Wenn ich wichtige Entscheidungen treffen muss, pflege ich für gewöhnlich, ein oder zwei Nächte darüber zu schlafen. Manchmal auch drei, wenn es denn die Situation erlaubt. Nun hatte ich mir vorgenommen, einen Werbeclip für mein Buch „menière desaster“ zu erstellen. Die Umsetzung dieses Projektes bereitete mir schon Schwierigkeiten, denn wie sollte ich diese in meinem Buch behandelte Thematik umsetzen? Drehschwindel, Tinnitus, Verlust des Gleichgewichtsorgans in einem Videoclip verarbeiten, ohne dass es für den Betrachter zur Zumutung wird? Also ging ich mit dieser Überlegung zu Bett und muss meinem Unbewussten wohl mein Problem vorgetragen haben, in der Hoffnung, am nächsten Morgen mit der Antwort rechnen zu können.
So träumte ich. Und wie manche Träume Ähnlichkeit mit einem Theaterstück haben, hatte auch mein Traum mehrere Szenen, bestand aus einer Kette von Handlungen, in denen ich gleichzeitig Darsteller und Zuschauer war. Auf den Brettern, die die Welt bedeuten, habe ich getanzt, barfuß einen Spitzentanz, mit einer freien, eigenen Choreografie. Ohne Mühe schwebte ich auf der Bühne vor leeren Zuschauerrängen, und in mir spürte ich eine unglaubliche Freude und ein Glücksgefühl. Es wird Sie sicher nicht verwundern, wenn ich Ihnen berichte, dass dieses wundervolle Gefühl anhielt, obwohl ich irgendwann erwachte.
Nun war dieser Traum ein Erlebnis meiner Sinneswelt, dennoch wurde er von mir als etwas Reales angesehen. Das Unbewusstsein konnte sich frei entfalten, und mein Geist und meine Seele konnten ihre Energie auf ein Ziel konzentrieren. So konnte in meinem Traum die Aufmerksamkeit auf etwas gerichtet werden, was im Wachzustand die Natur meiner Psyche nicht akzeptieren würde. Und diese Natur meiner Psyche wurde auch nach meinem Erwachen schnell pragmatisch und stellte die Frage: „Wie hast du das denn geschafft, so ohne das passende Schuhwerk? Und überhaupt: Wo sind deine Spitzenschuhe geblieben?“
Ja, wo sind sie geblieben, die Schuhe, die ich irgendwann an den berühmten Nagel hängen musste und doch in all den Jahren immer wieder von Selbigem holte, um zu probieren, ob ich es noch kann: Über mich hinauswachsen, größer zu sein, als ich bin.
Sie sind mir irgendwann verloren gegangen, die Schuhe, die mit meinem Lebenstraum so eng verbunden waren und scheinbar mit ihnen auch die Gedanken an diesen Traum.
Sie sind mir irgendwann verloren gegangen, die Schuhe, die mit meinem Lebenstraum so eng verbunden waren und scheinbar mit ihnen auch die Gedanken an diesen Traum.
I
Träume können Inspirationen enthalten und es gibt durchaus Projekte, die aufgrund von Träumen entworfen wurden. Jedem schöpferischen Prozess geht eine Vision oder ein Traum voraus. Und dieser Traum hat mir meinen großen Traum zurückgebracht. Es lag nicht nur an meinem ganz persönlichen Menière Desaster, warum ich ihn nicht leben konnte, es hatte einfach materielle Gründe. Eine Ballettausbildung war und ist eine teuere Angelegenheit. Und es gab Zeiten in meinem Leben, in denen Prioritäten gesetzt werden mussten und denen fiel diese Ausbildung schlicht zu Opfer.
Aber trotzdem hatte ich meinen Traum nicht ganz begraben, habe im stillen Kämmerlein immer einmal wieder versucht, ob ich es noch schaffe, auf der Spitze zu stehen. Die Übungen, die einem solchen Vorhaben unbedingt vorausgehen müssen, habe ich diszipliniert täglich absolviert, sie sind zwangsläufig in meinen Tagesablauf integriert. Gerade die Gymnastik hat mir wertvolle Hilfe geleistet, hat es möglich gemacht, dass ich gerade stehen und gehen kann, obwohl ich mein Gleichgewicht verloren habe.
So habe ich die verlorenen Schuhe ersetzt, um für einen kurzen Moment meinen Traum zu leben und Sie daran teilhaben zu lassen. Und wenn Sie sich jetzt fragen sollten, welche Botschaft ich denn vermitteln möchte, so kann ich Ihnen nur antworten: Es ist nichts Besonderes. Aber schenken Sie mir einen Gedanken, wenn Sie sich auf Ihr Fahrrad schwingen, um die Morgenbrötchen einzukaufen oder wenn Sie freihändig eine Treppe herunter laufen oder die weihnachtliche Dekoration anbringen und dabei auf eine Leiter steigen. Denn damit haben Sie mir etwas voraus. Das darf und kann ich nicht mehr leisten. Aber wenn Ihnen irgendwann ein Traum verloren gegangen ist, machen Sie es wie ich: träumen Sie ihn sich einfach zurück.
I
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