Walter-Jörg Langbein
Der »Wilde Westen« Karl Mays scheint von »richtigen Männern« dominiert zu werden. Winnetou und sein Blutsbruder Old Shatterhand sind mächtige Männer, stark, intelligent und gut. Bedient also Karl May alte Klischeevorstellungen, die nicht mehr in unsere Zeit passen?
In ein antiquiertes Weltbild von heroisch kämpfenden Männern und Frauen, die vor allem nur schön zu sein haben, scheint Nscho-tschi (»Schöner Tag«) zu passen. Karl May beschreibt die junge Schwester Winnetous so (1): Sie »war schön, sogar sehr schön. Europäisch gekleidet, hätte sie gewiss in jedem Salon Bewunderung erregt... Ihr einziger Schmuck bestand aus ihrem langen, herrlichen Haare, welches in zwei starken, bläulich schwarzen Zöpfen ihr weit über die Hüften herabreichte.«
Gewiss, die wunderschöne Nscho-tschi pflegt in rührender Weise den schwer verwundeten Old Shatterhand gesund. Und sie verliebt sich in den heroischen Blutsbruder Winnetous. Aber »Schöner Tag« diskutiert auch mit Old Shatterhand über die Unterschiede zwischen den christlichen Frauen der westlichen Zivilisation und den indianischen Squaws des »Wilden Westens«. Old Shatterhand vertritt die westlich-europäische Position, die besseren Argumente legt Karl May aber Nscho-tschi in den Mund. Sie lässt weder eine Überlegenheit der Frau, noch der Wissenschaftler der »zivilisierten Welt« gelten. Bei Licht betrachtet... erscheinen die ach so kultivierten Menschen der alten Welt als die eigentlichen »Wilden«.
Nscho-tschi ist nicht nur sehr attraktiv und höchst intelligent. Sie ist auch selbstbewusst und bewegt sich als Gleichberechtigte in der Welt der Männer.
Völlig zutreffend schreibt Michael Pezel in seinem Vorwort zu Marie Versinis Autobiographie »Ich war Winnetous Schwester« (2): »Im Kostüm einer indianischen Märchenprinzessin spielte Marie Versini eine junge Frau, die zwar scheu und schüchtern erscheint, aber beharrlich ihr Ziel verfolgt. Sie ist voller Energie, reitet besser als ein Mann... Noch vor der Erfindung des Wortes Emanzipation verschafft sie sich dort Zutritt, wo nur Männer etwas zu sagen haben...«
Karl May schuf keine sozilogische Studie über die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Er kreierte Romane, die Millionen von Menschen träumen lassen. Seine Nscho-tschi berührt seit Generationen die Herzen seiner Leserinnen und Leser. Und Marie Versini ist die perfekte Verkörperung dieser Traumfee, die mit beiden Beinen fest im Leben steht. Nscho-tschi ist die ideale, perfekte Amazone: hochintelligent, selbstbewusst und nicht überheblich, feminin und stark, romantisch und realistisch. Nscho-tschi ist weich und hart zugleich. Jeder Mensch hat etwas von Nscho-tschi in sich, man muss es nur entdecken... und zulassen! Doch in einer immer kälter werdenden Gesellschaft kommen die menschlichen Seiten Nscho-tschis viel zu selten zum Zuge. Unserer Gesellschaft wäre geholfen, würde es mehr Menschen wie die stolze Schwester Winnetous geben. Ihre Selbstlosigkeit würde der Kälte des Egoismus entgegenwirken. Um so sanft wie Nscho-tschi sein zu können, bedarf es auch ihrer Stärke.
Marie Versinis offizielle Homepage ist unbedingt einen Besuch wert:
http://www.marie-versini.de/
Zitate:1) Karl May: »Winnetou I/ Reiseerzählung«, Historisch-Kritische Ausgabe für die Karl-May-Gedächtnisstiftung«, herausgegeben von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger, Abteilung IV, Band 12, Zürich 1990, S. 268
Zitate:1) Karl May: »Winnetou I/ Reiseerzählung«, Historisch-Kritische Ausgabe für die Karl-May-Gedächtnisstiftung«, herausgegeben von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger, Abteilung IV, Band 12, Zürich 1990, S. 268
2) Versini, Marie: »Ich war Winnetous Schwester
/ Bilder und Geschichten einer Karriere«, Karl-May-Verlag, Bamberg und Radebeul, 2003, S.6
Das Bild von Marie Versini in ihrer Glanzrolle als Winnetous Schwester Nscho-tschi wurde uns freundlicherweise von Rechteinhaber Elmar Elbs zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
"Karl May schuf keine sozilogische Studie über die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Er kreierte Romane, die Millionen von Menschen träumen lassen. Seine Nscho-tschi berührt seit Generationen die Herzen seiner Leserinnen und Leser.(...) Nscho-tschi ist weich und hart zugleich. Jeder Mensch hat etwas von Nscho-tschi in sich, man muss es nur entdecken... und zulassen! Doch in einer immer kälter werdenden Gesellschaft kommen die menschlichen Seiten Nscho-tschis viel zu selten zum Zuge. Unserer Gesellschaft wäre geholfen, würde es mehr Menschen wie die stolze Schwester Winnetous geben. Ihre Selbstlosigkeit würde der Kälte des Egoismus entgegenwirken. Um so sanft wie Nscho-tschi sein zu können, bedarf es auch ihrer Stärke."
AntwortenLöschenSo darf auch ein glücklich verheirateter Mann einmal von einer anderen Frau "schwärmen", wenn man es denn so nennen will. Wahre Worte, lieber Walter, die ich unterschreiben möchte.
Peter Hoeft
Lieber Peter!
AntwortenLöschenBitte entschuldige, dass ich mich erst heute für Deine wohltuenden Worte zu meinem Beitrag über Nscho-tschi bedanke. Ich habe schon als Knabe für Nscho-tschi geschwärmt, geweint, als sie starb...