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Montag, 16. Januar 2017

Maria Schell: Nur die Liebe zählt – Teil 2

Maria Schell im Interview mit Walter-Jörg Langbein

> Fortsetzung von Teil 1

Foto 1: Maria Schells Memoiren
WJL: Müssen Sie sich als Schauspielerin mit einer Rolle identifizieren können?
Maria Schell: Sie meinen moralisch?
WJL: Ja.
Maria Schell: Ich muss eine Rolle verstehen können. Nehmen wir zum Beispiel »Die alte Dame« von Dürrenmatt. Ich musste mir einen Weg suchen, musste feststellen, in welcher Ecke meines Herzens ich so sein könnte. Ich habe zur »alten Dame« von Dürrenmatt einen anderen Schlüssel als meine Kolleginnen gefunden, die diese Rolle auf den Hass allein aufgebaut haben. Mein persönlicher Zugang zur Rolle war die Verletzung des Weiblichen. Da ist eine Frau, am Rande der Weiblichkeit, die keine Kinder mehr bekommen kann, eine Frau, die sich total an dem Mann rächt, der ihr das Kind genommen hat.

WJL: Was für Filmangebote würden Sie ablehnen?
Maria Schell: Solche mit sinnloser Brutalität, mit Gewalt, die einfach unnötig ist, die nicht gezeigt werden bräuchte. Es sei denn, die Gewalt zeigt einen Weg auf, der für ein Stück, ein Theaterstück oder einen Film, unerlässlich ist. Ich würde auch an keiner Pornoproduktion mitwirken, in solch einem Film möchte ich nicht drinnen sein, das sind zweitrangige Instinkte des Menschen, die ich nicht fördern möchte.

WJL: Wie stehen Sie zu Ihrer Rolle im Superman-Film? Hat Ihnen der Film gefallen? Sie waren ja die Mutter Supermans.
Maria Schell: Gefallen? Gar nicht!

Foto 2: Maria Schell spielte Suprmans Mutter
WJL: Warum haben Sie dann mitgewirkt?
Maria Schell: Ich habe den Film gemacht, weil mir sehr viel Geld gegeben wurde. Die Filmleute wollten so viele berühmte Namen wie nur möglich und haben dafür viel Geld bezahlt. Ich nenne solche Filme Telefonfilme. Alle zwei Jahre mache ich einen solchen Telefonfilm. Wissen Sie, ich vertelefoniere viel Geld mit meinen Kindern. Wenn ich dann einen riesigen Batzen Geld bekomme, für zwei, drei Tage Dreharbeit, für gar nichts, dann nehme ich solch ein Angebot an, zahle das Geld auf ein besonderes Konto und bezahle dann davon die vielen teuren Telefonate.
Aber es war natürlich eine große Freude mit Marlon Brando zusammenzuarbeiten. So klein die Szene auch war, der schauspielerische Austausch mit Marlon Brando war sehr faszinierend.

WJL: Sie beschreiben in Ihrem Buch »Die Kostbarkeit des Augenblicks« eine abenteuerliche, wahrhaft halsbrecherische Autofahrt mit Marlon Brando. War die wirklich so dramatisch, wie Sie das beschreiben?
Maria Schell: Aber natürlich. Ich gebe im Buch dieser Episode ja eine humorvolle Note.

WJL: Frau Schell, welche Filmpartner waren besonders wichtig für Sie?
Maria Schell: Viele, wirklich viele.

WJL: Können Sie einige Namen nennen?
Maria Schell: Gary Cooper, der war unheimlich wichtig; auch Yul Brünner, Curd Jürgens, Paul Scofield, mit dem ich »1919« drehte.

Foto 3: Filmpartner Yul Brünner
WJL: Kann der Film Ihrer Meinung nach eine positive Wirkung auf die Zuschauer haben?
Maria Schell: Aber unbedingt. Nur leider gehen nicht mehr so viele Menschen ins Kino wie früher. In Frankreich, da gibt es am Donnerstag, Freitag, Samstag und vielleicht am Sonntag keine Kinofilme im Fernsehprogramm. Als Folge strömen die Menschen wieder ins Kino. Es wäre fantastisch, wenn so etwas auch bei uns möglich wäre, aber die Fernsehmenschen sind doch froh, wenn sie die alten Filme zeigen können.

WJL: Sehen Sie sich Ihre alten Filme an?
Maria Schell: Wenn ich Sie lange nicht mehr gesehen habe, dann ja.

