Sonntag, 29. Mai 2011

71 »Abstieg in die Unterwelt«

Teil 71 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Das Tor zur Pyramide
Foto W-J.Langbein
Chavin de Huantar muss einst eine wirklich imposante Anlage gewesen sein. Das gewaltige Portal wurde inzwischen wieder teilweise restauriert. Auf zwei wuchtigen Granitsäulen ruhte einst eine riesige Steinplatte von knapp neun Metern Länge. Rechts und links von den Säulen standen einst sauber geglättete Steinplatten. Ein Erdbeben hat wohl das imposante Ensemble zum Einsturz gebracht. Die Trümmer wurden von Archäologen wieder aufgerichtet.

Einst war hinter dem Toreingang eine Pyramide zu sehen. Sie hatte vermutlich eine Seitenlänge von siebzig Metern und eine Höhe von mindestens fünfzehn Metern. Von der Pyramide ist heute nichts mehr vorhanden. Ihre Überreste liegen unter einem natürlich wirkenden Erdhügel verborgen.

Welchem Zweck die Gebäude von Chavin einst dienten, niemand vermag das zu sagen. Falsch ist die willkürlich gewählte Bezeichnung »Castillo«, was so viel wie »Schloss« oder »Burg« bedeutet. Mag sein, dass die geheimnisvollen Bauten Jahrtausende überstanden. Zerstört wurde der stolze Komplex erst im 20. Jahrhundert ... ausnahmsweise nicht von plündernden Eroberern, sondern von den Naturgewalten.

1919 untersuchte der peruanische Archäologe Julio C. Tello gut erhaltene Bauten. Unzufrieden über seine spärlichen Erkenntnisse reiste er wieder ab. Als der Wissenschaftler 1934 nach Chavin de Huantar zurückkehrte ... waren sie zerstört. Ein meist harmlos dahinplätschernder Bach, so nahm er an, hatte sich kurzfristig zu einem Wassermassen führenden Strom entwickelt und verheerende Verwüstungen angerichtet.

Einer der Abwasserkanäle
Foto W-J.Langbein
Offenbar hatten die Erbauer von Chavin de Huantar von den Gefahren gewusst, die von den Wassermassen aus den Berggipfeln ausgehen können. Sie errichteten nicht nur Pyramiden und Tempel, sie legten auch ein komplexes Schutz-System an. Sie schotteten den Gebäudekomplex mit wuchtigen Steinmonolithen ab. Sie legten Kanäle an, die die sporadisch auftretenden Wassermassen um die Anlage herum führten. Und sie konstruierten ein komplexes Röhrensystem unter den Bauten, das gefährliche Wassermengen unterirdisch ableiten sollte. Es gab Kanäle, die im Falle einer Überflutung mit Gebirgswasser die Fluten sammelten und dann unterirdisch abführten.

Wann versagte dieses System ... und warum? Irgendwann wurde Chavin de Huantar aufgegeben. Die Abwasser-Tunnels wurden nicht mehr gewartet. Verschlammten sie? Wurde das sorgfältig konstruierte System wirkungslos? Allein schon die unterirdischen Abwasserröhren waren eine Meisterleistung der Ingenieurskunst. 1965 wurden erste Galerien unter Chavin de Huantar entdeckt und freigelegt: keine »simple« Kanalisation, sondern ein weiträumiges System von begehbaren Gängen und merkwürdigen Kammern. Noch ist erst ein Bruchteil der Unterwelt erforscht ... von den zugänlichen Gängen und Räumen! Weite Bereiche müssen erst ausgegraben werden, bevor sie erforscht werden können! Wie groß sie sind ... das weiß niemand!

Bunkerartiger Eingang
Foto W-J.Langbein
Mich hat die Unterwelt von Chavin de Huantar mehr fasziniert als die im Schlamm begrabenen Gebäude. Und so suchte ich bei meinen Besuchen immer wieder nach Eingängen zu den mysteriösen Tunneln. Ich wurde mehrfach fündig ... abseits der rekonstruierten Mauern, fern des einst imposanten Tors. Ich bin in mehrere Eingänge geklettert.

Mehrfach musste ich schon nach einigen Metern wieder umkehren, weil wuchtige, von der Decke gestürzte Steinbrocken ein Weiterkommen unmöglich machten. Einmal war der Boden so verschlammt, von eisigem, seitlich hereinquellenden Wasser, dass ich auf eine weitere Erkundung verzichtete.

Großen Eindruck machte auf mich, wie massive Steinbrocken von offensichtlich beachtlichem Gewicht zum Einsatz kamen: als Boden- und Deckenplatten in mannshohen, unterirdischen Gängen, aber auch in mysteriösem Kammern. In einigen Kammern hat man offensichtlich Bodensteine mit großer Gewalt zerschlagen, vielleicht weil man Schätze darunter vermutete? An solchen Stellen kann man erkennen, wie dick solche Bodenplatten oft sind. Der Stein wude von weit her antransportiert.

Tonnenschwere Decksteine
wirken bedrohlich ...
Foto W-J.Langbein
Den Erbauern war gewiss bekannt, dass die Region von Chavin de Huantar häufig von auch starken Erdbeben heimgesucht wurde. So versuchte man, so erdbebensicher wie nur möglich zu bauen. So soll auch manche Mauer erst vor wenigen Jahrzehnten eingestürzt sein, als Chavin de Huantar als »Steinbruch« missbraucht wurde. Steinquader wurden herausgebrochen und weggeschleppt, andere Steine rutschten nach ... Auch sollen manche Eingänge zugeschüttet worden sein, um bösen Geistern den Besuch in der Welt der Lebenden zumindest zu erschweren.

Welchem Zweck zum Teil sehr schmale und dabei sehr hohe Korridore dienten ... niemand vermag das zu sagen. Die Namen, mit denen einzelne unterirdische Tunnelkomplexe versehen wurden, sind willkürlich gewählt.

Da gibt es eine »Galerie der Fledermäuse«. Diese Bezeichnung passt mehr oder minder zu allen Galerien, hausen doch überall Fledermäuse. Ihre Hinterlassenschaften an Wänden und am Boden dürften manchen Besucher abschrecken. Eine weiterer unterirdischer Irrgarten wird als »Galerie des Verrückten« tituliert. Einleuchtender ist die Bezeichnung »Galerie der Treppen« für wieder einen anderen Teil der mysteriösen Unterwelt.

Eine der Kammern
Foto W-J.Langbein
Die »Galerie der Opfergaben« wurde besonders intensiv untersucht. Im Hauptgang wurden unzählige Tonscherben gefunden, die in mühsamer Geduldsarbeit wieder zu fast 700 Keramikgefäßen zusammengefügt werden konnten. Die Tonwaren sind vor vielen Jahrhunderten bewusst zerschlagen worden. Zerschlagen und zersplittert hat man auch Knochen, die mit Erdreich vermengt entdeckt wurden: von Alpakas, Andenhirschen, Beutelratten, Füchsen und Opposums. Gefunden wurden auch zerschlagene Vogelknochen ... und solche von Menschen.

