Montag, 26. Oktober 2015

Fido Buchwichtel: »Als Eva noch eine Göttin war«

Hallo liebe Leute!

Hier bin ich wieder:
Fido Buchwichtel
mit dem
Bestseller der Woche
aus dem Wichtelland.

Heute habe ich Euch Menschen ein besonders spannendes Buch mitgebracht, geschrieben von meinem Lieblingsmenschenautor
Walter-Jörg Langbein.

»Als Eva noch eine Göttin war«. Das ist der Titel des Buches und es hat im Wichtelland für viel Aufsehen gesorgt. Jetzt fragt Ihr Menschen Euch warum? Wir Wichtel sind immer wieder erstaunt, wie Ihr Menschen es über die Jahrtausende geschafft habt, Geschichte zu verfälschen. Ereignisse werden von Siegern geschrieben und das waren und sind bei Euch Menschen durch die Bank Männer. 

Meine über alles geliebte Wichtelfrau hat es auf den Punkt gebracht, in dem sie sagte: »Die Menschen haben es schon immer verstanden, ihre unsägliche Männerwirtschaft am Köcheln zu halten. Der Respekt, im Besonderen vor den Leistungen der Menschenfrauen, ist den Kerlen schon sehr früh abhanden gekommen. Wie gut, dass es bei uns Wichteln anders läuft!«

Und womit sagt meine Wichtelfrau das? Mit Recht! 

Wir Wichtel geben unsere Erkenntnisse von Generation zu Generation weiter. Bei uns gehen kein Wissen und keine alten Erkenntnisse verloren. Das ist auch gut so! Für uns Wichtel ist auch klar: Noch vor wenigen Jahrhunderten wäre das Buch »Als Eva noch eine Göttin war« von der Kirche verboten worden und Walter-Jörg Langbein hätte als Ketzer auf dem Scheiterhaufen geendet. Wie gut, dass die nicht mehr im Land der Menschen brennen. 

Der Untertitel des Buches verrät uns, worum es geht: Die Wiederentdeckung des Weiblichen in der Bibel! Und: Verborgenes Wissen in biblischen Schriften, verbotenen Büchern und sakralen Kunstwerken.

Eine Passage, gleich auf Seite 15 hat meiner Wichtelfrau besonders gut gefallen, ich zitiere:
»In den Texten der anderen Bibel, die schon von den Anführern der noch sehr jungen „christlichen Kirche“ als vermeintliches Ketzerwerk weitestgehend vernichtet wurden, wird Jahwe immer wieder von einer ihm überlegenden weiblich-göttlichen Kraft für seine Überheblichkeit gezüchtigt. So heißt es gleich zu Beginn … „Der Oberste dieser Herrscher ist blind. Im Gefühl seiner Macht, in seiner Unwissenheit und Überheblichkeit sprach er mit lauter Stimme: „Ich bin Gott, es gibt niemanden außer mir.“ … Und seine Rede fuhr hinauf zur Unvergänglichkeit …« 

Und was soll ich Euch sagen, liebe Menschen, von dort aus kam dann ein Donnerwetter, ein weibliches, selbstverständlich. Das konnte natürlich den Menschenkerlen nicht gefallen!

Wie dem auch sei, das Buch »Als Eva noch eine Göttin war« von Walter-Jörg Langbein darf in keiner Sammlung fehlen! Also rufe ich Euch zu:
»Als Eva noch eine Göttin war« Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen!

Macht Euch eine aufgeklärte Zeit und macht nichts, was ich nicht auch tun würde!

Winke, winke Euer 

Fido Buchwichtel


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Sonntag, 25. Oktober 2015

301 »Apostelin der Apostel«,

301 »Apostelin der Apostel«,
Teil 301 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein



Kreuzweg Kloster Corvey

»Nahe bei Corvey stand ehemals eine schöne Propstei. Von wem aber und wann solche er bauet, habe ich nirgends finden können!«, notierte Christian Franz Paullini (1643-1712) in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Freilich hat der studierte Theologe und Arzt Paullini speziell bei Historikern nicht unbedingt den besten Ruf. Manche halten ihn für einen Scharlatan, der vermeintlich wichtige mittelalterliche Quellentexte fälschte. Hat der gute Paullini also geflunkert, als er behauptete, gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Ruinen von »tom Roden« noch selbst gesehen zu haben?

Theologe und Arzt Paullini

Der Historiker Paul Wigand (1786-1866), der mit den Gebrüdern Grimm eng befreundet war, betonte immer wieder, vom ominösen Kloster »tom Roden« sei nicht mehr die kleinste Spur zu finden.  So entstand im 19. Jahrhundert ein regelrechter Historikerstreit, wo denn nun »tom Roden« gestanden haben mag. Erst 1976 wurde »tom Roden« wieder entdeckt, und das eher zufällig. (1)

So leicht ließ sich die Erde freilich die altehrwürdigen Mauern nicht entreißen. Nachdem man zunächst ohne größeren Erfolg mit Spaten und Schaufel ans Werk gegangen war, setzte man schließlich einen Bagger ein. Auf einem Areal von immerhin 4000 Quadratmeter Größe musste zunächst die Humusschicht abgetragen werden. Dann standen die Archäologen vor einer eher unansehnlichen Steinwüste. »Größere und kleinere Steinbrocken, Mörtel Stücke von Holzkohle und Reste von Wandputz breiteten sich wie eine dicke Decke über dem Gebiet aus. Für den Archäologen ist aus dieser Materialzusammensetzung erkennbar, daß es sich hier um Schutt handelt, der beim Abbruch steinerner Gebäude handelt. Aus dieser dichten Schuttdecke schauten an einigen Ecken Steinlagen hervor, die wie regelmäßig verlegt aussahen und die noch in einem Mörtelverband lagen. Von diesen Stellen her wurden die Arbeiten aufgerollt.«, vermeldet »Höxtersches Jahrbuch« anno 1981 (2). Kloster »tom Roden« war wieder entdeckt worden.

Kirche »Maria Magdalena« von »tom Roden«

Auch wenn das Mauerwerk der Klosterkirche »Maria Magdalena« und der dazu gehörenden Gebäude weitestgehend verschwunden ist, sprich weggeschleppt und wieder verarbeitet wurde, gab es einige sensationelle Erkenntnisse…. Sozusagen in der »Unterwelt« des Klosters.

So verfügte die Klosteranlage »tom Roden« vor mehr als einem halben Jahrtausend über eine Warmluftheizungsanlage, die den Mönchen die kalte Winterszeit doch erheblich erträglicher machte. Es war eine Art Fußbodenheizung… in einem Mönchskloster vor einem halben Jahrtausend.

Recht modern mutet die Wasserversorgung im Kloster »tom Roden« an. Offenbar gab es fließendes Wasser. Zum System gehörten ein Wasserbecken (Staubecken?),  eine Rohrleitung. Genutzt wurde, so wird angenommen,  ein »Drucksystem« (3). Mehr als fortschrittlich müssen für die damalige Zeit die »WCs« der Mönche gewesen sein. So durchlief den Ost-Trakt ein Kanal, in den ein Bach umgeleitet wurde. Wie Fußbodenheizung und hauseigener Kanal funktionierten, lässt sich im Detail leider nicht mehr vollständig rekonstruieren.

Reste eines praktischen Kanals...?

