»Sagenhaft! Schreib Geschichte!«
Der erste Preis, ein Einkaufsgutschein von Möbel Kerkfeld in Höhe von 1.000 Euro, ging an Patricia Malcher. Die Geschichte von Patricia überzeugte uns spontan durch ihre sprachliche Gewandtheit und ihren humorvoll-satirischen Grundton. Überzeugen Sie sich selbst:
Patricia Malcher
Lüdinghausens Marketing
Hintergrund:
Einer Legende nach sollen
in den Kellergewölben der Burg Kakesbeck zu Lüdinghausen nachts drei kopflose
Kälber spuken. Es sind die drei verwunschenen Söhne des Lambert von Oer, dem es
nie gelang, drei Jungfrauen in den Keller zu locken, um sie zu erlösen.
Burg Kakesbeck Wikimedia Commons |
Zufrieden las er noch einmal seine Annonce in den Westfälischen Nachrichten:
Jungfrauen gesucht
Anlässlich der Beendigung nächtlichen
Treibens in den Kellerräumen der Burg Kakesbeck sucht Burgherr Friedhelm Reling
Jungfrauen aller Altersstufen. Die Bewerberinnen sollten ein starkes
Nervenkostüm mitbringen, volljährig sein (da ein nächtlicher Einsatz die
Jugendschutzbestimmungen erfüllen muss) und natürlich über keinerlei sexuelle
Erfahrung verfügen. Bei erfolgreichem Abschluss wird neben einem finanziellen
Obolus auch die namentliche Erwähnung im historischen Archiv der Stadt und der
Burg Kakesbeck in Aussicht gestellt. Interessierte versammeln sich zur
Vorauswahl am kommenden Mittwoch um 15 Uhr auf dem Lüdinghauser Rathausplatz.
»Buh.« Mit einem lauten Schrei sprang Friedhelm hinter einer Ecke des Rathauses
hervor. Schon kreischten die ersten Damen los. »Starke Nerven! Alle, die
geschrien haben, kommen für das Projekt leider nicht in Frage.« Mit hängenden
Köpfen trottete mindestens ein Viertel der Menge davon. Die Hände auf dem Rücken
verschränkt, schritt der Burgherr die Reihe der Zurückgebliebenen ab. »Minderjährig!«
»Zugezogen!« »Nur Frauen, Kevin!« »Jutta, du hier? Das glaubt dir doch keiner!«
Die Reihe lichtete sich. Was ist nur mit dieser Stadt los, dachte er.
Schließlich blieben fünf Kandidatinnen übrig. »Gut. Wir benötigen drei Aktive.
Die anderen beiden halten sich als Ersatz-Jungfrauen bereit. Beim nächsten
Vollmond startet die Aktion.«
Mit einem dumpfen Laut fiel die schwere Tür ins Schloss und der
Schlüssel knarzte. Der Mond schien durch das Fenster des Gewölbes. Die Mädchen
waren in die Mitte des Raumes, genau in den Lichtstrahl geführt worden und
standen nun Rücken an Rücken. Die Füße nackt, den Körper in ein weißes
Kleidchen gehüllt und das Haar mit einem Blumenkranz geschmückt, erinnerten sie
an eine schwedische Möbelhaus-Kette.
»Müssen wir noch lange warten?«,
fragte die Unsichere. »Scheiße, ist das kalt«, sagte die Fachkundige und
versuchte, den Rock um ihre Beine zu wickeln. »Ruhe«, sagte die Energische.
Lüdinghausen, Burg KakesbeckWikimedia Commons |
Hufe schlugen auf die Steinplatten. Dann sahen sie sie. Transparent,
durchscheinend, aber klar erkennbar. Die Schwänze vertrieben jahrhundertealte
Fliegen. Obwohl Torso, Beine und Schweif grau und farblos aussahen, klaffte der
kopflose Hals in einem dickflüssigen Rot. Die Wunden bluteten auf den Boden,
verspritzten Sprenkel um Sprenkel. Nicht im englischen Hochmoor, nicht im Oscar
Wilde‘schen Herrenhaus, nein, hier in Lüdinghausen, im Kellerverlies zu Kakesbeck.
Hüfthoch standen die Kälber im Raum verteilt. Die Muskeln zeichneten
sich unter dem Fell ab, zogen den Blick an und ließen den Betrachter ahnen, welch
gewaltige Kraft die Tiere hätten, wüchsen sie zu Stieren heran. Jugendlich und
vital trotzten sie Nacht für Nacht barhäuptig ihrer Sterblichkeit. Und warteten
auf Erlösung.
»Müssen wir sie unbedingt anfassen?«, fragte die Unsichere. »Scheiße,
ist das ekelig«, sagte die Fachkundige und versuchte, den Ärmel ihres Kleides
über die Hand zu ziehen. »Zugriff«, sagte die Energische.
In dem Moment, in dem Mensch und Tier sich vereinten, Haut und Fell,
Wärme und Kälte, verband sich die Vergangenheit mit der Gegenwart.
Hinter diffusem Nebel wurden aus Kälbern junge Männer. Prachtvoll und farbenfroh
leuchtete ihre mittelalterliche Kluft. Doch schon Sekunden später wurden sie
von ihren Füßen gerissen, winkten noch, lachten noch, und schwebten durch das geschlossene
Fenster dem Mondlicht entgegen.
Die Tür knarrte, als Reling sie am nächsten Morgen öffnete. Das Gewölbe
war leer. Wo waren die Jungfrauen? Nur ein Bündel weißer Kleidchen lag in der
Mitte des Raumes. So war das nicht geplant, dachte er und drehte sich ruckartig
um sich selbst. Sein Blick blieb an der Wand hängen. In blutroten, großen
Lettern stand dort etwas geschrieben. Kein Zweifel, eine Nachricht an ihn: Müssen
wir mitgehen? - Scheiße, wir bleiben! - Hüllenlos! - Da begriff er.
Die Stadträte würde auch die nächsten Jahrhunderte Anspruch auf seinen
Keller erheben.
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Patricia Malcher (44) lebt mit ihren zwei Kindern und ihrem Mann in Lüdinghausen, einer Kleinstadt im Münsterland. Neben ihrer Tätigkeit als Seminarausbilderin am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in Hamm interessiert sie sich seit ca. 2 Jahren für das kreative Schreiben. Seitdem ist sie Mitglied zweier literarischer Zirkel, nimmt regelmäßig an Literatur-Treffen und –Workshops teil und verfasst Kurzgeschichten sowie literarische Lyrik.
Lüdinghausens Marketing
1. Platz
Wettbewerb
»Sagenhaft! Schreib Geschichte!«
vom 19.12.2014
Möbel Kerkfeld, Borken
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