Samstag, 17. April 2010

Helga König- Für eine Gesellschaft, die Empathie nicht als Schwäche begreift.

Immer mehr Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Familienmitglieder, Lehrer und Geistliche machen deutlich, dass unsere Gesellschaft krank ist. Die Empathiefähigkeit lässt in allen Bereichen der zwischenmenschlichen Begegnung zu wünschen übrig. Überbordende Egos holen sich, was sie wollen und scheren sich nicht  am Schmerz, den sie  anderen zufügen in ihrer Gier. Sie machen noch nicht mal vor kleinen Kindern halt.

Meine Mutter war 13 Jahre alt, als im Hause ihrer Eltern sieben Mädchen aus dem nahegelegenen Dorf  von ihrer Mutter gepflegt wurden, weil Soldaten diese Halbwüchsigen vergewaltigt hatten. Die Mädchen bluteten am ganzen Körper.  Sie waren stark traumatisiert. Meine Großmutter  hatte nur selbstgemachte Salbe und Kamille zur Verfügung, mit denen sie deren körperlichen Schmerz zu lindern versuchte. Die Freundinnnen meiner Mutter haben nach Tagen noch ohne Unterlass geweint. Sie begriffen nicht, was man ihnen angetan hatte und weshalb.

Vielmals ist meine Mutter vor Soldaten geflohen, um nicht vergewaltigt zu werden. Im Gegensatz zu ihrer sechszehnjährigen Schwester konnte sie  entkommen. Meine Tante wurde nach mehrfachen Vergewaltigungen nach Sibirien  verschleppt. Ihr ganzes Leben hindurch ist sie  hochgradig depressiv gewesen. Erst jetzt im hohen Alter scheint sich ihre geschundene Seele zu erholen.

Meine ukrainische Freundin Ludmilla  erzählte mir, dass deutsche Soldaten für den Tod der Geschwister ihrer Mutter verantwortlich gewesen sind. Die Mädchen wurden zunächst vergewaltigt und dann mit anderen Dorfbewohnern in eine Kirche getrieben, die man mitleidlos anzündete.

Warum tun Menschen solche Dinge?

Im Krieg haben empathielose Psychopathen die Möglichkeit, ihr abgründiges Verhalten voll ausleben zu können. Wir erinnern uns, was in den 1990er Jahren in Jugoslawien geschah. Nichts hatte sich seit 1945 geändert, hier in Europa, der Wiege des humanistischen Gedankengutes. Auch in Jugoslawien war  damals sexueller Missbrauch an jungen Mädchen an der Tagesordnung.

Ich bin mir sicher, dass Macht- und Dominanzgebaren, die Freude einen anderen Menschen zu demütigen, der eigentliche Grund für sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen ist. Auf ungezügeltes sexuelles Verlangen abzustellen, halte ich für absurd.  Dies ist das schmale Brett,  um Täter zu exkulpieren, deren Motive  ganz andere sind.

Weshalb Frauen nicht massiver einschreiten, wenn Missbrauch in der eigenen Familie vorkommt, hat meines Erachtens viel mit Schamgefühlen zu tun. Die Gesellschaft muss lernen, offensiv mit dem Thema umzugehen, darf nichts unter den Teppich kehren. Geschützt werden müssen Kinder und Jugendliche vor dem monströsen Verhalten Erwachsener, denen es an Mitgefühl mangelt.

Vielleicht entwickeln Psychologen noch bessere Strategien, wie man mitleidlose Menschen im Erwachsenenalter empathiefähig macht, um den furchtbaren Übergriffen auf Kindern ein Ende zu setzen. Gefängnisstrafen zur Abschreckung  alleine führen leider nicht zu Veränderungen.

2 Kommentare:

  1. Liebe Helga,

    was ich auch für sehr wichtig erachte, ist eine bessere Ausbildung für ErzieherInnen und LehrerInnen, einen klareren Blick für das, was Kinder an Signalen aussenden, wenn sie missbraucht werden.
    Dieses 'Handwerkszeug' fehlt leider noch immer in der Ausbildung.

    Lieben Gruß
    Gaby

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  2. Liebe Gaby, ich stimme Ihnen völlig zu. Neben einer besseren Ausbildung ist es allerdings notwendig, dass die Menschen den Schmerz ihrer Gegenüber wahrzunehmen lernen. Ich glaube, das geht nur, wenn man seine Gegenüber genau ansieht, ihnen genau zuhört- ihre Stimmlage erkennt- ihre Gesten beobachtet. Vielleicht ist es genau das, was zu Veränderungen führen kann. Den Schmerz des Anderen sehen, Mitleid empfinden, schützen, helfen.

    Ihnen einen schönen, einen sonnigen Sonntag. Herzlichst Helga

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