Montag, 27. Mai 2013

Fido Buchwichtel und ein Troll in Kiffers Heaven

Hallo liebe Leute!

Hier bin ich wieder:
Fido Buchwichtel
mit dem 
Bestseller der Woche
aus dem Wichtelland.

Liebe Menschen, kennt Ihr alle den Gemeinen Stinkmorchel? Das ist eine Pilzart. Es gibt für ihn auch eine fremdländische Bezeichnung, die lautet »Phallus impudicus«. Wie der Name uns schon sagt: dieser Morchel stinkt und das gemein! Darum halten sich Wichtel und auch die meisten Menschen davon fern. Ein Stinkmorchelverwandter ist der gewöhnliche Troll, der stinkt wie der Morchel.

Trolle sind nicht die Hellsten. Im vergangenen Jahr hatte sich eine Begebenheit zugetragen, die ich Euch heute erzählen möchte. Ein Troll hatte ein Buch aus einer Menschensiedlung gestohlen. Das Buch möchte ich Euch heute als den Bestseller der Woche aus dem Wichtelland vorstellen: 
In diesem Märchen geht es auch um die Katze Äugelchen. Die hatte dem Bonsai die Cannabis-Ernte verschisselt und das konnte natürlich nur Ärger geben ...


Aber jetzt erzähle ich Euch erst die Geschichte aus dem Wichtelland:
Die Wichtelfrauen hatten sich an einem Sommertag auf dem kleinen Marktplatz versammelt und gingen ihren Handarbeiten nach.
»Uiii, der Wind dreht auf Süd/Südwest!« 
Die Wichtelinnen hielten ihre Näschen in den Sommerwind und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis ein unangenehmer Geruch die Dorfgemeinschaft erreichte.

Es stank nach Troll, ein Geruch, der den zarten Wichteln äußerst zuwider ist.
»Hmmm«, bemerkte die Kräuterwichtelin, die zu Gast in der Gemeinschaft war, »Hmmm, das stinkt nicht nur nach Troll, da hat sich noch etwas anderes untergemischt!«

Die Wichtelfrauen packten ihre Nähsachen ein und beschlossen, in ihren Wohnungen Fenster und Türen zu schließen.
»Hoffentlich dreht der Wind bald wieder, das ist ja nicht auszuhalten!«
Unter Protest zerstreute sich die Gruppe. 

Die Kräuterwichtelin beschloss aber, der Sache auf den Grund zu gehen. Für Wichtel ist es nicht ganz ungefährlich, sich in die Nähe von Trollbehausungen zu begeben. Zwei mutige Wichtelmänner fanden sich bereit, die weise Wichtelin auf ihrem riskanten Ausflug zu begleiten.

Der kleine Spähtrupp erreichte schnell die Trollbehausung, brauchten die Wichtel doch nur dem Gestank entgegen zu gehen, der immer unerträglicher wurde.

Vor seiner Bleibe, inmitten von Müll und Unrat, saß der Troll. Er hatte sich einen Wichtelschlüpfer über den Kopf gezogen, von seinen Augen waren nur kleine Schlitze zu sehen. Umgeben war er von einer Rauchwolke. Er hatte sich aus einer Plastikflasche eine Pfeife gebaut und qualmte, was das Zeug hielt.

»Aha!«, raunte die Kräuterwichtelin.   
»Pssssst!«, entgegnete einer der Wichtel und hielt sich den ausgestreckten Finger vor den Mund, um die weise Frau von weiteren Äußerungen abzuhalten. Doch die machte nur eine abwertende Handbewegung:
»Keine Angst, der hört uns nicht. Dieser Troll ist in Kiffers Heaven!«
»Wo ist der Troll?« 
»Der hat sich in eine andere Welt geraucht!«, antwortete die weise Frau und trat noch ein paar Schritte näher an die Behausung heran. Vorsichtig folgte ihr der Begleitschutz.

Da entdeckte der Troll die Wichtel.
»Ahhh, Besuch ist da! Meine Freunde aus dem Wichtelreich! Kommt doch näher ihr Lieben!«
Die Wichtelmänner erschraken.
»Lasst uns machen, dass wir hier wegkommen, der Troll will uns in eine Falle locken!« 
Die Kräuterwichtelin aber winkte ab.
»Der ist jenseits von Gut und Böse. Vor dem braucht sich kein Wichtel zu fürchten!«

Und richtig, der Troll war überaus fröhlich und vor allem gesprächig. 
»Hört ihr Wichtel! Trolli ist bald reeeiiich! Trolli hat ein feines Buch geklaut!«
»Aubacke!«, raunte einer der Wichtel, »Nicht schon wieder! Das letzte Mal hat er die Schlüpfer unserer Frauen gestohlen. Die scheinen ihm auch keinen Wohlstand gebracht zu haben. Was wird es denn diesmal sein, was ihm Reichtum verspricht?«

»Hmmm …«, überlegte die Kräuterwichtelin, » … ich tippe auf verbotene Substanzen, schaut doch mal, was er da an seinen Wäscheleinen hängen hat!«
Und richtig, um die Behausung herum waren Leinen gespannt, an denen Blätter im Wind trockneten. 
»Nie im Leben ist der Troll unter die Hanfbauern gegangen. Der wird die Pflanze irgendwo gefunden haben! Kommt, wir machen uns auf den Weg Richtung Menschensiedlung, vielleicht finden wir dort die Lösung!«

Und richtig, als die Wichtel den Feldweg erreichten, der den Wald von dem angrenzenden Maisfeld trennte, sahen sie einen Menschen vor einem Blumentopf kauern.
»Ist das ein Menschentroll?«, fragte leise einer der Wichtel. Die weise Frau schüttelte den Kopf und antwortete: »Nein, das ist ein Kiffer!«
»Aha! Der scheint aber nicht im Heaven zu sein!«
Der Mensch machte einen erbärmlichen Eindruck. Er weinte und klagte, wischte sich den Schnodder mit den Ärmeln seines verschmutzten Pullover ab und heulte: »Gepflegt und gehegt habe ich mein Baby und kurz vor der Ernte das! Buuhhh huuuhuuu!«

Dabei betrachtete er den Stengel einer Pflanze, die ihrer Blätter beraubt schien. Dann stand er auf und gab dem Blumentopf einen wütenden Tritt. »Aua aua! Buuhhh huuuhhhuuu!« Humpelnd zog der Mensch von dannen.

