Sonntag, 11. Dezember 2016

360 »Heilige Quellen«

Teil  360 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Fotos 1 und 2: Das berühmte Hasenfenster

»Teuderi« war schon vor rund zwei Jahrtausenden eine volkreiche Stadt, eine von 69 Zentren Germaniens vermeldet der ägyptische Geograf Ptolemäus. Für acht germanische Stämme war Teuderi die wichtige Bundeshauptstadt. Aus Teuderi entwickelte sich im Lauf der Zeit Paderborn (1). Über die germanische Geschichte von Paderborn wissen wir so gut wie nichts. Gert Meier (2): »Nach offizieller Darstellung beginnt die Geschichte Paderborns mit Karl ›dem Großen‹. Hierher soll er während des Krieges gegen den Bund der Sachsen sechsmal Reichstage einberufen haben. Hier soll er bereits im Jahr 785 die erste Kirche in weiter Kirche gebaut und sich mit ›Papst‹ Leo III. getroffen haben.«

Warum aber zog es Karl den Großen in eine Sumpflandschaft? Morastig und sumpfig waren jene Gefilde nämlich in der Tat dank der unzähligen Quellen. Es ging ihn um die Unterwerfung der heidnischen Sachsen. Der christliche Herrscher hatte freilich weniger religiös-theologische Motive. Vielmehr wollte er die »Heiden« zu Untertanen machen. Deshalb galt es, ihnen den alten Glauben zu nehmen und einen neuen, den christlichen aufzuzwingen. Die »Heiden« wiederum waren von den zahlreichen Quellen auf engstem Raum angelockt worden. Sie siedelten nicht trotz der Quellen, die eine Besiedlung erschwerten, sondern wegen der Quellen.

Foto 3: Die Heilige Hera im Louvre
Dort haben sich – so wird vermutet – Anhängerinnen und Anhänger der Hera in morastigen, unwirtlichen Gefilden niedergelassen. Hera war die weibliche Vorläuferin der christlichen Trinität, in Gestalt von Hebe, Hera und Hekate. Die dreifaltige Hera war die Jungfrau des Frühlings, die Gebärende des Sommers und die Zerstörerin des Winters. Durch ein Bad im heiligen Quellwasser wurde aus der destruktiven Alten wieder die jungfräuliche Meid. Der ewige Zyklus konnte von Neuem beginnen. In mannigfaltiger Gestalt lebt Hera im Katholizismus unserer Tage weiter, als die »drei Bethen« oder »drei heiligen Madeln«. Zu Heras göttlichen Attributen gehörte der Pfau. Und der spielt in Paderborn eine herausragende Rolle. Das mysteriöse »Drei-Hasen-Fenster« lässt sich ganz in diesem Sinne interpretieren: So wie die drei Göttinnen bilden die drei Hasen einen Zyklus ohne Anfang und Ende, der sich immer dreht und dreht.

Aus dem heiligen Tier der Göttin Hera wurde – durch Verchristianisierung – ein Symbol für das ewige Leben. Und aus Wassermutter Hera im heidnischen Tempel, den wohl von Karl dem Großen zerstört wurde, wurde dann die jungfräuliche Gottesmutter Maria im christlichen Dom zu Paderborn.

Foto 4: Der Pfauenbrunnen
Zwei eindrucksvolle Exemplare des mysteriösen Tieres hat der Dom zu Paderborn zu bieten: den Pfau am Brunnen beim mysteriösen »Dreihasenfenster« und seinen »Kollegen« am Tor zur Krypta. Wer denkt da an die Römer, die den Pfau als heiligen Vogel der Göttin Juno übernommen haben. Juno galt als Göttin der Geburt und Königin der Göttinnen? Weil sich der Pfau als heiliges Tier offenbar nicht aus den Köpfen der Menschen vertreiben ließ, machte man ihn zu einem christlichen Wundertier. Anno 836 wurden die Gebeine des Heiligen Liborius nach Paderborn geschafft, angeführt von einem Pfau, der schließlich tot auf den Dom stürzte. Die Knochen des Heiligen hatten ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Schon im 8. Jahrhundert gab es in Paderborn ein Gotteshaus, das als »Kirche von eindrucksvoller Großartigkeit« gepriesen  wurde. Möglich, dass es schon damals eine Krypta unter dem Sakralbau gab. Vor Ort versicherte mir ein Geistlicher, dass diese »Unterwelt« schon vor mindestens 1100 Jahren geschaffen wurde.

