Teil 1: »Hölle, Atomkraft und eine Fernsehantenne«,
Teil 119 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Der ältliche katholische Geistliche redet auf meinen Vater ein. Dabei gestikuliert er wild und sein Gesicht nimmt fratzenhafte Züge an. Ich – als Kind – empfinde den seltsamen Mann als furchteinflößend. Der Mann hätte problemlos und ohne Maske in einem Film wie »Nosferatu« als Untoter auftreten können. Rückblickend muss ich an den Sketch von Loriot denken (1): der Horrordarsteller Viktor Dornberger alias Vic Dorn sieht in Natura schon so monsterhaft aus, dass eine Maskierung gar nicht erforderlich ist.
Während des ausführlichen Monologs des Pfarrers in einem ländlichen Gasthof übersetzt mein Vater immer wieder, was ihm der sonderbare Mann schwadronierend vorträgt. (2) Immer wieder, so mein Vater, hat der Geistliche vor den Gefilden von Yeun Elez in der Bretagne gewarnt. »Meidet diese teuflischen Denkmäler ... diese Tische des Todes!« Damit meinte er Hünengräber und Dolmen. »Fromme Christen haben sie dort errichtet, wo der Teufel sein Reich verlassen konnte. So sollte ihm der Zugang in unsere Welt der Lebenden verwehrt werden!«
»Hütet Euch vor Yeun Elez ... das ist der Eingang zur Hölle!« Heute weiß ich: der Priester warnte vor »Tir Na N’Og«. In vorchristlichen Zeiten galt das einstige Moor tatsächlich als ein Portal in eine andere Welt, freilich nicht in eine christliche Hölle, sondern in die Anderwelt. Vor der Christianisierung glaubten die Bretonen, dass durch das Tor ein Land der ewigen Jugend besucht werden könne. Erst christliche Missionare verteufelten »Tir Na N’Og«.
Jahrzehnte sind seit meinem ersten Besuch in der Bretagne, zusammen mit meinem Vater, verstrichen. 1979 wollte ich das Erlebnis in meinem ersten Buch (3) schildern. Verleger John Fisch empfahl mir, die Geschichte für einen Folgeband zurückzuziehen. Bis heute blieb die Episode unveröffentlicht.
Ich habe inzwischen recherchiert und entdeckt, dass jene Gefilde von Yeun Elez allerlei finstere Gestalten zu bieten haben. Ein unheimlicher Riese namens Gawr soll einst in einem steinernen Grab beerdigt worden sein. »Tod und Verderben wird der Gigant mit dem Schlangenschwanz über Frankreich und die Welt bringen!« Ich erinnere mich deutlich daran, sehe meinen Vater zusammenzucken, wie ihm der unheimliche Priester seine apokalyptischen Visionen ins Ohr schreit.
Der bösartige Riese sei eingesperrt, in einem von Menschenhand gefertigten Gefängnis. Doch wehe, wehe wenn es ihm gelingen sollte, auszubrechen. Überall gebe es Zugänge zur Hölle. Sie seien noch »verstopft«: steinerne »Pfropfen« würden die Satanischen daran hindern, in unserer Welt aufzutauchen. Noch seien sie eingesperrt ... aber wenn sie erst einmal den Zugang in die Welt der Lebenden finden würden ... dann Gnade uns Gott! Die eigenwillige Interpretation des Priesters, was Jahrtausende alte Menhire zu bedeuten hätten, habe ich nirgendwo sonst in der Literatur gefunden.
»Brennilis ist der Ort von Armageddon!« keift der Priester damals immer wieder. Der Mensch habe Schuld, wenn die Teufel aus der Erde steigen! »Warum denn das?« will mein Vater wissen. Ende der 30er Jahre sei ein Damm für ein Wasserkraftwerk gebaut worden. Das soll die unterirdischen Teufel zornig gemacht haben. Und 1967 ist direkt am »Tor zur Hölle« ein Atomreaktor ans Netz gegangen. Das Kühlwasser – davon waren die Einheimischen überzeugt – wurde dem Elez-Fluss entnommen. Und der wurde angeblich aus Quellen der Unterwelt gespeist.