Fragend sahen die Wichtel die Kräuterwichtelin an. Diese erklärte ihren Freunden: »Er wird die Pflanze im Maisfeld versteckt haben. Der Troll hat sie entdeckt und die Ernte eingefahren. Dumm gelaufen. Das sind verbotene Substanzen!«, und mit ernstem Blick mahnte sie: »Ob Mensch oder Troll, wen diese Pflanze nicht blöd macht, den macht sie doof! Also lasst die Finger von den Drogen!«

Der Troll saß immer noch an Ort und Stelle, als die Wichtel auf dem Rückweg an ihm vorbeikamen.
»Trolli wird bald reeeiich sein! Feines Buch hat Trolli geklaut!«

»Ich wusste nicht, dass Trolle lesen können!«, wunderte sich einer der Wichtel.
»Können sie auch nicht. Zumindest verstehen sie nicht die Bedeutung des Geschriebenen. Auf den Markt wird er das Zeug jedenfalls nicht tragen. Das wird er selbst verqualmen!«

»Dann gibt es für uns nur eine Rettung!«, folgerte ein Wichtel, »Wir können nur hoffen, dass der Wind dreht!«

Mit einem dumpfen Lächeln um die Mundwinkel lehnte sich der Troll an ein Buch und stotternd buchstabierte er den Titel: 
hexenhausgeflüster: Ein modernes Märchen für Erwachsene
der Bestseller der Woche aus dem Wichtelland – Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen!

Winke winke und lasst die Finger von den Drogen!

Euer

Fido Buchwichtel

P.S. Hier könnt Ihr die Story mit den Wichtelschlüpfern nachlesen.


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Sonntag, 26. Mai 2013

175 »Der Tempelturm von Tanjore«

Teil 175 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Teil des Tanjore-Tempelkomplexes
Foto W-J.Langbein
»Du möchtest also ein Sthapati werden?« fragt mich der junge Inder vor dem Tempelturm von Tanjore. Mythen und Mauern haben es mir schon seit Jahrzehnten angetan. Und Tanjore, 320 Kilometer südlich von Madras, ist ein wirklich lohnendes Ziel für den Reisenden in Sachen »Rätsel der Menschheit«. Wir sind kurz ins Gespräch gekommen, der in der uralten Tradition verwurzelte Inder und ich, der neugierige Besucher. So hat der junge Mann in Jeans und rotem T-Shirt erfahren, dass ich Theologie studierte. »Sthapati?« frage ich verunsichert. Der junge Inder fährt fort, mit einem Reisigbesen den Tempelvorplatz zu fegen. Er deutet auf den Tempelturm von Tanjore.

»Stell' Dir vor, Du bist Priester in Deiner Religion. Ein gewaltiger Sturm bringt Dein Gotteshaus zum Einsturz ... Was unternimmst Du dann?« Ich reagiere verunsichert. Mein Gesprächspartner lacht. »Ich beauftrage ein Bauunternehmen...« Im »Alten Indien«, so erfahre ich, war der Sthapati nicht nur Priester. Als solcher musste er die heiligen Zeremonien zu Ehren der Götter abhalten. Er war Betreuer der Gläubigen, die in den Tempel kamen. Er erklärte ihnen die heiligen Überlieferungen aus uralten Zeiten. Er las ihnen aus den heiligen Texten vor, in denen von Göttern die Rede ist, die in den Lüften ebenso zuhause waren wie auf der Erde. Und er war Priester-Architekt. Er musste die heilige Geometrie anwenden, wenn ein Tempel gebaut oder renoviert wurde.

»Der Tempel war kein einfaches Gebäude, kein simpler Ort der Versammlung ... Er war heilig ... als plastisch-materielle Dimension des jeweiligen Gottes!« Traurig deutet der junge Inder auf einige Besucher aus der ach so »zivilisierten Welt«. Manche sehen so aus, als kämen sie eben vom Badestrand. »Leider werden Tempel oft nur noch als Touristenattraktionen gesehen ...« Und wirkliche Sthapati gebe es schon lange nicht mehr.

Ein erster Eingang
Foto: W-J.Langbein
Wer sich für militärische Wehranlagen interessiert, die vor vielen Jahrhunderten errichtet wurden ... sollte unbedingt nach Indien reisen. Massive Forts beeindrucken allein schon durch die gigantischen Massen verbauten Steins. Sakrale Tempelanlagen haben mich – mit einer kleinen Reisegesellschaft – nach Indien gelockt. Offenbar gab es einst massive Baukomplexe, Burgen mit Monstermauern, die den Göttinnen und Göttern vorbehalten waren ... und natürlich dem »Bodenpersonal« der Himmlischen. Offenbar sind viele der einst so massiven Monstermauern im Lauf der Geschichte abgetragen worden. Auch von den einst so stolzen Tempeln hat nur ein Teil überlebt.

Wann die theologischen Architekten die ersten Tempel auf dem Reißbrett entworfen haben mögen? In den ältesten Überlieferungen, etwa dem Rig Veda, wird bereits von den sakralen Bauten berichtet. Und diese Texte entstanden vor 3.500, vielleicht sogar schon vor 4.000 Jahren ... oder noch sehr viel früher! Noch älter mögen die Höhlenheiligtümer sein, in denen schon die Götter des »Alten Indien« verehrt und angebetet wurden. Im Jahr 2004 wurde die Küste von Tamilnadu von einem Tsunami heimgesucht. Bei Mahabalipuram wurden von den Naturgewalten Sandmassen weggespült ... und altes Mauerwerk freigelegt.
Dr. Satchidanandamurti untersuchte die steinernen Strukturen. Zwei Tempel, so ließ er verlauten, waren so entdeckt worden. Einer von ihnen war »mindestens 800 Jahre alt« ... stand aber auf einem sehr viel älteren Bauwerk. Und das wurde auf die Zeit um Christi Geburt datiert.

Bei meinen Recherchen vor Ort stieß ich auf eine Fülle von Daten. Demnach gehen die ältesten Tempel auf die Zeit zwischen 200 vor und 500 nach Christus zurück. Die jüngsten – von Neubauten aus unseren Tagen abgesehen – stammen aus dem 17. Jahrhundert. In Madurai (Bundesstaat Tamil Nadu) leben heute über eine Million Menschen. Im dritten Jahrhundert v. Chr. dürfte Madurai bereits Hauptstadt des Pandyareiches gewesen sein. Man kann davon ausgehen, dass es schon damals Tempel gab!

Tempel wurden nicht an beliebigen Orten errichtet. Sie kennzeichneten vielmehr heilige Stätten aus uralten Zeiten, die von den Anhängern »neuerer« Religionen übernommen wurden. Madurai jedenfalls hat eine Geschichte, die deutlich in vorchristlichen Zeiten ihren Anfang genommen hat. Sie wird bereits im Sanskrit-Text »Arthashastra« des Kautilya (um drittes/ viertes Jahrhundert v. Chr.?) erwähnt. Angeblich gab es hier so etwas wie eine vorgeschichtliche Universität, in der die heiligen Texte studiert wurden.

