Teil 60 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Hunderte von Pyramiden gab es einst im Verwaltungsbezirk Lambayeque bei Túcume. Zigtausende Arbeiter haben sie vor mindestens eintausend Jahren aus ungebrannten, an der Sonne getrockneten Lehmziegeln errichtet. Anders als die Pyramiden von Ägypten und Mexiko hat ihnen die Witterung schon sehr stark zugesetzt. Tiefe Furchen hat der Zahn der Zeit in sie hinein gebissen.
Anscheinend waren die gleichen Baumeister wie in Sipán am Werk. Die Pyramiden von Túcume gleichen jenen in der Region von Sipán nicht nur, sie sind zum Verwechseln ähnlich. Die Baumeister waren offenbar Nachkommen der Mochica, die schon Jahrhunderte zuvor »wak'a« bauten: heilige Berge, auch Tempelberge genannt. Womöglich dienten sie als Plattformen für Tempel... oder astronomische Observatorien. Den Spaniern jedenfalls waren sie verhasst. Offenbar wussten die christlichen Eroberer, dass die künstlichen Berge den »Heiden« heilig waren.
Heutige Besucher sollten bedenken: Die Pyramiden sind aus brüchigem Material gebaut. Man sollte die uralten Denkmäler respektieren und die vorgesehenen Wege nicht verlassen, um Beschädigung zu vermeiden. Es ist in der Wüstenregion dort oft extrem heiß. Besucher sollten unbedingt ausreichend Getränke mit sich führen, sich intensiv eincremen und eine Kopfbedeckung tragen.
Um ihre Macht zu demonstrieren boten die marodierenden Spanier den Pyramidenbauern von Túcume milde die Chance, den eigenen Göttern abzuschwören und sich taufen zu lassen. Vermutlich wirkten die Missionare nicht besonders überzeugend auf die Einheimischen. Predigten sie doch einen Gott der Liebe... und das in Begleitung ihrer spanischen Landesleute, die in oft unvorstellbar grausamer Weise folterten und mordeten.
Bei Túcume errichteten sie auf einer der Pyramiden Scheiterhaufen. »Störrige Heiden«, die nicht zum Christentum konvertierten, wurden grausam misshandelt und schloeßlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Wer »störrisch« bleibe und kein Christ werde... der habe kein besseres Ende verdient, verkündeten die geistlichen Herren. Noch heute wird die mysteriöse Ansammlung von Pyramiden von den Einheimischen »Purgutario« genannt, zu Deutsch »Fegefeuer«.
Pedro Cieza de León beschrieb als vermutlich erster Europäer die riesige Ansammlung von Pyramiden anno 1553. Seither lockten die vom Zahn der Zeit arg in Mitleidenschaft gezogenen Bauwerken unzählige Grabräuber an. Niemand weiß, was sie entdeckten und verschwinden ließen. Unter einer der typischen Túcume-Pyramiden wurde – von Grabräubern übersehen – der Leichnam eines Häuptlings gefunden, der so gar nicht nach Peru zu gehören schien.
War er doch gekleidet wie ein vornehmer.... »Fürst« der Osterinsulaner! Ganz so wie die »adeligen« Langohren vom einsamsten Inselchen der Welt hatte der vornehme Tote von Túcume künstlich verlängerte Ohrläppchen. Eine Darstellung aus dem 18. Jahrhundert zeigt so einen Menschen mit für uns ungewöhnliche Ohrkunst. Vermutlich schon Babys wurden traktiert, um ihre Ohrläppchen in die Länge zu ziehen. Was zunächst ein schmerzerzeugendes Instrument war – Gewohnheit ist alles – zum Schmuck.
Bei den Osterinsulanern wurden also Gewichte angebracht, Ohrpflöcke, steckten in ihren Ohren. Eben diese Besonderheit soll auch der Tote von Túcume aufgewiesen haben. Auch seine Kleidung soll sehr osterinsulanisch gewesen sein! Das gilt auch für ein Paddel, das man dem Toten von Túcume offenbar als Grabbeigabe mitgegeben hatte. Ein Paddel in einem Wüstengrab mutet seltsam an... es sei denn der Tote war ein Osterinsulaner!
