Samstag, 7. Mai 2011

»Ein Buch lesen! - Privat« Heute: Grete C. Roth

Im IV. Teil unserer Interview-Serie »Ein Buch lesen! - Privat« stellt sich heute Grete C. Roth den Fragen von Walter-Jörg Langbein

W.-J. Langbein: Liebe Grete, Du »machst« Bücher (Layout, Satz usw.) und Du schreibst Bücher. Was kam zuerst: das Schreiben oder das Machen und Gestalten?

gcroth
g.c.roth: Zuerst kam das Schreiben. Mein Vater und mein Klassenlehrer ermunterte mich oft, mehr zu schreiben. Da ich allerdings viel lieber draußen durch die Natur getobt bin, durch mannshohe Kornfelder strich, über Gräben sprang, Insekten beobachtete, Schnecken sammelte, mich auf Bauernhöfen tummelte und mit Ferkeln und Kälbchen spielte, kam es eher selten vor, dass ich Geschichten darüber schrieb. Natur und Tiere zu erleben ist ungleich intensiver, als man sie beschreiben könnte.

An meinem dritten Geburtstag eröffnete mein Vater seine Druckerei und es entstand der Kontakt zum Papier und zu den Buchdruckfarben, deren Geruch mich noch heute in die Zeit meine Kindheit versetzt. Ich erinnere mich an schöne Stunden, wenn er in der Papierverarbeitung an der Schneidemaschine arbeitete, deren riesiges schwarzen Schwungrad mit Muskelkraft zu bedienen war. Dann saß ich oft in einer der großen Teekisten, die er als Container für den Papierabfall nutzte und wir haben uns Geschichten erzählt.

Gelernt habe ich den Beruf der Schriftsetzerin in der Firma meines Vaters. Seinerzeit wurde noch im Bleisatz ausgebildet, wo jedes Wort aus einzelnen Bleilettern zusammengesetzt wurde, bis einige Zeilen im Winkelhaken erfasst waren. Diese kamen dann auf das „Schiffchen“, so wuchs ein Artikel Zeile um Zeile. Anschließend wurde der Block mit der Kolumnenschnur ausgebunden und zwar so fest, dass man ihn bequem von der Setzerei in die Druckerei tragen konnte. War der Block schlecht ausgebunden, löste sich alles in Wohlgefallen auf und rieselte einem durch die Hände. Also hieß es: alles einsammeln, zurücksortieren in die Setzkästen und noch einmal von vorn beginnen. Deshalb trug man seinen fertigen Satz, ab einer bestimmten Größe, dann vorsichtshalber doch meistens auf dem Schiffchen zur Druckmaschine.

Die Gestaltung von Anzeigen und Plakaten war seinerzeit um einiges aufwendiger. Von Bildern und Logos wurden Lithos hergestellt, um die herum der Text gearbeitet wurde. Man musste also vorher genau berechnen, wie viel Text man unterbringen konnte, welche Schrift und Schriftgröße benutzt werden und wie groß die Bilder sein konnten. Hatte man sich verrechnet, mussten neue Lithos angefertigt werden, was zusätzliche Kosten und Zeitverlust bedeutete.

Walter-J. Langbein: Den größten Teil Deines Lebens stellst du Druckproduckte her, nimmt da die Routine überhand?

g.c.roth: Nein, absolut nicht! Das ist das Faszinierende an meiner Arbeit, dass jeder neue Auftrag ein völlig neues Projekt ist, das von Grund auf aufgebaut und entwickelt wird. Individuelle Drucksachen – ob Flyer, Broschüren oder Bücher werden einmalig erschaffen. Und ich bin mit Herzblut dabei, von den ersten Entwürfen über Korrekturabzüge, bis zur Auslieferung. Ich empfinde mich selbst in diesem Prozess als eine Art Hebamme, die viele „Kinder“ ans Licht der Welt geholt hat. Routine ist etwas, das ich in meinem Beruf noch nicht erfahren habe.

W.-J. Langbein: Du schreibst selbst Bücher, hast Du literarische Vorbilder?