Wurden Mensch und Tier irgendwo oben in der Welt der Lebenden geopfert und zerstückelt? In Sechín – ich darf daran erinnern – gibt es Steingravuren von zerteilten Menschen ... Wurden die so verstümmelten Körper in der »Galerie der Opfergaben« abgelegt? Warum befanden sich fast alle der Knochen im Hauptkorridor der Galerie und nicht in den neun schmalen Kämmerchen? Waren die beengten Räume als Behausungen für Götter oder Geister gedacht, die sich an den im Gang davor liegenden Gaben bedienen konnten? Oder projizieren wir nur unsere Fantasien in Räume und Funde, die wir nicht verstehen können? Suchen wir nur Bestätigung für unser Bild von der Vergangenheit des Menschen?
.
Eine niedrige Passage
Foto W-J.Langbein
Besonders makaber: Die Menschenknochen waren gekocht worden. Gab es rituellen Kannibalismus in Chavin de Huantar, vielleicht in einem Tempel im überirdischen Komplex? Oder fanden grausige Riten in der unterirdischen Welt statt? Oder bereitete man die Opfer als Mahl für Götter oder Geister vor? Wollte man jenen Wesen kein rohes Fleisch zumuten? Warum zerstückelte man die Opfergaben? Falls die göttlichen Wesen in der Vorstellung der Menschen in den in den unterirdischen Kammern hausten: sehr bequem hatten sie es nicht. Die Räume waren sehr schmal, etwa einen Meter, dafür bis zu 2 Meter hoch ... nach unserem heutigen Verständnis recht unpraktisch!

Ich habe zahlreiche Messungen in der »Galerie der Opfergaben« vorgenommen. Der Hauptgang ist bis zu zwei Meter hoch, aber nie breiter als 90 cm! Die Länge beträgt etwa 25 Meter.

Immer wieder enden unterirdische Tunnel abrupt, weil Steinmassen eingebrochen sind. Andere scheinen als blinde Gänge angelegt worden zu sein. Dann heißt es ... umkehren! Immer wieder kommt man an Abzweigungen.. oder besonders niedrige Passagen, die man nur auf dem Bauch kriechend überwinden kann. Und immer wieder versperren Steinbrocken den Weg, warnen vor lebensgefährlicher Einsturzgefahr. Werden wir je Chavin de Huantar verstehen? Es gibt noch sehr viel zu tun für die Forschung!

Platzangst sollte ein Erforscher der Unterwelt von Chavin de Huantar jedenfalls nicht haben ... und auch keine allzugroßen hygienischen Ansprüche stellen!

WJL in der Unterwelt
Foto Ingeborg Diekmann
»Die Lanze zwischen Himmel und Hölle«,
Teil 72 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 05.06.2011



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Samstag, 28. Mai 2011

Freunde

Süße Schwester,
die ich fürchtete und liebte.
Meine Sehnsucht nach Dir,
die mich trug, ist dahin.

Den Boden verlor ich,
aus Angst,
mich zu erkennen,
in Deiner Nähe.

Was ich an Dir liebte,
das hungerte,
was ich an Dir fürchtete,
das brodelt in mir.

So, wie ich Dich liebte,
so werd ich dich hassen.
Wie Seelenverwandte —
konnten wir das zulassen?

Wie warm es auch war,
mit Dir zu träumen.
So süß schmeckte es,
ohne Dich, auch jemand zu sein!

Unsere Nähe, so scheint mir,
war keine Verschmelzung.
Wohl aber Sehnsucht
nach sich selbst.

Die Wärme zwischen uns,
mehr Trost, als die Wahrheit,
von der wir immerzu sprachen.

Am Ende nun
ist jede
für sich
doch allein.

Und die Spiegel,
die wir für einander waren —
die Scherben in unseren Herzen —
ist das jetzt die Wahrheit in uns?

© gcr 1995
 

Freundschaften, sind die wertvollsten Erfahrungen, die man im Leben machen kann. Nicht die Dauer ist entscheidend, sondern die Chancen, die man sich gegenseitig gibt, um aneinander wachsen zu können. So ist es gar nicht ungewöhnlich, dass Freunde, die es ehrlich miteinander meinen, sich auf unterschiedliche Wege bringen, nachdem sie ein Weilchen gemeinsam gegangen sind. 
Seltsam, dass solche Freundschaft niemals endet,
auch dann nicht, wenn man sich jahrelang nicht begegnet. Sitzt man irgendwann wieder gemeinsam, gehen die Gespräche weiter, als wären Minuten vergangen.

Mehr von g.c.roth:
"Fluffige und andere Zeiten"
Heitere und besinnliche Kurzgeschichten, Fabeln und Gedichte





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Sonntag, 22. Mai 2011

70 »Chavin de Huantar, das Geheimnis der Anden«

Teil 70 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein

Hier geht es nach Chavin de Huantar
Foto W-J.Langbein
In den Hochanden des nördlichen Peru gibt ein geheimnisvoller Tempel der Wissenschaft seit Jahrzehnten Rätsel auf. Wiederholt war ich vor Ort. Wiederholt kroch ich in die gefährliche Unterwelt von Chavin, hoch in der peruanischen Bergwelt. Meine Überzeugung: Der Jahrtausende alte Komplex wurde um ein meterlanges, steinernes Kult-Objekt herum gebaut. Diese nur wenige Meter hohe steinerne Lanze verbindet die »Unterwelt« mit der »Oberwelt« des Tempels von Chavin de Huantar. Sie erinnert mich an den Lebensbaum aus uralten Mythen, an die Irminsul der Germanen. Stellte sie die Verbindung zwischen Erde und Himmel dar, so wie der Turm zu Babel der Bibel?

Am besten ist die »Unterwelt« erhalten, ein komplexes, unübersichtliches System aus unterirdischen Gängen, ein Labyrinth der unübersichtlichsten Art. Wirklich erforscht wurde es bis heute nicht. Wir müssen bedenken: die heutigen »modernen« Straßen in die Hochanden Perus muten halsbrecherisch an. Vor Jahrzehnten oder gar vor einhundert und mehr Jahren war Chavin fast unerreichbar. Expeditionen in die fremde Welt waren lebensgefährlich.

Begegnung am Abgrund
Foto W-J.Langbein
Schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts versuchte der Archäologe Ernst Wilhelm Middendorf, die Ruinen zu ergründen. Sie waren damals der einheimischen Bevölkerung als altes Mauerwerk ohne besonderen Wert bekannt. Menschen hausten in uraltem Gemäuer, nutzten Tunneleingänge als Keller. Altes Gemäuer wurde mit Hütten und einfachen Steinhäusern überbaut.

1923 und 1942 setzte Julio C. Tello die Arbeiten fort. Chavin de Huantar sei ein bedeutsames Zentrum südamerikanischer Urkulturen. Mag sein, dass der Wissenschaftler dem Rätsel Chavin de Huantars auf der Spur war ... 1945 machte eine gewaltige Katastrophe die gesamte archäologische Erforschung der uralten Stätte zunichte. Eine gewaltige Schlammlawine verwüstete alles. Sie begrub alles, was dem Vergessen wieder mühsam entrissen werden sollte, unter einer meterdicken Schicht. Und so zieht es nicht viele Besucher nach Chavin de Huantar, die furchteinflößenden Serpentinen schrecken doch sehr ab....

Seit Jahrzehnten bereise ich die Welt, stets auf der Suche nach den großen Geheimnissen unserer Vergangenheit. Nirgendwo sonst fühlt man sich so urplötzlich auf einen unwirtlichen, fremden Planeten irgendwo in den Tiefen des Alls versetzt wie in den Anden Nordperus. Sobald man die moderne Küstenstraße verlassen hat, dringt man in eine fremdartige Welt vor. Sobald man sich in die Berge aufmacht, sind Karten allenfalls nur bedingt vertrauenswürdig. Selbst eigene Erkenntnisse von früheren Reisen können schon längst wieder überholt sein. Moderne Teerstraßen können sich nur wenige Jahre später in Schotterpisten verwandelt haben, auf denen man nur sehr langsam vorwärts kommt. Offenbar wird immer wieder am Material gespart. Teerstraßen mögen noch so vertrauenswürdig aussehen, die manchmal nur hauchdünne Schicht des Belags kann sehr schnell abgefahren sein.