WJL: Sind Sie selbstkritisch?
Maria Schell: Natürlich bin ich das. Seit drei Jahren habe ich einen Videorekorder, besitze sechzig Filme von mir, ich schaue sie an, prüfe sie, wie weit sie schauspielerisch gelungen waren. Und ich kann sagen, dass ich zufrieden bin. Ich hab‘ weniger, weit weniger Filme, die der Zeit nicht standhalten als solche, die vor der Zeit bestehen können, die der Zeit standhalten.

WJL: Haben Sie Wünsche an Bühnenstücke, Filmprojekte?
Maria Schell: Ich würde gern »Die Betrogene« von Mann machen, das ist eine wunderschöne Novelle. Und vieles, was ich mir wünsche, das kann ich auch verwirklichen. So mache ich beispielsweise einen Film über eine Orgelspielerin, »Requiem für eine Orgel« heißt der Film, auch eine wunderschöne Geschichte. Verhandlungen sind im Gange über eine Fernsehserie, eine heitere Sache wäre das. Und nächstens wirke ich mit in einem Porträt von mir.

(Anmerkung: 1985 wurde »Zweimal 30 – Maria Schell Special« verwirklicht. Auch die von Maria Schell angesprochene Fernsehserie wurde produziert und mit großem Erfolg 1987 bis 1991 in 49 Folgen ausgestrahlt: »Die glückliche Familie«. Ob »Requiem für eine Orgel« in den Kinos oder im Fernsehprogramm lief, kann ich nicht mehr in Erfahrung bringen.)

Fotos 4, 5 und 6: Maria Schells erfolgreiche TV-Serie »Die glückliche Familie«

WJL: Wenn Sie in der Öffentlichkeit spazieren gehen, erkannt werden, freut Sie das dann oder fühlen Sie sich eher belästigt oder eher bestätigt?
Maria Schell: Also früher war das ganz schlimm. Da konnte ich nicht einmal eine Zahnbürste kaufen. Auch heute werde ich noch viel erkannt, auch im Ausland, in den USA etwa. Aber dieses Erkennen, die Reaktionen der Menschen, das hat sich gewandelt, ist von einer anderen Qualität. Es kommt nicht mehr zu Hysterie, nicht mehr zu Aufläufen. Da ist eine Wärme, eine große menschliche Wärme, die mir entgegengebracht wird, die ich spüre. Das ist keineswegs Belästigung.

WJL: Gibt Ihnen diese Wärme etwas, Kraft für Ihre Arbeit?
Maria Schell: Durchaus, durchaus.

WJL: Viele Zeitgenossen fürchten sich vor einem Krieg. Steht Ihrer Meinung nach ein großer Krieg, der die ganze Welt heimsucht, bevor?
Maria Schell: Ich hoffe, dass von dem Tag an, als wir zum ersten Mal vom Mond aus die Erde sahen, den blauen Planeten, auf dem wir alle leben müssen, von dem keiner runter kann, etwas bewusst oder unbewusst entstanden ist, das diesen Garten Eden behüten will.
Da ist dieses Es, die geistige Substanz, von der wir gesprochen haben, die sich wie eine Wolke formiert zum Schutz dieser Welt, in den Wünschen von uns allen. Der Wunsch nach Frieden ist sehr groß, nicht nur nach Frieden im Sinne von in Ruhe gelassen zu werden, sondern als Verteidigung dieser herrlichen Welt, in der wir leben, die zugekleistert wird von negativen Nachrichten, Tag für Tag, weil die sich gut verkaufen. Leider lesen ja die Menschen Tag für Tag am Anfang jeden Tages nur von Dingen, die einen für den ganzen Tag traurig stimmen müssten. Man erfährt ja tagtäglich nur das Schrecklichste, die entsetzlichen Meldungen.
Daher halte ich die Angst, die vorherrscht, für eine zum Teil künstliche Angst. Die Welt ist uns sehr verteufelt worden durch die übelste Berichterstattung, die alles an Negativ-Superlativen groß herausbringt. Warum? Damit vielleicht die Negativschlagzeile von gestern noch gesteigert werden kann.