So manches Mal bin ich im Verlauf der Jahre in die Unterwelt hinab gestiegen. In unterirdischen Gefilden haben die Quellen ihren Ursprung, die schon von den »Heiden« verehrt wurden. Die unterirdischen Quellen wurden verchristianisiert, so manche fromme Legende rankt sich um das heilige Wasser. Heidnische Überlieferungen ließen sich offensichtlich nicht ausrotten, also stülpte man ihnen ein »christliches Gewand« über (3):

Foto 5: Der Pfau an der Krypta

»Es kam einmal in den heißesten Tagen des August ein Bettler nach Paderborn und flehte um Gottes Willen um einen kühlenden Trunk. Aber, sei es Zufall oder Hartherzigkeit, der Arme ward an allen Türen abgewiesen und konnte nirgends einen Trunk erhalten. So ward es Mittag und immer heißer und der Arme hatte sich immer noch nicht laben können. So schleppte er sich endlich bis zum Jesuitenkollegium hin, allein er war viel zu schwach, um die hohen Treppen zu erklimmen und die geistlichen Herren um eine Erquickung anzuflehen.

Fotos 6 und 7: Pfauenbrunnen und 3-Hasen
Da gewahrte er im Hofe das Muttergottesbild, er hob zu ihm seine zitternden Hände und rief mit kläglicher Stimme: ›Maria, du Heilige, schaffe meiner glühenden Zunge Labung oder lass mich hier sterben!‹ Siehe, da kam plötzlich silberhelles, kaltes Wasser aus den Brüsten der Muttergottes hervor, der müde Greis labte sich und ging, die heilige Jungfrau preisend, von dannen. Die Väter Jesuiten aber hatten alles gesehen und beeilten sich, das wunderbare Wasser aufzufangen, auch ließen sie an der Stelle nachgraben, viele hundert Fuß tief, aber der heilige Quell war längst wieder versiegt und einen anderen fanden sie nicht. So ließen sie endlich die Arbeit liegen, der Brunnen ward nach und nach verschüttet, das Steingeländer zerfiel und verwitterte und heute sieht man kaum noch einige Spuren desselben.«

Fromme Legenden ranken sich deutschlandweit um das heilige Wasser aus den Tiefen der Erde. So soll es dort, wo heute der Ammersee Touristen aus aller Herren Länder anlockt, einst ein saftiges Feuchtgebiet gegeben haben. Das einst üppig gedeihende Moos wurde von drei Jungfrauen gehegt und gepflegt. So begeistert diese heilige weibliche Dreifaltigkeit auch tätig war, die Arbeit wurde ihnen doch zu schwer.  So sprachen sie schließlich den Wunsch aus, das morastige Gebiet möge doch zum See werden. Ihr Wunsch ging in Erfüllung und so entstand der Ammersee (4).

Foto 8: Die Krypta

Zurück nach Paderborn! Hunderte heilige Quellen soll es einst im Raum Paderborn gegeben haben. Wie ich dank eigener Recherche vor Ort weiß,  plätschert auf dem einen oder anderen privaten Grundstück in einigen Metern Tiefe noch die eine oder die andere einst heilige Quelle. Nahe dem Dom sprudeln auch heute noch die östlichen Quellen und speisen die Dielenpader und die Rothobornpader. Die Augenquelle ist auch heute noch aktiv: unter dem Gebäude der Stadtbibliothek. Auch die Maspernpader ist bis heute nicht versiegt, dank ihrer emsig Wasser spendenden Quelle. Sie liegt etwas abseits, nämlich unweit des historischen Stadtwalls. Der Name der Quelle – Maspernpader – geht auf die kleine Siedlung »Villa Aspethera« zurück, die bereits anno 1036 urkundlich erwähnt wurde. Anno 1200 wurde sie Teil der rapide wachsenden Stadt Paderborn.


Im Laufe der Jahrzehnte habe ich viele mysteriöse Stätten auf unserem Planeten besucht. Die geheimnisvollsten hatte ich ursprünglich in fernen Gefilden vermutet. Die mystischsten Stätten freilich fand ich vor der sprichwörtlichen Haustür: unter der Erde. Es waren Krypten unter den ältesten Kirchen Deutschlands von Bamberg bis Paderborn und es waren unterirdische Quellen, unter dem einstigen Schloss Karls des Großen in Paderborn.