Fluffige und andere Zeiten
von gcroth
g.c.roth: Nein, ich habe keine Vorbilder. Mein erstes Buch „Kein Herbst ist ein Ende“ (1986) entstand als Anthologie mit zwei weiteren Autoren und enthielt zu 90 % Gedichte. Das zweite Büchlein „Der Wolken silberne Tropfen ...“ (1991) ist schon eine Mischung aus Geschichten und Poesie, während mein drittes Buch „Fluffige Zeiten“ (2004) hauptsächlich heitere Kurzgeschichten enthält. Diese drei Bücher habe ich noch selbst vertrieben und sie sind, bis auf einige Exemplare für mein eigenes Bücherregal, ausverkauft. Das vierte Buch, „Fluffige und andere Zeiten“ (2008) ist eine erweiterte Neuauflage und das fünfte: „"Bestatten, mein Name ist Tod!" Friedhofsgeschichten aus dem Leben gerissen“ (2008), fällt völlig aus der Reihe meiner üblichen Themen, was einfach daran liegt, dass mir das Leben Gelegenheit zu diesem morbiden Thema anbot.

W.-J. Langbein: Wenn Du ein Buch schreibst, schöpfst Du nur aus der Fantasie oder recherchierst Du, oder greifst Du auf Erlebtes zurück?

Bestatten, mein Name ist Tod!
von g.c.roth
g.c.roth: Ich schreibe so, wie ich meine Geschichten erlebe. Ich erfinde keine kompletten Storys, sondern verarbeite das, was das Leben mir anbietet. Und deshalb findet sich auch die ganze Palette an in meinen Büchern wieder. Lustiges, Kurioses, Nachdenkliches oder auch Trauriges in Form von Kurzgeschichten, Gedichten und Fabeln, so unterschiedlich, wie das Leben sich auch präsentiert. Der Humor, den man zweifelsohne braucht im Alltag, überwiegt meistens.
Mein Buch „Bestatten, mein Name ist Tod!“, ist zum Beispiel aus jahrelang gesammelten Erzählungen eines alten, schrulligen Totengräbers sowie aus Unterhaltungen mit ehemaligen Bestattern entstanden. Natürlich ist nicht alles 1:1 so geschehen, wie ich es erzähle, aber man kann davon ausgehen, dass 70 % der Ereignisse so oder so ähnlich stattgefunden haben.

W.-J. Langbein: Wie siehst Du die Zukunft von Buch- und Verlagswesen im Printbereich? Werden »elektronische Bücher« die gedruckten ablösen?

g.c.roth: Nein, ich gehe nicht davon aus, dass das E-Book das gedruckte Buch ablöst. Ein Buch ist etwas mit allen Sinnen Erfahrbares. Es verheißt gemütliche Stunden in Sessel- und Sofaecken, auf grünen Wiesen und unter schattigen Bäumen, zu denen es keine Alternative gibt. Keine Festplatte der Welt kann ein schön gefülltes Bücherregal toppen. Das Lesen eines Buches verschafft sehr persönliche Momente, das Umblättern der Seiten, der Geruch des Buches, einfach das Material in der Hand zu spüren, das alles ist nicht einfach austauschbar. Bücher haben eine unvergleichliche Ausstrahlung und sind viel mehr als eine Datei.

Das E-Book ist meiner Ansicht nach eine tolle Ergänzung, die besonders für Fachliteratur in großen Mengen perfekt ist. Man kann am PC lesen und gleichzeitig arbeiten, bestimmte Textstellen können in Sekunden aufgefunden werden, schnelle umfangreiche Informationen, ohne vollgestapelte Schreibtische, sind beim E-Book einfach ein Pluspunkt, den das Buch nicht hat. Praktisch sind E-Books auf E-Readern auch für unterwegs, besonders für Vielleser, die nicht kiloweise Bücher schleppen möchten. Oder für Sehbehinderte, die sich die Schrift in angenehm lesbarer Größe darstellen lassen können. Vermutlich wird jede Buchvariante ihren Platz finden. Verlage werden sich an dem orientieren, was der Leser wünscht.

W.-J. Langbein: Hast Du konkrete Zukunftspläne für Dein Studio?

g.c.roth: Die Zukunft für mein Satzstudio ist gleichzeitig die Frage nach meiner persönlichen Zukunft. In meinem Alter blickt man in die Zukunft etwas anders, als im Alter von vielleicht 30 Jahren. Zukunft ist selten das, was man sich erhofft, im Nachhinein aber genau das, was man gebraucht hat, um als Persönlichkeit wachsen zu können.

Als Mutter von drei Kindern, bin ich dankbar, dass ich mit Blick auf die Gegenwart sagen kann: Sie sind alle wohlgeraten, die ersten beiden gehen ihren Weg im Leben und haben mir bereits vier Enkelkinder geschenkt. Mein Nesthäkchen muss sich noch einige Jahre durch den Schulalltag kämpfen und wird dann ebenfalls seinen Weg finden.