Gewöhnungsbedürftig ist auch der Umstand, dass man von der Panamericana-Küstenstraße aus – Höhe Null über dem Meeresspiegel – in kürzester Zeit auf steilen Serpentinen in Höhen vordringen muss, die man sonst nur im Flugzeug erreicht. Und das auf oftmals ungeteerten Schotterstraßen.

Einsamkeit in den Hochanden
Foto W-J.Langbein
Meine bevorzugte Route: Trujillo - Huaraz (Zwischenstopp in den Ruinen von Sechín) – Catac – Chavin de Huantar. Wie man auch fährt, man kommt nicht umhin, sich auf furchteinflößenden Serpentinen in die Hochanden hinauf zu quälen. Die Straßen sind extrem schmal, meist nur einspurig befahrbar. Auf der einen Seite geht's fast senkrecht bergab in die Tiefe, auf der anderen senkrecht empor. Wer schon einmal auf so einer Straße im Bus – oder einem PKW – einem entgegenkommenden Bus begegnete, weiß, was Angst im Straßenverkehr bedeutet. Lebensgefährliche »Ausweichmanöver« sind hier an der Tagesordnung. Beherzt setzen Busfahrer im Rückwärtsgang zurück, bis sie eine etwas »breitere« Stelle erreichen, an der die beiden Busse einander passieren können. Wer dann im Bus außen sitzt, kann senkrecht in den Abgrund blicken.

Immer wieder kommt es zu Unglücken, kommen PKWs, LKWs oder Busse von der Fahrbahn ab und stürzen in die Tiefe. Überlebende gibt es dann so gut wie nie. Längst werden keine Kreuze mehr für einzelne Tote angebracht, sondern für zerschmetterte Busse ...

Von Catac aus geht es in die Bergwelt der »Cordillera Blanco«. Wir fahren durch den Nationalpark Huascaran. Auf einer Höhe von fast 4000 Metern lädt die malerische »Laguna Querococha« zu einer kurzen Pause ein. Längere Zwischenaufenthalte sollte man meiden. Denn man weiß nie, ob man Zwangspausen einlegen muss ... etwa wenn Gerölllawinen die schmale Straße unpassierbar machen.

Laguna Querococha
Foto W-J.Langbein
Von Catac aus sind es »nur« noch 70 Kilometer bis nach Chavin. Nach 38 Kilometern erreicht man das »Nadelöhr« der Strecke: den Kahuish Tunnel ... auf einer Höhe von 4510 Metern. Einen halben Kilometer ist er lang ... fünfhundert lange Meter entsprechen hier einer gefühlten Unendlichkeit. Auch der Tunnel ist nur einspurig. Eine Ampelanlage wäre mehr als hilfreich, existiert aber nicht. Begegnen sich in seinem pechschwarzen Schlund zwei Vehikel, dann muss rückwärts zum Ausgang zurückfahren, wer der Ein- oder Ausfahrt am nächsten ist. Nicht selten werden irgendwo im Tunnel hitzige Diskussionen geführt, wer denn nun zurückstoßen muss.

Der Begriff »Tunnel« führt leicht zu falschen Vorstellungen ... die Röhre vom Kahuish-Pass erinnert mehr an einen Bergwerksschacht. Zeitweise gibt es elektrisches Licht, die Lampen fallen – so vorhanden – meist aus. Die bis zu knietiefen Schlaglöcher werden offenbar nur sporadisch ausgebessert. Von den Seiten und der Decke prasseln immer wieder Felsbrocken auf die Fahrbahn herab. Wasser tropft von der Decke oder quillt aus Spalten in den Wänden. Manchmal sprudelt plötzlich eine kraftvolle Quelle aus dem Dunkel und überschwemmt die »Angsttraumstraße« (Erich von Däniken).

Hat man den Tunnel passiert ... geht es wieder steil bergab: ins Tal von Mosna, zum Dörfchen Machac. Von hier aus erreicht man »bequem« den Tempel von Chavin de Huantar zu Fuß ... Die Schlammlawine von 1945 hat alles, was an überirdischen Ruinen noch vorhanden war, mit einer meterdicken Schicht bedeckt. Mauern, die noch standen oder von Archäologen mühsam rekonstruiert worden waren, wurden umgestoßen und begraben. Eingänge zur Unterwelt wurden verschlossen. So türmt sich heute ein »Hügel« über einer der wohl rätselhaftesten Ruinen unseres Planeten.

5Imposantes Mauerwerk von
Chavin de Huantar
Foto W_J.Langbein
Inzwischen wurden einige wenige der Außenmauern der Tempelanlage rekonstruiert. Sie lassen erahnen, von welch beeindruckender Größe der überirdische Teil von Chavin de Huantar einst war.

Schlamm drang in so manchen unterirdischen Gang ein und füllte ihn. Und doch blieben kilometerlange Tunnel in der Unterwelt erhalten ... und passierbar.

Fledermäuse haben die Unterwelt in Beschlag genommen. Wer den unterirdischen Teil von Chavin de Huantar erkunden möchte, darf keine Angst vor diesen Tierchen haben. Menschen mit empfindlichen Nasen sollten auf eine solche Tour verzichten, streckenweise stinkt es erbärmlich. Ein Erkundigen der Unterwelt, fernab der für Touristen abgesicherten Passagen, ist zudem alles andere als ungefährlich. Teil der Gänge sind eingestürzt, andere können jeden Moment neugierige Besucher begraben.


»Abstieg in die Unterwelt«,
Teil 71 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 29.05.2011

Samstag, 21. Mai 2011

Sylvia B. »Hund und Katze«

Illustration: Sylvia B.
wer kam darauf
wie hund und katze
wenn zwei
im dauerstreit
verharren

Du solltest sie sehen
meinen hund
und meine katze
friedlich schlafend
aneinander gekuschelt

sie fressen ein futter
aus einem napf
sie spielen zusammen
sie raufen sich

und ich kann sehen
wie sie sich mögen
sie sind gute freunde
die beiden

würden sich doch
auch die menschen
so gut verstehen
wie mein hund
und meine katze

aus: »der tiger am gelben fluss« Sylvia B.




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Montag, 16. Mai 2011

Udo Lindenberg: Ein »Rock’n’ Roller feiert Geburtstag


Author =www.promiflash.de
Wikimedia 
Udo Lindenberg wie wir ihn kennen: mit schwarzem Mantel, Hut und Sonnenbrille. An diesem Image hält er seit vielen Jahrzenten fest, egal wo er mit seinem Panikorchester auftritt. Sein berühmtes »Nuscheln« und die Wölbungen seiner Lippen sind uns bestens vertraut. Udo ist beliebt, trotz seiner früheren gewöhnungsbedürftigen Auftritte. Exzesse liegen lange zurück. Udo hat sich verändert und kommt so gut an, wie eh und je. Viel hat er erreicht mit seinen Liedern, mit denen er stets etwas aussagen will.

Schon als Kind entwickelte er ein Gefühl für Rhythmus. Bis er sein erstes Schlagzeug bekam, mussten Benzinfässer herhalten. 1969 trat er als Schlagzeuger in einer Folk-Rock-Band, den City Preachers, ein. Kurz danach gründete er seine erste eigene Band. Am Anfang seiner Karriere sang Udo Lindenberg englisch.

