Sonntag, 31. Januar 2010

Im Gespräch mit Ephraim Kishon - Teil 2

Walter-Jörg Langbein
Teil 2
1930 hatte Friedrich Torberg mit seinem Roman »Der Schüler Gerber« einen zutiefst packenden, erschütternden Protest gegen die »Pädagogik« des Zerbrechens geschaffen. Torberg, dessen literarische Größe außer Zweifel steht, wurde zum Übersetzer Kishons. Der Literat trat hinter dem Übersetzer zurück.

Zwischen Kishon und Torberg herrschte ein reger Briefwechsel. Die beiden schrieben sich fast eintausend Briefe, die beide als literarische Genies erkennen lassen. Waren sie Freunde.. oder Feinde? Oder beides? Ihre Briefe spiegeln eine komplizierte, ja komplexe Welt wieder, geprägt von Freundschaft und Neid, Liebe und argwöhnischem Hass.

Lisa Kishon, Kishons zweite Frau, und David Axmann haben rund 150 Briefe ausgewählt. Die Briefe erschienen unter dem Titel »Dear Pappi -My beloved Sargnagel« als Buch... ein bewegendes Dokument, eine packende Dokumentation zweier wirklich großer Literaten.

Wer diesen Briefwechsel mit einigen wenigen Worten beschreiben will, muss scheitern. Begriffe versagen, können die ganz besondere Freundschaft zwischen dem erfolgreichsten Satiriker aller Zeiten und dem berühmtesten Übersetzer niemals zutreffend beschreiben. Dieser Briefwechsel – ein einzigartiges literarisches Dokument – lässt erahnen, warum Ephraim Kishon zum Phänomen Kishon wurde: Weil Autor und Übersetzer über einen ganz besonderen Humor verfügten, den gewiss auch eine Sintflut wie zu Noahs Zeiten nicht hätte erschüttern können.

Teil 2 des Interviews


Walter-Jörg Langbein: Wenn Sie an den Tod denken...

Ephraim Kishon: Ich bin da ja wirklich sehr neugierig. Ich werde es ja wohl vor Ihnen erleben. Nach meiner Auffassung ist Sterben ein Schlafen ohne Traum. Ich glaube, wenn ich sterben, dann wird das so sein, als wenn ich traumlos schlafe.

Walter-Jörg Langbein: Ist das eine eher angenehme oder eine unangenehme Vorstellung für Sie?

Kishon: Eine sehr angenehme. Es wäre eine schlimme Vorstellung zu denken: Ich sterbe und werde immer wieder und wieder geboren – und das mit der Last der Erinnerung an alle Fehler, die ich vielleicht einmal begangen habe. Ich glaube, man kann sich bestenfalls daran zurück erinnern, was man als Embryo erlebt hat. Das erscheint mir logisch, denn schon als Embryo hat man ein Gehirn. Warum soll man sich nicht an seine Zeit als Embryo erinnern?

Vorher ist Dunkelheit, und ich hoffe, dass es auch nach dem Tode erlösende Dunkelheit geben wird, die die Gnade des Vergessens gewährt. Was da kommt, da haben weder ich, noch mein Hündchen, noch der Papst oder das Oberrabbinat eine Ahnung.

Ich meine, wenn man sich mit solchen Fragen beschäftigt, sollte man sich nicht überlegen: ›Was ist nach dem Tode?‹ sondern ›Wofür leben wir?‹ Haben Sie sich das schon einmal überlegt?

Walter-Jörg Langbein: Ja, aber ich bin zu keiner wirklichen Antwort gekommen.

Kishon: Stellen Sie sich vor, wie ignorant wir sind, wenn es um diese einfachste Frage geht: Wofür? Und das ist für mich die wichtigste Frage. Sie ist wichtiger als Überlegungen von der Art ›Woher kam das erste Molekül?‹ oder ›Wie entstand das erste Leben?‹ oder ›Wie wurde der sogenannte Urknall vor Jahrmilliarden ausgelöst?‹.

Was ist da los? Würfelt da oben im Himmel ein alter Mann um unser Los? Spielt hier unten auf der Erde ein Zirkus, und der alte Mann da oben schaut zu? Ich glaube, man sollte richtig fragen lernen. Erst wofür, bevor man sich an das ›Wie?‹ wagt!

Walter-Jörg Langbein: Waren Sie einmal der Antwort näher, als Sie es heute sind?

Kishon: Das nicht. Aber es gab manchmal wichtiger Probleme. Ich habe die Ehre gehabt, die Nazizeit, den Holocaust, zu durchleben. Da fragte ich mich nicht ›Wofür?‹, sondern ›Wie komme ich da lebend heraus?«

Neulich habe ich ein altes Tagebuch gefunden, welches ich im Alter von siebzehn Jahren – es war um das Jahr 1940 – geschrieben habe, und da steht über einem Kapitel ›Wofür?‹ Es ist interessant: Die Menschen sprechen über alles. Etwa über die Frage, wie das Leben entstanden ist. Sie ergehen sich in astrologischen Fragen. Aber keiner weiß eine Antwort auf die Frage nach dem ›Wofür?‹.

Ich weiß da nicht mehr als mein Hündchen. Im Buch der Tatsachen, wo alles verzeichnet steht, ist diese Seite leer. Was den Tod angeht, so glaube ich, dass er ein Schlaf ohne Traum ist, eine totale Dunkelheit. Das glaube ich, ja das hoffe ich. Aber auf die Frage ›Wofür leben wir?‹, da habe ich keine Antwort. Die Beschäftigung mit dieser Frage ist etwas wie ein Fass ohne Boden, ein Teufelskreis.