Gesundheitlich bedenklich waren die Bleirohre, die Trinkwasser führten. In wieweit es unter den Mönchen tatsächlich zu Bleivergiftungen und  frühzeitlichem Tod kam, ist meines Wissens bis heute nicht wissenschaftlich untersucht worden. Vielleicht werden ja noch die im Klosterbereich aufgefundenen Gebeine entsprechend analysiert. Sind es Mönche, deren Knochen bei Ausgrabungen im Kloster »tom Roden« gefunden wurden? Oder wurden auch Laien beigesetzt? Wurden Menschen, die sich um das Kloster besonders verdient gemacht hatten, durch Beisetzung im Kloster selbst geehrt?

Hinter diesen Mauern wurde Maria Magdalena verehrt

Das Kloster »tom Roden« war der Maria Magdalena geweiht. Maria Magdalena muss eine besondere Rolle für das Kloster gespielt haben. Leider wurden ja im »tom Roden« keine sakralen Kunstwerke gefunden, die auf die Stellung Maria Magdalenas im Glauben der Mönche Hinweise geben könnten. Was von Wert war, haben die Mönche natürlich beim Auszug aus dem Kloster mitgenommen. Das Siegel des Klostervorstands von »tom Roden« indes spricht eine deutliche Sprache. Man kann es – ohne ein einziges geschriebenes Wort – wie ein Buch lesen. Das Siegel hing an einer Urkunde von 1356. Dem Propst von »tom Roden« wurde gestattet, eine Landwehr einzurichten, um gegen angreifende Feinde gewappnet zu sein.

Das Siegel hat ovale Form, läuft oben und unten spitz zu.  Im Zentrum steht ein Baum. Links vom Baum erkennen wir eine hohe, männliche Gestalt mit angedeutetem Heiligenschein. Rechts vom Baum kniet eine weibliche Gestalt. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind hier Jesus und Maria Magdalena dargestellt. Die Szene spielt am Grab Jesu (4):

»Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.


Himmel über »tom Roden«
Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 
Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.

Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.

Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!

Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.

Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.«

Auf dem Siegel sehen wir Jesus neben einem Baum. Dargestellt ist eine der - meiner Meinung nach -  wichtigsten Textstellen des Neuen Testaments. Eben noch hat Maria Magdalena Jesus für den Gärtner gehalten. Jesus aber gibt sich jetzt zu erkennen. Um als Apostel anerkannt zu werden, muss ein Mensch die Auferstehung Jesu vom Tode bekunden können und von Jesus einen Auftrag erhalten. Nach  dem nach Johannes benannten Evangelium war es Maria Magdalena, die den Jüngern im Auftrag Jesu mitteilt, dass er gen Himmel auffahren wird. Demnach war Maria Magdalena die Apostelin der Apostel!

Jesus und Maria Magdalena auf dem Siegel...Zeichnung Langbein

Unter der Jesus-Maria-Magdalena-Szene kniet ein Mensch, vermutlich soll Propst Heinrich von Spiegel zum Desenberg dargestellt werden, der Jesus und Maria Magdalena seine unterwürfige Referenz erweist. Ganz offensichtlich genoss Maria Magdalena im Kloster »tom Roden« höchste Verehrung.

Stundenlang bin ich in der Klosterruine von »tom Roden« umhergegangen, habe fotografiert. Ich bin in die Reste des Kanals gekrochen, habe das Mauerwerk der alten Fußbodenheizung untersucht. Wichtiger aber als technische Errungenschaften der Mönche von »tom Roden« scheint mir die altehrwürdige Ruine als Symbol für den Glauben zu sein.

»tom Roden« als Symbol...

Da ragen Mauerteile aus dem Boden, da klaffen Lücken. Genauso bruchstückhaft erscheint mir unser wirkliches Wissen in Sachen Ursprünge des Glaubens. Was wissen wir wirklich? Was ist uns über die Bedeutung von Maria Magdalena für den christlichen Glauben bekannt, die auch heute noch heruntergespielt wird?

Günter Weber, er war als Direktor des »Katechetischen Instituts Aachen« mit der Ausbildung und Weiterbildung von Religionslehrerinnen und Religionslehrern beauftragt, fordert (5): »Alles Lebendige muss immer wieder seine alte Gestalt hinter sich lassen, um in neuer Gestalt weiterleben zu können. Sonst bleibt es nicht lebendig. Dem Glauben geht es nicht anders.«
    

Manchmal muss aber der Glaube Verfälschungen ablegen und zu seiner alten, ursprünglichen Form zurückfinden. Im konkreten Fall ist es unbedingt erforderlich, dass Maria Magdalena im Christentum als Apostelin der Apostel anerkannt wird.

Der große Augustinus nannte Maria Magdalena »Apostelin der Apostel« und unterstreicht so ihre besondere Rolle für das Christentum. Mit Maria Magdalena könnte die über fast zwei Jahrtausende verdrängte weibliche Seite des Christentums den christlichen Glauben endlich wieder vollständig werden lassen. Wird zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrtausends endlich entdeckt, dass Maria Magdalena eine Schwester der modernen Frau von heute war, selbstständig, selbstbewusst und aktiv?

Fußnoten

Loderte hier das Feuer für die Heizung?
1) Siehe hierzu auch… Stephan, H.G.: »Archäologische Studien zur Wüstungsforschung im südlichen Weserbergland. Münstersche Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte«, Hildesheim 1978
2) »Höxtersches Jahrbuch«, »Band VI/ 1981«, herausgegeben vom »Heimat- und Verkehrsverein der Stadt Höxter e.V.«, Höxter 1981, S.4
3) ebenda, S. 24
4) Das Evangelium nach Johannes Kapitel 20, Verse 11 bis 18
5) Weber, Günter: » Ich glaube, ich zweifle«, Zürich, Düsseldorf 1996, Rückseite

Zu den Fotos:

Theologe und Arzt Paullini - zeitgenössisches Porträt. Gemeinfrei 

Jesus und Maria Magdalena auf dem Siegel: Meine Zeichnung zeigt nur den oberen Teil des Siegels, es fehlt die kniende Gestalt unter der Jesus-Maria-Magdalena-Szene

ALLE ÜBRIGEN FOTOS: Walter-Jörg Langbein



302 »Maria Magdalena, Räuber und Widukind II«,
Teil 302 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 01.11.2015



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Freitag, 23. Oktober 2015

Pädagogik für die Tonne: Schreiben nach Gehör


Spielsachen & Co.
Freitagskolumne von Ursula Prem
Di Lesa dises Atikls dürftn fro sain, das Schraibm naach Gehöa zwa Schulö machd, aba aoch nichd mer: Im Ernst, meine Versuchung war groß, eine ganze Kolumne in dem Schreibstil zu verfassen, den zu erlernen man offenbar immer noch und schon wieder Grundschulkinder nötigt. Kein Wunder also, dass das >> Facebook-Posting von Isa Becker weite Kreise zog: Die Mutter eines Sohnes machte ihrem Herzen über solche Lehrmethoden Luft und erntete dafür vieltausendfache Zustimmung. Auch von mir gibt es ein Like für Frau Beckers deutliche Worte, die wohltuende Realität in ein Thema bringen, das an manchen Stellen schon die tragischen Züge eines Glaubenskriegs angenommen hat.