Zukunft ist unberechenbar. Kein Mensch weiß, was schon morgen auf ihn wartet. Deshalb versuche ich offen zu sein, für das, was sie mir anbietet. Wenn man aufmerksam ist, dann liegt alles, was man braucht, immer bereit, nur sehen und aufnehmen muss man es. Das gelingt manchmal und manchmal nicht.

W.-J. Langbein: Liebe Grete, es würde mich interessieren, was Du noch für Interessen hast.

g.c.roth: Was mir in meiner Freizeit Spaß macht, das ist mein Garten, sowohl der Anbau von Gemüse als auch das Ziehen von Zierpflanzen. Mein Garten ist ein meditativer Ort. Gartenarbeit macht still und einig mit der Natur und bringt mich wunderbar nahe an die wesentlichen Dinge des Daseins heran. Wann immer Zeit ist, zeichne, male oder fotografiere ich. Die Fotografie –wie könnte es anders sein –hat den praktischen Nebeneffekt, dass sie eine reiche Motivauswahl für meine Arbeit abwirft. Mein Herz schlägt für alles, was mit der Natur zu tun hat. Ich versuche meinen Alltag so zu leben, dass ich möglichst wenig Schaden an der Natur anrichte. Wenn es mir vergönnt ist, werde ich einen Teil meiner Zeit nach dem aktiven Berufsleben in umweltpolitische Arbeit investieren.

W.-J. Langbein: Welche Ziele hast Du Dir für Deine Arbeit als Autorin gesteckt?

g.c.roth: Autorin und Texterin bin ich hauptsächlich aus beruflichen Gründen, da ist das Ziel natürlich, meinen Kunden ansprechende und anspruchsvolle Texte zu liefern. Zufriedene Kunden empfehlen mich weiter, sodass mein Kundenstamm kontinuierlich wächst. Meine Bücher sind eher ein Hobby, das sich daraus ergeben hat, dass sich Geschichten ansammelten. Hier habe ich kein festes Ziel.
Letztlich ist bei all meinen Arbeiten wichtig, dass sie mir Freude machen, dass ich anderen damit Freude mache und dass ich mit meiner jüngsten Tochter gut davon leben kann. Das ist mehr, als die meisten Menschen auf der Welt haben und somit schon Luxus. Reichtum ist das, was man spürt, wenn man einer Beschäftigung nachgeht und ganz eins wird mit ihr, sodass Zeit und Raum bedeutungslos werden. Reichtum ist nicht das, was man sieht, wenn man auf seinen Kontoauszug schaut.

W.-J. Langbein: Wenn Du einen Wunsch freihättest, was würdest Du Dir wünschen?

g.c.roth: Dass wir „zivilisierten“ Menschen uns in etwas mehr Demut und Bescheidenheit üben würden, damit wir die Vielfalt und Schönheit der Erde mit unserer Unersättlichkeit nicht völlig zerstören. Und natürlich, dass unsere Gemeinschaft „Ein Buch lesen“, die aus einer gemeinsam erlebten Krise erwachsen ist und die ich als eine große Bereicherung empfinde, noch viele Jahre so kreativ, mit viel Spaß und menschlicher Wärme zusammen wirken kann.

W.-J. Langbein: Liebe Grete, danke für das aufschlussreiche Interview. Ich wünsche Dir noch viel Freude mit Büchern, interessante Lektüre guter Werke von Kollegen, viel Freude beim kreativen Erstellen von Büchern in Deinem Satzstudio und genussreiche Selbstverwirklichung beim Schreiben! Und uns allen wünsche ich... mach weiter so, im Team von Ein-Buch-lesen ... und überhaupt!

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Kann die Autorengemeinschaft »Ein Buch lesen!«
sich eine schönere Offline-Werbung wünschen?


















Auf meinem Meinungsblog gibt es mehrLesestoff zu unterschiedlichen Themen von mir.
Dort schreibe ich unter dem Namen dandelion.

5 Kommentare:

  1. Wo bleibt die von mir sehr geschätzte Grete, die sich nicht scheut, gegen Ungerechtigkeit einzuschreiten, und es dabei in Kauf nimmt, ungerechte Geister zu verärgern?
    Ein dankbarer
    Wolf-Gero

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  2. Mein lieber Freund Wolf-Gero,

    ich vermute, dass du auf die Ereignisse der letzten Monate anspielst. Ich denke zu dem Thema ist (vorläufig) auf allen möglichen Blogs ausführlich geschrieben und Stellung genommen worden.