Sein Durchbruch gelang ihm mit seinem deutschsprachigem Album »Andrea Doria«. Mit seinem Lied »Sonderzug nach Pankow« schaffte er mit Honeckers Genehmigung einen Auftritt in der ehemaligen DDR. Das war für die damaligen politischen Verhältnisse ein großer Erfolg. Viele weitere Songs folgten. Udo Lindenberg erlebte Höhen und Tiefen. Seine Tiefs hat er längs überwunden und schwimmt auf der obersten Welle. Udo, die Rocklegende, ist zurück.

Selbstbildnis von Udo Lindenberg
aus dem Archiv von W.-J. Langbein
Das Musical »Hinterm Horizont« läuft zurzeit im Stage Theater in Berlin. Wenn man ihn sieht, merkt man, dass er gut drauf ist und rundum zufrieden scheint. In der Zeitschrift »Mobil« konnte ich lesen, dass Udo nicht, wie man vermutet, hinter seiner dunklen Brille, verquollene, müde Augen hat. Nein! Es seien schöne blaue Augen, mit klarem gutherzigem Blick. Na also, Udo ist unser Bester!

Er ist nicht nur Musiker, sondern auch Autor und Maler. Bücher und Zeichnungen wurden von ihm veröffentlicht. Selbst als Filmproduzent hat er sich behauptet.

Der Vorplatz des einzigartigen Rock’n’Pop-Museums in Gronau wurde nach Udo Lindenberg benannt.
Das Museum wurde 2004 gebaut und erzählt Rock- und Popgeschichte des 20. Jahrhunderts. Außerdem erhielt Udo auf der Hamburger Reeperbahn einen Stern (»Walk of Fame«), eingelassen, in den Gehweg.

In seiner Autobiografie finden Sie viele Abschnitte seines Lebens.

Udo Lindenberg ist politisch angagiert. Seine Texte handeln von Themen unserer Zeit, mit denen er seine Weltanschauung zum Ausdruck bringt. 2006 gründete er eine eigene Stiftung mit kulturpolitischem Engagement. Nachwuchsbands mit deutschen Texten werden von dieser Stiftung durch Wettbewerbe gefördert.

Udo Lindenberg wurde 1946 in Gronau (Westfalen) geboren und hat zwei Geschwister, eine jüngere Schwester und einen älteren Bruder, der bereits 2006 verstorben ist.

Am 17. Mai feiert er seinen 65. Geburtstag. Dazu wünscht das Team von »Ein Buch lesen« alles Gute und weiterhin viel Erfolg!

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Sonntag, 15. Mai 2011

69 »Das Gruselkabinett von Sechín«

Preisausschreiben: Nehmen Sie noch bis 26. 06. teil und gewinnen Sie 3 x 1 Exemplar des Buches »2012 - Endzeit und Neuanfang« von Walter-Jörg Langbein

Teil 69 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von
Walter-Jörg Langbein
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Hätte ich nur ein Taxi genommen, dachte ich immer wieder. Warum musste ich auch dieses supergünstige Angebot annehmen ... Ich würde in einem Bruchteil der Zeit mit dem Flugzeug der Küste entlang förmlich meinem Ziel entgegen schweben. Dann kam es ganz anders als gedacht ... Der Flug von Lima nach Chimbote wurde zum reinsten Höllenritt. Die kleine Propellermaschine sackte mehrfach ab. Mein Magen sauste wie im Expressaufzug abwechselnd bis unter meine Schädeldecke oder in meine Füße. Und immer, wenn die kleine Maschine wie von unsichtbaren Fäusten getroffen wie ein störrischer Esel zur Seite geworfen wurde, lachte mein Pilot nur auf. Dann klatschte er sich mit der flachen Hand auf den Magen. Auf dieses Zeichen hin musste ich ihm eine dunkelbraune Flasche reichen, aus der er einen gewaltigen Schluck nahm. »Meine Magenmedizin..« kicherte er vor sich hin. Hätte ich doch nur ein Taxi genommen... dachte ich. Ich muss zugeben: Meine Angst wuchs von Minute zu Minute... und erreichte ihren Höhepunkt bei der Landung auf einer Art Feldweg außerhalb von Chimbote. Dankend lehnte ich das Angebot meines tüchtigen Piloten ab, mich gegen ein »kleines Trinkgeld« - wohl für die »Magenmedizin« - bis nach Llata zu fliegen. Ich nahm dann doch lieber ein Taxi.

Die Monstermauer vor dem Berg
W-J.Langbein
Von Llata war es nur noch ein Katzensprung zur vielleicht ältesten Tempelanlage Perus, vielleicht sogar Südamerikas. Die Hitze war unerträglich, als ich die letzten Schritte zu Fuß ging. Schwer zerrte meine Kameratasche mit meinen beiden Fotoapparaten an der Schulter. Ein schmutzig-brauner Hügel wirkte wenig einladend. Ich ging auf diesen kleinen Berg in der Wüste zu. Und stand plötzlich vor einer wahren Monstermauer. Bis zu vier Meter ist sie hoch. Zusammengesetzt wurde sie aus mächtigen Monolithen, zwischen die wuchtige Steinplatten eingesetzt wurden. Monolithen wie Platten sind mit Hunderten von kräftig ausgeführten Gravuren bedeckt. Diese Darstellungen sind es, die die Mauer zu einem Panoptikum des Grauens machen.

1937 hat der berühmte Archäologe Julio César Tello erste Ausgrabungen durchgeführt. Schnell, und wohl etwas voreilig, versah der renommierte Wissenschaftler die ersten Funde mit dem Etikett »Chavinkultur«. Für ihn stand fest: Sechín entstand um 1700 vor Christus. Ich erinnere mich sehr genau an eine Begegnung der unangenehmen Art... Ich nähere mich, müde von der Hitze, der Monsterauer von Sechín. Hinter einem wuchtigen Stein taucht ein ältlicher Archäologe mit grauem Bart auf. Argwöhnisch mustert er mich, tritt mir energisch entgegen. Wenn ich keine Grabungs-Lizenz vorzuweisen hätte, so möge ich umgehend wieder verschwinden.

Ein Opfer ohne Beine -
abgeschlagene Schädel
Foto W-J.Langbein
Milde lächelnd antworte ich: »Mein Sohn, ich bin kein Archäologe... Ich bereise als Theologe die Welt ...« Der Archäologe blickt mich besorgt an. »Diese Wand ist nichts für schwache Nerven ...« Und schon führt er mich von Gravur zu Gravur, erklärt Bild für Bild. Die Mauer zeige, so erfahre ich eine Prozession der Sieger. Vielleicht sind es Krieger, die aus einer Schlacht nach Hause zurückkehren. Vielleicht sind es aber auch Opferpriester, die ihren Göttern auf grausige Weise gehuldigt haben.

In der wissenschaftlichen Literatur ist man sich nicht einig, ob darauf geistliche Zeremonienmeister oder weltliche Kämpfer zu sehen sind. Keinen Zweifel aber gibt es, dass neben den Mächtigen die Schwachen, neben den Gewinnern die Verlierer dargestellt wurden.... die Opfer! Grausamste Szenen sind da fast wie Einzelbilder eines Horrorfilms aneinandergereiht. Da hat man einen Mann in zwei Teile gehackt, einem anderen hat man die Beine abgeschnitten. Unzählige Opfer wurden enthauptet. Man hat ihre abgeschlagenen Schädel aufgetürmt zu blutigen Bergen des Triumphs, für einen zornigen Gott oder einen grausamen Regenten. Besonders häufig waren abgetrennte Köpfe zu sehen, aus denen Fontänen von Blut spritzten. Galt das Blut als Sitz der Lebenskraft und somit als besondere Opfergabe?
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Ausgestochene Augen (links),
abgetrennte Arme und
Köpfe (rechts)
Foto W-J.Langbein
Texte haben die Erbauer der Anlage von Sechín keine hinterlassen, zumindest wurden bis heute keine entdeckt. So sind wir – noch – auf Vermutungen und Theorien angewiesen. »Die Opfer wurden nicht nur getötet, sie wurden grässlich verstümmelt...« erklärt mit beredt der Archäologe. »Man hat ihnen die Arme abgehackt und die Augen ausgestochen. Sie sollten im Jenseits hilflos sein, nicht sehen können...« Ich frage: »Wollte man so verhindern, dass sich die Toten als Geister rächen?« Das sei durchaus möglich.