Foto 7 Blick vom Mond zur Erde

Aber viele Menschen wollen, mögen diese Sensationsmache nicht, wollen nach innen leben. Weil sie alle spüren, dass die Grenze des Erlebbaren nicht erweitert werden kann. Ich kann mir vorstellen, dass der Wille zum Frieden sehr stark wächst. Dabei ist es schon gar nicht leicht, mit dem Frieden fertig zu werden. Warum haben wir denn all‘ diese Aggressionen, diese Terroristen? Weil viele Menschen nicht mit dem Frieden fertig werden. Dazu sind noch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten gekommen. Viele junge Menschen stehen heute vor dem Problem dass sie nichts verändern dürfen. Trotzdem: der Wille zum Frieden ist groß. Die ersten Zeichen der Verständigung werden sichtbar. Ich hoffe, dass wir, weil wir aus dieser Erde unsere Lebenskraft beziehen und von ihr leben, zu einem größeren Miteinander als zu einem Gegeneinander finden.

WJL: Das ist Ihre feste Überzeugung?
Maria Schell: Ja. Letzten Endes entscheidet sich der Mensch für das Gute und nicht für das Böse. Der Mensch entscheidet sich nicht willentlich für das Böse, sondern für das Gute.

Foto 8: Paul Scofield, Filmpartner in »1919«
WJL: Stehen Sie einer bestimmten Religion näher als den anderen?
Maria Schell: Das ist schwer zu sagen. Ich bin streng katholisch erzogen worden. Ich glaube Christus ist der Weiseste der Weisen. Weil er eine Formel gefunden hat, die ich für genial halte: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Letztendlich ist das der einzig gangbare Weg. Wobei die Betonung nicht so sehr auf »Liebe« liegen muss, sondern auf »Nächsten«. Der »Nächste«, das ist der, der da ist, mit dem du zusammen bist, der dich braucht, der vor dir liegt, weil er gestürzt ist, weil er sich verletzt hat.
Liebe den Nächsten, den, der neben dir ist. Das ist die einzige Schwelle, über die wir alle gehen müssen, die Kommunisten, die Schwarzen, die Weißen, die Sozialisten, die Demokraten, alle. Diese Schwelle ist die Liebe. Dieser eine Satz enthält Verhaltensregeln für Jahrtausende. Dieser Satz ist wichtig, nicht das Zurückziehen ins Nirwana, nur die Liebe zählt. Und Jesus Christus hat diesen Gedanken der Nächstenliebe gelebt.

Zu den Fotos
Foto 1: Maria Schells Memoiren/ Buchcover Langen Müller Verlag
Foto 2: Maria Schell spielte Suprmans Mutter/ amazon
Foto 3: Yul Brynner/ Foto wikimedia commons/ Stevan Kragujević
Fotos 4, 5 und 6: Maria Schells erfolgreiche TV-Serie »Die glückliche Familie«
Foto 7 Blick vom Mond zur Erde/ Foto NASA/ Bill Anders
Foto 8: Paul Scofield, Filmpartner in »1919«/ Foto wikimedia commons/ Allen Warren
Foto 9: Grabstätte von Maria Schell, Friedhof Preitenegg, Gemeinde Preitenegg, Bezirk Wolfsberg, Kärnten, Österreich. Foto wikimedia commons/ Johann Jaritz





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Samstag, 14. Januar 2017

Maria Schell: Nur die Liebe zählt

Maria Schell im Interview mit Walter-Jörg Langbein
Teil 1


Fotos 1 und 2: Maria Schell schrieb über ihr Leben

Maria Margarete Anna Schell (* 15. Januar 1926 in Wien; † 26. April 2005 in Preitenegg, Kärnten) war eine österreichisch-schweizerische Schauspielerin. Sie gehörte zu den größten Stars des deutschsprachigen Films der 1950er und 1960er Jahre. Maria Schell wurde verehrt und geliebt. Im Verlauf ihrer Karriere wurde sie mit zahlreichen Filmpreisen ausgezeichnet. So erhielt sie acht Mal den »Bambi«, die »Coppa Volpi« der Filmfestspiele von Venedig, den »Deutschen Filmpreis« und wurde mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Anlässlich ihres 10. Todestages gab die Österreichische Post eine »Maria-Schell-Sonderbriefmarke« heraus. 

Maria Schell gehört zu den wenigen wirklichen Weltstars, die von Deutschland aus eine sensationelle Karriere starteten. Marcello Mastroianni war ihr Filmpartner in Viscontis »Weiße Nächte«. Mit Curd Jürgens bewunderte man sie weltweit in »Die Ratten« und »Der Schinderhannes«. Lang ist die Liste der internationalen Größen, mit denen Maria Schell zusammen arbeitete. Yves Montand, Claude Chabrol, Orson Wells, Gary Cooper, Paul Scofield und Yul Brünner waren ihre Filmpartner. Journalisten nannten Maria Schell gern und häufig »Seelchen«, ein Spitzname, der ihr zeitlebens anhaftete und sehr missfiel.