Sonntag, 18. Oktober 2015

300 »Alles vorbei, tom Roden….«

300 »Alles vorbei, tom Roden….«
Teil 300 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Kloster Corvey...
Sommerzeit… Die Post streikt, Berge von Briefen und Paketen stapeln sich in Verteilzentren! Von Tag zu Tag, so scheint mir, schwinden die Sympathien für die Gewerkschaft ver.di. Aber Busse fahren zum Glück. Nach nicht ganz einer Stunde Fahrzeit, einmal Umsteigen inklusive, bin ich am Bahnhof von Höxter an der Weser angekommen. Nach einigen regnerisch-kühlen Tagen ist es jetzt sommerlich heiß. Natürlich liegt das jetzt an der globalen Erderwärmung. Ein Passant mit einer Jacke, die an die Kluft der Briefzusteller erinnert, eilt Richtung Innenstadt. Wütend beschimpft ihn ein älterer Herr als »Streikbrecher«. Eine Frau fordert den verblüfft Dreinblickenden auf, »endlich wieder Briefe auszutragen«. Schließlich begreift er, bleibt stehen und ruft: »Ich bin doch gar kein Postler!«

Ich frage einen Busfahrer, wie ich wohl vom Bahnhof zur Klosterruine »tom Roden« komme. Der Mann ist sehr hilfsbereit. Er zeigt mir einen Bus, der mich direkt zum »Kloster Corvey« bringt. Freundlich belehrt er mich: »Das frühere Kloster Corvey ist aber heute Schloss Corvey! Kloster Corvey gibt es, streng genommen, gar nicht mehr. Eine Ruine ist das aber nicht. So eine Klosterruine gibt es gar nicht!« Kollegen des Busfahrers schütteln nur die Köpfe, verweisen mich an den Taxistand. Man rät mir zum Taxi. »Vom Kloster Corvey kommen Sie nicht weiter, jedenfalls nicht mit dem Bus! Und zu Fuß… bei der Hitze…«

Am Taxistand hat noch nie jemand von einer »Klosterruine ›tom Roden‹« gehört. Dabei trennen laut meinen Unterlagen nur wenige hundert Meter das »Schloss Corvey« von der ominösen  »Klosterruine tom Roden«. Eine freundliche Taxifahrerin ist offensichtlich auch an meinem Ziel interessiert. Also fahren wir erst einmal zum »Schloss Corvey«… und entdecken nach einigem Suchen tatsächlich ein nicht übermäßig großes Hinweisschild »Klosterruine«.

»Maria Magdalena«- Kirche im Zentrum

Ich suche per iPad in der Welt des Internet nach »Klosterruine tom Roden« und finde eine Adresse: »Zur Lüre - 37671 Höxter«. »Zur Lüre« ist meiner tüchtigen Taxifahrerin wohlbekannt. Nur von einer »Klosterruine« daselbst weiß sie nichts. Wir erreichen »Zur Lüre« schon nach wenigen Minuten, landen in einem weniger idyllischen als prosaisch-praktischen Industriegebiet. In einer Werkstatt erkundigen wir uns… man weist uns den Weg. Wir sind schon fast am Ziel. Das letzte Stück Wegs ist eine schmale staubige Straße, deutlich besser als so mancher Feldweg in den Hochanden Perus oder Südindiens.

Endlich bin ich am Ziel… Mauerwerk… Brunnen… ein Altar… eine Hecke. »Meine« Taxifahrerin verspricht, mich um 14 Uhr wieder abzuholen. Das »Areal« der Klosterruine ist überschaubar. In einiger Distanz ist ein schmuckes Kirchlein zu erkennen… Ich vermute, es handelt sich um die Pfarrkirche »St. Johannes Baptist« von Lüchtringen. Ich aber konzentriere mich auf die »Klosterruine tom Roden«.

Das Altarkreuz von »tom Roden«

Der Name »tom Roden« lässt darauf schließen, dass Land gerodet werden musste, um das Kloster zu bauen. Wann aber wurde »tom Roden« gegründet? Wir wissen es nicht genau. Die bislang älteste Urkunde, die einen Hinweis auf das Kloster enthält, stammt aus dem Jahr 1184.  »tom Roden« fungiert in dem Dokument natürlich unter dem lateinischen Namen »ad Novale«. Ausdrücklich wird auf die Kirche »ecclesia S. Mariae Magdalenae« hingewiesen, deren Grundriss heute noch sehr gut zu erkennen ist. 1244 wird »Dethmar von tom Roden« als Propst des Klosters erwähnt. Damals mag »tom Roden« bereits Teil eines Pilgerwegs gewesen sein.  Am 22. Juli 1284 jedenfalls feierten die Kanoniker von Nienkerken das Fest der Maria Magdalena in »tom Roden«.

Ziel für Pilger am Tag der Maria Magdalena...

Die Kirche »Nienkerken«, hochdeutsch »Neukirchen«, war 863 in der Nähe von Höxter vom Kloster Corvey aus gebaut worden. Ob damals schon »tom Roden« existierte? Unbestreitbar ist, dass das Kloster Corvey lange vor dem »tom Roden« entstand. Der Propst von »tom Roden« gehörte immer auch dem Konvent von Corvey an, wurde aus den Reihen der Mönche von Corvey gewählt und war dem Abt von Corvey gegenüber zum Gehorsam verpflichtet.

Im Frühjahr 1975 wurden in der Corveyer Abteikirche archäologische Ausgrabungen durchgeführt. Nun waren beim Pflügen im Bereich »zur Lüre« Mauerreste zutage getreten. Davon hörten die Wissenschaftler, die in der Abteikirche in Höxter intensiv nach ältesten Spuren suchten. Sie schickten einige Grabungshelfer, ausgestattet mit Hacken, los, die dann tatsächlich eine sensationelle Entdeckung machten… Nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche schlummerten zum Teil recht gut erhaltene Fundamente des verschwundenen Klosters von »tom Roden«…. mitten unter einem Getreidefeld.

Im Sommer 1976 wurde gezielt und intensiv gegraben. Unter Steinschutt stieß man auf Fundamente eines langgestreckten Gebäudes mit »mehrfacher Raumunterteilung«. 1977 kam es zu einer zweiten, noch intensiveren Grabungskampagne. Das zu untersuchende Areal war recht groß, so dass ein Bagger zum Einsatz kam. Nach und nach wurde klar, dass man den gut erhaltenen Grundriss einer vollständigen Klosteranlage entdeckt hatte, keine tausend Meter von Kloster Corvey entfernt.

Grundriss von »tom Roden«.

Mich interessiert besonders die Kirche, die der Maria Magdalena (im Grundriss durch gelbe Pfeile markiert!) geweiht war. 1977 hat man den Grundriss des Gotteshauses  mit großer Sorgfalt herausgearbeitet. Das Gebäude muss recht eindrucksvoll gewesen sein: eine dreischiffige Basilika von 34 Meter Länge und 12,60 Meter Breite.

Bevor ich mit dem intensiven Fotografieren beginne, schreite ich das Areal ab. Ich stehe vor dem steinernen Halbrund der Apsis im Osten. Ich blicke gen Westen. Eine Schranke trennte einst das Gotteshaus in den Gemeinderaum und den Mönchschor. Vor der Schranke zum Gemeinderaum stand einst ein Altar, dessen Fundament zum Teil noch freigelegt werden konnte.

Im Gemeinderaum gab es – anders als in heutigen Gotteshäusern – keine Sitzbänke für die Gottesdienstbesucher. Steinerne Bankette (nicht zu verwechseln mit festlichen Essen!) entlang der Außenwände, so entnehme ich den Ausgrabungsberichten, dienten als Sitzgelegenheiten.

Die Fundamente von »tom Roden« überstanden die Zerstörungswut...

1327 kam es zu heftigen Kämpfen zwischen Höxter und Corvey. Auszubaden hatte den Konflikt vor allem Kloster »tom Roden«, es wurde zerstört… und wieder aufgebaut. Belegt ist urkundlich, dass anno 1422 der Kirche »Maria Magdalena« von »tom Roden« einen neuen Altar erhielt, zu Ehren der »Maria Solitaria«, der »Maria in der Einsamkeit«. 1456 wiederum wurde »tom Roden« geplündert.