Ein zweiter Eingang
Foto: W-J.Langbein
Tempelkomplexe waren sehr personalintensiv: Vom Architekten, der stets darauf achten musste, dass uralte Baupläne strikt eingehalten wurden ... zum Hilfsarbeiter, der die wertvollen Werkzeuge der Steinmetzen pflegen musste. Unzählige Priester und ihre Helfer gestalteten das religiöse Leben. Sie achteten auf die Einhaltung der unzähligen Vorschriften, die das Leben der Bewohner sakraler Welten regelten. Auch mussten die heiligen Gesänge zu Ehren der Götter vorgetragen werden. Dann waren da schon vor vielen Jahrhunderten Pilger, die die Tempel aus uralten Zeiten aufsuchen wollten. Größere Tempelkomplexe sollen mehrere Hundert Tänzerinnen benötigt haben, die auf ihre Weise Göttinnen und Göttern huldigten.

»Wenn Du ein Sthapati werden willst, so kennst Du gewiss die heiligen Texte Deines Glaubens!« fragt mich der kundige Inder mit dem Besen. »Im ersten Teil Deiner Bibel ist von einer Feuersäule die Rede ...« Ich freue mich, zu Füßen des majestätischen Tempelturms zu Tanjore das »Alte Testament« zitieren zu können (1): »Und Jahwe zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.«

Die »Feuersäule«, so erfahre ich, ist keineswegs ein rein biblisches Phänomen. Einst, so ist überliefert, kam es zu einem heftigen Streit zwischen den großen Göttern des »Alten Indien«. Da erschien eine Feuersäule am Himmel, deren Ausmaße nicht zu ergründen waren. Gott Brahma versuchte, die Spitze des Himmelsphänomens zu erreichen ... vergeblich. Vishnu scheiterte ebenfalls. Er wollte den tiefsten Punkt der Säule ausfindig machen. Als die Götter vor der unglaublichen Größe der Feuersäule vor Ehrfurcht erstarrten, tat sie sich auf und Shiva erschien.
Stolz erklärt mir mein Gesprächspartner: »Dieser Komplex hier ... war eine heilige Festung, in der Shiva verehrt und angebetet wurde. 400 Tempeltänzerinnen gingen ihrer Arbeit nach. 600 Handwerker waren ständig damit beschäftigt; sie renovierten, erneuerten...« Die alten Götterkulte scheinen floriert zu haben. Tausende und Abertausende fanden Arbeit.

Und noch ein Eingang
Foto: W-J.Langbein
In glühender Hitze versuchte ich den Brhadisvara-Komplex von Tanjore zu erfassen. Was in der Literatur gelegentlich als »Tempel« verniedlicht wird, Das zentrale Gebäude steht auf einem 240 Meter langen und 120 Meter breiten, von massiver Mauer umgebenen Areal. Herrscher Rajaraja I. soll 1003 den Baubeginn angeordnet haben. Sieben Jahre später hatte ein Arbeiterheer den Auftrag bereits erledigt.

Unvorstellbare Massen von Stein mussten fast fünfzig Kilometer vom Steinbruch zur Tempelanlage geschafft werden. Ausgerichtet ist die sakrale Miniaturstadt von Südosten nach Nordwesten. Betritt man den Komplex im Südosten, so durchschreitet man eine Säulenhalle, besucht vielleicht einen Versammlungssaal und erkennt einen imposanten »Vorraum«. Im Zentrum befindet sich das Allerheiligste, das Sanktuarium ... und darüber erhebt sich stolz – bis zu einer Gesamthöhe von 74 Metern (2) – die steile Tempelpyramide, ein Bauwerk von beeindruckender Schönheit!

58 Meter hoch, so lese ich vor Ort auf einer kleinen Tafel, ist der Tempelturm. Es war vor fast genau einem Jahrtausend eine Meisterleistung der Statik, solch einen Koloss auf einen »heiligen Raum« zu setzen. Dreizehn »Stockwerke« umfasst die Pyramide, die mich in verblüffender Weise an ähnlich steile Maya-Türme erinnert. Die einzelnen Stufen des anmutig wirkenden Turms sind aber fast überhaupt nicht zu erkennen. Mit künstlerischer Präzision sind unzählige Verzierungen angebracht, die den Eindruck einer glatten, gleichmäßig spitz zulaufenden Oberfläche vermitteln.

Golden leuchten heilige
Kultanlagen im Sonnenschein.
Foto: W-J.Langbein
»Wenn Du ein Sthapati werden willst, solltest Du wissen, dass der Tempelturm den ›heiligen Berg‹ darstellt ... die Kugel hoch oben an der Spitze ist ein Vimana ... und der ›heilige Raum‹ unter dem Turm die heilige Höhle, den Mutterschoß!« Ich wende ein: »Manche verstehen ja auch den gesamten Turm mit steinerner Kugel an der Spitze als Vimana, als Vehikel der Götter!« Wie sich doch die Bilder gleichen! Im 2. Buch Mose (3) wird beschrieben, wie die Israeliten auf der legendären Flucht aus Ägypten am Berg Sinai ankommt.
Der Gott der Bibel verbietet dem Volk, den Berg Sinai zu besteigen. Ein Zaun muss errichtet werden, um die Menschen daran zu hindern, auf die Spitze des Berges zu steigen. Es droht nämlich Gefahr: Der biblische Gott wird vom Himmel hoch auf den Gipfel des Berges herabsteigen. So geschieht es dann auch (4):

»Der ganze Berg Sinai aber rauchte, weil Gott auf den Berg herniederfuhr im Feuer; und der Rauch stieg auf wie der Rauch von einem Schmelzofen und der Berg bebte sehr.«


Fußnoten
1: 2.Buch Mose, Kapitel 13, Vers 21
2: Die Höhenangaben variieren in den verschiedenen Quellen geringfügig.
3: 2.Buch Mose Kapitel 19, Verse 1-25
4: 2. Buch Mose Kapitel 19, Vers 18

»Das Geheimnis der steinernen Kugel«,
Teil 176 der Serie »Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
erscheint am 02.06.2013


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Montag, 20. Mai 2013

Fido Buchwichtel klärt Mord in zwei Sätzen


Hallo liebe Leute!

Es ist Pfingstmontag und
Fido Buchwichtel
bringt Euch den
Bestseller der Woche
aus dem Wichtelland.

