»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg LangbeinMysteriöse Monsterwesen nach einem theologischen Traktat. Foto Archiv W-J.Langbein |
Bevor Make-Make sein
erstes Menschenpaar kreiert, erschafft er ein Mischwesen: Nach seinem
Spiegelbild schuf er es und verabreichte ihm noch die Attribute eines
Vogels, Schnabel, Flügel, Federn. Wer glaubt, dass Adam und Eva die
ersten von Gott fabrizierten Lebewesen waren, irrt. Vor den Tieren
und vor den Menschen rief Gott den mysteriösen »Behemoth«. Im
kleinen Bibelbuch Hiob (1) lesen wir: »Sieh‘ doch den Behemoth,
den ich gemacht habe wie dich: Gras frisst er wie der Ochse. … Er
ist der Erstling der Wege Gottes; der ihn gemacht hat, reichte ihm
sein Schwert.« In manchen Bibelausgaben wird per Fußnote erklärt,
bei dem Behemoth habe es sich um einen grasfressenden Landsaurier
gehandelt.
Hiob beschreibt den Behemoth als unglaublich stark (2): »Sieh‘ doch, welche Kraft in seinen Lenden liegt und welche Stärke in seinen Bauchmuskeln! Sein Schwanz streckt sich wie eine Zeder, die Sehnen seiner Schenkel sind fest verflochten. Seine Knochen sind wie eherne Röhren, seine Gebeine wie Eisenstangen.«
Das klingt nach einem
monströsen Tier. Aber was für ein Tier sollte gemeint sein? Ein
Nilpferd vielleicht, oder ein Saurier? Wie ist der folgende Satz (3)
gemeint? »Er ist der Erstling der Wege Gottes; der ihn gemacht hat,
reichte ihm sein Schwert.« Ein Blick in den hebräischen Text
verschafft vielleicht Klarheit. Die wortgetreue Übersetzung lautet:
»Er/Es war der Erstling der Wege von El (Gott), der machende war
ihn/es, dass er/es herbeibringe sein Schwert.« El schuf also
Behemoth, damit der ihm sein Schwert bringen würde? Wieso sollte
Behemoth dem mächtigen Gott sein Schwert apportieren? Oder gab
umgekehrt Gott dem Behemoth sein Schwert? Das vermutet Martin Buber,
dessen Bibelverdeutschung hohes Ansehen genießt. Buber
interpretiert übersetzend (3): »Das ist der Erstling auf den Wegen
des Gottesherrn, der es machte, reichte sein Schwertgebiß ihm.«
Buber deutet also das »Schwert« als das besonders scharfe und
gefährliche Gebiss des Monsters.
Kuriose Kreaturen auf assyrischem Relief. Foto: Archiv W-J.Langbein |
Völlig anders versteht
Leopold Zunz den Vers. In seiner für jüdische Leser gedachten
Übersetzung der Thora wird auch betont, dass Gott den Behemoth als
Ersten schuf, aus dem Schwert aber wird ein Messer. Und das gehört
weder Gott, noch dem Behemoth (4): »Er ist der Erstling des Werkes
Gottes; wer ihn opfern will, mag sein Messer heranbringen.« Dazu
wäre wohl ein besonders starker Gläubiger erforderlich gewesen, der
das monströse Lebewesen hätte mit einem Messer töten können.
Wiederum eine andere
Übersetzung bietet »The Interlinear Hebrew-English Old Testament«
(5), die auf wortgetreue Wiedergabe Wert legt. Da heißt es dann,
dass Gott, der den Behemoth schuf, dem Monster mit seinem Schwert
entgegentreten kann. Mit anderen Worten: Die Kreatur war so stark und
furchteinflößend, dass ihm nur Gott selbst mit dem Schwert in der
Hand begegnen konnte. Unbewaffnet wäre das Risiko für Gott selbst
zu groß gewesen.
Je mehr Übersetzungen
ich konsultiere, desto mehr Varianten finde ich: Mal bringt das
Monster Gott sein Schwert, mal überreicht umgekehrt Gott der Kreatur
sein Schwert. Mal soll der, der das Monster opfern möchte, sein
Messer mitbringen. Und mal muss sich Gott selbst mit seinem Schwert
bewaffnen, wenn er dem Behemoth begegnen möchte. Mal wird der
Terminus »Schwert« mit den Schneidezähnen des Behemoth
gleichgesetzt. Nach Luthers Übersetzung von 1545 attackiert Gott den
Behemoth (6): Gott, »der jn gemacht hat/ der greifft jn an mit
seinem schwert«. In neueren Ausgaben des »Alten Testaments« nach
Luther heißt es Gott (7), »der ihn gemacht hat, der gab ihm sein
Schwert«.