Der letzte Propst von »tom Roden« – Johann von der Lippe – verließ das Kloster 1501. Er zog nach Höxter. Damit war das nahe Ende des Klosters absehbar. Wir wissen, wann es endgültig aufgegeben wurde, nämlich anno 1538. In jenem Jahr verwaiste der sakrale Komplex. Die letzten Mönche packten ihre Habseligkeiten. Natürlich nahmen sie alles von Wert mit. Sie bauten auch den Fußboden aus und schleppten das Material weg, vermutlich nach Höxter.

Damals stürzte wohl auch die Decke der Kirche ein, warum auch immer. Mag sein, dass sie durch Blitzschlag in Brand geriet, mag sein, dass »kriegerische Einwirkung« zur Katastrophe führte. Ohne Dach war die Ruine den Einflüssen von Wind und Wetter ausgesetzt. Die Mauern brachen zusammen, die Trümmer dienten als Steinbruch. So dürfte das einstige stolze Gotteshaus nach und nach bis auf die Grundmauern abgetragen worden sein. Das gilt auch für die zur Kirche der Maria Magdalena gehörenden Klostergebäude.

1618 bis 1648 tobte der »Dreißigjährige Krieg«. Höxter und Corvey benötigten erhebliche Mengen an Baumaterial, um Häuser, das Kloster Corvey wieder neu aufzubauen. Da diente die Ruine von »tom Roden« als »Steinbruch«. Trotzdem soll es gegen Ende des 17. Jahrhunderts »tom Roden« noch als Ruine gegeben haben. Auch die verbleibenden Mauern wurden nach und nach abgetragen. Wo einst das Kloster stand, wurden Felder angelegt. »Tom Roden« verschwand aus dem Bewusstsein der Menschen. Der Standort des einst altehrwürdigen Klosters geriet in Vergessenheit.

Hinweis auf Walfahrt zu Maria Magdalena

Zwei Gräber im Gemeinderaum der Kirche wurden bei den Ausgrabungen gefunden. Wurden hier einst die heute nicht mehr bekannten Stifter des Klosters »tom Roden« beigesetzt? Ließen die beiden Unbekannten einst »tom Roden« bauen? Und haben  sie den Komplex dem Kloster von Corvey zum Geschenk gemacht? Vielleicht geschah dies nicht ganz uneigennützig?  Wurde, als Gegenleistung für die großzügige Gabe,  regelmäßig an den Gräbern der beiden Stifter gebetet? Wollten sie auf diese Weise erreichen, dass man ihrer gedachte und durch Fürbitten  etwas für ihr ewiges Seelenheil tat? Es mag sogar vertraglich genau vereinbart worden sein, wann und wie oft der Stifter wie gedacht werden musste.

Im zwölften Jahrhundert war die finanzielle Seite von Kloster Corvey nicht gerade eine rosige. Grabungsbefunde deuten aber darauf hin, dass »tom Roden« just in jener Zeit gebaut wurde. Ein Säulenkapitell aus dem zwölften Jahrhundert wurde im Klosterbereich ausgegraben… aus der Entstehungszeit der Anlage? Oder lag die Gründungszeit noch weiter zurück? Seine Glanzzeit erlebte das Kloster vermutlich im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert.  Im fünfzehnten Jahrhundert war das Kloster wohl noch bewohnt, das lassen Keramikfunde  vermuten, die am Boden von zwei Brunnen geborgen wurden. Zerbrochenes Geschirr wurde ja oft in alten Brunnenschächten entsorgt. Heute werden beide Brunnen von »zivilisierten« Besuchern gern und ausgiebig als große Abfalleimer missbraucht. Unrat wird hineingeworfen, was auch nicht durch Anbringung von eisernen Gittern verhindert werden kann. Diese Missachtung eines altehrwürdigen sakralen Areals wirft ein beschämendes Licht auf heutige Besucher.


Fundamente wurden zur Verdeutlichung aufgemauert...

Zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrtausends wird gern postuliert, dass der Islam zu Deutschland gehört. Vor allem aber gehört das Christentum zu Deutschland. Unsere Wurzeln sind, auch wenn das manche befremden mag, christlich. Wir sollten wirklich einmal darüber nachdenken, wie wir mit unserem eigenen historischen Erbe umgehen…. Ich glaube, da ist ein Umdenken dringend erforderlich! Respekt vor fremden Kulturen sollte eine Selbstverständlichkeit sein und wird auch von Politikern lautstark eingefordert. Respekt vor der eigenen Kultur wird allerdings von manchen Zeitgenossen herablassend belächelt, die so gern das hässliche Wortgebilde »multikulti« im Munde führen.

Zu den Fotos: Alle Fotos Walter-Jörg Langbein


301 »Apostelin der Apostel«,
Teil 301 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 25.10.2015

 
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Sonntag, 11. Oktober 2015

299 »Peitschenmann, Gans und Monster«


299 »Peitschenmann, Gans und Monster«
Teil 299 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein



Das »Rote Pferd von Tysoe«. Rekonstruktion.

Monstermauern gibt es überall auf der Welt, in Ägypten, dem Land der Pyramiden, in Peru, dem Land der Inka und selbst auf der Osterinsel, dem Eiland mit den Riesenstatuen. Wir staunen über die Geheimnisse unseres Planeten. Wir kennen aber nur einen Bruchteil der Hinterlassenschaften unserer Vorfahren. Von den sieben Weltwundern ist nur eines erhalten geblieben, die Pyramiden auf dem Plateau von Gizeh. Alle anderen sind spurlos verschwunden.  Manches ruht im Verborgenen. So entdeckt man auch heute noch auf der Osterinsel Statuen, die auf dem Rücken liegend ganz von Erdreich bedeckt waren. Vereinzelt starrt dort ein steinernes Gesicht aus dem Boden gen Himmel.

Osterinselkoloss, im Boden »versinkend«

Wurden Osterinselkolosse liegend begraben? Oder hat sich die Natur die Steinmonumente im Verlauf der Jahrhunderte langsam wieder einverleibt? Wie viele solcher Riesenstatuen wohl noch entdeckt werden? Die verschütteten Statuen genießen ein Privileg! Während ihre sichtbaren Kollegen den zerstörerischen Elementen von Natur und Umwelt ausgesetzt sind, bleiben die unterirdischen Statuen besser erhalten. Sie sind vor negativen Einflüssen geschützt.

Bald wird er verschwunden sein...
Mysteriöser als Mauern aus tonnenschweren, millimetergenau bearbeiteten Steinkolossen sind für mich verborgene Mythen. Einige warten zum Beispiel in England unter der Erdoberfläche darauf, entdeckt und verstanden zu werden. Aber wird man sie je wie ein Buch lesen können? Ich habe meine Zweifel. Wir verstehen  religiöse Kunstwerke in christlichen Kirchen nur, weil wir die Geschichten, die sie uns erzählen wollen, bereits kennen.

Wären uns die Geschichten aus dem Neuen Testament unbekannt, dann würden wir religiöse Gemälde und Plastiken in Kirchen, Domen und Kathedralen nicht einordnen können.

Man muss davon ausgehen, dass es an Englands Küste, aber auch an Berghängen im Inland großformatige »Bilder« gegeben hat… von Riesen, von Tieren (wie Pferden) und von Monstern. Die meisten von diesen geheimnisvollen Kunstwerken sind womöglich schon vor Jahrhunderten wieder verschwunden.