Angesichts der Katastrophen, die von Atomreaktoren ausgehen können ... Fukushima lässt grüßen ..., mutet ein Atomreaktor am Tor der Hölle fehlplaziert an. Eine Reaktorpanne könnte ja auch sehr wohl ein höllisches Inferno ausbrechen lassen. In der Bretagne aber ist die Gefahr eines atomaren Desasters weitestgehend gebannt. Der Reaktor wurde Mitte der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts stillgelegt und wird seither nach und nach abgebaut!
Der ältliche katholische Geistliche redet auf meinen Vater ein. Wild fuchtelt er mit den Armen in der Luft herum. Sein Blick macht mir Angst. Mein Vater übersetzt zwischendurch, was der Priester an Unheimlichkeiten zu enthüllen hatte. Waren das die wirren Gedanken eines abergläubischen Katholiken, entstanden in düsteren Nächten der Bretagne?
Am 11. Juni 2010 erschien in der Online-Ausgabe der angesehenen »Neuen Zürcher Zeitung« (4) ein Artikel, betitelt »Yeun Elez, das Tor zur Unterwelt«, verfasst von Markus Brupbacher. In der hochinteressanten Arbeit geht es um modernen Aberglauben. Es ist erstaunlich, dass zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus moderne Technologie und Teufels/Geisterglauben miteinander verwoben werden. In »lebendigen Legenden« so berichtet der Journalist, werden offenbar uralter Aberglaube und moderne Errungenschaften miteinander verquickt:
Als ein Damm errichtet wurde, um Wasser für ein Wasserkraftwerk zu stauen, verschwand ein Teil des »Teufelsmoores« unter einem künstlich geschaffenen See.
Auf dem 383 Meter hohen Berg Roc'h Trédudon steht ein gigantisches., funktionstüchtiges Denkmal moderner Technologie, eine Errungenschaft heutiger Zivilisation: eine rund 220 Meter hohe Fernsehantenne. Obwohl doch die Funktion dieser Antenne hinlänglich bekannt sein dürfte, findet sie Eingang in den Aberglauben des 21. Jahrhunderts. Angeblich dient sie der Verständigung zwischen Höllenwelt und der »Welt über uns«. Mir scheint, dass wir Jahrzehnte nach der bemannten Flüge zum Erdtrabanten Mond immer noch in der unheimlichen Welt des Aberglaubens verwurzelt sind. Auch im Atomzeitalter entstehen neue Sagen um Unter- und Überirdisches ... und das in einer angeblich so aufgeklärten Welt!
Ein Gedankenexperiment sei mir gestattet... Stellen wir uns vor, vor Jahrtausenden besuchten Außerirdische unseren Planeten. Wie mögen die kosmischen Besucher auf die Menschen gewirkt haben? Hielten sie sie für Götter ... oder für Teufel? Wenn noch heute im modernen Aberglauben eine Fernsehantenne als Kommunikationsmittel zwischen Hölle und Himmel verstanden wird ... welche Formen des »Aberglaubens« mögen dann vor Jahrtausenden entstanden sein?
Die Supertechnologie der außerirdischen Besucher – über die ich mit Erich von Däniken in der Bretagne ein interessantes Gespräch führen durfte – muss den Menschen vor Jahrtausenden vollkommen unbegreiflich gewesen sein. Es wäre nur zu verständlich, wenn damals kuriose Aberglauben (»Nicht wissen, aber glauben!«) entstanden wären.
Stellen wir uns nun vor: Der durch außerirdische Besucher entstandene Aberglauben wurde in heiligen Büchern festgehalten, wurde in Mythenform weitergereicht und ist in unseren Tagen noch in alten Sagen existent.
Würden wir den technischen Hintergrund solch uralten Aberglaubens erkennen? Oder würden wir die uralten Überlieferungen als reines Fantasiegebilde tumber Vorfahren abtun?
