir erkenne ich ein schier unüberschaubares Depot von eng beieinander stehenden archäologischen Schätzen. Ich fotografiere mehrfach ... bis meine Kamera ihren Geist aufgibt. Obwohl der Negativfilm noch längst nicht aufgebraucht ist ... meiner Kamera ist kein weiteres Foto mehr zu entlocken.

Ich setze mich auf einen massiven, glatt polierten Steinblock. Mysteriöse Steinbearbeitungen gibt es weltweit, aber Puma-Punku/Tiahuanaco ist so etwas wie eine prähistorische Zentrale der Steinmetzkunst ...

Durchbohrter Stein
Foto W-J.Langbein
Da steht mitten im Trümmerfeld von Puma-Punku in einem Meer von gelben Blumen – 4.000 Meter über dem Meeresspiegel – ein steinerner Block (Andesit?). Er ist spiegelglatt poliert. Von oben nach unten verläuft, exakt parallel zur Außenkante des Blocks ... eine senkrecht in das harte Material gefräste Rille. Und in diese Rille hinein wurden in regelmäßigem Abstand kleine Löcher gebohrt. Mit welchen Werkzeugen ... zu welchem Zweck? Heute kann man mit modernen Maschinen solche Rillen in härtesten Stein ziehen ... auch feinste Löcher bohren. Aber wie machten das »Steinzeitmenschen«?

Ein weiterer Steinbrocken stellt uns Fragen. Er ist nur roh zugehauen ... und wurde zweimal durchbohrt. Genauer: Zwei kreisrunde Löcher durchdringen den Fels, an zwei weiteren Stellen hat man offenbar den Bohrer nur angesetzt. Mir kommt es so vor, als handele es sich bei diesem gelochten Stein um eine Art »Probier-Stein«. Haben hier Lehrlinge erste Versuche mit einem Bohrer unternommen, bevor sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen durften? Sollten besonders schön bearbeitete Steine im Lauf der Jahrhunderte von der archäologischen Stätte besonders gern verschleppt worden sein? Und blieben die weniger schönen Steine – etwa mit Probebohrungen – liegen?

Einer von vielen rätselhaften Steinen
Foto W-J.Langbein
Die Bohrlöcher passen nicht so recht zu einem »Steinzeitvolk«, was Archäologen vor Ort im Gespräch unter vier Augen auch zugeben. Steinzeitmenschen besaßen keine Bohrer im heutigen Sinn. Und doch finden sich klare Hinweise auf den Einsatz eben solcher Werkzeuge! In der »wissenschaftlichen« Literatur sind aber kritische Fragen nach den Steinmetzen von Puma-Punku verpönt. Warum ist es so problematisch, zuzugeben, dass wir nicht wissen, wer da so spielerisch mit Stein gewerkelt hat? Offenbar sehen es gesetzte Wissenschaftler als Schwäche an, Wissenslücken zuzugeben ...

Zufällig hat dieser Block mit den Bohr-Experimenten überlebt. Jahrhunderte lang lag er im Ruinenfeld von Puma-Punku ... Andere Steinkreationen aus uralten Zeiten regten womöglich gar humorvolle Archäologen zu fantasievollen Steincollagen an. Ein schönes Beispiel ... Die Kreation aus seltsamen archäologischen Artefakten erinnert mich an ein abstraktes Denkmal für den fleißigen Arbeiter.

Kuriose Collage aus altem Stein
Foto W-J.Langbein
Da wurden zum Beispiel eine halbe Steinröhre und ein steinerner Quader zu einem abstrusen Ensemble aufgetürmt. Die Steinmetzen von Puma-Punku würden gewiss ob dieser Kombination erstaunt die Köpfe schütteln. Oder sollten sich da ein paar Arbeiter über die Herren Professoren lustig gemacht haben?

Steine über Steine bestimmen auch heute noch das Bild von Puma-Punku: Steine, die mit erstaunlicher Präzision bearbeitet wurden. Weil nur noch ein Bruchteil der Steinquader von Puma-Punku vorhanden ist, können wir heute nicht mehr diese komplex gestalteten Elemente zu einem passenden dreidimensionalen Bild zusammenfügen ...

