»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Das »Ding« sieht aus wie ein Flugzeug. Man sieht den klein geratenen »Propeller«. Rädchen hat das »Ding« aus. Das »Ding« ist ein Objekt der Verehrung: im Cargo-Kult der Südsee, ausgestellt im »Mystery Park« (umgenannt in »Jungfraupark«) in Interlaken.
Foto 1: Nachgebautes Flugzeug als Objekt der Verehrung. |
Während meines Studiums der evangelischen Theologie in Erlangen wurde das Thema »Cargo-Kult« nur einmal kurz angeschnitten, und zwar als Negativbeispiel für eine vermeintlich »primitive« Form der Religion. Im Zentrum eines jeden »Cargo-Kults« steht, so hieß es, ein Messias. Die Anhänger glauben an seine Wiederkehr und an großen materiellen Reichtum, der dann angeblich ausbricht. Somit sei der Cargo-Kult im eigentlichen Sinne gar keine wirkliche Religion. In einer »anständigen Religion« geht es um Höheres, nicht um profanen, schnöden Mammon. Tatsächlich erhoffen sich aber Christen wie Moslems spätestens im Jenseits wahrlich physische Genüsse der paradiesischen Art, wenn sie nur dem »einzig wahren« Glauben huldigen. Für Moslems ist der einzig wahre Glaube natürlich der Islam, für Christen ist es das Christentum.
Der objektive Betrachter vermag da keinen Unterschied im Vergleich mit dem »Cargo-Kult« der Südsee zu erkennen. Cargo, das ist die Fracht, die sich Anhänger von »Cargo-Kulten« in der Südsee vom zurückkehrenden Gott John Frum erhoffen. So gesehen ist auch das Christentum ein »Cargo-Kult«.
Foto 2: Petrus am Hafen der Osterinsel. |
Es ist immerhin Petrus, der Mann mit dem Schlüssel zum Himmelstor, der Jesus fragt, was denn seine treuen Jünger als Belohnung für ihre Rechtgläubigkeit erwarten dürften. Haben sie nicht alles aufgegeben, um Jesu Jünger werden zu können? Jesus prophezeit bei den Evangelisten Markus und Lukas (1) fast wortgleich recht reiche und profane Belohnungen, und zwar nicht für den fernen, nicht näher bestimmbaren »Sankt Nimmerleinstag«, sondern für die unmittelbar bevorstehende Zukunft. Wer Familie, Haus und Äcker aufgibt, um sich Jesus anzuschließen, der wird noch zu Lebzeiten »hundertfach empfangen ... Häuser, Brüder, Schwestern und Mütter und Äcker«, später als Zugabe noch »das ewige Leben«.
Am 15. Februar 2004 nahm ich mit einer kleinen Reisegruppe in Tanna (Neue Hebriden, Inselstaat Vanuatu im Südwestpazifik) an der Jahresfeier des »John Frum Kults teil. Im Zentrum steht nach wie vor Gott John Frum, dabei ist auch vor Ort der irdische Ursprung der »John Frum«-Bewegung bekannt. Am Vorabend der Hauptfeier versammelten sich die Anhänger des »John-Frum«-Kults, musizierten und sagen bis zum Morgengrauen. Mit meiner kleinen Reisegruppe war ich dabei. Wir waren fast die einzigen Fremden, die sich zu den Festivitäten zu Ehren John Frums eingefunden haben. Wir verhielten uns zurückhaltend, durften an der religiösen Festivität teilnehmen. Alt und Jung wirkte mit, die Älteren ernster, die Jüngeren ausgelassener. Selbst Kinder tanzten mit.
Foto 3: Alt und Jung feiern ... |
Kurz und bündig: Irgendwann vor 1940, vielleicht schon um 1910, besuchte ein Amerikaner Tanna. Er mag versprochen haben, irgendwann einmal wieder vorbeizuschauen, so wie das viele Reisende tun. Später erschienen US-Soldaten auf dem Eiland. Viele hießen John mit Vornamen, stellten sich als »John from..«, also als »John aus ...« vor. Schon nannten die Insulaner sie alle »John Frum«. Die »John Frums« reisten wieder ab, die Soldaten zogen wieder in die Heimat zurück. Die Geschenke der US-Boys blieben aus. Man wartete auf die Wiederkehr der Erhabenen, die in großen Vögeln vom Himmel gekommen waren. Man freute sich auf die reichen Geschenke, die »John Frum« verteilen würde. Bislang vergeblich, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. So entstand ein Kult: Aus vielen Männern namens »John from…« wurde ein John Frum. Und der wurde zum Messias erhoben, auf dessen Wiederkehr man heute noch hofft. Die US-Truppen gehören auch heute noch zum Kult, allerdings nicht mehr die Originale.