Foto 9: Blick in die Krypta

1959 erschien Rudolf Pörtners Bestseller »Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit«. Mit dem Fahrstuhl geht es zwar nicht zu Krypten von Kirchen oder zu den einst heiligen Quellen von Paderborn. Zu Fuß benötigt man aber auch nur einige Sekunden, um unsere lärmende und hektische Zeit zu verlassen und in die geheimnisvolle Atmosphäre längst vergangener Tage einzutauchen. Mein Rat: Sausen Sie nicht wie so viele Touristen von einer Attraktion zur anderen. Haken Sie nicht so  viele Kirchen und Kapellen in möglichst kurzer Zeit ab, nehmen Sie sich Zeit!

Foto 10: Drei-Hasen-Fenster-Motiv

Erleben Sie bewusst einzelne uralte Monumente und deren Atmosphäre. Nehmen Sie sich Zeit, schreiten Sie Treppen hinab, lassen Sie den lauten Alltag hinter sich und erleben sie die fast märchenhafte Stille uralter Zeiten. Wenn Sie es zulassen, dann kann es Ihnen so vorkommen, als ob da unten im Schoß von Mutter Erde die Zeit vor Jahrtausenden stehengeblieben. Genießen Sie die Stille.


Fußnoten
1) Meier, Gert: »Die frühgeschichtliche Vernetzung der Paderquellen (=Dom von Paderborn) mit den Externsteinen«, erschienen in »Efodon-Synesis« Nr. 5/ 2006, S. 15-20
2) ebenda, Seite 15 oben
3) Grässe, Johann Th. : »Sagenbuch des Preußischen Staats«, Glogau 1868
4) Panzer, Friedrich: »Bayerische Sagen und Bräuche«, München 1848

Zu den Fotos
Fotos 1 und 2: Das berühmte Hasenfenster. Fotos Walter-Jörg Langbein 
Foto 3: Die Heilige Hera im Louvre, wikimedia commons Aavindraa
Foto 4: Der Pfauenbrunnen. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Der Pfau an der Krypta. Foto Walter-Jörg Langbein
Fotos 6 und 7: Pfauenbrunnen und 3-Hasen. Fotos Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Die Krypta. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 9: Blick in die Krypta. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 10: Drei-Hasen-Fenster-Motiv. Foto Walter-Jörg Langbein

361 »Gargoylen und Monster in der Unterwelt«
Teil  361 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 18.12.2016




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Sonntag, 4. Dezember 2016

359 »Gruselige Fabeltiere in Gotteshäusern«

Teil  359 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Fotos 1 und 2 : Kuriose Kreatur vor den Pyramiden. Fotomontage

Die Kreatur könnte auf einem steinernen Podest im Wüstensand vor den Pyramiden auf dem Gizeh-Plateau stehen. Sie könnte aber ebenso einem SF-Schocker entsprungen sein, als mörderisches Alienmonster.  Das Ding ist aber kein mythisches Mischwesen aus Ägypten wie der rätselhafte Sphinx. Es ist aber auch nicht der Fantasie eines SF-Schriftstellers entsprungen. Es existiert real, nicht in fernen Landen wie Ägypten, sondern in Deutschland, nicht vor unserer Haustür, sondern in einem der meistbesuchten Kulturdenkmäler Europas, im Dom zu Bamberg.

Bamberg, Sonntag, 9. September 2012. Sonderführungen machten interessierte Besucher des Doms mit einer geheimnisvollen Welt vertraut, die sonst nicht öffentlich zugänglich ist. »Die Welt der Heiligen und Fabelwesen – Tag des offenen Denkmals im Bamberger Dom«. Konkreter: Es ging um das Chorgestühl des Westchores im Bamberger Dom. Der »Neue Wiesenbote« (1) wusste zu berichten, dass da –  »kunstvoll von Meistern des Mittelalters ausgestattet« - in Holz geschnitzte Figürchen von Heiligen, aber auch von Fabelwesen gezeigt wurden.

Foto 3: Chorgestühl im Ostchor

Zu den aus Holz geschnitzten Kreaturen gehört das sphinxartige Mischwesen, im Chorgestühl des Bamberger Doms. Zum Ostchor gelangt man über zwei Treppen, rechts und links vom Kaisergrab. Anno 1499 erhielt Tielman Riemenschneider den Auftrag für das Grabmal des Kaiserpaares. Der Meister machte sich sofort ans Werk. Vierzehn Jahre später wurde die kunstvolle Tumba im Dom aufgestellt. Die Deckplatte aus Kalkstein soll von Riemenschneider selbst geschaffen worden sein. Die seitlichen Reliefs aus Jura-Marmor dürften ein Gemeinschaftswerk der Riemenschneiderwerkstatt sein.