Das Phänomen der »Hünengräber« ist keineswegs nur in der Bretagne bekannt. Einst gab es in Deutschland Tausende dieser mysteriösen Steindenkmäler. Sie wurden zum größten Teil im Laufe der Jahrhunderte vernichtet. Viele von ihnen fielen dem explodierenden Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen zum Opfer. Viele dienten als Steinbrüche und wurden in Häusern verbaut oder als Straßenschotter verwendet. Die wenigsten dieser uralten Monumente sind bis in unsere Tage erhalten geblieben. Besonders schöne Exemplare gibt es in der Lüneburger Heide ...
Fußnoten
1 Loriot 04, »Ruhe bitte! Intime Blicke in die Fernsehstudios«, 05
2 1964 fasste ich mein gespenstisches Erlebnis in einem Schulaufsatz (»Ein Ferienerlebnis«) zusammen. Lehrer Werner Müller war sehr angetan von der kleinen Arbeit und las sie im Unterricht vor.
3 Langbein, Walter-Jörg: »Astronautengötter«. Luxemburg, Weihnachten 1979
4 http://www.nzz.ch/magazin/reisen/yeun_elez_das_tor_zur_unterwelt_1.6034952.html
Die Bücher von Walter-Jörg Langbein
»Hünengräber«,
Teil 2: »Riesengräber in Deutschland«,
Teil 120 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 06.05.2012
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Teil 119 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Der ältliche katholische Geistliche redet auf meinen Vater ein. Dabei gestikuliert er wild und sein Gesicht nimmt fratzenhafte Züge an. Ich – als Kind – empfinde den seltsamen Mann als furchteinflößend. Der Mann hätte problemlos und ohne Maske in einem Film wie »Nosferatu« als Untoter auftreten können. Rückblickend muss ich an den Sketch von Loriot denken (1): der Horrordarsteller Viktor Dornberger alias Vic Dorn sieht in Natura schon so monsterhaft aus, dass eine Maskierung gar nicht erforderlich ist.
Einer der teuflischen Dolmen Foto W-J.Langbein |
»Hütet Euch vor Yeun Elez ... das ist der Eingang zur Hölle!« Heute weiß ich: der Priester warnte vor »Tir Na N’Og«. In vorchristlichen Zeiten galt das einstige Moor tatsächlich als ein Portal in eine andere Welt, freilich nicht in eine christliche Hölle, sondern in die Anderwelt. Vor der Christianisierung glaubten die Bretonen, dass durch das Tor ein Land der ewigen Jugend besucht werden könne. Erst christliche Missionare verteufelten »Tir Na N’Og«.
Jahrzehnte sind seit meinem ersten Besuch in der Bretagne, zusammen mit meinem Vater, verstrichen. 1979 wollte ich das Erlebnis in meinem ersten Buch (3) schildern. Verleger John Fisch empfahl mir, die Geschichte für einen Folgeband zurückzuziehen. Bis heute blieb die Episode unveröffentlicht.
Ich habe inzwischen recherchiert und entdeckt, dass jene Gefilde von Yeun Elez allerlei finstere Gestalten zu bieten haben. Ein unheimlicher Riese namens Gawr soll einst in einem steinernen Grab beerdigt worden sein. »Tod und Verderben wird der Gigant mit dem Schlangenschwanz über Frankreich und die Welt bringen!« Ich erinnere mich deutlich daran, sehe meinen Vater zusammenzucken, wie ihm der unheimliche Priester seine apokalyptischen Visionen ins Ohr schreit.
Der bösartige Riese sei eingesperrt, in einem von Menschenhand gefertigten Gefängnis. Doch wehe, wehe wenn es ihm gelingen sollte, auszubrechen. Überall gebe es Zugänge zur Hölle. Sie seien noch »verstopft«: steinerne »Pfropfen« würden die Satanischen daran hindern, in unserer Welt aufzutauchen. Noch seien sie eingesperrt ... aber wenn sie erst einmal den Zugang in die Welt der Lebenden finden würden ... dann Gnade uns Gott! Die eigenwillige Interpretation des Priesters, was Jahrtausende alte Menhire zu bedeuten hätten, habe ich nirgendwo sonst in der Literatur gefunden.