Foto 3: Maria Schells
handschriftliche Widmung
Im Oktober 1985 Jahren hatte ich Gelegenheit, Maria Schell in Frankfurt am Main zu interviewen. Ihr aus zahlreichen Filmen bekanntes Lächeln erlebte ich leibhaftig als geradezu überwältigend. Ich erinnere mich noch genau an den kleinen Tisch, an dem wir saßen. Vor mir waren meine Notizen ausgebreitet, die ich zum Gespräch mitgebracht hatte. Und ich erinnere mich an Maria Schells strahlende Augen. Ich gebe es zu: Sie brachte mich aus dem Konzept. Nervös blätterte ich in meinen Unterlagen, um eine weitere möglichst sinnvolle Frage zu stellen. Maria Schell lachte: »Sie müssen mich schon ansehen, wenn Sie mit mir sprechen!«

Rätselhaft wie Maria Schells Lächeln war auch ihre Handschrift. Was genau hat sie mir in ihr Buch »Die Kostbarkeit des Augenblicks« geschrieben? Da steht als gedruckte Widmung: »Für alle, die ich liebe, - und für Dich«. Das »Dich« hat Maria Schell durchgestrichen und ein »Sie« daraus gemacht. Weiter geht es mit (für Sie) lieber Herr Langbein mit meinen herzlichsten Wünschen Maria Schell 11.X.85«.
Doch nun zum Interview. Es entstand im Oktober 1985 und ist heute – über 30 Jahre später – manchmal geradezu erschreckend aktuell!

Walter-Jörg Langbein (WJL): Frau Schell, Sie verfügen ja über ein erstaunlich positives Image …
Maria Schell:  … das ich auszufüllen versuche.
 
WJL: Romy Schneider hat in ihren späteren Filmen versucht, gegen ihr Sissi-Image anzuspielen …
Maria Schell: Das kam daher, dass man ihr den Zauber der Reinheit zum Vorwurf gemacht hat, als Kitsch abgetan hat. Aber das ist einfach nicht wahr!

Diese Filme werden ja zu Weihnachten immer wieder gezeigt, und da sieht man, einwandfrei, dass diese Filme schön  sind. Da steckt schon sehr viel Wahrheit darin, wie Romy Schneider gespielt hat, tiefe Wahrheit.

Foto 4: Einer von Maria Schells
beiden »Seelchen«-Filmen
WJL: In Ihrem Buch »Die Kostbarkeit des Augenblicks« beschreiben Sie eine Szene, die mich doch erstaunt hat. Sie hatten, so berichten Sie, als Schülerin einen Kampf, bei dem bei der Gegenpartei das Nasenbei entzwei ging. Sind Sie also gar nicht so zart.. ?
Maria Schell: Überhaupt nicht. Ich bin sehr handfest.

WJL: Meinen Sie, Ihre handfeste Seite wird zu wenig von der Presse gewürdigt? Oder fühlen Sie sich wohl mit dem Bild, das von Ihnen gezeichnet wird?
Maria Schell: Man wird nie richtig dargestellt. Wenn ich an diesen blöden Nebennamen denke, den ich von der Presse bekommen habe … Seelchen .. dann finde ich das sehr, sehr einfallslos. Das stimmt ja auch gar nicht. Meine Filme waren überhaupt keine Seelchenfilme, bis auf zwei, weil das die Bücher verlangten. Dieser Dr.Holl-Film, das war ein sehr seelenvoller Film. Der Name Seelchen wurde einmal geprägt. Und seither immer wieder hervorgeholt. Da ist man dann nie wieder runter gekommen von diesem Wort. Ich finde das sehr einfallslos von der Presse. Ich verstehe eigentlich gar nicht, wieso diese Leute sich nicht genieren, immer wieder von mir als Seelchen zu schreiben.

WJL: Kann man die Schauspielkunst erlernen?
Maria Schell: Kein Talent kann man lernen. Man hat es, oder man hat es nicht. Wenn man es aber hat, dann kann man es ausbauen. Jemand, der gut Blumen bindet, der hat eine Begabung, oder ein Computerfachmann, ein Bildhauer, oder auch ein Arzt. Einen Teil kann man lernen, aber ein wirkliches Talent wird man nicht, nur weil die Übung aufgebracht wird.

WJL: Sind Sie ein heiterer  oder ein ernster Mensch?
Maria Schell: Beides.

