Sonntag, 16. Dezember 2012

152 »Von Affen und von Drachen«

Teil 152 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Ein Brüllaffe in Palenque
Komisch, diese Touristen...
Foto: W-J.Langbein
Die letzte Touristengruppe strebt hastigen Schritts dem Ausgang zu. »Und wann besichtigen wir endlich Palenque?« nörgelt jemand mit näselnder Stimme. Genervt antwortet der Guide: »Wir sind hier in Palenque ...« Nach kurzer Pause ist wieder der unzufriedene Reisende zu hören: »Aha. Und morgen fliegen wir dann endlich nach Mexiko?« Der gestresste Guide antwortet: »Nein. Wir sind seit einer Woche in Mexiko. Morgen fliegen wir nach Guatemala!«

Der Nörgler beschwert sich über das Reiseprogramm: »Und warum steht Lima nicht auf dem Programm, wenn wir dann schon mal in Guatemala sind?« Die Antwort des Guide höre ich kaum noch: »Weil Lima in Peru und nicht in Guatemala liegt. Peru gehört zu Südamerika, wir aber ...«

Es wird rasch dunkel in Palenque. Die Dämmerung bricht herein, die Touristen fahren ab. Und plötzlich melden sich die Brüllaffen zu Wort. Es kommt mir so vor, als würden sie miteinander kommunizieren. »Hier sind keine mehr von diesen kranken Nacktaffen!« - »Endlich! Es sind bemitleidenswerte Kreaturen!« - »Ja, schon! Aber hoffentlich ist ihr Fellausfall nicht ansteckend!« Ob wir einige dieser Vertreter der Familie alouatta caraya zu sehen bekommen?

Leise gehen wir in den rasch dichter werdenden Wald unweit des Tempels der Inschriften. Etwas raschelt über uns. Ein Männchen, erkennbar an der schwärzlichen Färbung, schwingt sich von Ast zu Ast. Sein kräftiger Schwanz dient als zusätzliches Greiforgan. Kaum dass der Bursche – etwa einen halben Meter groß – bemerkt, dass wir ihn beobachten, verharrt er in seiner Bewegung. Aus der Ferne machen sich einige seiner Artgenossen bemerkbar. »Unser« Affe beobachtet uns nur, dann klettert er gemächlich seinen Baum empor, bis er im Dunkel der Krone nicht mehr auszumachen ist.

Der Brüllaffe zieht sich zurück
Foto: Ingeborg Diekmann
Brüllaffen halten sich meist in Bäumen auf, wo sie in kleinen Gruppen von meist zehn bis zwanzig Tieren leben. Gelegentlich wagen sie sich bei der Nahrungssuche auf den Boden. Ihre »Kollegen«, die Nasenbären, leben am Rand von Wüsten ebenso wie im Urwald. Auch wenn sie mit sprichwörtlicher affenartiger Geschwindigkeit Bäume erklimmen können, so gehören sie doch zur Gattung der procyonidae, der Kleinbären.

Man trifft sie in Scharen in den Ruinen von Tikal, Honduras, an ... wo sie sich an uns Touristen gewöhnt haben. So possierlich die kleinen Tierchen auch sind ... Vorsicht ist vor ihren scharfen Klauen geboten. Irgendwann haben Nasenbären in Tikal erkannt, dass diese seltsamen Menschen nicht nur steinerne Ruinen bestaunen, sondern auch ein Herz für Nasenbären haben. Wenn wir Menschen unserer Meinung nach genug zwischen Ruinen herumgewandert sind und alle erreichbaren Pyramiden erklommen haben ... dann wird Rast gemacht. Mensch setzt sich dann in den Schatten eines Baumes und verzehrt mitgebrachte Lunchpakete. Örtliche Kleinstunternehmer bieten koffeinhaltige Brause an, die von uns Besuchern aus der Fremde gern erworben und getrunken wird.

Ich rieche Cola ...
Foto: W-J.Langbein
Vor Jahren nun, so wird erzählt, saß ein Amerikaner bei Sandwich und Cola, als sich ihm ein Nasenbär näherte. Der Amerikaner soll aufgesprungen und in Panik ausgerissen sein. Dabei, so heißt es, sei seine Cola-Flasche umgefallen und ausgelaufen. Der ob seiner Wirkung auf den ängstlichen Mann aus den Staaten nicht sonderlich beeindruckte Nasenbär schnüffelte seine Beute ab ... das Sandwich und das auslaufende Cola. Genüsslich schlabberte das possierliche Tierchen die braune Flüssigkeit. Das wiederum beobachteten weitere Nasenbären ... und schon soll es zu einem Streit um das verschüttete Cola gekommen sein.

Das wiederum soll den Amerikaner geradezu gerührt haben. Wie schön, dass diese kleinen Tierchen das amerikanische Nationalgetränk so zu schätzen wussten. Vorsichtig näherte er sich wieder seinem Rastplatz, holte aus seinem Rucksack mehrere Colaflaschen heraus und spendierte das süße Getränk der immer größer werdenden Nasenbärenhorde.

