„Monstermauern, Mumien und Mysterien“
von Walter-Jörg Langbein
Foto 1: Die sieben legendären Kundschafter. |
In alten Legenden, die man sich auf der Osterinsel und Ponape erzählt, gab es einst mysteriöse Monster. Wie diese amphibischen Gottheiten, die sich in der Südsee häuslich niedergelassen haben sollen, genau ausgesehen haben, darüber findet sich kaum ein Hinweis in den Mythen, die bis in unsere Tage erhalten geblieben sind. Nan Somohol gehörte zu ihnen. Er tummelte sich als aalartiges Wesen in den Gefilden von Nan Madol, war das Ebenbild eines »himmlischen Gottes«.
Die mythologischen Überlieferungen machen deutlich, warum Nan Madol dort entstand, wo es gebaut wurde. Just dort siedelten sich Götter, die aus dem Himmel kamen, an. Sie hatten in Nan Madol einen Stützpunkt. Ein rituelles Zentrum der Götterverehrung lag auf der Insel Darong. Im Zentrum befindet sich ein "heiliger Teich". Es handelt sich dabei um einen künstlich angelegten, mit einer steinernen Einfassung versehenen See. Elf sorgsam angelegte unterirdische Kanäle stellen eine direkte Verbindung zum Meer her.
Foto 2: Ruinen von Nan Madol. |
Einer dieser Tunnels ist immerhin zwei Kilometer lang. Er führt, teilweise unter dem Meeresboden verlaufend, bis jenseits des Riffs und endet unter Wasser! So war dafür Sorge getragen, dass der kleine See (Ausmaße 70 mal 56 m) niemals austrocknete. Freilich dienten die unterirdischen Kanäle nicht nur der simplen Wasserzufuhr. Vielmehr ermöglichten sie es einer der Wassergottheiten vom Meer aus direkt ins Zentrum des Eilands zu schwimmen.
Auch die zahllosen Kanäle zwischen den monströsen Steinbauten waren keineswegs nur simple Wasserwege. In ihnen bewegten sich auch die himmlischen Göttern, die sich im Wasser am wohlsten fühlten. Deshalb mussten die Kanäle auch immer Wasser führen, auch bei Ebbe. Um das zu gewährleisten hatte man ein kompliziertes System von Schleusen in die Wasserstraßen eingebaut. Auf diese Weise war es möglich, den Wasserstand in den Kanälen beliebig zu regulieren. So wurde mit Bedacht verhindert, dass sie bei Ebbe oder in Trockenzeiten kein Wasser führten.
Noch heute erzählt man vor Ort eine uralte Legende. Einst habe im Bereich der künstlichen Inseln eine Furcht einflößende Drachenfrau gelebt. Jenes Wesen hat angeblich mit tosendem Schnauben die zahllosen Kanäle zwischen den vielen Eilanden entstehen lassen. Selbst Archäologen sind davon überzeugt, dass die Geschichte einen wahren Kern hat. Der Mutterdrache soll in Wirklichkeit ein Krokodil gewesen sein.
Zurück zum Mythos: Der Sohn der Drachenfrau hat dann, zusammen mit einem Gehilfen und einem geheimen Zauberspruch, die Steinsäulen durch die Luft herbeifliegen lassen.
Unterirdische Tunnels, die Wasser in künstlich angelegte Seen auf ebenso künstlich erbauten Inseln fließen ließen waren vom Komplex Nan Madol einfach nicht mehr wegzudenken. Viele von ihnen sind inzwischen eingestürzt. So mancher ist nur einfach vergessen worden, so mancher Eingang auch nur überwuchert. Andere Kanäle sind nach wie vor bekannt, zumindest wo ihre Ein- und Ausgänge auf den Inseln zu finden sind.
