Sonntag, 1. Juli 2018

441 »Hölle, Hölle, Hölle!«


Teil 441 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Foto 1: Das »Höllental von Hinom« in unserer Zeit.

Auch zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus gibt es im »christlichen Abendland« die Vorstellung von der »Hölle«. Man denkt an einen nach Schwefel stinkenden Ort, wo gewaltige Feuer lodern und arme Seelen für ihre Sünden büßen müssen. »Das Handbuch der Bibelkunde« (1): »Die Hölle unseres Begriffs hat im biblischen Sprachgebrauch keine genaue Entsprechung«.

Und doch hat es einen realen Ort im Land der Bibel gegeben, der unserer Vorstellung vordergründig zumindest nahe kommt. Um 800 v.Chr. gab es diese »Hölle« im Südwesten Jerusalems. Im Gehenna-Tal wurden dem assyrischen Gott Moloch Opfer dargebracht. Dann und wann sollen sogar Menschen verbrannt worden sein, um ihn gnädig zu stimmen. Den Jahwe-Anhängern war jene Stätte ein Ort des Grauens. Vermutlich störte sie die Tatsache, dass dort gelegentlich Menschen ihr Leben ließen, nicht sonderlich. Dass aber dort einem fremden König gehuldigt wurde, missfiel ihnen sehr. Deshalb ließ König Josias um 625 v.Chr. das Tal entweihen. Weil es den Anhängern eines fremden Glaubens heilig war, ließ er es in eine stinkende Abfalldeponie verwandeln. Berge von Knochen wurden aufgehäuft und verbrannt. Müll wurde angekarrt und ebenfalls angezündet. Schwefel wurde beigefügt, um die Feuersglut Tag und Nacht nie verlöschen zu lassen. Es entstand ein Ort, der unserer Vorstellung von Hölle recht nahe kommt.

Unserer Vorstellung? Im November 2001 führte das »Institut für Demoskopie«, Allensbach, eine Umfrage zu den religiösen Glaubensvorstellungen der Deutschen durch (2).

Foto 2: Die Fresken-Wand in der Kirche Johann Baptist, Neufahrn.

70% der Deutschen über 18 gaben an, dass sie an die Existenz der menschlichen Seele glauben. Was ein Leben nach dem Tod angeht, so äußerten 60% der Befragten, dass ihrer Überzeugung nach mit dem Tod alles aus ist. Fast genauso viele Deutsche, nämlich 61%, glauben an Gott, aber nur 16% an den Teufel. Nur 12% waren von der Realität einer Hölle, aber 34% von der Existenz des Himmels überzeugt. Eine Minderheit von immerhin noch 29% glaubte anno 2001 an die Auferstehung der Toten. Heute dürften deutlich weniger Menschen an konkrete Glaubenslehren über Himmel und Hölle, Tod und Auferstehung glauben.

In den Kirchen unserer Heimat sind Höllenbilder auch heute noch präsent. Unsere altehrwürdigen Kapellen und Kirchen bieten auch heute noch kostbare Werke der sakralen Kunst, die immer weniger Menschen überhaupt noch zur Kenntnis nehmen. Sollten wir uns wirklich immer weniger für unsere Wurzeln interessieren?

Foto 3: Hölle und Kreuzigung in der Kirche Johann Baptist, Neufahrn.

Durch die bundesweit beliebte Fernsehserie »Hubert und Staller« wurde das Städtchen Wolfratshausen im oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ein Besuch lohnt sich! Wer auf den Spuren von Hubert und Staller wandelt, der kommt zwangsläufig in die Gefilde von Egling.

Anno 1315 taucht in den Urkunden eine Kirche »St. Johannes Baptist« (»Heiliger Johannes der Täufer) auf. Wir finden sie im malerischen Neufahrn bei Egling, unweit von Wolfratshausen. Die Filialkirche von Deining hatte freilich Vorgänger. Schon im Jahre 1107, das ist urkundlich bestätigt, bezog das Kloster Tegernsee Waren aus Neufahrn. Schon damals dürfte es dort eine aus Holz gebaute Kirche zu Ehren des Täufers gegeben haben. Kirchenhistoriker gehen davon aus, dass es noch früher, schon seit der Zeit von Bonifatius (672-752) oder kurz danach in Neufahrn eine Kirche »St. Johannes Baptist« gegeben hat.

Foto 4: Hölle nach Herrad von Landsberg

Der heutige Besucher sollte sich unbedingt auseichend Zeit für die Fresken an der Chorwand nehmen, die womöglich schon um das Jahr 1400 entstanden. Links unten erkennen wir eine Schutzmantelmadonna. Sie bietet Menschen aus allen Ständen Sicherheit. Am Mantel der Madonna prallen Pfeile wirkungslos ab. Die Madonna tritt allen Feinden als mächtige Himmelskönigin entgegen. Sie trägt, ihrem Rang entsprechend, ein blaues Gewand unter einem roten Mantel. Eine Krone auf dem Haupt der Madonna zeichnet sie als Königin aus.

Foto 5: Der Engel mit dem Schwer im Fresko von Neufahrn

Auf der rechten Seite: eine Kreuzigungsszene. Links vom Kreuz stehen Maria und Maria Magdalena, rechts die »Heilige Ursula«, »Barbara« und »Katharina«. Darüber: eine Höllenszene. Die Hölle wird als ein riesiges, monströses Wesen dargestellt, als eine furchteinflößende Kreatur mit weit geöffnetem, mit spitzen Zähnen ausgestattetem Maul. Der Teufel höchstpersönlich ist am Werk. Er versucht mit einer gewaltigen Kette gefangene Seelen in sein Reich zu zerren. Ob sein Gegenpart, ein hochgewachsener Engel mit Flügeln und Schwert, die Menschenseelen aus den Klauen Satans befreien kann?

Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Wir leben im »christlichen Abendland«. Die mysteriösen, altehrwürdigen Fresken in alten Kirchen und Kapellen wollen uns von unseren Wurzeln erzählen. Man kann die Vergangenheit werten wie man will, man muss sie aber kennen.

»Hölle, Hölle, Hölle!« prägte lange Zeit das Weltbild des Christentums. Freilich steht das christliche Bild von »Hölle« am Ende einer Entwicklung. Aus einer fremden Kultstätte war ein stinkendes Abfallfeuer geworden. Der Prophet Jesaja versuchte den Juden seiner Zeit Angst zu machen. Wer nicht buchstabengetreu nach den Vorschriften des Judentums lebte, der würde bestraft werden. Würde im »Glutofen« des Gehenna-Tals enden (3):»Und sie werden hinausgehen und schauen die Leichname derer, die von mir abtrünnig waren. Denn ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr Feuer wird nicht verlöschen, und sie werden allem Fleisch ein Gräuel sein.«

Foto 6: Höllenqualen nach Herrad von Landsberg

Jesajas Hölle kam wie der Supermarkt von morgen ganz ohne »Personal« aus. Die Hölle ist nach heutiger Vorstellung der Wohnort der Teufel, die die Sünder peinigen und quälen. Unsere Hölle ist die Heimat bösartiger Dämonen. Die biblische Gehenna-Hölle ist ein Ort, an dem Gott strafen wird: Und zwar ausschließlich vom Glauben abgefallene »Gottlose«. Teufel sind da nicht vorgesehen, auch nicht erforderlich. Der Ort als solcher ist schon qualvoll genug!

In der sakralen Kunst freilich wurden die Höllendarstellungen, etwa jene von Herrad von Landsberg (etwa 1180), fantasievoll ausgestaltet. Die Sünder litten nicht mehr nur vor sich hin, sie wurden wahrlich sadistischen Teufeln ausgeliefert, die sich gegenseitig in Sachen Foltermethoden zu übertrumpfen versuchten.

Durch den griechischen Einfluss auf das »Neue Testament« kam es zu einer Helenisierung des Begriffs »Hölle«.  Offensichtlich entwickelte sich das Bild vom Ort der Qualen: von einer grauenhaften Stätte, an der die die Sünder auf ewige Zeiten Entsetzliches zu erdulden hatten, zu einem »Warteraum« für Tote.  Die Hölle wurde zum Vorraum des Gerichts, wo Verstorbene auf die himmlische Justiz warten.

Bei Lukas lesen wir (4): »Als er nun (der Reiche) bei den Toten war, hob er seine Augen in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß.« Der Reiche schmort in der Hölle. Verschlimmert werden seine Qualen dadurch, dass er sehen muss, wie gut es dem frommen Lazarus in Gottes Schoß geht. So kommt »Neuen Testament« zum heißen Ort der Qualen im  noch eine Art »Himmel« hinzu, den es im »Alten Testament« noch gar nicht gegeben hat. Das »Alte Testament« kennt lediglich die Himmel als das Firmament, das sich über den Menschen wölbt.

Foto 7: Der Engel mit dem Schwert

Die biblischen Bilder, auch jene von Hölle und Himmel, sind das Ergebnis einer Entwicklung über viele Jahrhunderte hinweg, die vielleicht niemals abgeschlossen ist. Die christlichen Glaubensvorstellungen, etwa von Hölle und Himmel, sind nicht als fertige Gedanken übernommen worden. Sie haben sich nach Beendigung der Arbeit an den biblischen Texten nach und nach entwickelt. Das zeigt, dass Glaube sich seit mehr als zwei Jahrtausenden verändert. Diese Erkenntnis gibt zu Hoffnung Anlass: Auch heute und morgen wird sich Glauben ändern. Nur dann kann er langfristig dem suchenden Menschen Hilfe bieten. 

Ein Glaube, der einmal stehen bleibt, ist ein Auslaufmodell und verschwindet irgendwann in der Versenkung der Bedeutungslosigkeit. 

Fußnoten
1) Mertens, Heinrich A.: »Handbuch der Bibelkunde«, Düsseldorf  1966, Seite 336
2) »Institut für Demoskopie«, Allensbach, November 2001
3) Der Prophet Jesaja Kapitel 66, Vers 24
4) Das Evangelium nach Lukas Kapitel 16, Vers 23

Zu den Fotos
Foto 1: Das »Höllental von Hinom« in unserer Zeit. Foto wikimedia commons/ Deror avi
Foto 2: Die Fresken-Wand in der Kirche Johann Baptist, Neufahrn. Foto Heidi Stahl
Foto 3: Hölle und Kreuzigung in der Kirche Johann Baptist, Neufahrn. Foto Heidi Stahl
Foto 4: Hölle nach Herrad von Landsberg (etwa 1180). Foto wikimedia commons
Foto 5: Der Engel mit dem Schwer im Fresko von Neufahrn. Foto Heidi Stahl
Foto 6: Höllenqualen nach Herrad von Landsberg (etwa 1180). Foto wikimedia commons
Foto 7: Der Engel mit dem Schwert, Fresken-Wand in der Kirche Johann Baptist, Neufahrn. Foto Heidi Stahl

442 »Höllenschlund und Höllenfeuer«,
Teil 442 der Serie
„Monstermauern, Mumien und Mysterien“
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 08.07.2018

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