WJL: Spielen religiöse Themen in Ihrem Leben eine Rolle? Haben Sie eine persönliche Beziehung zum Thema »Leben nach dem Tod«?
Maria Schell: Aber ja. Ich bin ganz sicher, dass kein Geist verlorengeht, der einmal auf der Erde gelebt hat. Geist, der die Welt beseelt, bleibt erhalten. Die Substanz des menschlichen Bewusstseins, oder wie man auch immer das nennen möchte, verwandelt sich wenn sie unseren Körper verlässt, mit dem Tode. Sie wird wahrscheinlich wieder in anderer Form erscheinen, eine andere Form annehmen. So wie es handfeste Materie gibt, so gibt es auch eine Substanz »Geist«. Und diese Substanz, dieser Geist … oder wenn Sie lieber Seele sagen möchten … verlässt die Erde eben nicht, löst sich nicht in Nichts auf, bleibt erhalten. Alles ist beseelt.

Foto 5: Rudi Carell wollte als
Frau wiedergeboren werden
WJL: Sie glauben also an die Wiedergeburt?
Maria Schell: Sicher werden wir wiedergeboren, aber vielleicht nicht als Mensch, sondern als ein Wesen, das auch Leben, Geist in sich hat. Vielleicht als Baum, als Vogel, irgendein anderes Tier, als Wind, als Gedanke. Auch als Wolke. Und eben auch als Gedanke.

WJL: Frau Schell, glauben Sie, dass Sie schon einmal gelebt haben?
Maria Schell: Ich habe einmal eine Rückführungstherapie gemacht, da kamen ganz seltsame Erlebnisse zutage. Das hat vielleicht mit meiner Begabung zu tun, mich in andere Leben zu versetzen. 
Aber ich will nicht sagen, dass das nicht so war in einem früheren Leben, nur offensichtlich ist es von der »höchsten Weisheit« nicht so gedacht, dass wir uns an frühere Leben erinnern. Wenn wir mit diesen Erinnerungen ins nächste Leben eintreten sollten, dann hätten wir sie ja. 

Diese Erinnerungen scheinen ausgelöscht zu werden, damit wir ein neues Leben wieder neu leben können. Wir gehen ja auch jede Nacht in einen kleinen Tod, wenn wir schlafen. Wir wissen nicht, ob wir wieder aufwachen. Aus Gewohnheit, aus Erfahrung nehmen wir an, dass wir wieder aufwachen, aber wir wissen es nicht. Meistens brauchen wir ja nur Sekunden, um uns nach dem Aufwachen wieder zurechtzufinden. Aber passiert es uns nicht allen immer wieder, dass wir nicht wissen, wo wir sind, wenn wir aufwachen? So weit sind wir weg. Vielleicht ist das schon diese andere Ebene. Der Tod ist vielleicht nicht anders. Wir haben ja auch an den Schlaf kaum bewusste Erinnerungen. Wir wissen manchmal, was wir geträumt haben, das war dann sehr schön. Aber mit ähnlichem Bewusstsein spüren wir vielleicht auch, dass wir schon gelebt haben. Es passiert doch, dass wir irgendwo stehen und sagen: Hier war ich schon einmal, obwohl man an dem betreffenden Ort in diesem Leben noch nicht war. Das gibt es auch. Ich glaube, wir sind viel mehr im Geistigen zuhause als wir das in unserer materiellen Welt wahrhaben wollen.

Foto 6: Maria strahlt...
WJL: Haben Sie eine konkrete Vorstellung als was Sie einmal wiedergeboren werden möchten?
Maria Schell: Ich möchte gern einmal ein Mann sein, um wirklich herauszukriegen, wie das so ist, ein Mann zu sein. Genauso könnte ich mir vorstellen, dass ein Mann sagt, einmal als Frau wiedergeboren werden zu wollen.

WJL: Rudi Carell hat mir auf diese Frage geantwortet, dass er als Frau wiedergeboren werden möchte…
Maria Schell: Ja. Um einfach wirklich hinter dieses unglaubliche Wunder der zweierlei Geschlechter zu kommen. Das ist ja wirklich ein unglaubliches Wunder der Natur. Es wäre schon reizvoll, einmal die andere Seite, die andere Spiegelung zu erleben. Aber ich käme natürlich genauso gern nochmal als ich selbst zur Welt.