Ich bin wirklich interessiert, unterhalte mich gern mit Theologen über diese Frage. Ich glaube, auch sie haben keine Antwort.

Walter-Jörg Langbein: Nach christlichem Verständnis schuf Gott den Menschen mit der Möglichkeit, sich für Gut oder Böse zu entscheiden. Er entschied sich für das Böse, für die Sünde. Gott musste seinen Sohn schicken, der für die Erlösung des Menschen starb.

Ephraim Kishon: Und das soll eine Antwort auf die Frage ›Wofür ist das Universum da?‹? Ich kenne die Antwort auf das ›Wofür‹ auch nicht, aber eines meine ich sagen zu können: Das ist es nicht!

Walter-Jörg Langbein: Ich habe während meines Studiums der evangelischen Theologie auch über die Frage nachgedacht: Gibt es Leben im Universum, auf anderen Planeten?

Kishon: Sicher gibt es solche Wesen! Ich bin sogar sicher, dass es einmal Kontakt geben wird mit solchen Wesen aus dem All. Sie sind ein junger Mann: Sie werden solch einen Kontakt mit außerirdischen Intelligenzen erleben.

Das wird natürlich das größte Ereignis der Weltgeschichte sein. Dann werden alle Theorien über diese Themen zusammenbrechen, alles Wissen wird sich als Kinderkram erweisen. Und es wird kommen, davon bin ich überzeugt. Es ist doch vollkommen unvorstellbar, dass wir die einzigen intelligenten Lebewesen im All sein sollen! Unsere Welt ist ein kleiner Splitter am Rande des Universums – eines Universums aus einer unendlichen Vielzahl von Universen. Wir sind nicht der Mittelpunkt, nicht der Nabel des Seins! Wir sind auch nicht allein! Das wäre unvorstellbar!

Walter-Jörg Langbein: Für manche christliche Theologen ist es unvorstellbar, dass es noch andere intelligente Wesen im All gibt. Sie sagen: Christus ist für die Sünden der Menschen auf der Erde gestorben, nicht für die der Außerirdischen? Warum nicht? Bevorzugt Gott die Erde? Oder starb Christus auch auf anderen Planeten? Wurde er immer wieder ans Kreuz genagelt?

Kishon: Das ist für mich keine Antwort, die ich ernstnehmen könnte. Ich unterhalte mich gern mit Theologen, Rabbinern, über solche Fragen, werde oft eingeladen. Und wenn ich dann zum Beispiel einem hochgebildeten Rabbi die Frage nach dem ›Wofür?‹ stelle, dann übergeht er sie, tut, als habe er nichts gehört und fragt vielleicht: ›Noch einen Schluck Wein?‹
Ich habe einmal eine Humoreske geschrieben: Ich sterbe, mache verschiedene Stadien durch und stelle dann fest, sapperlott, die alten Ägypter hatten recht! Die Götter haben tatsächlich Tiergesichter!

Walter-Jörg Langbein: Sind Sie religiös, Herr Kishon?

Kishon: Nein, ich bin Humorist. Aber sehen Sie: Wir leben am Rand einer Galaxie mit Sternen wie Sand am Meer. Und unsere Galaxie ist nur eine von vielen, und es gibt ja auch wiederum Galaxien wie Sand am Meer. Als der Mensch zum erstenmal mit Apollo 11 zum Mond startete, da war ich dabei. Ich war von der amerikanischen Regierung eingeladen worden.

Ich sah, wie Apollo 11 startete. Das war schon ein einmaliges Erlebnis. Wie sich das gigantische Raumschiff auf einem Feuerstrahl gen Himmel erhob. Aber was ist die Entfernung Erde/Mond? Ein Nichts. Es gibt Galaxien, zu denen ist das Licht Milliarden von Jahren unterwegs. Nicht ich, Kishon, brauche so lange mit dem Fahrrad, sondern das Licht. Da ist die Reise zum Mond nichts.

Walter-Jörg Langbein: Sie sagten soeben, Sie seien Humorist und daher nicht religiös. Schließt das einander aus?

Kishon: Sehen Sie, es ist sehr schwer, ja unmöglich, sarkastisch zu sein und alles Mögliche kritisch zu beschauen und das Religiöse auszusparen. Zu sagen: Alles ist lächerlich, nur das Religiöse ist über alles erhaben... Das geht nicht.
Fortsetzung folgt!

Ausblick auf Teil 3 des Interviews

Walter-Jörg Langbein: Herr Kishon, in Ihrem neuen Buch ›Abraham kann nichts dafür‹ steht eine interessante Satire am Schluss. Ein Außerirdischer sieht die Erde, und das Kindergezänk der Diplomaten führt letztlich zum atomaren Holocaust.

Kishon: In dieser Satire bin ich der Außerirdische. Sehen Sie, das ist ja schon wieder ein schöner Zeitungstitel: ›Ephraim Kishon: Ich bin ein Außerirdischer!‹
Vieles, was gesagt wird von sogenannten Diplomaten, ist Fassade, Quatsch, Kinderei, die Herren schwingen da hehre Reden und meinen etwas ganz anderes.

Walter-Jörg Langbein: Besteht die von Ihnen beschriebene Gefahr einer weltweiten Zerstörung Ihrer Meinung nach wirklich?

Hinweis
Die Fortsetzung des Interviews, der dritte Teil, erscheint am 07.02.2010

Teil I

Teil III

Foto Ephraim Kishon: ©Verlag Langen Müller

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