Noch heute gibt es im ländlichen Bereich mündlich überlieferte Hinweise auf verschwundene Riesenpferde, die irgendwann nicht mehr gepflegt und rasch überdeckt und überwuchert wurden. Örtliche Priester wetterten gegen die Zeugnisse alter heidnischer Kulte, folgsame Kirchgänger schütteten zu, was als unchristliches Teufelswerk angesehen wurde. Vereinzelt versuchen Wissenschaftler, oft von den lieben Kollegen verspottet, die Bildnisse zumindest auf dem Papier zu rekonstruieren. Samuel Gerald Wildman zum Beispiel entwickelte eine originelle Methode nach den verschollenen Darstellungen zu suchen. Der begeisterte Heimatforscher war kein Archäologe, sondern Biologielehrer an einer »Grammar School« (Gymnasium).

Seine Methode: Es wurden einst Gräben in das Erdreich bis auf den darunter befindlichen Kalkboden gezogen, um so Bilder von Riesen und Fabelwesen zu schaffen. Viele dieser Gräben wurden zugeschüttet, um die Bilder zum Verschwinden zu bringen. Wenn nun auf derlei Areal Bäume gepflanzt wurden, dann gediehen die Bäume, die in den einstigen Gräben verwurzelt waren, besser. Samuel Gerald Wildman  machte sich nun an die Arbeit und vermaß dort, wo seiner Meinung nach Erdbilder schlummerten, die Bäume, hielt Dicke der Stämme und Höhe der Bäume fest. Das übertrug er auf eine Karte… und fand immer wieder rätselhafte Spuren.

Im Bezirk Tysoe, Warwickshire, England, soll es einst die Darstellung eines riesigen roten Pferdes gegeben haben. Nach lokalen Überlieferungen – und da wird seit Generationen einiges erzählt –  soll es sich am »Spring Hill« befunden haben. Trotz intensiver Sondierungen fand Samuel Gerald Wildman den gesuchten Vierbeiner leider nicht, wohl aber recht geheimnisvolle andere Darstellungen. Ein Reporter einer kleinen englischen Lokalzeitung zeigte mir Zeichnungen eines merkwürdigen Szenarios, von einer Gruppe von Wesen, die zu Spekulationen anregen. Ja wir müssen sogar mutmaßen, weil die einzelnen Elemente des mysteriösen Ensembles alles andere als eindeutig zu erkennen sind.

Der »Peitschenmann«

Da steht ein muskelbepackter Mensch mit besonders eindrucksvollen Oberarmen, offenbar eine lange Peitsche schwingend. Hände oder Füße kann ich keine erkennen. Das Bild erinnert an moderne Kunst… und soll doch Jahrtausende alt sein.

Gehören die anderen drei Wesen dazu, bilden die vier Wesen eine Einheit? Illustrieren sie vielleicht eine Sage, die einst vor Ort sehr bekannt war? Ein vogelartiges Tier (rechts neben dem Peitschenmann) beeindruckt mit punkartiger »Frisur«. Es scheint im Begriff zu sein, nach rechts wegzugehen, dreht den Kopf aber nach links in Richtung Wüterich mit Peitsche. Es blickt – eher interessiert oder neugierig als verängstigt – zum Muskelprotz.

Das »Reptil« (?)

Rechts vom Riesenvogel – er hat ähnliche Ausmaße wie der Peitschenmann – windet sich eine Art Reptil. Der Kopf des Tieres läuft spitz wie zu einem Schnabel zu, Vorderbeine sind angedeutet, Hinterbeine fehlen. Soll das eine Echse sein? Oder gar ein Drachen-Wesen aus der alten englischen Mythologie?

Unter den drei Kreaturen liegt etwas Massiges, ja Monsterhaftes. Es hat einen plumpen Leib, erinnert mich an eine Seekuh. So etwas wie Arme und Beine sind nicht zu erkennen, so etwas wie eine Flosse mag da Richtung »Kopf« angedeutet sein.  In seinen Dimensionen ist es fast genauso groß wie die drei anderen Wesen zusammen. Die »Flosse« muss aber nicht unbedingt zum Tier gehören. Sie ist nicht mit dem Leib des Tieres verbunden. Handelt es sich um eine Riesenschlange, die das verewigt wurde?

Das »Monster« (?)

Die vom Erdreich verschluckten »Riesenzeichnungen« wurden und werden nur von einigen wenigen Forschern gesucht, noch seltener von Archäologen als von Laien. Vereinzelt habe ich auf Reisen vor Ort Wissenschaftler kennengelernt, die sich privat und »off records« durchaus auch spekulativ geäußert haben. Nur offiziell wollten sie keine Stellungnahme abgeben.  So erklärte mir ein Gelehrter, bei dem »Peitschenschwinger« könne es sich um den Gott Tiwaz handeln. Tiwaz war ein Himmelsgott, dem der legendäre Fenris-Wolf eine Hand abgebissen hat. Der von allen anderen Göttern gefürchtete Fenris-Wolf bedrohte die Götterwelt. Er galt als faktisch unbesiegbar. Schließlich konnte er nur gefesselt werden, weil Gott Tiw alias Tiwaz alias Tyr eine List mutig in die Tat umsetzte. Es gelang ihm, das mythologische Untier abzulenken und in Sicherheit zu wiegen, indem er ihm seine rechte Hand ins Maul legte. Dazu war kein anderer Gott bereit. So konnte Fenris gebändigt und mit einem Zauberfaden fixiert werden… vorübergehend allerdings nur!

Am Ende aller Zeiten wird der große apokalyptische Weltenbrand das Schicksal der Götter besiegeln. Dann wird, so lautet der Mythos, Fenris freikommen und Gott Odin verschlingen. Zur Strafe aber wird ihn der Sohn Odins – Vidar –  erschlagen.

Runenzeichen »Tiwaz«
Aus dem »Tiwaz«-Tag wurde im Englischen »Tuesday«, Dienstag. Im ersten Jahrhundert nach Christus tauchen die Angeln in römischen Urkunden auf. Um das Jahr 600 sollen sie Teile Englands kolonisiert und besiedelt haben. Sie kommen als Schöpfer von Riesenbildern infrage. Die Datierung der mysteriösen Kunstwerke ist bestenfalls vage. Stammen sie aus vorchristlichen Zeiten? Wurden sie kurz nach der Zeitenwende geschaffen oder erst einige Jahrhunderte später?

Riesenpferde, die kalkhell gen Himmel strahlten, mögen Teile eines Fruchtbarkeitsritus gewesen sein. Die Götter hoch oben im Himmel sollten sie sehen. Vielleicht befürchtete man, nicht laut genug beten zu können, so dass die Götter nicht alles verstehen konnten, in fernen himmlischen Gefilden. Um die Distanz zu überbrücken, schickte man »optische« Gebete an mächtige Himmelsgötter. Die Himmlischen sollten üppige Ernten auf den Feldern und reichlich Nachwuchs bei Tier und Mensch gewähren.

Der Peitschenschwinger könnte also ein mächtiger Himmelsgott sein, der seine Vormachtstellung zum Ausdruck bringt. Das im Vordergrund liegende Tier könnte tot sein, dem Kadaver entsteigt der darüber stehende Vogel… die Seele des toten Tieres. Und die Seele untersteht dem kraftstrotzenden Himmelsgott. Oder es handelt sich bei dem  nicht identifizierbaren Tier um ein Opfer für den Gott Tiwaz, der die Seele entgegennimmt und beherrscht?  Das ist eine Möglichkeit der Interpretation. Eine andere: Neben dem Gott »Tiwaz«, dem Himmelsgott, steht die Gans als Repräsentantin für die Himmelsgöttin.