Ich bin skeptisch, was die Rekonstruktion der Mauer angeht. Man war ja gezwungen, die uralten Brocken wieder zusammenzufügen... ohne dass man sich nach einer alten Vorlage hätte richten können. Der Archäologe pflichtet mir bei. »In welcher Reihenfolge die einzelnen Figuren ursprünglich zu sehen waren, wissen wir natürlich nicht. Aber keinen Zweifel gibt es daran, wer Sieger und wer Verlierer war!«

Interpretieren wird heute richtig, was da vor Jahrtausenden dargestellt wurde? Sammelten die Sieger von einst Augen und Rückgrat-Wirbel als Trophäen ihrer blutigen Erfolge? Oder sind wir voreingenommen, suchen wir nach Bestätigung für unser Bild von den blutrünstigen »Wilden«? Wir sollten nicht vergessen: Die »christlichen« Entdecker und Eroberer haben bei ihren brutalen Kriegen gegen die Ureinwohner Perus weitaus schlimmer gewütet als die sogenannten »Wilden«!
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Zerteiltes Opfer (links) und abgetrennte
Schädel (rechts) Foto W-J.Langbein
1937 hat der Archäologe Julio César Tello Sechín auf die Zeit um 1700 vor Christus datiert. »Mein« Archäologe widerspricht. Da ich offenbar kein neidischer Konkurrent, sondern ein biederer Theologe bin, wird er immer gesprächiger. Es sei erst ein Bruchteil der einstmals riesigen Anlage von Sechín ausgegraben. Dabei handele es sich wohl um den jüngeren Teil. Der weitaus ältere müsse erst noch wissenschaftlich erfasst werden. Ich erfahre von der ältesten Schicht von Sechín... von einer wahrscheinlich gigantischen Pyramide, die aus monströsen Steinquadern aufgetürmt wurde... »vor mehr als fünf Jahrtausenden«.

In einer jüngeren, zweiten Bauphase habe man den unteren Teil der Pyramide als Fundament für einen Tempel verwendet... »Und wo befinden sich die Überreste der Pyramide?« Der Archäologe deutet mit dem Finger auf einen scheinbar natürlichen Hügel. »Unter diesem Haufen befindet sich die größte Sensation Südamerikas...«

Er zeigte mir stolz einige mächtige roh zugehauene und oberflächlich polierte Steinquader. »Davon gibt es riesige Mengen! Tausende habe ich gesehen! Sie wurden mit unglaublicher Präzision zu einer Pyramide zusammengefügt. Und das zu einer Zeit, als man in Ägypten noch nichts Vergleichbares zuwegebrachte!«

Aufgetürmte Schädel
Foto W-J. Langbein
Kühne Behauptungen... denke ich und habe so meine Zweifel. So mancher Forscher wähnte sich schon als Entdecker der großen Sensation... und wurde bitter enttäuscht. So mancher »Forscher« hat mich auf meinen Reisen auf vermeintliche Sensationen hingewiesen. Am 19.10.2006 bestätigte »Welt online« (1): »Deutsche Forscher finden riesige Pyramide in Peru. Im Casmatal im nördlichen Peru graben Berliner Archäologen gewaltige Spuren der ältesten Zivilisation Südamerikas aus. Die frühen Amerikaner bauten vor 5000 Jahren bis zu 100 Meter hohe Stufenpyramiden – und alles ohne Bagger.«

Und weiter heißt es im Bericht der renommierten Zeitung: »In Sechín Bajo im Casmatal, 370 Kilometer nördlich der peruanischen Hauptstadt Lima, stießen deutsche Archäologen auf Reste eines Bauwerks, dessen Fundamente mehrere hundert Meter im Quadrat ausmachen. Geschätzte Höhe: 70 bis 100 Meter. Doch nicht nur seine Maße, auch das Alter des Monumentalbaus, machen ihn zu einer Sensation: Geophysikalische Untersuchungen datieren den Komplex auf ein Alter von 5200 Jahren. Damit wäre es der älteste Steinbau Amerikas.«

Die Prozession an der Monstermauer von Sechín stellt – aus unserer Sicht – so etwas wie ein prähistorisches Gruselkabinett dar. Wurden die Gravuren von Künstlern geschaffen, die einer sterbenden Kultur angehörten? Wie weit zurück in der Geschichte mögen die ersten Anfänge dieser Kultur liegen, wenn sie vor mehr als 5000 Jahren eine große Pyramide hervorbrachte? Vieles spricht dafür, dass es in Peru eine uralte Kultur gab, die älter als die ägyptische ist! So wurden nicht nur in Sechín, sondern auch in anderen Flussoasen in der peruanischen Küstenwüste Hinweise auf riesige Bauwerke entdeckt, für die riesige Massen Steinmaterial verarbeitet wurden. In manchen wurden offenbar bis zu 100.000 Tonnen Stein verbaut. Der Ethnologe Hanns J. Prem ist überzeugt: Es gab eine »zentrale Autorität noch unbestimmbarer Form«.

Krieger oder
Opferpriester?
Foto W-J.Langbein
Die gruselige Mauer von Sechín ist steinerner Beleg eines uralten Volkes, von dem wir so gut wie nichts wissen. Rund fünfzig unscheinbare Hügel unterschiedlichen Ausmaßen bergen noch ungeahnte Schätze... Pyramiden!

Fußnote


»Chavin de Huantar, das Geheimnis der Anden«,
Teil 70 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 22.05.2011

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Sonntag, 8. Mai 2011

68 »Das Kreuz des Henkers«

Teil 68 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Die Kilianskirche von Lügde
Foto W-J.Langbein
Vor hundert Jahren rankte wilder Wein am mächtigen Turm der Kilianskirche zu Lügde empor. Und so erinnerte das Gotteshaus damals an ein verwunschenes Märchenschloss. Wann der Grundstein zur ältesten Kirche Lügdes gelegt worden sein mag, wir wissen es nicht. Manfred Willeke schreibt in seinem Buch »Lügder Sagen« (1): »Den Bau der ersten Kirche zeitlich einzuordnen ist sehr schwer und durch kein Schriftstück zu belegen. Ihn jedoch – wie Pfarrer Nussbaum 1629 im Pfarrbuch (Pfarramt Lügde) schreibt – mit dem Besuch Karls des Großen 784 in Verbindung zu bringen ist unsinnig, ja irreführend.«

In der vergangenen drei Jahrzehnten bereiste ich die Welt von Australien bis Vanuatu, legte Zigtausende Flugkilometer zurück. Die mysteriöse Kilianskirche liegt nur wenige Kilometer von meinem Dörfchen entfernt... Ein Besuch des alten Gotteshauses lohnt sich allemal. Monate lang wurde daran gearbeitet. Kurz vor Ostern, vor wenigen Tagen also, wurden die mächtigen Gerüste von den Außenwänden entfernt.