Was ist an diesem Montag so besonders? Nun, liebe Menschen, an Pfingsten ergeht nicht nur die göttliche Gnade über Euch, in stiller Bescheidenheit zeigt Ihr Euch erkenntlich für die Mühe, die wir Wichtel mit Euch an jedem Weihnachtsfest haben. Darum feiern wir in der Nacht von Samstag auf Pfingstsonntag Wichtelsgiving. Nach einem ausgiebigen Abendessen in dörflicher Runde ziehen die Wichtelvölker los, um die Geschenke einzusammeln, die Ihr Menschen uns macht. So zeigt sich menschliche Tugendhaftigkeit, vollzieht sie sich doch in dieser Nacht an jeglichem, sonst so typisch menschlichem, Konsumterror vorbei.

Im Namen meiner Wichtelfreunde möchte ich mich an dieser Stelle recht herzlich für die vielen Gaben bedanken, die wir vorletzte Nacht von Euch bekommen haben. Mein Geschenk lag übrigens fein versteckt unter einem Liegestuhl, der auf der Terrasse stand. Wir schleichen uns ja an Wichtelsgiving in die Menschensiedlungen und wissen auch genau, dass Ihr die Gaben, die Ihr für uns auslegt, eher beiläufig platziert. Vermutlich wollt ihr uns nicht beschämen.


Um auf den Liegestuhl zurückzukommen, da lag das Büchlein der Menschenautorin Susanne Henke Shorty to go: Mord in zwei Sätzen das ich Euch vorstellen möchte.

Mord in zwei Sätzen, mit diesem Untertitel ist schon einiges erklärt. 222 mörderische zwei Sätze, die uns Wichteln an Pfingsten in die bitterböse und tiefschwarzen Abgründe der menschlichen Seele blicken ließen. Das Büchlein wurde von Wichtel zu Wichtel weitergereicht und jeder durfte zwei Sätze vortragen. Meine  Wahl sollte natürlich zum Festtag passen. So suchte ich mir folgendes Häppchen aus: »Pfingstrosen schmückten den Tisch, an dem sein heiliger Morgenkaffee seinen Geist befreite. Den Rest goss sie aus.« Alle klatschen in die Hände. Und unter uns Wichteln gesagt: Diese Susanne Henke hat es wirklich faustdick mörderisch hinter den Ohren!

Euch Menschen darf ich das Büchlein gerne ans Herzchen legen, denn es wird bestimmt nicht nur im Wichtelland der Bestseller der Woche. Darum: Shorty to go: Mord in zwei Sätzen Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen!

Macht Euch eine schöne Zeit!

Winke winke Euer 

Fido Buchwichtel




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Sonntag, 19. Mai 2013

174 »Monstern auf der Spur«

Teil 174 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Triumphzug mit Mischwesen
Foto:  Archiv W-J.Langbein
In Erlangen hielt ich als Student der evangelischen Theologie gelegentlich in kleinem Kreis Diavorträge zur dänikenschen Thematik »Waren die Götter Astronauten?« Begeisterung löste ich weder bei meinen Kommilitonen, noch bei den Herren Professores aus. »Langbein, Langbein ...«, ermahnte mich ein am Ende seiner Laufbahn angekommener Professor für »Altes Testament«, »was beschäftigen Sie sich mit Astronauten der Vorzeit, die angeblich zur Erde kamen! Bleiben Sie auf der Erde! Bleiben Sie bei der Bibel!« Der alte Herr erkannte, dass mich sein Rat nicht sonderlich beeindruckte.

»Und wenn Sie sich schon mit Geheimnissen aus uralten Zeiten auseinandersetzen müssen ... glauben Sie mir, da bietet die Bibel Rätsel genug!« Es folgte ein verhörartiges kurzes Gespräch über den Namen »Adam« und das »Paradies«. Den Namen »Adam« konnte ich auf das hebräische Wort »Adamah«, zu Deutsch »Ackerboden«, zurückführen. »Laut Schöpfungsbericht«, so sagte ich mein einstudiertes Wissen auf, »nahm Gott vom Ackerboden und formte daraus Adam.« Wo genau aber der Schöpfungsakt vonstatten ging ... konnte ich geographisch nicht eingrenzen.

Der Professor schob mir einen vergilbten Zeitungsausschnitt zu. Während ich den Text sorgsam las, erklärte mir der Professor: »Der Text stammt aus einer wissenschaftlichen Fachpublikation, erschienen 1907!« Da stand: »Über das Udumu berichtet keine andere historische Nachricht der assyrologischen Literatur, wohl aber kommt zweimal Udumu, als Bezeichnung für die Landschaft Edom vor.« »Udumu«, so hieß es weiter im Text, sei die exakte assyrische Umschreibung für Adam! »Udumu« stamme aus der Landschaft Musri, die an das biblische Eden angrenzt.
Verblüfft fragte ich: »Sollte also der biblische Schöpfungsbericht assyrischen Quellen entnommen sein?« Das, so der Professor, sei so wichtig nicht. »Es gibt aber assyrische Darstellungen von »udumu-Wesen!« Wieder reichte er mir einen vergilbten Zeitungsausschnitt. Zu sehen war das Foto von einem »assyrischen Relief, britisches Museum«.

Siegessäule des
Salamanassar - Foto:
 Archiv Langbein
Der »schwarze Obelisk von Salamanassar III« preist wie ein Bilderbuch in Stein in zwanzig Einzeldarstellungen Erfolge des Salamanassar III (Regierungszeit etwa 858 bis 824 v. Chr.) Seine Soldaten bringen reiche Beute ...

Die assyrische Bildtafel hält zwei bärtige, martialische Gestalten fest. »Es handelt sich um zwei von einem erfolgreichen Kriegszug heimkehrende Krieger, die ihre Beute mit sich führen!« Auf der Schulter des einen Mannes sitzt ein Äffchen. Der Krieger hält das Tierchen an einer kurzen Leine. Vertrauensvoll legt es seine Pfoten auf das Haupt des Mannes.

