Samstag, 29. Oktober 2011

Krimisamstag im Herbst: Interview mit Krimiautorin Tuna von Blumenstein

Der hässliche Zwilling
Ursula Prem: Frau von Blumenstein, Ihr neuester Krimi »Der hässliche Zwilling« legt den Finger in eine offene Wunde: Laut einer aktuellen Meldung erhalten immer mehr Kinder und Jugendliche Psychopharmaka verschrieben, teilweise sogar Mittel, die für Kinder gar nicht zugelassen sind. War es dieser Umstand, der Sie zu Ihrem Buch veranlasst hat?

Tuna von Blumenstein: Liebe Frau Prem, eine sehr traurige Begebenheit in meinem weiteren Umfeld war der Auslöser für diesen Gedanken, der mich, aus verständlichen Gründen, nicht losließ. Was mich seinerzeit so erschüttert hat, war dieser leichtsinnige Umgang mit Psychopharmaka. Ein erwachsener Mensch muss für sich selbst entscheiden, was er sich an Medikamenten verabreicht. Ein Sorgeberechtigter trägt da um ein Vielfaches Verantwortung für seinen Schutzbefohlenen. Die Handlung des Krimis habe ich quasi um diesen Gedanken herum geschrieben, wünsche mir allerdings, dass mein Krimi da auch für einen Denkanstoß sorgt.


U.P.: Ihr Krimi ist unerhört spannend geschrieben. Er lässt den Leser traurig und wütend, aber auch zufrieden zurück. Ich hoffe, dass ich nicht zu viel verrate, wenn ich sage, dass die Protagonistin Vera an letzterem einen großen Anteil hat. Gab es für diese starke Frauenfigur ein Vorbild in Ihrem Leben oder beschreiben Sie sich darin selbst?

T.v.B.: Vera ist eine sehr leidenschaftliche Frau. Sie ist bodenständig und eine Kämpferin, die manche Schlacht geschlagen hat. Vera ist, im wahrsten Sinne des Wortes, eine Freifrau. In meinem Krimi lasse ich sie sagen: »Ich mache und halte dann die Klappe!« Allerdings verlässt sie zu keinem Moment die Ebene der Verantwortung, auf der sie sich befindet. Ihre Gegenspieler befinden sich eine Etage tiefer: Auf der Ebene der Macht. Würde Vera ihre Ebene verlassen, wäre sie am Gegenpol der Macht, und würde sich ohnmächtig fühlen. Das wird es auch sein, was Vera zu dieser interessanten Persönlichkeit macht. Vera hat etwas gnadenloses in der Art ihrer Vorgehensweise, das unterscheidet sie deutlich von mir und das ist auch gut so. Aber ich habe einen Krimi geschrieben, das Stilmittel der Übertreibung anzuwenden, ist möglich und nötig, weil Spannung gefordert ist.


U.P.: Wer Sie kennt, Frau von Blumenstein, der kommt nicht umhin, Ihre besondere Liebe zu schönen Dingen zu bemerken: Üppige Gärten, Innenarchitektur und ein ausgesucht eleganter Kleidungsstil, all das spricht für Ihre Freude an harmonischer Heiterkeit und Lebensfreude. Beim Schreiben kommt Ihre andere Seite ans Licht. Auffällig ist die gnadenlose Konsequenz, mit der Sie den Leser durch Ihre Bücher führen: Glasklare Logik, geschliffen scharfe Formulierungen und eine illusionslose Betrachtungsweise des Lebens zeichnen Ihre Werke aus. Wie geht das zusammen?