Historisch Tatsache ist wohl der Besuch Karls des Großen anno 784 in Lügde. Er wird, Willeke weist darauf hin (2) in den »Annales Laurensis« (Codex 473, Nationalbibliothek Wien) urkundlich erwähnt. Der fränkische Regent feierte damals das Weihnachtsfest in Lügde. Ein christliches Gotteshaus, wohl eher eine kleine Kapelle, gab es damals schon. Indes: So rein christlich soll die Kapelle nicht gewesen sein. Iroschottische Mönche, so besagt es die Überlieferung, hätten sie gebaut. Sollten tatsächlich iroschottische Mönche – vielleicht schon im sechsten oder siebten Jahrhundert nach Christus – bis nach Lügde gekommen sein? Fakt ist, dass sie nicht nur in ihrer Inselheimat blieben, sondern missionarisch auch das europäische Festland besuchten.

Blick in die Kilianskirche
Foto W-J.Langbein
Drei Wege konnten von den iroschottischen Mönchen beschritten werden: der des »grünen«, der des »weißen« und der des »roten Märtyriums«. Der grüne Weg war der einfachste. Ein Mönch wählte einen einsamen Ort in der Heimat aus, um dort möglichst als Einsiedler entbehrungsreich zu leben. Der weiße Weg war schon schwieriger und führte den Mönch ins Ausland, um dort die christliche Botschaft zu verbreiten. Der rote Weg schließlich war der gefährlichste. Bewusst wählte der Mönch eine besonders gefährliche Region auf, wo durch kriegerische Heiden Lebensgefahr für christliche Missionare bestand. So mancher Missionar suchte wohl bewusst eine Chance zum Tod als Märtyrer.

Lügde dürfte von Mönchen aufgesucht worden sein, die das »rote Märtyrium« anstrebten. Das Heidentum war noch sehr stark. Ließ man doch dort zur Begrüßung des Frühlings brennende Feuerräder von allen Bergen ins Tal hinab rollen. Praktizierte man doch dort noch einen uralten Kult um eine Sonnen-Gottheit, als Lügde offiziell längst schon christlich war. Womöglich waren die iroschottischen Mönche erstaunt, wie friedlich die Heiden sein konnten! Vermutlich fanden die gewieften Missionare Parallelen zwischen Heiden- und Christentum. So mussten sie die Menschen nicht von grundlegend Neuem überzogen. Sie konnten darauf hinweisen, dass der neue Glaube durchaus Gemeinsamkeiten mit ihrem alten hatte! Wurde nicht im Heidentum die Wintersonnende (um den 21./22. 12.) als »Geburtstag« einer Sonnen-Gottheit gefeiert, die der Welt das Licht des Lebens brachte? Geschickte Prediger verkündeten Jesus als den Gott des Lichts und des Lebens, als Sonnen-Gottheit in christlichem Gewand.An eine Sonnengottheit erinnert noch heute der Brauch des Feuerräderlaufs von Lügde, der immer am Ostersonntag stattfindet... heute von der katholischen Kirche christlich interpretiert.

Feuerräderlauf 24.4.2011
Foto W-J.Langbein
Iroschottische Mönche, so weiß es die Überlieferung, errichteten in Lügde eine Kapelle. War es gar der Mönch Kilian, der um 600 bis 700 n.Chr. Das Frankenland missionierte? Aus dem Würzburger Raum kamen Missionare, schließlich der Weser folgend, bis nach Hameln. Sie ließen schon sehr früh Kapellen und Kirchen errichten. In Lügde sei, so wird überliefert, eine Kilians-Kapelle gebaut worden... etwa vom Missionar Kilian? Tatsächlich benannten iroschottische Mönche Kapellen und Kirchen nicht nach längst dahingeschiedenen Heiligen, sondern nach ihren Stiftern! So erfolgreich sie als Missionare waren, so wurden die Mönche von der Obrigkeit der katholischen Kirche argwöhnisch beobachtet. Lehnten sie doch kirchliche Hierarchie weitestgehend ab!

Wo schriftliche Aufzeichnungen fehlen, ist man auf mündliche Überlieferungen angewiesen. Der Sage nach (3) soll es dort, wo heute die Kilianskirche steht, ein heidnisches Heiligtum gegeben haben, das »Ewige Licht«. Das nie erlöschende Licht habe eine heilige Quelle markiert. Salziges Wasser sei aus dem Boden gequollen. Eine Salzquelle in Lügde ist so unwahrscheinlich nicht. Wenige Kilometer entfernt spendet eine salzige Quelle an der Saline Wasser, sehr zur Freude der Kurgäste. Fakt ist Jahrtausende lang wurden Heiligtümer dort errichtet, wo Quellen ans Tageslicht sprudelten!

Das doppelte Kreuz
Foto: W.-J. Langbein
Karl der Große soll darüber empört gewesen sein, dass die Iroschotten viel zu bereitwillig Kompromisse mit den Heiden eingingen. Er ließ daher die Kilians-Kapelle abreißen und ein katholisches Gotteshaus errichten... wiederum eine Kapelle? Ist die Geschichte von Karls wahr? Oder wurde die Verwüstung eines alten Heiligtums dem Herrscher nur zugeschrieben?

Der Überlieferung nach schütteten christliche Mönche die heilbringende Quelle von Lügde zu... und vergruben ein heidnisches Götterbild, das im 17. Jahrhundert zufällig wieder entdeckt wurde. Ein katholischer Geistlicher, dem ich strikte Anonymität zugesagt habe, versicherte mir: Die einstige Heilquelle gab es. Sie wurde von Mönchen zerstört und verschüttet. Und das heidnische Heiligtum wurde tatsächlich vergraben und wieder gefunden. »Wo befindet es sich jetzt?« wollte ich wissen. Die Antwort des Geistlichen verblüffte mich. Sollte er recht haben mit seiner Behauptung, dann habe ich das »heidnische Idol« schon viele Male gesehen.

Vor dem Eingang der Kilianskirche steht ein steinernes Kreuz. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass es aus zwei Kreuzen besteht, die zusammengefügt wurden. Was ist nun die vordere Seite, was die Rückseite des Kreuzes? Auf der einen Seite sind drei »Engelsköpfe« zu sehen: an den beiden Enden des Querbalkens und ganz unten am Fußende des Balkens. Auf dieser Seite ist auch eine Inschrift angebracht. Sie verrät, dass Christian Brocker am 17. September 1628 in Osnabrück geboren wurde und am 6. Januar 1691 im Alter von 63 Jahren starb. Auch eine Berufsbezeichnung finden wir: »Ehrbarer Meister Scharf- und Nachrichter zu Lidia und Bermont«. Matthias Brocker war der letzte Henker von Lügde und Pyrmont.

Welches Geheimnis birgt
die Grabinschrift?
Foto W-J.Langbein
Gewöhnlich befindet sich der Name eines Verstorbenen, zusammen mit Geburts- und Sterbedatum auf der Vorderseite eines Grabsteins oder Grabkreuzes. Beim Kreuz des Henkers ist auf der einen Seite Jesus am Kreuz zu sehen. Ist das nun die Vorder- oder die Rückseite? Auf der anderen Seite finden sich drei Engelsköpfe und die Lebens- und Sterbedaten des Henkers. Ist das die Vorderseite? Man möchte davon ausgehen. Soll doch der Besucher auf dem Friedhof der vor dem Grabdenkmal steht, die Inschrift lesen können. Das würde aber bedeuten, dass der Gekreuzigte an der hinteren Seite des Kreuzes hängt. Nie und nimmer wurde Jesus an der Rückseite eines Kreuzes angebracht. Des Rätsels Lösung: das Henkerskreuz hat zwei Vorder- und keine Rückseite! Es wurden zwei steinerne Kreuze Rücken an Rücken miteinander verbunden, so dass das Grabkreuz des Henkers... tatsächlich zwei Vorderseiten hat.