Am oberen Ende der Treppen versperrt ein Tau den Weg. Das Chorgestühl im östlichen Georgenchor  entstand um 1300. Die Holzplastiken – zum Beispiel von der mysteriösen »Sphinx« –  können sehr wohl viel älter sein. Mit meinem Teleobjektiv hole ich mir die seltsamen Mischwesen heran.

Foto 4: Einige der kuriosen Kreaturen im Bamberger Dom

Mich stört, offen gesagt, das moderne Gestühl zwischen dem Chorgestühl rechts und links. Die Fabelwesen am Gestühl aus alten Zeiten wirken befremdlich, unpassend. Und gar nicht christlich: die sorgsam geschnitzten Fabelwesen, über denen hoch oben thront in der Apsiswölbung Christus, die Arme weit ausgebreitet (Foto 12, ganz unten!). Das fromme Fresko wurde bis März 1928 von Akademieprofessor Karl Kaspar geschaffen. Es kommt mir so vor, als segne Christus die ganze Welt, zu der eben auch die geheimnisvollen Mischwesen am Chorgestühl gehören. Von oben ragt die Hand Gottes ins Bild, segnend, bestätigend.


Foto 5: Fabelwesen am Gestühl

Fabeltiere in Gotteshäusern sind keine besonders seltene Rarität. Sie kommen sogar häufig vor, werden aber meist übersehen. Achim Hubel, Professor für Denkmalpflege an der Universität von Bamberg, hat von 1984 bis 2009 den Dom zu Regensburg saniert und auf das Gründlichste Zentimeter für Zentimeter untersucht. Tausende Fotos entstanden (2). In den 25 Jahren intensivster Erforschung des Regensburger Doms entdeckte der Wissenschaftler 297 Figuren, die keinen so recht biblischen Hintergrund haben. 221 Fabelwesen wurden einst im steinernen Gotteshaus verewigt. Nicht alles war für die Augen der Gottesdienstbesucher bestimmt. Im Interview mit KAN, der »Katholischen Nachrichtenagentur«, konstatierte der Experte: »Weit oben waren die Bildhauer manchmal sehr frech, ja ungeniert.« Ungeklärt bleibt, warum »Kobolde« und »Drachen« gern dort einen Platz fanden, wo man gewöhnlich nicht hinschaut oder hinschauen kann. Sollte man sie gar nicht so leicht finden? Wurden diese Monster vielleicht sogar ohne Wissen der Bauherrn installiert? Im 11., aber auch noch bis ins 14. Jahrhundert hinein, waren europaweit Künstler unterwegs. Bei der Gestaltung der Kirchen jener Zeit legte man offenbar großen Wert auf archaische Skulpturen.


Foto 6: Kamel mit Menschenkopf

Monster und Fabelwesen zogen in die Gotteshäuser ein. Beispiel: Das »Münster St. Bonifatius« zu Hameln wurde im 13./14. Jahrhundert nach einem Brand umgebaut. Hat man die saurierartigen Wesen hoch oben an den Säulenkapitellen vom Vorgängerbau übernommen? Die furchteinflößenden Wesen, zum Teil im archaischen Zweikampf dargestellt, finden auch heute bei den Besuchern des Gotteshauses kaum Beachtung. Man muss schon den Kopf in den Nacken legen und am besten mit einem Opernglas oder ordentlichen Teleobjektiv die »Köpfchen« der Säulen absuchen, um fündig zu werden. Man könnte die mysteriösen Darstellungen viel besser erkennen, wenn die kleinen Scheinwerfer auch einmal zum Einsatz kämen. Bei meinen diversen Besuchen vor Ort war das nie der Fall. So wirkten die Kreaturen im Halbdunkel noch gespenstischer: zum Beispiel wie kräftige, langhalsige Saurier beim Kampf auf Leben und Tod, die muskulösen Hälse würgend ineinander verschlungen.