In der Übersetzung des
»Alten Testaments« ins Griechische, in der »Septuaginta« geht das
Schwert vollkommen verloren (8): »Dies ist der Anfang der Schöpfung
des Herrn, gemacht um von seinen Boten verspottet zu werden.« In
einer Fußnote wird erklärt, dass es sich bei den »Boten« um
»Engel« handele. Demnach wurde Behemoth geschaffen, damit die Engel
über ihn lachen können. Völlig anders lautet eine Textvariante
nach der »Elberfelder Bibel« (9): »Er ist gemacht zum Gewalthaber
seiner Gefährten.« Das geschaffene Wesen wäre also so etwas wie
ein »Leittier«.
Ich kann nur
konstatieren: In Sachen Behemoth herrscht seit Jahrhunderten
weitestgehend Ratlosigkeit bei den Übersetzern! Wer immer nur eine
bestimmte Bibelübersetzung konsultiert, mag glauben, dass er damit
die einzig wahre Übersetzung kennt. Fakt ist aber, dass
unterschiedliche Bibelausgaben ganz unterschiedliche, voneinander
stark abweichende Textversionen bieten. Nicht zuletzt dank des
Internets kann heute auf unzählige Bibelvarianten zurückgegriffen
werden, um mysteriöse Passagen in den unterschiedlichen Varianten
miteinander zu vergleichen.
In den Chor der
Interpreten mischt sich eine Stimme, die manchen Theologen schrill in
den Ohren klingen mag. Vor nunmehr vierzig Jahren machte mich
Theologieprofessor Maurer auf das Werk von Dr. J. Lanz-Liebenfels
aufmerksam. Hinter einer Reihe von kirchengeschichtlichen Werken
verstauben schmale Bändchen aus der Feder von Lanz-Liebenfels,
stapelten sich Zeitschriften mit Artikeln über die Realität von
Mischwesen. Lanz-Liebenfels, ein schon zu Lebzeiten umstrittener
Theologe, schlug anno 1906 in seinem Werk »Theozoologie« (10) eine
erstaunlich moderne Lösung für das Problem vor. Behemoth war seiner
Überzeugung nach ein Tier-Mensch, also ein Mischwesen aus Mensch und
Tier, so wie die namenlose Kreatur, die einst Gott Make-Make nach
alter Mythologie auf der Osterinsel schuf. Und Lanz-Liebenfels
zitiert den Talmud: »Gebenedeit sei der, der die Geschöpfe
verändert.«
Tiermenschwesen auf dem schwarzen Obelisk. Foto W-J.Langbein |
Der Theologe konnte sich
vor mehr als einem Jahrhundert nicht vorstellen, dass mit Hilfe der
Gentechnik tatsächlich Geschöpfe tatsächlich »verändert« werden
können. Gentechnik ist der Schlüssel zu einem realen
Frankenstein-Labor, das schlimmste Horror-Kreaturen ins Leben rufen
kann. Im Vergleich dazu mutet Dr. Frankensteins aus Leichenteilen
zusammengesetztes Monster wie eine holde Lichtgestalt an.