Die US-»Frums« werden von Einheimischen dargestellt, und das mit großem Eifer. Die John-Frum-Anhänger marschieren mit geschulterten Holzgewehren im Gleichschritt auf und ab. Sie hissen Flaggen und salutieren. Sie sprechen in »Walkie Talkies« aus Holz.
Foto 4: .. und tanzen zu Ehren John Frums. |
Sie bauen Flugzeuge nach, zur Erinnerung an die John Frums, die in solchen »Vögeln« zu Besuch kamen und die Menschen beschenkten. Der Kult verändert sich weiter. In unseren Tagen wird er zusehends christianisiert. So verwandelt sich der erwartete »heidnische« Messias John Frum in den christlichen Messias Jesus. Noch gibt es strikte Puristen, die nach alter Väter Sitte den John-Frum-Kult zelebrieren. Aber schon wird auf dem John-Frum-Jahresfest auch Jesus als Messias herbeigesehnt. Meiner Meinung nach ist es eine Frage der Zeit, bis aus dem John-Frum-Glauben eine christliche Sekte wird.
Wir stellen uns heute die Frage, wie es möglich ist, dass Soldaten offenbar von friedlichen Insulanern fernab der »Zivilisation« als göttliche Wesen gesehen wurden. In einem Zeitungsbericht über eine Fotoausstellung von Ingeborg Diekmann über unsere Studienreise zum John-Frum-Fest heißt es (3): »Sie tragen Fliegermontur. Ihre Sonnenbrillen blitzten in der gleißenden Sonne. Für die Einheimischen müssen sie wie Götter erscheinen, die Hilfsgüter bringen und versprechen, wieder zu kommen und sodann mit ihren Flugmaschinen wieder verschwinden. Die Eingeborenen warten bis heute auf die Wiederkehr der Besucher aus einer für sie ganz anderen Welt.«
Foto 5: Aufmarsch für John Frum… |
Der John-Frum-Kult ist wichtig für die Prä-Astronautik, weil er uns in nachvollziehbarer Weise verdeutlicht, dass die von ihm propagierten Messias-Erwartungen nicht auf Fantasie, sondern auf Fakten beruhen. Die Erstkontakte mit den heute noch erwarteten »Messiassen« hat es real gegeben. Dabei ist der John-Frum-Kult nur einer von vielen. Der deutsche Theologe Dr. Friedrich Steinbauer schrieb eine Doktorarbeit zu eben diesem Thema, die auch als Buch erschien (4):
»Melanesische Cargo-Kulte«. Der Theologe weist 185 ähnliche Kulte nach. Der John-Frum-Kult ist wichtig für die Prä-Astronautik, weil er uns zeigt, wie wohl außerirdische Besucher vor Jahrtausenden gesehen wurden: Sie waren allmächtig, konnten also nur Götter sein. Seltsam: Leider werden auch heute noch amtliche Dokumente über den John-Frum-Kult von 1940 bis 1957 auf Tanna verfasst, unter Verschluss gehalten. (5) Warum eigentlich?
»Cargo-Kulte« haben sich in der Südsee bis heute gehalten. Sie werden auch heute weiter zelebriert. Sie mögen sich in den Riten und Ritualen unterscheiden, aber sie alle imitieren, was die Menschen einmal gesehen haben. Marschierende US-Soldaten wurden beobachtet, die Kultisten spielten mit feierlichem Ernst nach, was sie gesehen haben. Ihre Kinder und Kindeskinder blieben dem alten Kult treu und marschieren weiter, mit Holzlatten anstatt von Gewehren.
Was selbst in besonders gut informierten Kreisen in Sachen »Cargo-Kulte« unbekannt ist: Vor 100 Jahren gab es auf der Osterinsel Überbleibsel eines ähnlichen Kults. An der Südküste der Osterinsel stand ein Haus, das man ehrfurchtsvoll »haré-a-té-atua« nannte: »Haus der Atua-Götter« oder »Haus des göttlichen Atua«. Das Haus war schilfgedeckt und gehörte zu einem Ritualplatz, der – vielleicht etwas erhöht – mit flachen Kieselsteinen gepflastert war. Noch vor 100 Jahren wusste man: Hier wurde den Göttern gehuldigt. Den Göttern? Welchen Göttern? »Sie kamen von weit, weit her, auf Schiffen! Sie hatten rosige Wangen und man sagte, es seien Götter!« Welche Götter?Zum Gedächtnis dieser Götter schüttete man längliche Erdhügel auf, die »miro-o-orne«, »Erdschiffe«, genannt wurden. Auf diesen »Erdschiffen«, von denen es einst mehrere auf der Osterinsel gab, wurde »zelebriert«. Wie? Wir wissen es nicht mehr. Hier versammelten sich die Einheimischen und führten Schauspiele auf. In der Regel gab es jeweils einen, der Befehle erteilte. Und dann war noch seine Mannschaft, die die Befehle ausführte. Der Ursprung dieser Feierlichkeiten liegt auf der Hand:
Da waren Männer mit rosiger Haut auf riesigen, Ehrfurcht einflößenden Schiffen erschienen. Ängstlich wurden die Schiffe beobachtet. Der Kapitän erteilte Befehle, die Mannschaft führte sie auf. Was die Einheimischen beobachtet hatten, wurde imitiert, nachgespielt. Vor 100 Jahren waren die alten Zeremonien noch bekannt. Da wurden in einem Versammlungsraum zwei, vielleicht drei Boote aufgebaut. Ihre Masten gingen durch die Decke. Die Akteure trugen bei der Zeremonie europäische Kleidung, die sie von den Besatzungen europäischer Schiffe als Geschenke erhalten hatten. Auf Tanne tragen die höherrangigen Darsteller Uniformteile oder amerikanische Kleidungsstücke, die man ihnen geschenkt hat.