Unklar ist, welche Rolle das Tier rechts neben dem »Vogel« spielt. In den Zeichnungen, die ich einsehen konnte, erinnerte es an ein Reptil, an eine Schlange.

Feriswolf und Schlange von Bremen

In der Unterwelt unter dem Dom zu Bremen fotografierte ich einen Fenriswolf, der gegen eine Schlange kämpft. Sollte es sich bei der Darstellung am »Spring-Hill« um eine mythologische Schlange handeln? Vielleicht könnten wir etwas mehr verstehen, wenn das Ensemble vom »Spring-Hill« sorgsam ausgegraben würde. Dann wären vielleicht mehr Details der Darstellungen zu erkennen. Bis dahin müssen wir uns auf die zeichnerischen Rekonstruktionen von Samuel Gerald Wildman (1) verlassen.

Vergeblich habe ich nach Luftaufnahmen gesucht, die angeblich vor 50 Jahren vom »Spring-Hill« gemacht wurden. Angeblich sollen die Fotos im Archiv der »Birmingham Post« aufbewahrt worden sein, waren aber nicht auffindbar…Auf diesen Fotos, meinen Unterlagen nach im Dezember 1965 aufgenommen, soll der »Peitschenmann« klar zu erkennen sein. Der Koloss hat eine Höhe von über fünfzig Metern!

Literaturhinweis

1) Siehe auch…. Wildman, Samuel Gerald: The Black Horsemen and King Arthur, London 1971

Zu den Fotos

Das »Rote Pferd von Tysoe«. Rekonstruktion: Archiv Langbein. Zeichnung teilweise vom Verfasser rot eingefärbt.

Osterinselkoloss, im Boden »versinkend«: Foto Walter-Jörg Langbein
Bald wird er verschwunden sein...: Foto Walter-Jörg Langbein

Der »Peitschenmann«: Archiv Langbein
Das »Reptil« (?): Archiv Langbein
Das »Monster« (?) : Archiv Langbein

Runenzeichen »Tiwaz«: Archiv Walter-Jörg Langbein

Feriswolf und Schlange von Bremen: Foto Walter-Jörg Langbein

300 »Alles vorbei, tom Roden….«,
Teil 300 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 18.10.2015


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Montag, 5. Oktober 2015

Eine Institution wird 65

Jubilar Fritz Ackermeier links im Bild...

Lügde-Niese (Bad Pyrmont). Tag der deutschen Einheit. Vor dem Spritzenhaus versammeln sich immer mehr Menschen. Das „Blasorchester Albaxen“ formiert sich. Dann geht’s los, die Musikanten vorweg, gefolgt von einem guten Teil der Dorfbevölkerung. Ziel ist das „Zentrum“, der „Nieser Dorfladen“.

Fritz Ackermeier jun. hat das Geschäft vor vielen Jahren vom Vater übernommen. Inzwischen ist er selbst zu einer beliebten „Institution“ geworden. Völlig perplex ist Fritz Ackermeier, als vor seinem Haus deftige Blasmusik erklingt. Verwundert tritt er vor die Tür… und alle wollen gratulieren. So viele Freunde sind gekommen, sie müssen sich in eine lange Menschenschlange eingliedern, um dem Jubilar die Hand drücken zu können.


Aufmarsch der Musikanten...

Die Albaxer musizieren voller Inbrunst. Rasch werden Tische und Bänke aufgebaut. Der Ohrenschmaus passt zum spätsommerlichen Sonnenschein. Bier, Saft, Wein, Sekt wird aufgefahren, dazu gibt es Zwiebelkuchen, Wurst, zahlreiche Käsesorten, Brezen, Laugenbrötchen. Die Nieser wissen „ihren“ Fritz zu feiern!

Was aber wichtiger ist: Überall sterben die Dörfer aus, heißt es. Das muss nicht so sein. Jedes Dorf braucht ein Zentrum. In Niese ist das der „Nieser Dorfladen“. Ob ein Dorft „stirbt“ oder ob es „lebt“, das hängt von den Menschen ab! Niese jedenfalls lebt offensichtlich. Und das ist auch Fritz Ackermeier und seiner Frau Edith zu verdanken! Da sage keiner, das Dorfleben sei überall tot. Niese jedenfalls sprühte am 3.10. vor Lebensfreude!


Hoch soll er leben ....

Auch von dieser Stelle: Herzlichen Glückwunsch zum 65., lieber Fritz Ackermeier! Und noch viele, viele gesunde Jahre!

Orientierungshilfe: Das Dörfchen Niese gehört zur Gemeinde Lügde. Lügde liegt noch in NRW, an der Grenze zu Niedersachsen. Nächster größerer Ort ist Bad Pyrmont, Niedersachsen.

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Sonntag, 4. Oktober 2015

298 »Wie aus einem Riesen-Krieger eine Riesen-Göttin wude!«

298 »Wie aus einem Riesen-Krieger eine Riesen-Göttin wude!«
Teil 298 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Das seltsame Gesicht...
Angefangen hat es am 27. Juli 1978 in Chicago. Damals hielt ich  im Rahmen der 5. Weltkonferenz der A.A.S. (»Ancient Astronaut Society«) einen Vortrag mit dem Titel »Rock drawings of Val Camonica« (»Felszeichnungen von Val Camonica«).  Ich zeigte Dutzende von Felszeichnungen, die meiner Meinung nach fremdartige Wesen in Raumanzügen darstellen.

Ein Teilnehmer drückte mir ein abgegriffenes Foto in die Hand. Es zeigte ein seltsames Gesicht (Foto links!), oval mit Augenbrauen, Augen, Nase und einem angedeuteten Mund. »Das ist ein riesenhafter Astronaut, vielleicht über einhundert Meter hoch… irgendwo in England! Man hat vor Jahrtausenden diese Riesenzeichnung geschaffen, zur Erinnerung an außerirdische Besucher!«

Vergleichbar sei das gigantische Kunstwerk mit dem »Weißen Pferd« von Uffington. Es ist eine uralte, in England weit verbreitete Technik. Man trägt gezielt Gras und Erdreich bis auf den darunter liegenden Kalkstein ab, so dass ein Bild entstand, so als habe man es mit weißer Farbe aufgetragen. »Weiße Pferde« gab es vermutlich zu Hunderten in England. Über die Bedeutung dieser weißen Pferde wird seit Jahrhunderten diskutiert. Im Volksglauben Englands gilt das weiße Pferd, das auftaucht und wieder verschwindet als »Manifestation der Anderswelt«, des Jenseits.

Seit 1978 habe ich immer wieder nach dieser seltsamen Darstellung eines riesenhaften Astronauten in England geforscht, leider ohne Ergebnis. Dann erfuhr ich von Mythen, die von Kriegern berichteten, die den Himmel erobern wollten. Bei meiner intensiven Recherche in Sachen »Astronautengötter« kam mir eine weitere lokale Überlieferung zu Ohren. Man habe vor langer, langer Zeit bei »Fleam Dyke« alias »Mutlow Hill« bei Fulbourn, Cambridgeshire, England, ein »goldenes Fahrzeug«, vielleicht eine Art Streitwagen vergraben.  Beim Studium von Kartenmaterial entdeckte ganz in der Nähe des mysteriösen »Mutlow Hill« eine kleine Hügelgruppe mit dem seltsamen Namen »Gogmagog«.