Nach Überzeugung der Osterinsulaner stammten ihre Vorfahren aus dem Westen des Eilands, also aus dem polynesischen Raum: ihre einstige Heimat sei – wie ein Atlantis der Südsee – in grauer Vorzeit in den Fluten versunken! In Polynesien galt es als besonders vornehm, sich die Ohren mit Gewichten in die Länge zu ziehen. Diese eigenartig anmutende Sitte übernahmen die Osterinsulaner. Womöglich gab es immer wieder Auswanderungswellen von West nach Ost: Vom Atlantis der Südsee zur Osterinsel, von der Osterinsel nach Südamerika, nach Peru... und womöglich nach Guatemala!
Vor nunmehr 60 Jahren, anno 1951, wurde auf dem Gebiet der »Los Encuentros«-Plantage, San Felipe, Department Retalhuleu, ein wirklich mysteriöses Monument gefunden.
Dr. Oscar Rafael Padilla Lara aus Guatemala, der zeitweise in Florida lebte, machte mich auf die fremdartige Figur aufmerksam. Nach allgemein akzeptiertem Kenntnisstand ist sie einzigartig in Südamerika. Nach hat sie beachtliche Ausmaße. An der Basis soll sie einen Durchmesser von vier Metern haben. Die Höhe beträgt angeblich acht Meter.
Unbekannt ist, wann welcher Bildhauer dieses Kunstwerk geschaffen hat. Einem südamerikanischen Stil kann man sie nicht zuordnen. Dem Foto – das schon älteren Datums sein muss – nach zu urteilen weist die Figur typische Merkmale auf: die Nase im steinernen Gesicht und die hochmütig-arrogant zugespitzten Lippen erinnern deutlich an die legendären Statuen der Osterinsel!
Auch die Kolosse des Südseeeilandes haben diesen blasierten Gesichtsausdruck um Augen, Mund und Nase: und zwar jede einzelne dieser Statuen, die so aussehen, als seien sie nach einer Vorlage wie am Fließband gefertigt worden.
Seit vielen Jahren recherchiere ich: Wann genau entstand das Foto? Das Automobil sowie die Person daneben lassen vermuten, dass es schon vor einigen Jahrzehnten entstand. Ist die Statue einzigartig in Guatemala? Oder gibt es, verborgen im Urwald, weitere ähnliche Kolosse? Wiederholt plante ich eine Reise zum Koloss von Guatemala, musste das Vorhaben aber immer wieder aufgeben. So hieß es, dass genau dort rivalisierende Banden einander bekämpfen würden. Ein Fremder würde leicht und schnell als vermeintlicher Spion der jeweils anderen Gruppe ins Jenseits befördert und ohne Umstände irgendwo im Urwald verscharrt.
Angeblich haben inzwischen schwer bewaffnete Bandenmitglieder die Statue als Zielobjekt für ihre Schießübungen missbraucht und dadurch stark beschädigt. Angeblich, so teilte mir Dr. Oscar Rafael Padilla Lara bereits 1995 per Brief mit, sei die steinerne Figur »stark beschädigt«. Damals bereitete ich mein Buch »Bevor die Sintflut kam« vor.
Ob sie heute noch existiert? Oder wurde sie gänzlich zerstört, um so ein mögliches Ziel potentieller neugieriger Besucher zu beseitigen: von politischen Rebellen oder von gewaltbereiten Rebellen?
Dann wieder – so hieß es bei meinen Vorabrecherchen – war von Verbrecherbanden die Rede, die die Gegend dort unsicher machten und für Eindringlinge keinerlei Sympathien hegen sollen. So verzichtete ich bis heute auf einen Besuch vor Ort.
»Das unmögliche Tal«,
Teil 61 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 20.03.2011
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»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Hunderte von Pyramiden gab es einst im Verwaltungsbezirk Lambayeque bei Túcume. Zigtausende Arbeiter haben sie vor mindestens eintausend Jahren aus ungebrannten, an der Sonne getrockneten Lehmziegeln errichtet. Anders als die Pyramiden von Ägypten und Mexiko hat ihnen die Witterung schon sehr stark zugesetzt. Tiefe Furchen hat der Zahn der Zeit in sie hinein gebissen.
Anscheinend waren die gleichen Baumeister wie in Sipán am Werk. Die Pyramiden von Túcume gleichen jenen in der Region von Sipán nicht nur, sie sind zum Verwechseln ähnlich. Die Baumeister waren offenbar Nachkommen der Mochica, die schon Jahrhunderte zuvor »wak'a« bauten: heilige Berge, auch Tempelberge genannt. Womöglich dienten sie als Plattformen für Tempel... oder astronomische Observatorien. Den Spaniern jedenfalls waren sie verhasst. Offenbar wussten die christlichen Eroberer, dass die künstlichen Berge den »Heiden« heilig waren.