Einer der Pfropfen in einem Eingang zur Hölle... Foto W-J.Langbein |
Angesichts der Katastrophen, die von Atomreaktoren ausgehen können ... Fukushima lässt grüßen ..., mutet ein Atomreaktor am Tor der Hölle fehlplaziert an. Eine Reaktorpanne könnte ja auch sehr wohl ein höllisches Inferno ausbrechen lassen. In der Bretagne aber ist die Gefahr eines atomaren Desasters weitestgehend gebannt. Der Reaktor wurde Mitte der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts stillgelegt und wird seither nach und nach abgebaut!
Der ältliche katholische Geistliche redet auf meinen Vater ein. Wild fuchtelt er mit den Armen in der Luft herum. Sein Blick macht mir Angst. Mein Vater übersetzt zwischendurch, was der Priester an Unheimlichkeiten zu enthüllen hatte. Waren das die wirren Gedanken eines abergläubischen Katholiken, entstanden in düsteren Nächten der Bretagne?
Eingang in die Unterwelt der Bretagne - Foto W-J.Langbein |
Als ein Damm errichtet wurde, um Wasser für ein Wasserkraftwerk zu stauen, verschwand ein Teil des »Teufelsmoores« unter einem künstlich geschaffenen See.
Fernsehantenne als Verbindung zwischen Hölle und Himmel Foto: Aurore D. |
Ein Gedankenexperiment sei mir gestattet... Stellen wir uns vor, vor Jahrtausenden besuchten Außerirdische unseren Planeten. Wie mögen die kosmischen Besucher auf die Menschen gewirkt haben? Hielten sie sie für Götter ... oder für Teufel? Wenn noch heute im modernen Aberglauben eine Fernsehantenne als Kommunikationsmittel zwischen Hölle und Himmel verstanden wird ... welche Formen des »Aberglaubens« mögen dann vor Jahrtausenden entstanden sein?
Erich von Däniken (rechts) und Walter-Jörg Langbein - Foto Ilse Pollo |
Stellen wir uns nun vor: Der durch außerirdische Besucher entstandene Aberglauben wurde in heiligen Büchern festgehalten, wurde in Mythenform weitergereicht und ist in unseren Tagen noch in alten Sagen existent.
Würden wir den technischen Hintergrund solch uralten Aberglaubens erkennen? Oder würden wir die uralten Überlieferungen als reines Fantasiegebilde tumber Vorfahren abtun?
Das Phänomen der »Hünengräber« ist keineswegs nur in der Bretagne bekannt. Einst gab es in Deutschland Tausende dieser mysteriösen Steindenkmäler. Sie wurden zum größten Teil im Laufe der Jahrhunderte vernichtet. Viele von ihnen fielen dem explodierenden Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen zum Opfer. Viele dienten als Steinbrüche und wurden in Häusern verbaut oder als Straßenschotter verwendet. Die wenigsten dieser uralten Monumente sind bis in unsere Tage erhalten geblieben. Besonders schöne Exemplare gibt es in der Lüneburger Heide ...
Hünengrab von Fallingbostel, Holzstich Ende 19. Jahrhundert Foto: Archiv W-J.Langbein |
Fußnoten
1 Loriot 04, »Ruhe bitte! Intime Blicke in die Fernsehstudios«, 05
2 1964 fasste ich mein gespenstisches Erlebnis in einem Schulaufsatz (»Ein Ferienerlebnis«) zusammen. Lehrer Werner Müller war sehr angetan von der kleinen Arbeit und las sie im Unterricht vor.
3 Langbein, Walter-Jörg: »Astronautengötter«. Luxemburg, Weihnachten 1979
4 http://www.nzz.ch/magazin/reisen/yeun_elez_das_tor_zur_unterwelt_1.6034952.html
Die Bücher von Walter-Jörg Langbein
»Hünengräber«,
Teil 2: »Riesengräber in Deutschland«,
Teil 120 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 06.05.2012
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