Sonntag, 16. Oktober 2011

91 »Galerie der Verdammten - Mysteriöse Funde im Museum«

Teil 91 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Das »Hilde und Eugen Weilbauer
Museum« - Foto: Reinhard Habeck
Das Wesen wirkt seltsam fremdartig und zugleich vertraut. Wie ein Engel aus christlicher Glaubenswelt hat es zwei Flügel weit ausgestreckt. Der »Kopfschmuck« aber scheint so gar nicht zu dem kleinen Tonfigürchen zu passen. Ich trete näher an die Vitrine. Es kommt mir so vor, als trüge die Kreatur einen undefinierbaren Aufsatz auf dem Kopf. Rechts und links vom Gesicht hängen zwei Zapfen weit herab, etwa bis zur »Gürtellinie«. Sie erinnern mich an Reißzähne eines Raubtiers. Entdeckt habe ich das kuriose archäologische Artefakt im »Museum Hilde und Eugen Weilbauer«, Quito.

Offenbar war die kleine Statuette beschädigt, als man sie bei Ausgrabungen fand. Ein Teil des rechten Flügelchens war abgebrochen und wurde von einem Restaurator ersetzt. »Winged figure« steht auf einem kleinen Täfelchen ... Und wie wird das archäologische Artefakt datiert? Die Experten des »Museums Hilde und Eugen Weilbauer«, Quito, gehen davon aus, dass die »Gestalt mit Flügeln« zwischen 500 v. Chr. Und 500 n. Chr. entstand. Sie stammt wohl aus der Region Manabi, von der Küste, nordwestlich von Quito.

Verfasser Langbein mit dem
Flügelwesen - Foto: Steffi Liersch
Offenbar gab es damals schon so etwas wie eine kunstgewerbliche Industrie, die so etwas wie »Massenproduktion« kannte. Man arbeitete rationell. Die Figürchen wurden in Formen gegossen ... und stellten, so heißt es in der archäologischen Literatur, gewöhnlich Krieger, Musiker, Jäger und Tänzer dar. Mit anderen Worten: Porträtiert wurden Zeitgenossen bei alltäglichen Arbeiten von damals, keine Fantasiewesen.
Die Vorderseiten dieser Miniaturkunstwerke wurden stets mit großer Liebe zum Detail gestaltet, die Rückseiten blieben weitestgehend unfertig. »Offenbar sollte man die kleinen Kunstwerke nur von vorne sehen. Sie wurden wohl bei Riten und Zeremonien verwendet.« Und sie wurden bis weit ins Landesinnere von Ecuador versandt ... vor rund zwei Jahrtausenden. Das erfuhr ich im Museum. Es muss am Meer Handelszentren gegeben haben, in denen getauscht wurde: feine Stoffe gegen kunstvolle Miniaturskulpturen zum Beispiel ... oder landwirtschaftliche Produkte des Ackerbaus gegen Kunsthandwerkliches.

Leider fehlt jede schriftliche Quelle aus uralten Zeiten, die uns bei der Interpretation der kleinen bewundernswerten Kunstwerke behilflich sein könnten. Solche Quellen gibt es aber nicht ... So sind wir auf Vermutungen und Spekulationen angewiesen!

Das Flügelwesen ...
Foto: W.-J.Langbein
Die »Gestalt mit Flügeln« zeigt offensichtlich keines der typischen Manabi-Motive. Auch im »Museum Hilde und Eugen Weilbauer« will man sich nicht so recht festlegen: »Vielleicht haben die Menschen Drogen konsumiert und glaubten dann, sie könnten fliegen ...« Dann stellt das kleine Wesen also einen Schamanen dar? Das könne durchaus sein, teilt man mir auf meine Nachfrage im Museum mit.

In der Provinz Manabi soll das Zentrum der Keramikkünstler gewesen sein, notiere ich im Museum nach den Informationen an diversen Vitrinen. In der »klassischen Jama-Coaque-Epoche«, etwa 500 vor bis 500 nach Christus, wurden besonders viele besonders schöne Miniaturkeramiken geschaffen. Große Sorgfalt wurde auf die Darstellung der Kleidung gelegt. Offenbar gab es unterschiedliche Stände in der Gesellschaft, von denen wir nicht viel wissen. Vermutlich waren bestimmte Stoffe bestimmten Ständen vorbehalten.

Eine beeindruckende Fülle von Figürchen füllt zahlreiche Vitrinen. Mich interessieren aber jene Artefakte, die es nicht wirklich eine Erklärung gibt. »Die Menschen lebten damals in einer Welt der Mythen. So glaubten sie, dass eine Riesen-Anakonda einst das Leben auf die Erde brachte ... « erklärte mir etwas ausweichend Dr. Patricio Moncayo Echeverría, heute Direktor des »Hilde und Eugen Weilbauer Museums« bei meinem Besuch am Vormittag des 26. August 1992.