Modell von Túcume (Foto W-J.Langbein) |
Um ihre Macht zu demonstrieren boten die marodierenden Spanier den Pyramidenbauern von Túcume milde die Chance, den eigenen Göttern abzuschwören und sich taufen zu lassen. Vermutlich wirkten die Missionare nicht besonders überzeugend auf die Einheimischen. Predigten sie doch einen Gott der Liebe... und das in Begleitung ihrer spanischen Landesleute, die in oft unvorstellbar grausamer Weise folterten und mordeten.
Unter einer Pyramide wie dieser ... (Foto Walter-Jörg Langbein) |
Pedro Cieza de León beschrieb als vermutlich erster Europäer die riesige Ansammlung von Pyramiden anno 1553. Seither lockten die vom Zahn der Zeit arg in Mitleidenschaft gezogenen Bauwerken unzählige Grabräuber an. Niemand weiß, was sie entdeckten und verschwinden ließen. Unter einer der typischen Túcume-Pyramiden wurde – von Grabräubern übersehen – der Leichnam eines Häuptlings gefunden, der so gar nicht nach Peru zu gehören schien.
Langohr-Osterinsulaner |
Bei den Osterinsulanern wurden also Gewichte angebracht, Ohrpflöcke, steckten in ihren Ohren. Eben diese Besonderheit soll auch der Tote von Túcume aufgewiesen haben. Auch seine Kleidung soll sehr osterinsulanisch gewesen sein! Das gilt auch für ein Paddel, das man dem Toten von Túcume offenbar als Grabbeigabe mitgegeben hatte. Ein Paddel in einem Wüstengrab mutet seltsam an... es sei denn der Tote war ein Osterinsulaner!
Nach Überzeugung der Osterinsulaner stammten ihre Vorfahren aus dem Westen des Eilands, also aus dem polynesischen Raum: ihre einstige Heimat sei – wie ein Atlantis der Südsee – in grauer Vorzeit in den Fluten versunken! In Polynesien galt es als besonders vornehm, sich die Ohren mit Gewichten in die Länge zu ziehen. Diese eigenartig anmutende Sitte übernahmen die Osterinsulaner. Womöglich gab es immer wieder Auswanderungswellen von West nach Ost: Vom Atlantis der Südsee zur Osterinsel, von der Osterinsel nach Südamerika, nach Peru... und womöglich nach Guatemala!
Guatemala-Statue (Foto-Archiv Langbein) |
Dr. Oscar Rafael Padilla Lara aus Guatemala, der zeitweise in Florida lebte, machte mich auf die fremdartige Figur aufmerksam. Nach allgemein akzeptiertem Kenntnisstand ist sie einzigartig in Südamerika. Nach hat sie beachtliche Ausmaße. An der Basis soll sie einen Durchmesser von vier Metern haben. Die Höhe beträgt angeblich acht Meter.
Unbekannt ist, wann welcher Bildhauer dieses Kunstwerk geschaffen hat. Einem südamerikanischen Stil kann man sie nicht zuordnen. Dem Foto – das schon älteren Datums sein muss – nach zu urteilen weist die Figur typische Merkmale auf: die Nase im steinernen Gesicht und die hochmütig-arrogant zugespitzten Lippen erinnern deutlich an die legendären Statuen der Osterinsel!
Auch die Kolosse des Südseeeilandes haben diesen blasierten Gesichtsausdruck um Augen, Mund und Nase: und zwar jede einzelne dieser Statuen, die so aussehen, als seien sie nach einer Vorlage wie am Fließband gefertigt worden.
Osterinselkoloss (Foto W.-J.Langbein) |
Angeblich haben inzwischen schwer bewaffnete Bandenmitglieder die Statue als Zielobjekt für ihre Schießübungen missbraucht und dadurch stark beschädigt. Angeblich, so teilte mir Dr. Oscar Rafael Padilla Lara bereits 1995 per Brief mit, sei die steinerne Figur »stark beschädigt«. Damals bereitete ich mein Buch »Bevor die Sintflut kam« vor.
Ob sie heute noch existiert? Oder wurde sie gänzlich zerstört, um so ein mögliches Ziel potentieller neugieriger Besucher zu beseitigen: von politischen Rebellen oder von gewaltbereiten Rebellen?
Osterinselriese mit europäischem Zwerg - (Foto: Ingeborg Diekmann) |
»Das unmögliche Tal«,
Teil 61 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 20.03.2011
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