Der Riese von Cerne Abbas aus der Nähe...

Gog, so schreibt der Prophet Hesekiel im »Alten Testament« (1), war ein Stammesfürst im Lande Magog. Gog soll sich mit den Mächten der Finsternis gut ausgekannt haben, war vielleicht so etwas wie ein Schwarzmagier. In der nach Johannes benannten »Apokalypse« (2) heißt es, dass der Satan selbst am Ende der Zeit die Völker Gog und Magog verführen und  zum Kampf gegen seine Feinde versammeln wird.

Warum wurden Hügel in England »Gogmagog« genannt? Sollte es in jenen Gefilden so etwas wie einen heidnischen Kult gegeben haben? Vergeblich habe ich bei »Fleam Dyke« –  alias »Mutlow Hill« – nach Hinweisen auf Gog und Magog gesucht. Erst im Raum Plymouth wurde ich fündig. Dort gab es einst Riesenbilder, vergleichbar mit dem Giganten von Cerne Abbas, die diese Bezeichnung verdient haben. Sie stellten Gog und Magog als Riesen dar!

Die Zitadelle von Plymouth

Noch im 17. Jahrhundert sollen sie zu sehen gewesen sein. Sie wurde lange Zeit – so berichtet C.W. Bracken (3) in seinem Standardwerk über die Geschichte von Plymouth – in regelmäßigen Abständen gereinigt und so erhalten.  King Charles II (1630-1685) ließ eine gewaltige Zitadelle als Verteidigungsanlage zur See hin bauen. Dem massiven Bollwerk fielen die beiden Riesen Gog und Magog zum Opfer. Sie wurden zerstört.

Wann und warum die beiden Riesen an der Küste von Plymouth geschaffen worden sind? Wir wissen es nicht. Angeblich hielten beide in ihren hoch gestreckten Armen Keulen wie ihr – zum Glück noch erhaltener – Kollege Riese von Cerne Abbas. Sollten sie schon frühe Seefahrer abschrecken? Waren es gigantische Symbole, vielleicht eines Fruchtbarkeitskults?

Der Riese von Cerne Abbas aus der Ferne.

Bei »Fleam Dyke« alias »Mutlow Hill« (Fulbourn, Cambridgeshire, England) gab es meinen Recherchen nach ebenfalls einen Kalkriesen. Heute lockt ein nobler Golfkurs Sportbegeisterte an, früher war es ein magisch-mystischer Riese.

Der Name »Gogmagog«-Hügel taucht erstmals anno 1574 in einer schriftlichen Urkunde auf. Den »Gogmagog« Riesen mag es schon früher gegeben haben. William Cole, angesehener Antiquar in der Universitätsstadt Cambridge, berichtet, man habe ihm in Kindertagen um 1724 immer wieder den Riesen von Gogmagog gezeigt. Damals muss das überdimensionale Scharrbild eine Art örtliche Touristenattraktion gewesen sein.

Im Jahr 1605 erschien in Frankfurt ein bemerkenswertes Buch aus der Feder von Bischof  Joseph Hall, gefolgt von einer Ausgabe in englischer Sprache… über den »Gogmagog«-Riesen. Der sei von »unglaublicher Größe« gewesen. Anno 1640 ging der Historiker John Layer, Cambridge, auf den Riesen ein. Seiner Überzeugung nach verdanken die »Gogmagog«-Hügel dem Kreise-Giganten ihren Namen.

Bis heute ist unklar, wer wann und warum das Riesenbildnis erschaffen hat und wann es wieder unter Erdreich und Gras verschwand. 1954 nahm sich eine schillernde Persönlichkeit des Rätsels von »Gogmagog« an: Thomas Charles Lethbridge (1901-1971), der auch Archäologe war. Nachdem Lethbridge unterschiedliche Beschreibungen aus unterschiedlichen Zeiten sorgsam studiert hatte, begann er mit Engelsgeduld zu »sondieren«. Mit metallenen Stangen wurde im Erdreich herumgestochert, wurde lockereres Auffüllmaterial entdeckt.

Der Riese ist eine Göttin mit Busen
Zur Erinnerung: Auch der »Gogmagog«-Riese entstand dadurch, dass seine Konturen von Gras und Erdreich befreit wurden, bis der weiße Kalkstein durchkam. Die Linien, mit denen das große Bild »gezeichnet« worden waren, bestanden aus Gräben bis zum hellen Kalkstein. Irgendwann wurden diese Gräben vielleicht bewusst wieder aufgefüllt.

Vielleicht haben auch Wind und Wetter die Gräben zum Verschwinden gebracht. Das Material in den Gräben ist weicher als das umgebende Erdreich. Wenn man nun mit viel Geduld möglichst viele Löcher ins Erdreich piekt, kann man erkennen, wo einst die Gräben verliefen… die Linien der Riesenzeichnung vom Riesen!

Thomas Charles Lethbridge staunte nicht schlecht, als er zunächst auf das ovale Gesicht seines Riesen stieß Foto links!). Mund und Augenbrauen waren klar auszumachen, die Augen wirkten starr, verliehen dem Gesicht etwas Maskenhaftes. Verblüfft war Lethbridge, als bei seinen Metallsondierungen etwas ganz anderes herauskam als er erwartet hatte, nämlich kein männlicher Riese wie der von Cerne Abbas. Sondern offensichtlich ein weibliches Wessen mit klar erkennbarem Busen. Lethbridge stocherte und suchte weiter, das rekonstruierte Bild wurde immer größer.

Lethbridge fertigte eine maßstabsgetreue Zeichnung seines Fundes an und konsultierte Sir Thomas Kendrick vom »British Museum«, London. Kendrick gratulierte zur Entdeckung, meinte Teile der Darstellungen eines Pferdes ausmachen zu können. Cyril Fox, angesehener Kenner keltischer Kunst, studierte die zeichnerische Rekonstruktion und telegrafierte seine Interpretation. Demnach  ist die keltische Gogmagog-Pferde-Göttin Epona mit zwei Pferden dargestellt, ähnlich wie die Epona von Kapersburg (Foto ganz unten!).

Und ich staunte nicht schlecht, als ich das ovale Gesicht in einer zeichnerischen Rekonstruktion sah… Die Göttin mit dem ovalen Gesicht kannte ich doch. Jahrzehnte zuvor, am 27. Juli 1978, hatte man mir in Chicago ein Foto gezeigt…

Nur war der vermeintliche »Außerirdische« eine Göttin, vermutlich Epona. Sie hieß Diana bei Römern, Epona bei den Kelten und war für Pferde und den Mond zuständig, als »Erd-Mutter« und »Mondgöttin«.

Ein Epona-Relief wurde bei Ausgrabungen im Limeskastell Kapersburg gefunden. Es befindet sich im Wetterau-Museum in Friedberg… Da kann durchaus die gleiche Göttin dargestellt worden sein  wie in den Gefilden von »Gogmagog«.

Streitwagen und Krieger...
Lethbridge sondierte und sondierte. Schließlich glaubte er drei Darstellungen unterschiedlicher Art ausfindig gemacht zu haben, auf einer Fläche von etwa einhundert Metern Länge und dreißig Metern Höhe: In der Mitte Erdmutter Epona, rechts daneben eine Art Streitwagen mit einem martialischen Krieger, der ein mächtiges Schwert schwingt.