Mythologisches
Fabelwesen
Foto: W-J.Langbein
In die Kategorie »Mythenwelt« gehören demnach auch Mensch-Tier- oder Tiermensch-Wesen ... wie jenes Fabelwesen, das ich in einer in eine Ecke verbannte Vitrine entdecke. Auch diese kleine Skulptur wird für mich aus der Vitrine geholt. Ich muss zugeben: Es war ein eigenartiges Gefühl, dieses etwa zwei Jahrtausende alte Artefakt in den Händen halten zu dürfen. Meiner Meinung nach war die Kreatur nicht – wie die anderen Skulpturen – aus Ton geschaffen, sondern aus ein leichten, porösen Stein geschnitzt.

Winzige Farbpartikelchen am und im porösen Stein könnten darauf hinweisen, dass die steinerne Kreatur - sie könnte einem Horrorstreifen à la »Alien« entsprungen sein - einst bunt bemalt war. Eine entsprechende Untersuchung wurde bislang nicht durchgeführt. Es fehlt auch heute noch ... das Geld. Oder will man gar nicht wirklich Genaueres über das »Monster« erfahren?

Ein Museumsmitarbeiter erklärt mir hinter vorgehaltener Hand: »Solche seltsamen Darstellungen gehören eigentlich nicht in einen öffentlichen Ausstellungsraum ... sondern ins Depot des Museums ... in den Keller!« »Warum?« will ich wissen. »Solche Sachen irritieren doch nur die Besucher eines Museums!«

Fabelwesen aus Stein
Foto: Archiv WJL
Bei solchen Äußerungen muss ich an den großen Archivar der verdammten Tatsachen, an Charles Hoy Fort (1874-1932) denken. Fort veröffentlichte 1919 sein erstes Buch, betitelt »Book of the damned« ... . Die deutsche Übersetzung ließ lange auf sich warten: »Das Buch der Verdammten« kam erst 1995 auf den Markt. Fort konnte dank einer Erbschaft zum Erforscher der verbotenen Fakten werden. Er interessierte sich brennend für die Welt der Wissenschaften ... allerdings nicht für die hinlänglich beantworteten Fragen und faktenreich belegten Theorien. Ihn faszinierten die Fakten, die seiner Überzeugung nach von der Wissenschaft »unter den Teppich gekehrt« wurden. Er fand spannend, was mit den herkömmlichen schulwissenschaftlichen Theorien nicht erklärbar war. Fort bezeichnete diese verhassten Fakten ... als »Verdammte«. Bis zu seinem Tode wühlte er sich wie ein Besessener durch ganze Bibliotheken und trug Zigtausende Fakten zusammen, die seiner Überzeugung nach das Dasein von Verdammten fristeten. Drei weitere Bücher Forts erschienen, die allesamt sehr zu empfehlen sind! (2a-c)

Fort leitete sein »Buch der Verdammten« so ein: »Eine Prozession der Verdammten. Mit den Verdammten meine ich die Ausgeschlossenen. Wir werden eine Prozession der Daten vorbeiziehen sehen, die von der Wissenschaft ausgeschlossen wurden. Bataillone der Verfluchten werden marschieren, angeführt von bleichen Daten, die ich exhumiert habe.«

In über drei Jahrzehnten meiner Reisen um die Welt erlebte ich immer wieder, dass es diese »Verdammten« tatsächlich gibt! Es gibt »Artefakte«, die ich ganz im Sinne von Fort als »verdammt« ansehe. Einige von ihnen schafften es in Museen, wie die Objekte im »Museum Hilde und Eugen Weilbauer«, andere warten in Kellern und Depots auf »Erlösung« ... und wieder andere werden gern schnell als »Fälschungen« deklariert und fristen in belächelten Privatsammlungen ein trauriges Dasein.

Fußnoten
1 Fort, Charles Hoy: »Das Buch der Verdammten«, Frankfurt am Main 1995
2a Fort, Charles: »New Lands«, New York 1923/ Übersetzung »Neuland«, Frankfurt am Main 1996
2b Fort, Charles: »Lo!«, New York 1931/ Übersetzung »Da!«, Frankfurt am Main 1997
2c Fort, Charles: »Wild Talents«, New York 1932/ Übersetzung »Wilde Talente«, Frankfurt am Main 1997 

»Astronauten, Taucher, Fabelwesen?«,
Teil 92 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 23.10.2011

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