Als besonders ehrbar wurde der Henkersberuf, der Berufsbezeichnung zum Trotz, aber nicht angesehen. Henker Bröcker musste sich in der Kilianskirche mit einem ungünstigen Platz begnügen. Wenn er einem Gottesdienst beiwohnen wollte, dann musste er hinter einer Säule sitzen, die ihm den Blick auf den Altar verwehrte. Offenbar sollte der Mann mit dem blutigen Beruf daran gehindert werden, durch direktes Hinsehen den Altar zu beschmutzen.

Das Kreuz des Henkers
Foto W-J.Langbein
Man muss schon genau hinsehen, um die doch schon stark verwitterte Inschrift entziffern zu können. Dabei fällt auf, dass der Buchstabe »N« konsequent spiegelverkehrt geschrieben wurde. Auch das »INRI« (Abkürzung für Iesus Nazarenus Rex Iudorum«, »Jesus aus Nazareth, König der Juden«) über dem Haupt Jesu enthält das spiegelverkehrt eingravierte »N«. Was mag das bedeuten? Es gibt ein weiteres Rätsel: Bei der Altersangabe hat sich ein »Schreibfehler« eingeschlichen, so es denn einer ist: »ALTERS 63 JAWRE«. Warum wurde das »H« durch ein »W« ersetzt? Soll auf den Gottesnahmen des Alten Testaments Jahwe hingewiesen werden, der nicht ausgesprochen werden durfte?

Betrachtet man den Gekreuzigten, so fällt zunächst auf, dass seine Arme nicht waagrecht nach außen am Kreuz befestigt sind, sondern nach oben erhoben. Das könnte als ein Hinweis auf einen iroschottisch-keltischen Hintergrund gesehen werden. Jesu Leib bildet, aus Sicht eines Christen mit keltischem Hintergrund, die Rune des Lebens. Das Zeichen des Lebens am Todespfahl... diese Botschaft verstanden heidnische Kelten wie Christen... Wer weiß, welche geheime Botschaft das Kreuz des Henkers mitzuteilen versucht. Im Inneren der Kilians-Kirche schlummern Geheimnisse.... uralte Malereien, die einfach übertüncht wurden. Wird man sie je wieder sichtbar werden lassen?

Fußnoten
1: Willeke, Manfred: »Lügder Sagen/ Sagen und sagenhafte Geschichten aus der Stadt Lügde«, Lügde 1986, S. 54
2: ebenda, S.7
3: ebenda, S. 52

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Das Gruselkabinett von Sechin,
Teil 69 der Serie
»Monstermauern, Mythen und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 15.05.2011

Samstag, 7. Mai 2011

»Ein Buch lesen! - Privat« Heute: Grete C. Roth

Im IV. Teil unserer Interview-Serie »Ein Buch lesen! - Privat« stellt sich heute Grete C. Roth den Fragen von Walter-Jörg Langbein

W.-J. Langbein: Liebe Grete, Du »machst« Bücher (Layout, Satz usw.) und Du schreibst Bücher. Was kam zuerst: das Schreiben oder das Machen und Gestalten?

gcroth
g.c.roth: Zuerst kam das Schreiben. Mein Vater und mein Klassenlehrer ermunterte mich oft, mehr zu schreiben. Da ich allerdings viel lieber draußen durch die Natur getobt bin, durch mannshohe Kornfelder strich, über Gräben sprang, Insekten beobachtete, Schnecken sammelte, mich auf Bauernhöfen tummelte und mit Ferkeln und Kälbchen spielte, kam es eher selten vor, dass ich Geschichten darüber schrieb. Natur und Tiere zu erleben ist ungleich intensiver, als man sie beschreiben könnte.

An meinem dritten Geburtstag eröffnete mein Vater seine Druckerei und es entstand der Kontakt zum Papier und zu den Buchdruckfarben, deren Geruch mich noch heute in die Zeit meine Kindheit versetzt. Ich erinnere mich an schöne Stunden, wenn er in der Papierverarbeitung an der Schneidemaschine arbeitete, deren riesiges schwarzen Schwungrad mit Muskelkraft zu bedienen war. Dann saß ich oft in einer der großen Teekisten, die er als Container für den Papierabfall nutzte und wir haben uns Geschichten erzählt.

Gelernt habe ich den Beruf der Schriftsetzerin in der Firma meines Vaters. Seinerzeit wurde noch im Bleisatz ausgebildet, wo jedes Wort aus einzelnen Bleilettern zusammengesetzt wurde, bis einige Zeilen im Winkelhaken erfasst waren. Diese kamen dann auf das „Schiffchen“, so wuchs ein Artikel Zeile um Zeile. Anschließend wurde der Block mit der Kolumnenschnur ausgebunden und zwar so fest, dass man ihn bequem von der Setzerei in die Druckerei tragen konnte. War der Block schlecht ausgebunden, löste sich alles in Wohlgefallen auf und rieselte einem durch die Hände. Also hieß es: alles einsammeln, zurücksortieren in die Setzkästen und noch einmal von vorn beginnen. Deshalb trug man seinen fertigen Satz, ab einer bestimmten Größe, dann vorsichtshalber doch meistens auf dem Schiffchen zur Druckmaschine.

Die Gestaltung von Anzeigen und Plakaten war seinerzeit um einiges aufwendiger. Von Bildern und Logos wurden Lithos hergestellt, um die herum der Text gearbeitet wurde. Man musste also vorher genau berechnen, wie viel Text man unterbringen konnte, welche Schrift und Schriftgröße benutzt werden und wie groß die Bilder sein konnten. Hatte man sich verrechnet, mussten neue Lithos angefertigt werden, was zusätzliche Kosten und Zeitverlust bedeutete.

Walter-J. Langbein: Den größten Teil Deines Lebens stellst du Druckproduckte her, nimmt da die Routine überhand?

g.c.roth: Nein, absolut nicht! Das ist das Faszinierende an meiner Arbeit, dass jeder neue Auftrag ein völlig neues Projekt ist, das von Grund auf aufgebaut und entwickelt wird. Individuelle Drucksachen – ob Flyer, Broschüren oder Bücher werden einmalig erschaffen. Und ich bin mit Herzblut dabei, von den ersten Entwürfen über Korrekturabzüge, bis zur Auslieferung. Ich empfinde mich selbst in diesem Prozess als eine Art Hebamme, die viele „Kinder“ ans Licht der Welt geholt hat. Routine ist etwas, das ich in meinem Beruf noch nicht erfahren habe.

W.-J. Langbein: Du schreibst selbst Bücher, hast Du literarische Vorbilder?

Fluffige und andere Zeiten
von gcroth
g.c.roth: Nein, ich habe keine Vorbilder. Mein erstes Buch „Kein Herbst ist ein Ende“ (1986) entstand als Anthologie mit zwei weiteren Autoren und enthielt zu 90 % Gedichte. Das zweite Büchlein „Der Wolken silberne Tropfen ...“ (1991) ist schon eine Mischung aus Geschichten und Poesie, während mein drittes Buch „Fluffige Zeiten“ (2004) hauptsächlich heitere Kurzgeschichten enthält. Diese drei Bücher habe ich noch selbst vertrieben und sie sind, bis auf einige Exemplare für mein eigenes Bücherregal, ausverkauft. Das vierte Buch, „Fluffige und andere Zeiten“ (2008) ist eine erweiterte Neuauflage und das fünfte: „"Bestatten, mein Name ist Tod!" Friedhofsgeschichten aus dem Leben gerissen“ (2008), fällt völlig aus der Reihe meiner üblichen Themen, was einfach daran liegt, dass mir das Leben Gelegenheit zu diesem morbiden Thema anbot.