An der anderen Hand führt der Krieger ein weiteres Lebewesen. Ist es ebenfalls ein Äffchen? Das eigenartige Wesen, so klärte mich der Professor auf, sei ein »udumu«. Es sei ein Mischwesen aus Tier und Mensch. Der Kopf erinnert an das Haupt einer ägyptischen Sphinx. Hände und Füße sind – wie der Kopf – eher menschlich, der Leib mit dem langen Schweif eher tierisch.
Der Professor tippte mit dem Finger auf den Text. Da steht: »Die .. udumi haben wirklich existiert, haben wirklich so ausgesehen, wie sie uns auf den Monumenten überliefert sind.« Fragend blickte ich den Professor an. »Ziehen Sie Ihre eigenen Schlussfolgerungen!«

Ob es noch andere Darstellungen solcher »Udumu«-Wesen gibt, wollte ich wissen. Der greise Theologe schob mir weitere Blätter zu, mit Schwarzweißfotos, die ebenso aus der »Fachzeitschrift« von 1907 stammen. Wieder scheint eine Art Aufmarsch von heimkehrenden Kriegern zu sehen zu sein, wieder führen Männer ungewöhnliche Beute mit sich. Beide Darstellungen seien in den »schwarzen Obelisken«, britisches Museum, eingraviert.

Mischwesen in einer
Siegesprozession
Die Darstellung einer Person ist fast identisch mit einer Gestalt auf der »Siegessäule«. Auch hier sieht man einen martialischen Mann. Auch er trägt auf der Schulter ein Wesen, das aber weniger ein Äffchen, als eine seltsame Kreatur ist, die im Tierreich so nicht vorkommt! Vor dem Mann schreitet, wie ein Mensch auf den Hinterbeinen gehend, ein Mischwesen aus Mensch und Tier. Besonders die Hände sind gut zu erkennen: Es sind die Hände eines Menschen ... am Leib eines Tieres!

Vor dem Krieger marschiert ein weiterer Mann. Auch er kontrolliert ein merkwürdiges Mischwesen, das ebenfalls aufrecht wie ein Mensch geht. Es kommt mir so vor, als halte der Wärter so etwas wie einen Stab in beiden Händen, der in einer Schlinge um den Hals des mysteriösen Wesens endet. »Vielleicht sind es ja nur ganz einfach Affen ...« wandte ich ein. Der Professor schüttelte den Kopf. »Schauen Sie sich doch die Hände der Kreaturen an. Das sind keine Affen!« Ich spielte weiter den Advocatus Diaboli. »Vielleicht konnten die Künstler die Affen nur sehr unzureichend darstellen ...«

Der Professor tippte auf das Tier, dem die beiden Männer mit den seltsamen Kreaturen folgen ... auf dem »schwarzen Obelisk«. Es ist ein Elefant! Und dieser Elefant ist geradezu fotorealistisch dargestellt, von der Schwanzspitze bis hin zum Rüssel und zu den Stoßzähnen des stattlichen Tieres. Sehr naturgetreu sind auch Kamele auf der Siegessäule. Wer also das geheimnisvolle Relief mit den Mischwesen schuf, konnte sehr wohl die Natur präzise und realistisch abbilden. Darf man daraus schlussfolgern, dass es auch die merkwürdigen Mischwesen gab?

In Mahabalipuram sah und fotografierte ich ein ganz ähnliches Mischwesen. Auch in Mahabalipuram bewiesen die Steinmetzkünstler, dass sie sehr wohl fotorealistisch Szenen in Stein verewigen konnten: ein Mischwesen ebenso wie Elefanten. Auch hier wird eine Kreatur vorgeführt, die nur Ergebnis von genetischen Experimenten sein kann. Auch in Mahabalipuram bewiesen Künstler präzise Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, die Natur bis ins Detail realistisch abzubilden.

Mischwesen und Elefanten - Fotos: W-J.Langbein

Eine weitere Miniatur auf der Siegessäule zeigt zwei offenbar gefährlichere Wesen, Kreaturen aus dem Labor eines »Frankenstein«? Sie werden an Ketten geführt. Wiederum wurden da Tiermenschen gezeigt, Wesen mit Menschenköpfen und Händen ... und Tierleibern! Eines der Monsterwesen lutscht am Daumen ... Zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus wissen wir: Solche Wesen können kreiert werden. Die Gentechnik macht's möglich!

Schon im Frühjahr 2008 machte das Team um Professor John Burn, Universität Newcastle, weltweit Schlagzeilen. Sie mischten das Erbgut einer Kuh mit dem Erbgut eines Menschen. Das Wesen kam über ein frühes Embryo-Stadium nicht hinaus. Das Experiment wurde in einem sehr frühen Stadium abgebrochen.

Am 28.09.2011 vermeldete »Welt online«: »Bizarre Mischwesen aus der genetischen Hexenküche«. Im Text wurde vermeldet: »Halb Mensch, halb Tier. In den Laboren von Genetikern werden schon heute wundersame Mischwesen erschaffen – nur eine Frage der Ethik.«

Anfang Januar 2012 gab es eine weitere »Erfolgsmeldung«. Am »Oregon National Primate Research Center« wurden im Labor Mischwesen erzeugt. Es entstanden Rhesusaffen, die das Erbgut von sechs verschiedenen Elternteilen in sich trugen.

Kurzum: Wir sind auf dem Wege, Monsterwesen wie jene auf dem Obelisk von Salamanassar zu erschaffen. Der Mensch wird Gott spielen und die Schöpfung »bereichern« ... um monströse Mischwesen, die die Natur nicht vorgesehen hat!

 Menschen und Mischwesen
Archiv W-J.Langbein
Sind wir erst auf dem Wege? In England sind Experimente in Sachen »Mischwesen« gestattet, die in Deutschland verboten sind. In China soll der Forscher Jiang Kanhien-Wladimirowitsch bereits 1994 wahre Frankensteinmonster geschaffen haben, Mischwesen aus Ziege und Kaninchen, zum Beispiel!

Was wohl inzwischen in geheimen Laboren anderer Länder geschehen sein mag? Welche Monsterwesen mögen schon in verborgenen Zoos untersucht werden? Meine Reisen zu den großen Rätseln der Welt haben mich immer wieder zu Darstellungen von Monsterwesen geführt. Ich hoffe, dass es sich nur um reine Fantasiegestalten, nicht um realen Horror gehandelt hat.

Hinter den Säulen entdeckte ich das
Mischwesen von Mahabalipuram
Foto: Walter-Jörg Langbein
Literaturempfehlungen

Erich von Däniken hat sich in seinem Buch »Die Augen der Sphinx« intensiv mit dem Phänomen der Mischwesen auseinandergesetzt. Er bietet eine Fülle von Informationen zu dem weltweit auftretenden Phänomen der monströsen Kreaturen, die nur künstlich erzeugt worden sein können!