Das »haré-a-té-atua« ist längst verschwunden. Die seltsamen Zeremonien sind weitestgehend vergessen. Katherine Routledge notierte vor 100 Jahren Erinnerungen an den Osterinsel-Kult. Die eine oder die andere Information erhielt ich von Einheimischen, zum Beispiel von einem Lehrer einer der örtlichen Schulen. Vor einem Jahrhundert erinnerte man sich noch an die vermeintlichen »Götter«, bei denen es sich allerdings um europäische Seefahrer handelte. Auch damals war schon viel von den alten Zeremonien in Vergessenheit geraten. Offenbar wurden alljährlich Feierlichkeiten abgehalten, für die eigens immer wieder neue Musikstücke komponiert wurden. Vor einem Jahrhundert gab es nur noch bruchstückhafte, vage Erinnerungen an den vergessenen Kult. Und doch können wir noch erahnen, um was es bei den Feierlichkeiten ging. Katherine Routledge bekam vor einem Jahrhundert noch gezeigt, wo die Götter verehrt und gepriesen wurden.
Innerhalb von vermutlich drei oder vier Generationen wurden aus europäischen Besuchern, die auf mächtigen Schiffen zum Eiland gekommen waren, »Götter«. Die »Erdschiffe« der Zeremonialplätze sind verschwunden. Und der Kult um Götter, die einst auf Schiffen gekommen sind, wäre längst ganz aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden, wenn nicht … Nur weil vor 100 Jahren Katherine Routledge einige Erinnerungen an den Kult aufzeichnen konnte, wissen wir, dass es einst einen Kult um vermeintliche Götter auf der Osterinsel gab.
Der John-Frum-Kult ist wichtig für die Prä-Astronautik, weil er uns in nachvollziehbarer Weise verdeutlicht, dass die von ihm propagierten Messias-Erwartungen nicht auf Fantasie, sondern auf Fakten beruhen. Es zeigt sich immer wieder, dass Vertreter einer technologisch weiter entwickelten Zivilisation von Mitgliedern technologisch rückschrittlichen Zivilisationen mit »Göttern« verwechselt wurden. Auf der Osterinsel wurden so Europäer auf Schiffen zu Göttern. Waren es einst Außerirdische, die vor Jahrtausenden mit Göttern verwechselt wurden und die bis heute in Religionen verehrt und angebetet werden?
Foto 8: Der hoch angesehene Leiter der Zeremonien. |
Fußnoten
(1) Das Evangelium nach Markus Kapitel 10, Verse 29 und 30 und das Evangelium nach Lukas Kapitel 18, Verse 28-30
(2) Siehe hierzu Langbein, Walter-Jörg: Lexikon der Irrtümer des Neuen Testaments, München 2004, Kapitel „Prophetenworte: Auch Jesus irrte“, S. 195-200
(3) Bahr, Albrecht-Joachim: »Papyas zwischen Mauern aus Basalt«, »Die Norddeutsche«, 16.10.2004
(4) Steinbauer, Dr. Friedrich: »Melanesische Cargo-Kulte/ Neureligiöse Heilsbewegungen in der Südsee«, München 1971
(5) Lindstrom, Lamont: »Cargo Cult«, Hawaii 1993, S. 81 ff.
(6) Routledge, Katherine: »The Mystery of Easter Island«, 1919, Nachdruck
Kempton 1998, Seiten 239
Zu den Fotos
Foto 1: Nachgebautes Flugzeug als Objekt der Verehrung. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Petrus am Hafen der Osterinsel. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Alt und Jung feiern ... - Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: .. und tanzen zu Ehren John Frums. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Aufmarsch für John Frum…. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Abmarsch, Kinder inklusive. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Zuschauerinnen beobachten die John-Frum-Zeremonien. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Der hoch angesehene Leiter der Zeremonien. Foto Walter-Jörg Langbein
454 »Pueblo de los Muertos - Das Dorf der Toten…«,
Teil 454 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 30.09.2018
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