W.-J. Langbein: Wenn Du ein Buch schreibst, schöpfst Du nur aus der Fantasie oder recherchierst Du, oder greifst Du auf Erlebtes zurück?

Bestatten, mein Name ist Tod!
von g.c.roth
g.c.roth: Ich schreibe so, wie ich meine Geschichten erlebe. Ich erfinde keine kompletten Storys, sondern verarbeite das, was das Leben mir anbietet. Und deshalb findet sich auch die ganze Palette an in meinen Büchern wieder. Lustiges, Kurioses, Nachdenkliches oder auch Trauriges in Form von Kurzgeschichten, Gedichten und Fabeln, so unterschiedlich, wie das Leben sich auch präsentiert. Der Humor, den man zweifelsohne braucht im Alltag, überwiegt meistens.
Mein Buch „Bestatten, mein Name ist Tod!“, ist zum Beispiel aus jahrelang gesammelten Erzählungen eines alten, schrulligen Totengräbers sowie aus Unterhaltungen mit ehemaligen Bestattern entstanden. Natürlich ist nicht alles 1:1 so geschehen, wie ich es erzähle, aber man kann davon ausgehen, dass 70 % der Ereignisse so oder so ähnlich stattgefunden haben.

W.-J. Langbein: Wie siehst Du die Zukunft von Buch- und Verlagswesen im Printbereich? Werden »elektronische Bücher« die gedruckten ablösen?

g.c.roth: Nein, ich gehe nicht davon aus, dass das E-Book das gedruckte Buch ablöst. Ein Buch ist etwas mit allen Sinnen Erfahrbares. Es verheißt gemütliche Stunden in Sessel- und Sofaecken, auf grünen Wiesen und unter schattigen Bäumen, zu denen es keine Alternative gibt. Keine Festplatte der Welt kann ein schön gefülltes Bücherregal toppen. Das Lesen eines Buches verschafft sehr persönliche Momente, das Umblättern der Seiten, der Geruch des Buches, einfach das Material in der Hand zu spüren, das alles ist nicht einfach austauschbar. Bücher haben eine unvergleichliche Ausstrahlung und sind viel mehr als eine Datei.

Das E-Book ist meiner Ansicht nach eine tolle Ergänzung, die besonders für Fachliteratur in großen Mengen perfekt ist. Man kann am PC lesen und gleichzeitig arbeiten, bestimmte Textstellen können in Sekunden aufgefunden werden, schnelle umfangreiche Informationen, ohne vollgestapelte Schreibtische, sind beim E-Book einfach ein Pluspunkt, den das Buch nicht hat. Praktisch sind E-Books auf E-Readern auch für unterwegs, besonders für Vielleser, die nicht kiloweise Bücher schleppen möchten. Oder für Sehbehinderte, die sich die Schrift in angenehm lesbarer Größe darstellen lassen können. Vermutlich wird jede Buchvariante ihren Platz finden. Verlage werden sich an dem orientieren, was der Leser wünscht.

W.-J. Langbein: Hast Du konkrete Zukunftspläne für Dein Studio?

g.c.roth: Die Zukunft für mein Satzstudio ist gleichzeitig die Frage nach meiner persönlichen Zukunft. In meinem Alter blickt man in die Zukunft etwas anders, als im Alter von vielleicht 30 Jahren. Zukunft ist selten das, was man sich erhofft, im Nachhinein aber genau das, was man gebraucht hat, um als Persönlichkeit wachsen zu können.

Als Mutter von drei Kindern, bin ich dankbar, dass ich mit Blick auf die Gegenwart sagen kann: Sie sind alle wohlgeraten, die ersten beiden gehen ihren Weg im Leben und haben mir bereits vier Enkelkinder geschenkt. Mein Nesthäkchen muss sich noch einige Jahre durch den Schulalltag kämpfen und wird dann ebenfalls seinen Weg finden.

Zukunft ist unberechenbar. Kein Mensch weiß, was schon morgen auf ihn wartet. Deshalb versuche ich offen zu sein, für das, was sie mir anbietet. Wenn man aufmerksam ist, dann liegt alles, was man braucht, immer bereit, nur sehen und aufnehmen muss man es. Das gelingt manchmal und manchmal nicht.

W.-J. Langbein: Liebe Grete, es würde mich interessieren, was Du noch für Interessen hast.

g.c.roth: Was mir in meiner Freizeit Spaß macht, das ist mein Garten, sowohl der Anbau von Gemüse als auch das Ziehen von Zierpflanzen. Mein Garten ist ein meditativer Ort. Gartenarbeit macht still und einig mit der Natur und bringt mich wunderbar nahe an die wesentlichen Dinge des Daseins heran. Wann immer Zeit ist, zeichne, male oder fotografiere ich. Die Fotografie –wie könnte es anders sein –hat den praktischen Nebeneffekt, dass sie eine reiche Motivauswahl für meine Arbeit abwirft. Mein Herz schlägt für alles, was mit der Natur zu tun hat. Ich versuche meinen Alltag so zu leben, dass ich möglichst wenig Schaden an der Natur anrichte. Wenn es mir vergönnt ist, werde ich einen Teil meiner Zeit nach dem aktiven Berufsleben in umweltpolitische Arbeit investieren.

W.-J. Langbein: Welche Ziele hast Du Dir für Deine Arbeit als Autorin gesteckt?

g.c.roth: Autorin und Texterin bin ich hauptsächlich aus beruflichen Gründen, da ist das Ziel natürlich, meinen Kunden ansprechende und anspruchsvolle Texte zu liefern. Zufriedene Kunden empfehlen mich weiter, sodass mein Kundenstamm kontinuierlich wächst. Meine Bücher sind eher ein Hobby, das sich daraus ergeben hat, dass sich Geschichten ansammelten. Hier habe ich kein festes Ziel.
Letztlich ist bei all meinen Arbeiten wichtig, dass sie mir Freude machen, dass ich anderen damit Freude mache und dass ich mit meiner jüngsten Tochter gut davon leben kann. Das ist mehr, als die meisten Menschen auf der Welt haben und somit schon Luxus. Reichtum ist das, was man spürt, wenn man einer Beschäftigung nachgeht und ganz eins wird mit ihr, sodass Zeit und Raum bedeutungslos werden. Reichtum ist nicht das, was man sieht, wenn man auf seinen Kontoauszug schaut.

W.-J. Langbein: Wenn Du einen Wunsch freihättest, was würdest Du Dir wünschen?

g.c.roth: Dass wir „zivilisierten“ Menschen uns in etwas mehr Demut und Bescheidenheit üben würden, damit wir die Vielfalt und Schönheit der Erde mit unserer Unersättlichkeit nicht völlig zerstören. Und natürlich, dass unsere Gemeinschaft „Ein Buch lesen“, die aus einer gemeinsam erlebten Krise erwachsen ist und die ich als eine große Bereicherung empfinde, noch viele Jahre so kreativ, mit viel Spaß und menschlicher Wärme zusammen wirken kann.

W.-J. Langbein: Liebe Grete, danke für das aufschlussreiche Interview. Ich wünsche Dir noch viel Freude mit Büchern, interessante Lektüre guter Werke von Kollegen, viel Freude beim kreativen Erstellen von Büchern in Deinem Satzstudio und genussreiche Selbstverwirklichung beim Schreiben! Und uns allen wünsche ich... mach weiter so, im Team von Ein-Buch-lesen ... und überhaupt!

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