Däniken, Erich von: »Die Augen der Sphinx/ Neue Fragen an das alte Land am Nil«, 1. Auflage München 1989, Kapitel 1, »Tierfriedhöfe und leere Gruften«, S. 7-90!
Ich selbst habe mich ebenfalls bereits intensiv mit dieser spektakulären Thematik beschäftigt ... zum Beispiel in meinem Buch »Das Sphinx Syndrom«!
Langbein, Walter-Jörg: »Das Sphinx Syndrom«, München 1995, Kapitel 3, »Monster in Ägypten«, S.41-50

»Der Tempelturm von Tanjore«,
Teil 175 der Serie »Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
erscheint am 26.05.2013

Sonntag, 12. Mai 2013

173 »Monsterwesen in Konarak«

Teil 173 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Markttag in Konarak
Foto: W-J.Langbein
Markt in Konarak. Dicht gedrängt steht Bude an Bude. Ärmlich gekleidete Frauen sind viele Kilometer gelaufen, um einzukaufen. Besonders begehrt sind Töpfe und Pfannen. Besser Betuchte bezahlen bar. Andere versuchen, am Markt Obst und Gemüse zu verkaufen, das sie bei glühender Hitze wer weiß wie weit in Kiepen oder Rucksäcken geschleppt haben. Manche Händler lassen sich auf Tauschgeschäfte ein. Oder sie akzeptieren Geld und Naturalien als Bezahlung für ihre Produkte.

Bunte Plastikplanen sollen vor der vom Himmel brennenden Sonne schützen ... und vor eventuell einsetzendem Gewitterregen. Die Schwüle macht das Atmen schwer ... und in der Ferne rumpelt ein Gewitter. Einige Frau eilen zum Sonnentempel, um zur Göttin zu beten. Großmütter erflehen männlichen Nachwuchs für schwangere Enkeltöchter. Männer erbitten Regen für ihre kargen Felder, sonst droht der Familie Hunger. Und viele nehmen den steinalten Tempel im Hintergrund gar nicht wahr, so sehr sind sie in ihre Geschäfte vertieft, so heftig feilschen sie ... Verkäufer mit Kunden und umgekehrt.

Es sind Anhänger des Hindu-Glaubens, die in stiller Andacht im Schatten des Tempels gedankenverloren meditieren ... oder auch nur kurz ausruhen, um sich gleich wieder ins Getümmel des Marktes zu stürzen. Christliche Heilige, Jesus, Maria, Maria Magdalena, Petrus ... sie finden sich auf vielen Hausaltären von Hindus, die sich über Diskussionen zwischen Katholiken und Protestanten über den »wahren Glauben« nur wundern können. Es gibt doch nur eine Welt, nur das Heilige, das so viele Namen und Gesichter hat. »Das Überirdische ... niemand vermag es zu verstehen«, erklärt mir eine junge Marktfrau in hervorragendem Englisch. »Wie kann man sich da streiten, ob Jesus oder Krishna wichtiger ist?«

Der Sonnentempel von Konarak
Foto: W-J.Langbein
Die hübsche Inderin, die sich auf keinen Fall fotografieren lassen möchte, lächelt: »Wie lustig manche Christen mit ihrer Rechthaberei sind!«, sie wird ernst. »Aber Angst habe ich vor muslimischen ...« Ein grimmig blickender Bärtiger geht vorüber. Die Inderin verstummt.

Ich verlasse das Marktgetümmel, gehe auf den Sonnentempel zu. Ein Stück des Wegs begleitet mich der zornige Bärtige. Er spuckt in Richtung des Tempels aus und bleibt stehen. Seine Verachtung für den fremden Glauben spricht nicht für eine tolerante Haltung ... Vor einem Jahrtausend gab es in Indien unzählige Tempel unterschiedlichster Größe. In Khajuraho zum Beispiel sollen bis zu einhundert sakrale Bauten Gläubige angelockt haben. Heute sind nur noch fünfundzwanzig erhalten.

Vor tausend und mehr Jahren muss es in Indien eine hochstehende sakrale Baukunst gegeben haben. Hunderte von Tempeln wurden errichtet. Hunderte von Jahren wurde an einzelnen Bauten gearbeitet. Tausende und Abertausende von Statuen wurden mit großer Sorgfalt aus dem Stein gemeißelt. Die Künstler vermochten naturgetreue Wirklichkeit darstellen. Da sehen wir eine Büffelkuh, die zärtlich ihr kleines Kälbchen leckt. Für fundamentalistische Moslems ist die Tempelkunst Indiens ein Gräuel ... böses Teufelszeug, das zerstört werden muss. Dabei spielt es keine Rolle, ob Gottheiten oder Menschen im Alltag dargestellt werden.

Fotorealismus in Stein
Foto: W-J.Langbein
Für christliche Fundamentalisten sind freizügige Sexszenen ebenso ein Gräuel wie religiöse Darstellungen. Besonders verhasst sind Nagas, die in der Mythologie eine große Rolle spielen. Nagas – und andere Gottheiten – wurden von den Steinmetzkünstlern gleich hingebungsvoll, gleich realistisch dargestellt. Für sie war aber nicht das eine real und das andere fiktiv. Vor tausend und mehr Jahren gehörten Bullenkühe und ihre Kälbchen ebenso zur Wirklichkeit wie die unterschiedlichsten Gottheiten, wie etwa die legendären Nagas.

Für die »Alten Inder« waren Nagas Wesenheiten mit magischen Fähigkeiten, für die christlichen Entdecker dieser Kunstwerke waren es Schlangenwesen, die wie der biblische Teufel in die Hölle gehörten. Doch die biblische Schlange war eben nur für die Christen ein Monsterwesen. In fast allen anderen, älteren Kulturen indes waren sie höchst angesehen ... so auch im »Alten Indien«. So verehren Hindus »Shesha« als heilige Schlange, die die Erde trägt. Zu Deutsch lautet ihr Name »der Bleibende«. Für die Ewigkeit steht die heilige Schlange »Ananta«, die dem »Menschensohn« ein sicheres Lager für den kosmischen Schlaf bietet.

Kurios: In der Bibel (1. Buch Mose Kapitel 3, Vers 15) prophezeit Gott, dass der Menschensohn der Schlange den Kopf zertreten wird. In der weit älteren sakralen Literatur Indiens beschützt die Schlange den Menschensohn ...

Der König der Nagas, so wird es in der buddhistischen Mythologie überliefert, bot Buddha Schutz vor allen Gefahren und Unbilden, als er über einen Zeitraum von Wochen meditierte und schutzlos Sonnenglut und Regensturm ausgesetzt war.