Foto 3: Monstermauern von Nan Madol. |
Immer wieder heißt es, dass aus diesen sakralen Kanalisationen verehrungswürdige Gottwesen auftauchten und Kontakt mit den Menschen aufnahmen. So war dies zum Beispiel auch auf der Insel Dau. Die himmlischen Götter aber, so heißt es immer wieder in den uralten Überlieferungen, die auch heute noch erzählt werden, kamen in fliegenden Boten zur Erde. Ein Beispiel:
»Die alte Überlieferung berichtet, dass da dereinst ein Kanu war, das vom Himmel her absegelte. Es kam nicht vom offenen Meer her, sondern vom hohen Himmel herab. An Bord waren drei Männer. Das fliegende Schiff kam nach Nan Madol. Es schwebte über die Insel dahin. Schließlich gelangte es in den Westen. Die Männer nahmen einen der Hohen Häuptlinge des westlichen Nan Madol an Bord. Sie flogen mit ihm weg. Niemand wusste, was sie besprachen. Aber als sie wieder zurückkamen, da wurde der Hohe Häuptling zum ersten König ernannt.«
So wenig wir sonst noch über das Aussehen dieser Wesen wissen, so sind folgende Fakten nicht zu bestreiten: Die steinzeitliche Anlage des Venedigs der Südsee entstand an der Stelle, die nicht von den Menschen, sondern von den Göttern auserwählt worden war. Die Götter, intelligente Meereslebewesen, kamen eindeutig vom Himmel herab auf die Erde und begegneten den Menschen als amphibische Kreaturen.
Es drängen sich Fragen auf! War der Komplex von Nan Madol immer schon eine Ansammlung von rund 100 künstlich geschaffenen Inseln? Oder waren die einzelnen Insel einst gar keine Inseln? Stieg der Meeresspiegel, so dass aus Straßen »Kanäle« wurden? Entstand das »Venedig der Südsee« erst als eine »Sintflut« den mythologischen Kontinent Mu versinken ließ?
Foto 4: Einst soll die Osterinsel sehr viel größer gewesen sein. |
Wirklich südseehaft ist die Osterinsel nicht. Sie entspricht ganz und gar nicht den gängigen Klischees. Sie verfügt – mit einer Ausnahme – über keinerlei Sandstrand. Ihre Küste ist über weite Strecken felsig und schroff. Auch sind Palmen auf dem Inselchen Mangelware. 3550 Kilometer Salzwasserwüste trennen es von der Küste Chiles, 4200 von Tahiti. Zu einem Weltwunder der archäologischen Art machen das Eiland gigantische Steinstatuen, wahrhaft riesenhafte Figuren, vereinzelt mehr als zwanzig Meter hoch. Der frühe Weltreisende und Forscherautor Ernst von Hesse-Wartegg war von den großen Kulturen unseres Globus fasziniert. Die Monumente, die unsere Vorfahren weltweit bereits vor Jahrtausenden errichteten, verblüfften den Weltenbummler. Nichts aber verblüffte ihn so, wie die Kolosse auf der Osterinsel. Von Hesse-Wartegg schrieb kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in seinem zweibändigen Werk »Die Wunder der Welt« Band 1, Stuttgart, Berlin, Leipzig o.J. S. 473 und 474, dass die schweigenden Riesen von „unbekannten Schöpfern“ gemeißelt wurden und »wahrscheinlich zu den ältesten Skulpturen der Menschheit« gezählt werden müssten.
Foto 5: Teile der Osterinsel ... im Meer versunken? |
Nach den ältesten Mythen der Osterinsel gab es einst in grauer Vorzeit weit im Westen Südamerikas ein paradiesisches Eiland, »Maori Nui Nui«, zu Deutsch »Groß Maori«. König Taenen Arei regierte das Reich. Groß waren seine Sorgen. Stand doch die Existenz seines gesamten Volkes auf dem Spiel! »Maori Nui Nui« würde in den Fluten des Pazifiks versinken. Hatte sein Volk überhaupt eine Chance zu überleben?
Schließlich übernahm Taenen Areis Sohn, Hotu Matua, die Regierungsgewalt. Er wwar der erste König. Voller Tatendrang rüstete er Expeditionen aus. Seine tüchtigsten Seefahrer sollten eine neue Heimat für das vom Untergang bedrohte Volk finden. Doch die Kundschafter kamen immer wieder zurück, ohne in den Weiten des Meeres neues Land gefunden zu haben.
