Teil 121 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Darschiling-Höhle um 1910 Foto: Archiv W-J.Langbein |
Im Tibetanischen heißt der Blitz »Dardschiling« ... und so wurde die Höhle Dardschiling-Höhle genannt. Von der heiligen Höhle leitet sich der Name der Stadt Darjeeling ab. Warum krochen die Menschen vor Jahrtausenden bei Darjeeling auf einer Höhe von über 2.000 Metern in eine muffige Höhle, um dort ihrer Religion zu frönen?
Hat Doris Wolf, eine Schweizer Wissenschaftlerin, die Antwort gefunden? Doris Wolf erkundete die Urkultur Ägyptens. Sie war an der Geschichte des alten Kulturvolks Ägyptens von lange vor der Zeit der Pharaonen interessiert. Bei ihren Studien stieß sie ... auf eine geheimnisvolle Höhle. In ihrem bemerkenswerten Werk »Was war vor den Pharaonen?« schreibt sie (1):
»Bei der Grotte der Großen Göttin im Tal der Königinnen ist noch eine andere Erscheinung interessant, die allerdings bisher unbeachtet blieb: eine aus dem Fels gemeißelte, überlebensgroße weibliche Skulptur auf der linken Seite des Eingangs, die über dem Boden schwebt. Obwohl der Kalkfelsen hoffnungslos brüchig ist, kann man bei der verwitterten Großplastik die untere Körperhälfte mit dem betonten Schoßdreieck erkennen, das gut erhalten ist.«
Weltwunder Cheopspyramide Foto: W-J.Langbein |
Krabbelten also die Menschen schon vor Jahrtausenden im Himalaya wie im »Alten Ägypten« in kultischer Verehrung in den Leib von Mutter Erde? Warum sollten sie das getan haben? Warum wird die ägyptische Göttin in der wissenschaftlichen Literatur nach wie vor stiefmütterlich behandelt? Warum wurde die Skulptur der Muttergöttin im ägyptischen Tal der Göttinnen so stark beschädigt? Warum wurde der in den Stein gemeißelte Torso im ägyptischen Kom el-Ahmar bis heute weitestgehend »übersehen«?
Warum üben unterirdische Anlage uralter Kultzentren so eine besondere Faszination auf uns aus ... wie etwa die »Unterwelt« von Tiahuanaco beim heutigen Dörfchen Tiwanacu, vier Kilometer hoch in den bolivianischen Anden gelegen?
Mysteriöser Tunnel von Tiahuanaco - Foto: W-J.Langbein |
Das christliche Abendland kennt die Lehre von Geburt und Tod ... und Auferstehung. Der gerechte Gläubige durchlebt sein Erdendasein, stirbt ... um nach seiner Auferweckung von den Toten und dem absolvierten Strafgericht ins Paradies einzugehen. Diese theologische Weltsicht passt nicht zur Realität des zyklischen Zeitenablaufs von Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Der Zeitplan der Natur ist zyklisch. Die Natur »tickt« wie eine Uhr, die keinen Anfang und kein Ende kennt.
Zyklisch wie die Jahreszeiten folgen im kleineren Maßstab Morgen, Mittag, Abend und Nacht immer wieder aufeinander. Da liegt es nahe, auch das Leben zyklisch zu sehen: Auf Geburt, Leben, Altern und Tod folgt wieder die Geburt.
Wo aber blieb der Tote zwischen Tod und neuem Leben? Die Sonne geht im Westen unter und taucht nach der Nacht im Osten wieder auf. Wo war sie in der Zwischenzeit? Durchlief sie die Unterwelt? Dieses Bild ist aus den ältesten Mythen unseres Planeten bekannt. Um im Bild zu bleiben: nach dem Tod gehen die Verstorbenen in die Unterwelt ein. Wiedergeburt heißt also eine Rückkehr aus dem Reich des Todes in die Welt der Lebenden! (2)
Unterwelt unter der Cheopspyramide Foto: W-J.Langbein |
Immer wieder bin ich in unterirdische Gänge, Tunnelsysteme und Höhlen gekrochen. Ich stieg in die Unterwelt unter uralten Pyramiden hinab ... in die dann förmlich greifbare Finsternis des »Totenreiches«. Wenn ich dann – möglichst nach mehrstündigem Aufenthalt – in der Dunkelheit etwa einer Kulthöhle der Osterinsel ans Tageslicht zurückkehrte ... war dies wie ein Aufstieg zurück in die Welt der Lebenden.
Trauriger Überrest einer einst unteridischen Kammer Foto: W-J.Langbein |
Kulträume – unter Erdhügeln oder Pyramiden – wurden wie bombensichere Bunker angelegt, weil sie für die Ewigkeit gedacht waren. Wer in die angsteinflößende Finsternis der unterirdischen Räume stieg, der war voller Hoffnung. Er konnte wieder ans Licht des Tages zurückkehren.
In der kultischen Magie bewirkt die sakrale Handlung des Priesters oder des Gläubigen Großes: Indem der Mensch in die Unterwelt hinabsteigt ... und das im wahrsten Sinne des Wortes ..., indem er dann wieder aus der Dunkelheit ans Licht zurückkehrt, beschwört er den ewigen Lebenslauf: auf Tod folgt wieder neues Leben. Symbol dieses ewigen Kreislaufs ist die Spirale, die weltweit als sakrales Zeichen anzutreffen ist. Ich fotografierte sie immer wieder auf meinen Reisen, zum Beispiel bei Tiahuanaco in den Anden Boliviens. Eine »unendliche« Spirale wurde vor Jahrtausenden in einen Steinblock graviert. Ach, könnte man doch die alten Steine wie ein Buch lesen!
Spirale - Symbol ewigen Lebens Foto: W-J.Langbein |
Es ging um den Erhalt des Lebens – Pflanze, Mensch, Tier – insgesamt. Es ging um den Erhalt aller Lebensformen auf Erden ... und nicht um die Unterwerfung von Planet Erde durch den Menschen. Der Mensch als Regent über unsere Erde ist nur im patriarchalischen Glauben vorgesehen ... das egozentrische Streben, durch den rechten Glauben dem eigenen kleinen Leben zur individuellen Unsterblichkeit zu verhelfen auch!
Nach mehr als drei Jahrzehnten des Forschens bin ich davon überzeugt, dass vor vielen Jahrtausenden sakrale Zeremonien des Matriarchats in natürlichen Höhlen gefeiert wurden. Mit dem Voranschreiten technischer Möglichkeiten folgten künstlich geschaffene unterirdische Tunnel und Kammern, schließlich Erdhügel mit eingeschlossenen Kammern für die Ewigkeit ... und Pyramiden.
Hünengrab bei Fallingbostel - Foto: Archiv W-J.Langbein |
Fußnoten 1 Wolf, Doris: «Was war vor den Pharaonen?«, Zürich 1994, S.63
2 siehe hierzu auch Getty, Adele: »Göttin/ Mutter des Lebens«, München 1993
3 siehe hierzu auch Uhlig, Helmut: »Die große Göttin lebt/ Eine Weltreligion des Weiblichen«, Bergisch Gladbach 1992
»Die Ruinenstadt/
Das Geheimnis der Anden I«,
Teil 122 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 20.05.2012
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