WJL: Würden Sie Ihr Leben noch einmal genauso führen, wie Sie es getan haben? Oder gab es Augenblicke, wenn Sie in die zurückkehren könnten, von denen aus sie einen anderen Weg gehen würden? Würden Sie gern in Ihre Vergangenheit zurück gehen und einiges ändern?
Maria Schell: Eins ist ganz sicher. Ich würde ganz bestimmt wieder Schauspielerin sein. Vielleicht würde ich beim Aufbau meiner Karriere, die ich zeitweilig sehr vernachlässigt habe, aus privaten Gründen, etwas klüger sein. Meine Heirat, meine Kinder, Privates eben, war mir oft wichtiger als meine Karriere.

WJL: Aber ist das nicht besser, als dass Sie sagen müssten: »Ich hatte kein wirkliches Leben?«
Maria Schell: Schon wahr!

WJL: Wenn Sie an die Schauspielkunst denken … Inwieweit muss sich ein Schauspieler oder eine Schauspielerin verändern, um eine Rolle auch wirklich auszufüllen?
Maria Schell: Es gibt zwei Arten von Schauspielern. Die einen können sich sehr stark verwandeln, die anderen holen die Rollen zu sich her und verwandeln sich trotzdem. Ich bin von der zweiten Art, hole die Rollen zu mir.

Maria Schell (nach kurzem Nachdenken): Im Augenblick (Oktober 1985) wird ein Filmporträt von mir gemacht. Da werden verschiedene Filmausschnitte zusammengestellt um zu zeigen, wie verschieden ich in verschiedenen Rollen bin. Manchmal habe ich ein verhältnismäßig ungeschminktes Gesicht, manchmal bin ich ein wenig jünger, mal ein wenig älter. Man sieht aber sehr deutlich, wie stark das innere Leben die äußere Erscheinung verändern kann.

WJL: Kann eine Schauspielerin, kann ein Schauspieler durch eine Rolle verändert werden in seinem Wesen, sei es positiv oder negativ?
Maria Schell: Nein, nein.

Fotos 7 und 8: »Die Ratten« und »Wenn das Herz spicht« mit Maria Schell

WJL: Wenn Sie beispielsweise einen Film abgeschlossen haben, fällt Ihnen dann das andere, filmisch dargestellte Leben ab, wie ein abgelegtes Kleid, eine Maske, die ausgedient hat?
Maria Schell: Ja. Ich kann während der Vorbereitungen der Dreharbeiten sehr wohl unterscheiden, was Film und Familienleben, was ein Interview, was ein Filmdialog ist. Aber wenn ich in einer Szene bin, dann ist die Verwandlung total. Ich glaube, das kann ein Außenseiter kaum ermessen, wie sehr man jedes Mal mit einer Rolle auch in ein anderes Leben eintritt. Dieses andere Leben will im Mittelpunkt stehen, es nimmt die Seele, die Gedanken, die Zeit in Anspruch. Wenn ich dann eine Szene spiele, da muss ich von meinem Leben als Maria Schell in dieses andere Leben hinübergehen, mein eigentliches Leben zurücklassen. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an den Film »Die Ratten« aus dem Jahr 1955, frei nach Hauptmann. Die Mauer bestand damals ja noch nicht. Ich fuhr also in die DDR, kaufte mir dort ein Kleid, es war schrecklich, dazu Büstenhalter, Unterwäsche und Schuhe. Die Sachen ließ ich reinigen. Außerdem hatte ich mir eine Dauerwelle machen lassen und ließ mir meine Ohrläppchen durchstechen und trug zwei kleine falsche Perlen darin. Ich hatte ein Mädchen zu spielen, das in anderen Umständen war. Ich trug dieses eine Kleid während des ganzen Films. Man sagte mir, ich habe wirklich absolut echt ausgesehen.

> Hier weiterlesen: Teil 2

Zu den Fotos

Fotos 1 und 2: Buchcover/ Fotos Langen Müller Verlag und Gustav Lübbe Verlag
Foto 3: Maria Schells handschriftliche Widmung
Foto 4: Einer von Maria Schells beiden »Seelchen«-Filmen. amazon
Foto 5: Rudi Carell wollte als Frau wiedergeboren werden/ Foto Foto wikimedia commons Jan Arkesteijn
Foto 6: Maria Schell 1976/ Foto: wikimedia commons/ Mieremet, Rob Anefo
Fotos 7 und 8: »Die Ratten« und »Wenn das Herz spricht« mit Maria Schell

Maria Schell im Interview mit Walter-Jörg Langbein
Teil 2

erscheint am 16.01.2017

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