    Negative Bewertungen für Mitbewerber zu verteilen, das ist ja keine neue Erfindung, sondern so alt wie die Menschheit. Dass es bei der Kampagne nicht um mein Buch ging, sondern darum, meine Dienstleistungen im Printbereich und im Online-Marketing anzugreifen, ist mittlerweile glasklar. Und dass ein frustrierter Mitbewerber dahinter steckt, zeichnet sich ab.

    In meinem Interview brauchte das Thema also nicht neu aufgewärmt werden. Das geschieht an anderer, effektiverer Stelle.

    Ganz liebe Grüße und für Deine Gesundheit und Dein Wohlbefinden von Herzen die allerbesten Wünsche!
    Grete

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  3. Liebe Grete!
    In diesem Fall dachte ich ganz egoistisch an mich selbst, denn Du hast mir einige Male Schützenhilfe gegeben, wenn ich - wie ich meinte - unfair attackiert wurde. Damit hast Du meine Gegner auch gegen Dich selbst aufgebracht. Ich habe jedoch nicht einmal erlebt, dass Du Dein Einschreiten bedauert hast. Das ist eben auch eine positive Seite von Dir, sie sollte nicht fehlen.

    Ganz liebe Grüße
    ein immer noch dankbarer
    Wolf-Gero

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  4. Grete Roth schreibt, dass sie schon als kleines Mädchen vom Geruch der Druckfarben angetan war. Die haben in der Tat etwas Sinnliches. Als ich anfing, Zeitschriften zu machen, legte ich immer Wert drauf, in den Druckereien nicht nur vorne im Büro den Auftrag zu erteilen, sondern mit in die eigentliche Druckerei zu gehen, wo es immer so toll roch. Am besten funktionierte das bei der Abholung der fertigen Ware.

    Eine Firma, wie G.C. Roth sie hat, ist etwas Prekäres, weil sich die Technologien in dieser Branche so schnell verändern, wie kaum woanders. Mir ist zum Glück immer nur als Kunden begegnet. In Bremen arbeitet ich mit einem kleines Satzstudio zusammen, das einer Frau gehörte. zuerst produzierte sie Mengensatz mit der IBM, der noch auf Fahnen ausgedruckt wurde, später investierte sie in Fotosatz und wurde dann auch Lithoanstalt. Dort habe ich lange die Lithos für meine Zeitschriften herstellen lassen. Bis meine Druckerei mich dann überredete, zum computer-to-plate-Verfahren überzugehen: gleiche Druckkosten aber Wegfall der Lithokosten. Super Ersparnis für mich, aber Totalverlust für die gute Frau mit ihrer Lithographie. Das stelle ich mir ganz schön hart vor. Und sie hatte bestimmt nicht die Möglichkeit, stattdessen Bücher zu schreiben.

    AntwortenLöschen
  5. Hallo Herr Kurbjuweit,
    vielen Dank für Ihren Kommentar!

    Ja, IBM und Fotosatz habe ich auch miterlebt und jede Neuerung war das Nonplusultra ... Kaum eingearbeitet, schon kam die nächste Revolution.
    Stimmt schon, die Entwicklung war rasant. Man musste flexibel und mit Weitblick versuchen, immer dran zu bleiben. Da ist nicht nur manche Firma auf der Strecke geblieben, sondern auch das Flair der ursprünglichen Druckvorstufe.
    Die Arbeit die heute ein Ein-Frau-/Ein-Mann-Job leistet, wurde seinerzeit von vielen Setzern geleistet. Ich erinnere mich gern an die Zeit, in der es in den Setzergassen immer lustig zuging.

    Es ist bitter, wenn man um seine Firma kämpft und dann von der Entwicklung und den unvermeidlichen Kosten überrollt wird. Ich kann gut nachvollziehen, wie schmerzlich das ist. Ob es allerdings eine Bedeutung hat, ob man Bücher schreibt oder nicht, bezweifle ich. Letztlich ist das Schreiben für mich ein Hobby und kein Broterwerb. Ich glaube, es ist heute einfach wichtig, dass man sich nicht auf eine einzige Quelle, die einen ernährt, verlässt. Diese Zeiten sind leider vorbei und das gilt, glaube ich, für alle Berufe.

    Herzlichen Gruß
    Grete C. Roth

    AntwortenLöschen

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