Der eisig-kalte Regen hat mich förmlich in einen hölzernen Verschlag getrieben ... und plötzlich sehe ich mich einer kaum zu überblickenden Flut von bearbeiteten Steinen gegenüber. Einige wenige Aufnahmen gelingen mir, dann versagt die Kamera. Und plötzlich steht jemand hinter mir. Ein Wächter? Es ist, wie ich später erfahre, ein Student der Archäologie... In gutem Englisch erklärt er mir: »Die Erbauer von Tiahuanaco setzten auf Massenproduktion von Steinen. Es kommt mir so vor, als habe es genormte Steine gegeben, die massenhaft hergestellt wurden. Ich glaube, es gab so etwas wie ein Baukastensystem ... dank der genormten Steine konnten Gebäude von geradezu perfekter Gleichmäßigkeit gebaut werden ...«

Der Student kommt ins Grübeln. »Jahrhunderte lang wurden Skulpturen von Puma-Punku und Tiahuanaco, so sie halbwegs transportabel waren, weggeschleppt: an Sammler verkauft, von Dörflern in ihren Hütten versteckt ...« Er deutet auf ein kurioses »Tier« in Stein. »Solche Funde sind echte Raritäten ...«

Sind noch bedeutende Entdeckungen möglich? »Von den überirdischen Bauten ist so gut wie nichts mehr erhalten ... « wende ich ein. Der Student nickt. »An der Erdoberfläche ... nicht ... aber unterirdisch. Unterirdisch warten noch sensationelle Entdeckungen auf uns!« Aber werden diese Entdeckungen wirklich gemacht werden? Ich habe da meine Zweifel. Es ist fast unmöglich, eine Genehmigung für Ausgrabungen in Puma-Punku zu erhalten. Unabhängige Forscher haben keine Chance. Zugriff auf Grabungslizenzen haben nur bewährte Kräfte, die von der »Steinzeit-Theorie« ausgehen ...

Kurioses Tier im Steindepot
Foto W-J.Langbein
Puma-Punku hat von primitiven Steinzeitlern gebaut worden zu sein. Das ist die Vorgabe. Ausländische Kapazitäten könnten vielleicht helfen, so manches Rätsel von Tiahuanaco und Puma-Punku zu lösen. Das aber verhindert der ausgeprägte Nationalstolz: Wenn jemand etwas entdeckt, dann ein »Einheimischer«. Und nicht jede Entdeckung scheint »genehm«.

Fakt ist: Am 13. Juni 2006 wurde der winzige Eingang zu einem unterirdischen »Tunnel« entdeckt, der direkt unter die ehemalige »Pyramide« von Tiahuanaco führte. Der Begriff »Tunnel« ist irreführend. Es handelte sich eher um eine Röhre ... die nur mit einem kleinen Miniaturroboter erkundet werden konnte. Mit einer Kamera bestückt, so heißt es, fuhr die wendige Maschine in die Unterwelt von Tiahuanaco ... durch eine uralte »Röhre«. Niemand weiß, welchem Zweck sie diente.

Weinender Gott von
Tiahuanaco
Foto: Bellamy
(Archiv Langbein)
Was hat der kleine Roboter entdeckt? Was wurde gefilmt? Was wurde fotografiert? Bislang sind keine erwähnenswerten Resultate an die Öffentlichkeit gedrungen. Warum nicht?

»Sehen Sie ... ich studiere Archäologie... « erklärte mir vor Jahren der Student im seltsamen Steindepot. »Meine Aussichten auf einen bezahlten Job, etwa an einem Museum, sind nicht einmal schlecht!« Eine Voraussetzung aber muss der junge Mann erfüllen: Er muss stets die Überzeugung seines Professors vertreten. So lange er das tut, kommt er voran. »Sollte ich eine Entdeckung machen, die der Überzeugung meines Professors widerspricht ... dann halte ich den Mund!«

»Wird die Wahrheit über Puma-Punku und Tiahuanaco also nie publik werden?« frage ich den Studenten. »Ich befürchte es!« antwortet er. Inzwischen hat der Regen aufgehört. Gemeinsam gehen wir zum Sonnentor von Tiahuanaco. Wir blicken empor zur Zentralgestalt, einem seltsam fremd wirkenden Wesen. »Der Gott weint ... « sinniert der Student. Und lächelnd fügt er hinzu: »Wenn wir sehen, was aus den prachtvollen Bauten von Puma-Punku und Tiahuanaco geworden ist ... dann ist das ja auch zum Weinen ...«

 Mysteriöse Rille mit feinen Bohrlöchern ... Foto: W-J.Langbein





Dank und Lektüre-Empfehlung
Ohne Erich von Dänikens wunderbare Bücher – seit »Erinnerungen an die Zukunft« – hätte ich mich nie nach Puma-Punku aufgemacht. Ein herzliches Dankeschön an E.v.D.!
Sehr empfehlenswert ist das meiner Meinung nach faszinierendste aktuelle Buch zum Thema überhaupt, verfasst von Erich von Däniken.

Däniken, Erich von: »Götterdämmerung«, Rottenburg 2009



»Schienen in den Himmel«,
Teil 132 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 29.07.2012


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