Dr. Lanz-Liebenfels war
vor mehr als einem Jahrhundert davon überzeugt, Abbildungen solcher
Mischwesen gefunden zu haben (11): »Auf dem sogenannten schwarzen
Obelisken des Assyrerkönigs Salamasar II. sind merkwürdige
Darstellungen zweibeiniger menschenartiger Wesen zu sehen.«
Nun könnte man annehmen,
dass da unbekannte Künstler vor rund drei Jahrtausenden irgendein
Horrormärchen mit Fantasiegestalten illustriert haben. Dem ist aber
nicht so. Die Gravuren gehören nicht zu einer Fantasy-Story, sondern
– das wird im dazugehörigen Keilschrifttext genau aufgelistet –
zu einem sachlichen Bericht (12): »Die Beischrift, eine nüchterne
geschichtliche Tributliste, besagt, dass der König aus dem Lande
Mursi (aramäische Landschaft) prati baziati und udumi als Tribut
erhalten habe.«
Mischwesen an der Leine ... schwarzer Obelisk gibt Rätsel auf. Fotos Archiv W-J.Langbein |
Da wurden also vor drei
Jahrtausenden mysteriöse Mischwesen verewigt, in Wort und Bild, die
es in der Natur nicht gegeben haben darf. Sind es »geänderte
Geschöpfe«, so wie der Behemoth, den der biblische Gott als Erstes
geschaffen hat, und zwar noch vor dem Menschen? Sind es gentechnisch
fabrizierte Mischwesen aus Gottes Labor? Dr. Lanz-Liebenfels (13):
»Werfen wir einen Blick auf die baziati. Die Wesen haben etwas
affenartiges an sich, aber trotzdem dürfen sie nicht als Affe ohne
weiteres angesprochen werden. Ihr Gesamttypus, - sackförmiger Leib,
kurze Extremitäten - ist geradezu reptilienhaft.«
Dr. Lanz-Liebenfels ließ
vor über hundert Jahren keinen Zweifel aufkommen (14): »…
Ausgeschlossen ist es, dass die .. dargestellten Zoa (Lebewesen) aus
Mangel an künstlerischer Technik unverlässlich seien. Die
abgebildeten Tier- und Menschengestalten sind von überraschender
Naturwahrheit. Übrigens zeigen die Assyrer um diese Zeit in der
Plastik eine Realistik der Tierdarstellungen, die selbst heute noch
ihresgleichen sucht. Bekanntlich nannte man die Assyrer in neuester
Zeit scherzweise die ›Holländer‹ des Altertums. Die Wesen haben
wirklich ausgesehen, wie sie dargestellt sind.«
Mischwesen auf altem Mosaik. Foto Walter-Jörg Langbein |
Nicht anders urteilt
Erich von Däniken, der die mysteriösen Mischwesen erstmals einer
breiten Öffentlichkeit vorstellte (15): »Auch die kleinwüchsigen
Menschentiere auf dem assyrischen Obelisken werden von Wärtern an
der kurzen Leine gehalten. Es sind Tiere mit menschlichen Köpfen;
eines der Mischwesen steckt den Daumen in den Mund – die Monstren
lebten!«
Weltweit wimmelt es von
Legenden, Mythen und heiligen Überlieferungen, in denen Götter
agieren. Weltweit gibt es Texte über Götter, die Lebewesen
erschaffen. Waren es Götter, die weltweit mit genetchnischen Mitteln
abstruseste Lebensformen erzeugt haben? Darstellungen dieser
Kreaturen gibt es weltweit. Eine kleine Auswahl gefällig?
Assurbanipals Soldaten erbeuteten einige dieser merkwürdigen Wesen.
Künstler hielten fest, wie die Geschöpfe abtransportiert werden.
Deutlich zu erkennen: Sie waren Tier-Mensch-Mischungen. Mischwesen
wurden als Grabkunst vor 5 000 Jahren im Reiche Ur verewigt, darunter
eine »Kombination« aus Mensch und Skorpion. Seltsam! Solche
Skorpionwesen meißelten unbekannte Künstler auch vor nicht ganz 1
000 Jahren in den Fries am »Paradiestor« (Dom zu Paderborn).
Skorpionmensch links: Foto Archiv Langbein/ Mischwesen rechts, Paderborn, Foto W-J.Langbein |
Tier-Mensch- oder
Tier-Tier-Mischwesen begegneten mir auf meinen Reisen weltweit: auf
der Osterinsel ebenso wie in einem Felsentempel in Mahabalipuram,
Indien. Und immer schufen die Künstler, die die Mischwesen
dargestellt haben, zusätzliche Bildnisse von Mensch und Tier in
geradezu fotorealistischer Manier. Sie konnten also die Realität
sehr naturgetreu abbilden, die Darstellungen der Mischwesen sind kein
Resultat mangelhafter Fähigkeiten der Künstler. Mischwesen aber
können nicht von der Natur hervorgebracht worden sein…. Wurden sie
von »göttlichen« Gentechnikern entwickelt? Heutige Gentechniker
können schon die monströsesten Mischwesen ins Leben rufen. Ich bin
davon überzeugt, dass in geheimen Labors schon längst solche
Mischwesen produziert werden, wie vor Jahrtausenden. Warum? Weil
Experimente schon um ihrer selbst willen ausgeführt werden, oder
einfach nur um auszutesten, was möglich ist!