Foto 7: Noch ein Mischwesen vom Bamberger Dom

Das eher unscheinbare Kirchlein von Wistedt (Samtgemeinde Tostedt im Landkreis Harburg in Niedersachsen) zum Beispiel versetzt den Besucher immer wieder in Erstaunen. Von außen wirkt es fast ärmlich, die Fresken an der Wand im Inneren aber haben es in sich. Wir erkennen den Heiligen Antonius mit seinen Schweinen und Szenen aus der Leidensgeschichte Jesu. Selbst Bildreste lassen mehr als nur erahnen, wer da gezeigt wird, wie zum Beispiel der Heilige Petrus. Aber was für ein Tier mit mächtigem Schwanz wurde da verewigt? Und was macht der kleine Mensch – vielleicht ein Kind – mit der rätselhaften Kreatur? Wird das unidentifizierbare Monster vielleicht gar gemolken? Wir werden immer wieder zu Spekulationen herausgefordert – von uralten Kunstwerken in alten Kirchen. So hat – zum Beispiel – die Kirche San Frediano ein rätselhaftes Fabelwesen zu bieten, an dem schon der Zahn der Zeit arg genagt hat: Ist es eine Mischung aus Fledermaus und Engel? Oder wurde da einst eine Art Dracula porträtiert? Leider  fehlt heute inzwischen einiges vom sakralen (?) Bild.

Foto 8: Eines der Fabelwesen von Kastelaz

Man muss aber nicht in die Toskana, nach Lucca, pilgern, um Fabelwesen in und an Kirchen zu entdecken? Wer sucht, der wird auch in Deutschland fündig, in alten wie in neueren Kirchen. Man muss auch nicht nach Kappadokien reisen, wo in Felskirchen wie der »St. Barbara Kapelle« (11. Jahrhundert) zahlreiche, auch erschreckende Fabelwesen mit roter Farbe an die Wände gepinselt wurden. Dort starren sie von Kuppel und Wänden. Haben sie ihren Ursprung in vorchristlichen, heidnischen Zeiten? Jahrtausende alte unterirdische Städte just dort lassen erahnen, dass im heutigen Kappadokien schon lange vor Einzug des Christentums eine uralte, weithin unbekannte Kultur blühte.

Fotos 9-12
Antiken Ursprungs sind die gespenstischen Fabelwesen (Fotos 9-12, links!) von St. Jakob in Kastelaz bei Tramin an der Weinstraße, Südtirol (3). Einst gab es dort, so wird überliefert, einen Tempel der Göttin Isis, der von einer christlichen Kirche abgelöst wurde. In Fresken werden zwei Welten einander gegenübergestellt: die der frommen christlichen Apostel und jene der monströsen Mischwesen, die einander brutal bekämpfen. Da treffen Fisch-Menschwesen auf einen Kentaur mit tierischem Leib und menschlichem Oberkörper. Da kommen Pfeil und Bogen zum Einsatz. Wenn die christliche Kirche wie angenommen im 13. Jahrhundert einen heidnischen Tempel ersetzte, wieso hat man dann heidnische Motive im christlichen Gotteshaus verewigt? Sollten heute in Vergessenheit geratene Kulte noch zu christlichen Zeiten praktiziert worden sein? War noch im 13. Jahrhundert der alte heidnische Volksglauben so fest in der religiösen Welt der christlichen Menschen verwurzelt, dass man ihn nicht einfach verbieten konnte? Lockte man die Heiden mit ihnen vertrauten Darstellungen von Fabelwesen in die christlichen Gotteshäuser? Wurde der christliche Glaube mit Bildern aus heidnischen Zeiten illustriert? Warum finden sich so viele gruselige Fabelwesen in Kirchen?



Fußnoten

1) Online-Zeitung für die Fränkische Schweiz, 9. September 2012
2) Hubel, Achim und Manfred Schuller, Manfred (Hrsg.): »Der Dom zu Regensburg – Fotodokumentation. Fotografiert und zusammengestellt von Achim Hubel«, »Die Kunstdenkmäler von Bayern«, Band 7, Teil 4, Regensburg 2012.
3) Düriegl, Ursula: »Die Fabelwesen von St. Jakob in Kastelaz bei Tramin/ Romanische Bilderwelt antiken und vorantiken Ursprungs«, Wien 2003

Foto 13: Christus in der Apsiswölbung im Bamberger Dom

Zu den Fotos 

Fotos 1 und 2: Kuriose Kreatur vor den Pyramiden. Fotomontage Ursula Prem. Beide Fotos Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Chorgestühl im Ostchor. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Einige der kuriosen Kreaturen im Bamberger Dom. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Fabelwesen am Gestühl. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Kamel mit Menschenkopf. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Noch ein Mischwesen vom Bamberger Dom
Foto 8: Eines der Favelwesen von Kastelaz. Foto wikimedia commons public domain 
Fotos 9-12: Gespenstische Fabelwesen von St. Jakob. Fotos wikimedia commons public domain 
Foto 13: Christus in der Apsiswölbung im Bamberger Dom. Foto Walter-Jörg Langbein

360 »Heilige Quellen«,
Teil  360 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 11.12.2016


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