Im letzten Augenblick gab es himmlische Hilfe. Gott Make Make stieg vom Himmel herab, ergriff den Priester Hau Maka und verschleppte ihn durch die Lüfte zu einem fernen, unbekannten Eiland. Make Make erklärte dem verblüfften Priester genau, wie man von seiner alten Heimat, dem vom Untergang bedrohten Atlantis der Südsee, zur neuen Insel gelangen konnte. Make Make warnte eindringlich vor gefährlichen Felsenriffen und wies auf Vulkane hin. Er zeigte dem Geistlichen eine Kuriosität: »weiches Gestein«. Es dürfte sich um noch nicht ganz erstarrte Lava gehandelt haben.
Foto 6: Oder stieg der Meeresspiegel? |
Schließlich wurde Hau Maka in die alte Heimat zurück gebracht. Sofort berichtete er seinem König von seinem Traum. Ein Traum musste der Flug mit dem Gott Make Make ja gewesen sein. Der König wählte sieben Seefahrer aus, die sofort zu einer Erkundungsfahrt aufbrachen. Tatsächlich fanden sie die neue Insel. Nach dreißig Tagen strapaziöser Fahrt übers Meer. Nach weiteren vierzig Tagen waren die sieben Kundschafter wieder zu Hause. Der König befahl den Exodus. Die gesamte Bevölkerung von »Maori Nui Nui« siedelte um: vom Atlantis der Südsee auf die Osterinsel. Die neue Heimat wurde planmäßig erkundet und in Besitz genommen. Zu Ehren der sieben Kundschafter wurden sieben Statuen aufgestellt, die aufs Meer hinaus blicken. (Siehe Foto 1!)
Nach der mythischen Tradition der Südsee gab es einst ein großes Königreich in der Südsee. Uwoke, ein mächtiger Gott des Erdbebens berührte mit einem »Stab« das Land. Große Teile davon versanken. Übrig blieb, so wissen es die alten Überlieferungen, die Osterinsel. Weiter heißt es in Heyerdahls Aufzeichnungen, zitiert bei Krendeljow und Kondratow (2):
»Es erhoben sich Wellen, und das Land ward klein. Der Stab Uwokes zerbrach am Berg Puku-puhipuhi. Von nun an wurde es Te-Pito-o-te-Henua, der Nabel der Erde genannt.« In einer anderen Überlieferung, ebenfalls in den Aufzeichnungen Thor Heyerdahls vor dem Vergessen bewahrt, heißt es: »Kuukuu sagte zu ihm:
›Früher war diese Erde groß.‹ Der Freund Tea Waka sagte: ›Diese Gegend nennt sich Ko-te-To-monga-o-Tea-Waka.‹ Ariki Hotu Matua fragte: ›Warum versank das Land?‹ ›Uwoke machte das; er versenkte das Land‹ antwortete Tea Waka. ›Von nun an wurde das Land Te-Pito-o-te-Henua genannt.« Te-Pito-o-te-Henua bedeutet »Nabel der Welt«.
Der Mythologie nach war die Osterinsel einst sehr viel größer als heute. Verantwortlich sei, so wird überliefert, Uwoke, eine Gottheit aus uralten Zeiten. Eine gewisse Erleichterung macht sich breit. Zumindest an dieser Katastrophe sind wir Dieselfahrer gänzlich unbeteiligt!
Fußnoten
1) von Hesse-Wartegg, Ernst von: »Die Wunder der Welt« Band 1, Stuttgart, Berlin, Leipzig o.J. S. 473 znd 474
2) Krendeljow/ Kondratow: »Die Geheimnisse der Osterinsel«, 2. Auflage, Moskau
und Leipzig 1990, S. 109
Zu den Fotos
Foto 1: Die sieben legendären Kundschafter. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Ruinen von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Monstermauern von Nan Madol. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Einst soll die Osterinsel sehr viel größer gewesen sein. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Teile der Osterinsel ... im Meer versunken? Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Oder stieg der Meeresspiegel? Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Direkt vor der Küste der Osterinsel warten die ältesten Rätsel auf Entdeckung. Foto Walter-Jörg Langbein
428 »Besuch bei einem monströsen Wesen aus Stein«,
Teil 428 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 01.04.2018
Besuchen Sie auch unser Nachrichtenblog!