T.v.B.: Warum sollten solche Gegensätze nicht funktionieren? Im Grunde genommen bin ich ein sehr pragmatisch denkender Mensch. Das Schneechaos im Münsterland am 1. Adventswochenende 2005, vielleicht erinnern Sie sich noch an dieses Ereignis, kann ich hier gerne als Beispiel anführen. Auch ich war davon betroffen, im Außenbereich, von der Stromzufuhr abgeschlossen, daher funktionierte auch die Heizung nicht mehr und, da Eigenwasserversorgung, kein fließend Wasser. Frau Prem, da nützt das schönste Interieur nichts, wenn Sie frieren und der Magen knurrt. Wohl dem, der wie ich, einen kleinen Ofen hatte und ausreichend Holz vor der Hütte. Die Konserven konnte ich auch so erwärmen, das Ganze wurde für mich zu einer Zeit der Besinnung auf das Wesentliche. In solchen Situationen nützt ein Dünkeldenken nichts, warum sollte ich es in der Zeit danach noch haben?

Ich selbst betrachte mich nicht als weltfremd, eher als pragmatisch analysierende Beobachterin. Für Ihre Komplimente möchte ich mich bedanken, zumal sie aus der Feder einer Frau kommen, die ich sehr bewundere.


U.P.: Oh, vielen Dank! ;-) In unserer Autorenkollegin Sylvia B., die beklemmend atmosphärische Lyrik zu Ihrem Buch beigetragen hat, haben Sie eine kongeniale Partnerin gefunden. Wo und wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?

T.v.B.: Da sich Gleich und Gleich gerne finden, kam dafür nur ein Ort in Frage, der Garten Picker in Weseke. Dort lässt sich bei einer Tasse Kaffee wunderbar über Projekte plaudern. Und da Gegensätze sich anziehen, war die textliche Zusammenarbeit mit Sylvia B. in »Der Tote im Zwillbrocker Venn« eine äußerst spannende Angelegenheit. Auch ich denke, dieses Experiment ist gelungen. Zumal sich die Bedeutung dieser Textbeiträge erst zum Schluss des Krimis dem Leser ganz offenbaren.

Ein Dialog in »Der hässliche Zwilling« wurde von Sylvia B. in ihrem Büchlein »nimm es nicht persönlich« zu einem lyrischen Text verarbeitet. Gerade die Umrahmung mit dem Bildmaterial machte aus diesem kurzen Text in meinen Augen ein Kunstwerk. So hat es auch diesmal eine fruchtbare Zusammenarbeit gegeben. Das Büchlein habe ich übrigens einer lieben Bekannten geschenkt und ihr den »Blaubart-Text« besonders nahegelegt. War sie doch im Begriff, sich unglücklich in einen liierten Mann zu verlieben.


U.P.: Haben Sie schon neue Bücher in Planung? Und wenn ja: Werden Sie die Münsterlandkrimireihe weiterführen?

T.v.B.: Ja, ich habe Überlegungen zu weiteren Krimis. In der nächsten Zeit dürfte sich da etwas entwickeln. Aber, ich halte es da mit den russischen Hühnern: Die gackern bekanntlich erst, wenn sie das Ei gelegt haben. :-)


U.P.: Fühlen Sie sich literarisch an die Scholle gebunden oder könnten Ihre Bücher auch außerhalb des Münsterlandes spielen, in dem die Menschen bekanntlich als ziemlich stur gelten?

T.v.B.: Natürlich könnten meine Krimis auch woanders angesiedelt sein, mit Ausnahme natürlich vom Toten im Zwillbrocker Venn. Irgendwo muss meine Handlung spielen, warum dann nicht vor meiner Haustür? Als Landei habe ich natürlich einen Bezug zu Land und Leuten der Region. Dass die Münsterländer stur sind, kann ich nicht bestätigen. Ich denke, der Boden prägt den Menschenschlag. Ist der Boden fett, sind die Erträge größer, ist der Boden mager, muss der Mensch, der ihn bewirtschaftet härter arbeiten. So kann es sein, dass in dem Ort A die Menschen anders drauf sind, als im Nebenort B. Das wird in der Eifel nicht anders sein als in Bayern oder eben im Münsterland.

U.P.: Frau von Blumenstein, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihrem neuen Buch viel Erfolg!

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