Naga von Konarak
Foto: W-J.Langbein
Für Christen war und ist die Schlange der Teufel, der im Paradies Eva dazu verleitet, vom verbotenen Baum zu essen. Nach diesem Verständnis hat die teuflische Schlange das Böse über die Menschheit gebracht. In Indien indes gilt die Schlange als Glücksbringer. Im südlichen Indiens zeichnen noch heute Frauen wahre Irrgärten in den Staub vor den Türen ihrer Behausungen. Auf diese Weise soll die Naga-Gottheit gewonnen werden, von der man sich Schutz vor Bösem und Glück für die Mitbewohner erhofft. Und so verwundert es nicht, dass die Steinmetzkünstler bei der Ausgestaltung von Konarak besonders viel Sorgfalt für die Darstellung von gleich zwei Nagas aufwandten, die ineinander verschlungen sind.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es neben den steinernen Nagas auch unzählige aus Holz geschnitzte. Christliche Missionare wetterten gegen den vermeintlichen »Aberglauben«. Als ihre Hasspredigten keinen Erfolg einbrachten, versuchten die Missionare so viele hölzerne Nagas wie nur möglich an sich zu bringen und öffentlich zu verbrennen. Wie viele Nagas wohl noch rechtzeitig versteckt werden konnten?

Nagas begegneten mir auf meiner Indienreise immer wieder: Monsterwesen aus der biblischen Mythologie, die aber in Indien verehrt und nicht verteufelt werden. Mir scheint, dass die biblische Teufels-Schlange nichts anderes darstellt als den Versuch, sehr viel ältere Glaubenswelten zu bekämpfen. Was Jahrtausende lang als positive Lichtgestalt angebetet worden war, das sollte nun als teuflische Ausgeburt der Hölle bekämpft werden. In Indien allerdings hat die glückbringende Schlange – allen Missionierungsveruschen zum Trotz – überlebt! So wie die Monsterwesen in Konarak.

Monstervarianten von
Konarak - Fotos:
W-J.Langbein
Diese Kreaturen wurden nicht von der Evolution hervorgebracht. Wenn es sie gab, müssen sie geschaffen worden sein. Wer die altindischen Epen kennt, der weiß, dass nur die Götter als Schöpfer dieser furchteinflößenden Wesen infrage kommen. Wenn wir doch die heiligen Tempel-Skulpturen als Bücher lesen könnten ... würden wir in die Welt von Howard Phillips Lovecraft (1890 bis 1937) versetzt. Doch was Lovecraft wohl nicht für möglich gehalten hat: Die Wissenschaftler von heute und morgen werden grausige Monsterwesen leibhaftig auferstehen lassen!




»Monstern auf der Spur«,
Teil 174 der Serie »Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
erscheint am 19.05.2013


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Sonntag, 5. Mai 2013

172 »Das Horrorkabinet von Konarak«

Teil 172 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«

von Walter-Jörg Langbein

Konarak, im indischen Bundesstaat von Orissa am Golf von Bengalen gelegen, ist so etwas wie eine Geisterstadt in Stein. König Narasimha Deva (13. Jahrhundert) gab den Auftrag, einen imposanten Himmelswagen für den Sonnengott Surya zu bauen. Der Gigant aus Granit scheint auf vierundzwanzig gewaltigen, mannshohen Rädern zu ruhen. Sieben magische Pferde aus Stein standen bereit. Der Sonnengott sollte jederzeit mit seinem mächtigen Vehikel gen Himmel fliegen können.

Unklar ist, ob die Kultanlage erst kurze Zeit nach Vollendung ... oder schon während des Baus wieder aufgegeben wurde. Verschwunden ist, so viel wissen wir, der einstige Tempelturm. War das sakrale Bauwerk bereits vollendet, als es wieder abgebrochen wurde? Oder hatten die Baumeister eine unfertige Bauruine hinterlassen, die aufgegeben und später wieder abgetragen wurde? Wurden die unzähligen, üppigen Figürchen am Tempel von den Steinmetzen (1) alle fertig gestellt? Oder unterbrachen die Künstler manche ihrer Arbeiten, aus welchem Grund auch immer?

Besonders liebevoll wurden Statuen von Surya gestaltet, ob stehend oder hoch zu Ross. Ein Sonnengott wurde schon lange vor Baubeginn just an jener Stelle verehrt, wo später Surya angebetet werden würde. So wie Kirchen häufig auf »heidnischen« Kultplätzen entstanden, so bauten die »Alten Inder« ihre Tempel oftmals dort auf, wo schon lange zuvor sehr viel ältere Kulte zelebriert wurden.

Sonnengott Surya von
Konarak - Foto:
W-J.Langbein
Aus einem Sonnengott (oder gar ... aus einer Sonnengöttin?) wurde Surya, der als Zentrum des Sonnensystems angesehen wurde. Ja man verehrte ihn als Atman, das »Höchste Selbst«. Mag sein, dass in Surya zwei Gottheiten aufgingen: eine männliche und eine weibliche. Aus der weiblichen Göttin wurde der weibliche Aspekt Suryas, genannt »Savitri«, die »Leuchtende«. Frommen Missionaren war die Göttin mehr als suspekt. Sie verunglimpften sie gern als Teufel Luzifer, den »Lichtbringer« oder »Lichtträger«.

Im 19. Jahrhundert wurden einige der grandiosen Tempel Indiens entdeckt ... zum Beispiel die Sakralbauten von Khajuraho. Und fast überall haben emsige Steinmetzen Himmelstänzerinnen, Göttinnen und mysteriöse Fabeltiere dargestellt ... und immer wieder sexuelle Darstellungen. Die Pärchen, fein säuberlich in Stein modelliert, demonstrieren zum Teil akrobatische Liebesakte, die an Hochleistungssport erinnern. Einer der Tempelentdecker war der britische Offizier T.S. Burt. Für den Armeehauptmann waren diese erotischen Kunstwerke »extrem unzüchtig und anstößig«. Zögerlich vermeldete der prüde Offizier Königin Viktoria seine Entdeckungen ... und dachte intensiv darüber nach, ob es denn nicht besser wäre, die Erotik in Stein möglichst rasch zu zerstören. Schließlich siegte der Respekt vor den uralten Bauwerken über die Prüderie, die Kunstwerke blieben unangetastet, in Khajuraho, in Konarak und in anderen Städten Indiens.

In Konarak gingen moderne Restauratoren sehr sorgfältig mit der alten, zum Teil maroden Bausubstanz vor. Sie waren bemüht, die alte Bausubstanz zu erhalten. Auch sollten die Tempelanlagen so stabilisiert werden, dass sie noch möglichst viele Jahrhunderte dem Zahn der Zeit trotzen können. Es wurde aber darauf verzichtet, die Fantasie walten zu lassen, wo Lücken in den Reliefs klafften. Man bewies den Mut zur Lücke und verzichtete auf erfundene Ausfüllungen aus Stein.