Es ist nur eine Frage der Zeit, dass Tier-Mensch-Mischwesen realisiert werden. Kreaturen, wie sie im Film »Splice - Das Genexperiment« realisiert werden, verstoßen gegen jede menschliche Ethik. Ethische Bedenken werden aber schon immer vernachlässigt, wenn es um Profit ging. Mir schaudert, wenn ich an die Gentechnik von morgen und übermorgen denke.
Was unsere Vergangenheit angeht: Werden wir je die Sprache der alten sakralen Kunstwerke verstehen? Werden wir je ihre Symbolik begreifen? Werden wir je die uralten steinernen Zeugnisse wie ein Buch lesen können? Sind wir in der Lage, uralte Symbolik zu entschlüsseln? Wir müssen es immer wieder versuchen. Nur dann werden wir das Wissen aus uralten Zeiten verstehen!
Es ist nur eine Frage der Zeit, dass Tier-Mensch-Mischwesen realisiert werden. Kreaturen, wie sie im Film »Splice - Das Genexperiment« realisiert werden, verstoßen gegen jede menschliche Ethik. Ethische Bedenken werden aber schon immer vernachlässigt, wenn es um Profit ging. Mir schaudert, wenn ich an die Gentechnik von morgen und übermorgen denke.
Was unsere Vergangenheit angeht: Werden wir je die Sprache der alten sakralen Kunstwerke verstehen? Werden wir je ihre Symbolik begreifen? Werden wir je die uralten steinernen Zeugnisse wie ein Buch lesen können? Sind wir in der Lage, uralte Symbolik zu entschlüsseln? Wir müssen es immer wieder versuchen. Nur dann werden wir das Wissen aus uralten Zeiten verstehen!
Mischwesen von Mahablipuram. Foto W-J.Langbein |
Anmerkung:
Zitate aus älteren Quellen wurden
möglichst buchstabengetreu übernommen. Die Schreibweise wurde nicht
den heute gültigen Regeln der Rechtschreibreform angepasst.
Literaturempfehlung:
Däniken, Erich von: »Die Augen der
Sphinx«, München 1989
Langbein, Walter-Jörg: »Das
Sphinx-Syndrom/ Die Rückkehr der Astronautengötter«, München 1995
Fußnoten
1) Hiob, Kapitel 40, Verse 15 und 19
2) ebenda, Verse 16-18
3) »Die Schrift/ Verdeutscht von
Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig«, Band 4, Heidelberg, 4.
Verbesserte Auflage der neubearbeiteten Ausgabe von 1962, S. 336
4) »Die vierundzwanzig Bücher der
Heiligen Schrift/ Übersetzt von Leopold Zunz«, Basel 1980, S. 616
5) »The Interlinear Hebrew-English Old
Testament«, Grand Rapids, USA, 1987, S. 344
6) »Die gantze Heilige Schrifft
Deudsch«, Wittenberg 1545, zitiert in der Schreibweise Luthers
7) Hiob, Kapitel 40, Vers 19, zitiert
aus: »Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift nach der deutschen
Übersetzung D. Martin Luthers«, Stuttgart 1915
8) »Septuaginta Deutsch/ Das
griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung«, Stuttgart, 2.
Verbesserte Auflage 2010
9) Hiob, Kapitel 40, Vers 19, zitiert
aus: »Die Heilige Schrift/ Aus dem Grundtext übersetzt/ Elberfelder
Bibel revidierte Fassung«, Wuppertal und Zürich, 4. Sonderausgabe
1995
10) Lanz-Liebenfels, Dr. J.:
»Bibeldokumente Band II: Theozoologie«, Wien, Leipzig, Budapest
1906, Seite 5 und 9
11) ebenda, S. 26
12) ebenda
13) Lanz-Liebenfels, Dr. J.:
»Bibeldokumente/ Band III/ Der Affenmensch der Bibel«, »Neue
Metaphysische Rundschau«, Berlin 1907, Seite 12
14) Lanz-Liebenfels, Dr. J.:
»Bibeldokumente/ Band III/ Der Affenmensch der Bibel«, »Neue
Metaphysische Rundschau«, Berlin 1907, Seite 2
15) Däniken, Erich von: »Die Augen
der Sphinx«, München 1989. S. 81
232»Von Luxor zur Osterinsel«,
Teil 232 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 29.06.2014
!
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