Links neben Epona wurde ein Wesen von bizarren Formen verewigt. Seine geschwungenen Linien könnten weite Kleidung, einen wehenden Umhang darstellen. Bei diesem Wesen handelt es sich angeblich um einen Sonnengott, um den Partner der Mond- und Muttergöttin. Lethbridge, dessen Entdeckung bis heute von der Wissenschaft nicht anerkannt wird, hält es für möglich, dass die drei Elemente des riesigen Bildes zu unterschiedlichen Epochen entstanden.

Ich frage mich: Wurde der emsige Forscher Lethbridge Opfer seiner eigenen Fantasie?  »Entdeckte« er nur, was er finden wollte? Rekonstruierte er lediglich seine eigenen Vorstellungen? Das trifft nicht zu. Hat er doch einen kriegerischen Riesen, vermutlich mit Keule und großem Penis erwartet… und eine Göttin mit üppigen Brüsten gefunden.


Epona von Kapersburg
Fußnoten

1) Hesekiel Kapitel 38 und 39
2) Kapitel 20, Vers 8
3) C.W. Bracken: »A History of Plymouth and her Neighbours« Plymouth 1931, S. 4

Zu den Fotos

Das seltsame Gesicht.. Göttin, kein Astronaut!: Archiv   
Walter-Jörg Langbein

Der Riese von Cerne Abbas aus der Nähe: wiki commons/  
Pete Harlow 

Die Zitadelle von Plymouth: wiki commons/ GeographBotDerek Harper


Der Riese von Cerne Abbas aus der Ferne: wiki commons/ 
Pete Harlow

Der Riese ist eine Göttin mit Busen: Archiv Walter-Jörg Langbein

Streitwagen und Krieger...: Archiv Walter-Jörg Langbein

Epona von Kapersburg: wiki commons/ Lumpeseggl




299 »Peitschenmann, Gans und Monster«,
Teil 299 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         


von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 11.10.2015


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Freitag, 2. Oktober 2015

Schulengel Teil 5 – auf der Jagd nach dem ahnungslosen Verbraucher

Freitagskolumne von Ursula Prem

Schulengel Spendenstand
vom 1.10.2015;
Veränderungen seit dem
10.09.2015 (3 Wochen):
+ 43.864 € Spenden
+ 83 beteiligte Einrichtungen;
Regelmäßige Leser dieser Kolumne sind bereits über die Grundzüge des Systems Schulengel informiert. Wer die Hintergründe dieses zweifelhaften Spendenpools noch nicht kennt, kann in Folge 1 nachlesen, wie die Schulengel GmbH Betreiber anderer Websites um ihre sauer verdienten Einnahmen bringt. Folge 2 klärt darüber auf, dass es nur einen Beteiligten gibt, der durch Schulengel nennenswerte Umsätze tätigt, nämlich Schulengel selbst. Dass das System zudem im Einzelfall dazu verleitet, der »Spende« wegen viel zu teuer einzukaufen, ist in Folge 3 nachlesbar. Dass die Auswirkungen dieser Unkultur des Einkaufens auch für die journalistische Unabhängigkeit gravierend sind, habe ich in Folge 4 beschrieben. Der heutige 5. Beitrag zu diesem Thema beschäftigt sich mit der Motivation der Menschen, dieses System überhaupt zu benutzen.


Es ist völlig klar: Spenden für eine gute Sache einzusammeln, funktioniert wesentlich effektiver ohne eine Zwischenstation wie Schulengel, die einen guten Teil der gesammelten Gelder als Provision einbehält. Der gute alte Satz »Darf ich Sie um eine kleine Spende für unsere Schule bitten?« bringt Menschen zusammen und öffnet Herzen und Geldbeutel. Wer daraufhin spendet, tut dies aus eigener Tasche und ohne großen technischen Aufwand. Dass das System Schulengel trotzdem viele Leute begeistert, liegt an der Tatsache, dass die getätigte Spende den Spender angeblich nichts kostet. Ein wenig Geld für die Schule der eigenen Kinder einzusacken, das man noch dazu nicht einmal selber verdienen muss, ist ein Gedanke, der in etwa so faszinierend ist wie das Perpetuum Mobile. Wen schert es schon, dass aus dem Nichts entstehendes Geld in etwa denselben Realitätsgehalt hat wie der alte Menschheitstraum von der sich ewig selbsterneuernden Energie?

Dass das so gewonnene Geld nach Adam Riese an anderer Stelle fehlen muss, will keiner der Schulengelnutzer sich eingestehen. Sei es, dass die Summe den Gewinn der Webshops schmälert und der allgemeine Kostendruck sich somit erhöht, oder sei es, dass von anderen Websitebetreibern erbrachte tatsächliche Werbeleistungen nicht mehr fair vergütet werden. 


Heinrich, mir graut vor dir!


Liebe Schulengelnutzer, lasst Eure Träume vom Perpetuum Mobile einen Augenblick beiseite und macht Euch bewusst: Jemand zahlt die Zeche für Eure großzügige »Spende«! Nur sehr naive Verbrauchercharaktere können ernsthaft glauben, was Schulengel ihnen weismachen möchte. An welche Form gutmütiger Dümmlichkeit das System appelliert, zeigt die Schulengel GmbH in einem ihrer Werbevideos explizit, wenn sie den Verbrauchertypus vorstellt, der für diese Masche empfänglich ist: Heinrich. Ihn gibt es sogar als Video auf YouTube:


Heinrich freut sich sehr, dass es ihm gelungen ist, dem Lieferanten seiner sowieso schon ziemlich günstigen Pizza 24 Cent aus der Tasche zu ziehen und sie zu Schulengel umzuleiten. Ist Heinrich nicht schlau? Da er nicht so aussieht, als wäre diese Pizza die erste seines Lebens, wusste er wahrscheinlich längst, in welcher Pizzeria er sie bestellen würde. Er hätte es auch ohne Schulengel gewusst, denn Schulengel erbringt keine originären Werbeleistungen für die Unternehmen, die aus ihrem Werbeetat »Dankeschön-Prämien« ausschütten, um sich vor einem Shitstorm wohlmeinender Nutzer zu schützen.

Ein echtes Erfolgserlebnis also für Heinrich, dem es gelungen ist, das Geld auf diese Weise einem »guten Zweck zuzuführen: einer gemeinnützigen Einrichtung. Da fragt man sich als aufmerksamer Betrachter doch: Was ist das Gegenteil von einem »guten Zweck«? Der »miese Zweck« gieriger und ausbeuterischer Pizzabäcker, die Löhne, Pacht, Einkäufe, Steuern und Versicherungen bezahlen müssen, ohne das Geld zuvor durch die gutmenschliche Spendenmühle drehen zu können? Heinrich jedenfalls hat dem Kapitalismus hier ein richtiges Schnippchen geschlagen! Ob seine Mama ihm dafür ein Fleißkärtchen gibt und ein Tränchen der Rührung verdrückt über das nette, ahnungslose Früchtchen, das sie im Schweiße ihres Angesichts großgezogen hat? Wir werden es wohl nicht erfahren.

Dass Heinrich seine (fiktive) Spende an einen offenbar ebenfalls fiktiven Verein weiterleiten ließ, nämlich die »Brillenfreunde Berghausen«, die außer über die Schulengel-Website nirgendwo auffindbar sind, wird da schon zum Bonmot am Rande. Dass Schulengel dieser »Redaktionell geprüften Einrichtung« auf der eigenen Website auch noch »Geprüfte Gemeinnützigkeit« bestätigt und einen Link zur »Website der Einrichtung« aufführt (der ins Leere führt), dürfte Heinrich sehr freuen, denn er möchte beim Einkauf schließlich nicht übervorteilt werden.



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