Mut zur Lücke - Foto: W-J.Langbein
Tausende von Figürchen und Reliefs zieren den Sonnentempel von Konarak, kleine und große. Es ist, als hätten die Künstler vor vielen Jahrhunderten ein Werk hinterlassen, das wir wie ein Buch lesen sollen. Genauer gesagt: Es ist ein riesiges Bildband in Stein. Tausende Darstellungen unterschiedlichster Größen belegen eine simple Wahrheit: die Künstler der »Alten Inder« schufen detailgetreue Abbildungen der Wirklichkeit, fotorealistisch und naturgetreu. Diese Feststellung ist wichtig. Wir können nicht einerseits die präzise, korrekte Darstellung von Menschen und Tieren bewundern ... und andererseits bei fantastisch anmutenden Darstellungen Unfähigkeit der Künstler unterstellen!

Was viele Besucher – vor allem aus dem christlichen Abendland – oftmals übersehen, das sind Horrorkreaturen, die genauso detailgetreu abgebildet wurden wie Menschen und Tiere. Diese Wesen locken nur wenige Betrachter an, ganz im Gegensatz zu den Pärchen, die Sexakrobatik demonstrieren. Ich behaupte: die furchteinflößenden Monsterwesen muss es wirklich gegeben haben, genauso wie die Menschen und Tiere. Sie lassen sich nur keiner bestimmten Gattung zuordnen. Es sind kuriose Mischwesen. Für Fantasiegestalten sind sie alle zu naturalistisch dargestellt!

Mischwesen wurden im Königreich Ur bereits vor rund fünf Jahrtausenden verewigt ... als Stiere mit Menschenköpfen, aber auch als Skorpion-Menschen. 1995 stellte ich diese monströsen Wesen in meinem Buch »Das Sphinx-Syndrom« (2) vor.

Monster von Ur
Foto: Archiv
W-J.Langbein
Solche Monsterwesen hat der Geschichtsschreiber Eusebius (etwa 260 bis 339 n. Chr.) schaudernd und detailgetreu beschrieben (3): »Menschen mit Schenkeln von Ziegen und Hörnern am Kopfe, noch andere, pferdefüßige, und andere von Pferdegestalt an der Hinterseite und Menschengestalt an der Vorderseite. Erzeugt hätten sie (die Götter) auch Stiere, menschenköpfige, und Hunde, vierleibige, deren Schweife nach Art der Fischschwänze rückseits an den Hinterteilen hervorliefen, auch Pferde mit Hundeköpfen ... sowie andere Ungeheuer, pferdeköpfige und menschenleibige und nach Art der Fische beschwänzte, dazu weiter auch allerlei drachenförmige Unwesen und Fische und Reptilien und Schlangen und eine Menge von Wunderwesen, mannigfaltig gearteten und untereinander verschieden geformten.«

Man möchte gern diese Horrorkreationen ins Reich der Märchen verbannen. Man möchte hoffen, dass es sie nie gegeben hat ... doch in fast allen Museen der Erde finden sich Abbildungen, präzise Darstellungen jener Wesen. So finden sich im französischen Louvre Miniaturen, etwa 4.200 Jahre alt, die menschenköpfige Stiere darstellen. Im Eingangsbereich des Ägyptischen Museums von Kairo sah ich in einer Glasvitrine das in Stein gearbeitete Halbrelief fremdartiger Monster. Ihre Leiber erinnern an Pferde, sie haben Löwenfüße. Auf unnatürlich langen Hälsen sitzen verhältnismäßig kleine Köpfe, die an Löwenhäupter erinnern. Angriffslustig stehen die beiden Wesen einander gegenüber, scheinen gleich einander angreifen zu wollen. Noch hindern sie kleine, sehr naturgetreu dargestellte Wesen daran, zerren an Stricken ...

Monster der Osterinsel
in der Kirche
Foto: W-J.Langbein
Monsterschriften wurden auch auf der Osterinsel dargestellt - in Halbreliefs in Stein, halb Vogel, halb Mensch. Emsige Steinmetzen haben mit großer Geduld unzählige dieser Kreaturen in das grobkörnige Vulkangestein gemeißelt. Tausende solcher Kunstwerke mag es gegeben haben. Die meisten sind dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Nicht wenige sind nur den Einheimischen bekannt. Und nicht wenige werden interessierten Besuchern gezeigt.

Die mysteriösen Mischwesen der Osterinsel wurden sogar von der christlichen Kunst übernommen. Man findet sie im Schnitzwerk der kleinen christlichen Kirche auf dem mysteriösen Südseeeiland! Da werden Vogel-Mensch-Kreaturen im Sinne der christlichen Religion geduldet: offenbar will die Geistlichkeit den Insulanern mit starkem »heidnischen« Hintergrund entgegenkommen. Und so tauchen alte heidnische Fabelwesen in christlichem Kontext wieder auf. Im Vordergrund steht die Statistik: Im Vordergrund steht die Zahl der Religionsanhänger der eigenen Richtung. Da stört man sich auch nicht daran, dass uraltes fremdes Glaubensgut mehr oder minder heimlich weiter zelebriert wird, auch wenn man es eigentlich als heidnisch ablehnen müsste!

Konaraks Tempelfiguren ... ein riesiges Buch in Stein! Die sexuellen Darstellungen haben, so höre ich immer wieder, einen tieferen, symbolischen Sinn. Es gehe um den göttlichen Zeugungsakt der Weltschöpfung. Wie aber sind die Mischwesen zu verstehen, die einem Horrorkabinett entsprungen zu sein scheinen? Darf man die unheimlichen Darstellungen psychologisierend interpretieren: als Darstellung von Urängsten der Menschen, die so konkretisiert wurden?

Misch- und Fabelwesen 
Oder haben wissenschaftliche Interpreten der Kunst von Konarak und anderer Tempel Angst vor der Vorstellung, dass es einst wirklich furchteinflößende Geschöpfe gegeben hat, die in der Zoologie eigentlich keinen Platz haben dürften?

Fußnoten
1 Steinmetzen und Steinmetze sind Pluralformen von Steinmetz
2 Langbein, Walter-Jörg: »Das Sphinx-Syndrom«, München 1995, Abbildungen 21 und 22
3 Karst, Josef: »Eusebius Werke«, Band 5, »Die Chronik«, Leipzig 1911. Siehe hierzu Däniken, Erich: »Die Augen der Sphinx«, München 1989. S. 68 und 69

»Monsterwesen in Konarak«,
Teil 173 der Serie Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
erscheint am 12.05.2013


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