Ob diese Überlieferung der Wahrheit entspricht, das weiß ich nicht. Ich konnte mich aber davon überzeugen, dass die Nasenbären in den Ruinen von Tikal geradezu süchtig sind auf Cola. Die Kleinstunternehmer vor Ort können gar nicht schnell genug Cola heranschaffen, so wie es ihnen von den Besuchern förmlich aus den Händen gerissen wird.

Her mit dem Cola!
Foto: W-J.Langbein
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass bei meinem Besuch die Nasenbären von Tikal ausschließlich Pepsi angeboten bekamen ... und genüsslich konsumierten. Einen Vergleichstest mit Coca Cola konnte ich leider nicht durchführen.

Und wir Besucher freuen uns riesig darüber, wie sich die Nasenbären in großer Zahl nähern und genüsslich besagtes Getränk gleich aus der dargereichten Flasche trinken. Auf diese Weise fördern sie ganz erheblich den Umsatz der örtlichen Kleinstunternehmer.

Ich habe es selbst erlebt: Wasser, Fruchtsaft und Brause wurde von den Nasenbären empört abgelehnt, Cola aber begierig getrunken. Es kam gelegentlich zu Zweikämpfen, wenn nicht rasch genug Flaschen geöffnet wurden. Unser Guide erklärte uns, es sei das Coca in der Cola, was die Nasenbären so verrückt nach der braunen Brause machen würde.

Na endlich!
Foto: Ingeborg Diekmann
Von Brüllaffen über Nasenbären ... zu leibhaftigen Drachen! Von Mexiko über Guatemala nach Copan (Honduras). In den faszinierenden Ruinen von Copan fielen mir zwischen kunstvollen Stelen in Stein gehauene ... Drachen auf! Diese kuriosen Darstellungen werden meist von Besuchern übersehen, die nach Pyramiden Ausschau halten. Und doch gibt es sie, die kleinen Skulpturen dieser uns Europäern nur noch aus Märchen bekannten Wesen. Glotzäugig starren sie offenbar ihre Beute an, die sie wohl gleich mit brachialer Gewalt zerreißen und dann gierig verschlingen wollen.

Wer oder was aber stand der Maya-Künstlern Modell ... Drachen etwa? Das scheint mir unwahrscheinlich zu sein! Welches Drachenmonster harrt denn schon geduldig aus, bis es von einem Künstler als Zeichnung oder gar als Skulptur verewigt worden ist? Vor allem: Welcher Künstler begibt sich freiwillig in die Gefahr, bei Ausübung seines Berufs einem Monster zum Opfer zu fallen?

Drachen aus Stein - Fotos: W-J.Langbein
Des Rätsels Lösung ... Die Drachen hat es wirklich gegeben! Sie wurden von Maya-Künstlern tatsächlich porträtiert. Es waren aber keine Kreaturen von Riesendinosaurierwuchs, sondern wesentlich kleinere Tiere! Ich bin davon überzeugt, dass es sich bei den »Drachen« um Leguane handelte. Der Leguan spielt in der Mythologie der Mayas eine wesentliche Rolle!

Der Kosmos der Mayas hatte drei Ebenen: Die unterste Ebene war die Unterwelt, bestehend aus neun »Etagen«. Hier soll es einst zu einem wahrhaft höllischen Ballspiel gekommen sein. Das Wurzelwerk des Ceiba-Baums steht für dieses unterirdische Reich. Die mittlere Welt wird von uns Menschen und den Tieren und Pflanzen bevölkert. Der mächtige Stamm des Ceiba-Baumes wird in der Maya-Kosmologie mit unserem Lebensraum verglichen.

Der Himmel schließlich, der von den mächtigen Ästen des Ceiba-Baumes getragen wird, ist viel mehr als nur der hohe Luftraum über unseren Köpfen. Dort hausen und herrschen Götter wie Kukulcán alias Quetzalcoatl, Herr der Winde, aber auch der Medizin. Für die Medizin war auch Mondgöttin Ix-Chel zuständig, eine alte Fruchtbarkeitsgöttin. Zugleich war sie die himmlische Repräsentantin der Webkunst.

Ein grüner Leguan in Copan
Foto: W-J.Langbein
Auch Chac war im Himmel angesiedelt. Auch er war ein Gott der Fruchtbarkeit, spendete dem Land den lebenswichtigen Regen. Er schleuderte aber – wie Thor – Blitze vom Firmament.

Itzamná, männlicher Partner der Mondgöttin Ix-Chel, muss von den Mayas als ein besonders hoch stehender Gott angesehen worden sein. Itzamná trug auch den Namen »Leguan-Haus«. Verwundert es da, wenn die Mayas in Copan Leguane in Stein verewigten?

Anmerkung des Verfassers: Anlässlich des für den 21. Dezember 2012 prophezeiten Weltuntergangs wird sich Folge 153 mit dieser Thematik auseinandersetzen – am 23.12. 2012. Sollte die Welt allerdings tatsächlich bereits am 21. Dezember 2012 untergehen, wird Teil 153 meiner Serie nicht mehr erscheinen. Ich bitte um Verständnis! Für den Fall der Apokalypse verabschiede ich mich dann bei allen Leserinnen und Lesern. Sollte – wie so oft geschehen – der Weltuntergang wieder ausbleiben ... dann wird meine Serie am 23.12.2012 fortgesetzt!

»21.12.2012«,
Teil 153 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 23.12.2012


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