Sonntag, 31. August 2014

241 »Nikolaus und eine geheimnisvolle Burg«

Teil 241 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Wer kennt diese geheimnisvolle Burg? Foto W-J.Langbein

Der »Heilige Nikolaus« verbreitete zu Beginn des vierten nachchristlichen Jahrhunderts das Christentum in Lykien (heute Türkei). Seine Erzfeindin, so wird überliefert, war die Göttin Diana. Allem missionarischen Eifer zum Trotz beteten die Menschen damals aber weiter zur Göttin. Besonders viele Gläubige pilgerten zum »Heiligen Baum« der Diana. Nikolaus ließ den Baum fällen und zerhacken, wahrscheinlich um zu beweisen, dass Diana keine Macht hatte. Das Fällen des heiligen Baums blieb folgenlos. Bischof Nikolaus bekam nicht den Zorn der Himmlischen zu spüren und starb irgendwann im vierten Jahrhundert.

Der Überlieferung nach sann damals Diana auf Rache. Sie entwickelte eine heimtückische Waffe, »griechisches Feuer«. Als »fromme Frau« verkleidet sprach Diana Pilger an, die sich auf der Reise nach Myrna zum Grab des Nikolaus befanden. Sie gab den Christen ein »heiliges Öl« mit und bat, die Pilger mögen doch damit die Wände der Kirche bestreichen. Was sie nicht wussten: Bei der vermeintlich frommen Gabe handelte es sich um griechisches Feuer. Die »Salbung« durch die Pilger hätte die Kirche in Flammen aufgehen lassen. So wäre das große christliche Heiligtum zerstört worden, wenn nicht – so überliefert es die heilige Legende weiter – Bischof Nikolaus posthum und als Geisterscheinung die Pilger auf See gewarnt hätte. Der Gottesmann klärte die Pilger auf, schüttete das vermeintlich heilige Öl ins Meer… Stichflammen loderten zum Himmel auf. In »Geheimnisvolles Worms« von Ulrike Schäfer lesen wir (1):

Teuflische Göttin. Foto: W-J.Langbein
                                               
»Wie schwer es der heilige Nikolaus hatte, sich gegen die alten Götter durchzusetzen, zeigt ein verblüffendes Relief, das sich außen über dem Portal der Nikolauskapelle befindet. Da werden Gläubige auf dem Weg zum Grab des Nikolaus in Bari von einer Dämonin angehalten, die angeblich ein Weihegeschenk mitgeben will. In Wirklichkeit ist es aber Teufelswerk, wie Nikolaus selbst seinen Verehrern kundtut. Die Göttin Diana oder Dana wollte sich nämlich rächen, weil der fromme Mann ihr Heiligtum zerstört hatte.«

An der Südseite des Doms findet sich über dem Portal zur Nikolauskapelle eben diese Szene. Diana wird schwebend in der Luft dargestellt, wenig göttlich, sondern als Teufelin mit Brüsten. Diana – ihr Kult war in vorchristlichen Zeiten weit verbreitet – wurde als »Himmelskönigin« angebetet. Ihr christliches Pendant ist heute Maria, Jesu Mutter, die »Himmelskönigin« des christlichen Katholizismus. Diana war eine dreifache Göttin, Mondjungfrau, Mutter allen Lebens und Zerstörerin.

Es mutet kurios an, dass Diana am Nikolausportal als hässliche Teufelin gezeigt wird, während in der Nikolauskapelle selbst bis auf den heutigen Tag die »drei Bethen« verehrt und angebetet werden. Die drei Bethen sind nichts anderes als die dreifache Göttin Diana in christlichem Gewand! Wahrscheinlich geht unser Wort »beten« auf die Verehrung der drei heiligen Bethen zurück. Als deren Kult nicht wirklich ausgelöscht werden konnte, wurden die heidnischen Göttinnen einfach in christliche Heilige verwandelt…

So wie Nikolaus das Heiligtum der Diana zerstörte, so verwüstete Karl der Große mit fanatischem Eifer heidnische Kultplätze. So soll er bei den Externsteinen einen vorchristlichen Kultplatz verwüstet und das zentrale Heiligtum – die Irmin-Säule – zerstört haben. Vergeblich versuchte der christliche Herrscher, den heidnischen Ritus des Feuerräderlaufs zu verbieten. Er wird heute noch zelebriert, gerät aber immer mehr zu einem touristischen Spektakel, umgeben von Feuerwerk, Jahrmarktsgeschrei und Budenzauber.

Brücke zum einstigen Heidenheiligtum.

Anno 784, so heißt es, feierte Karl der Große Weihnachten in »Villa Liuhidi«, nahe der Skidrioburg. »Villa Liuhidi« wird heute mit Lügde in Verbindung gebracht. Wo einst Karl der Große in einem kleinen Holzkirchlein gebetet haben soll, da steht heute die eindrucksvolle Kilianskirche. Die Skidrioburg wird heute mit der Herlingsburg identifiziert. Und die dürfte schon in vorchristlichen Zeiten entstanden sein. Die Herlingsburg (2) »ist auf einem freistehenden Bergplateau gelegen und zählt zu den ältesten Wallburgen in der Region. Die Burg wurde in den folgenden Jahrhunderten von den dort siedelnden Menschen als Fluchtburg und später in den Sachsenkriegen Karls des Großen als Wehranlage zur Kontrolle der Verkehrswege genutzt.«

Von meinem Heimatdorf am »Köterberg«, der einst wohl »Götterberg« hieß, ist es nicht weit an den (künstlich angelegten) Schieder-Stausee. Von Glashütte aus geht’s zu Fuß bergan. Noch im späten 19. Jahrhundert soll die Herlingsburg auf einem kahlen Berg gethront haben. Landwirtschaftlich – im Sinne von Feldanbau – konnte der Berg nicht genutzt werden, aber angeblich sollen Rinder durch emsiges Trampeln jeden Baumwuchs verhindert haben.

Berg der Herlingsburg im 19. Jahrhundert. Archiv Langbein

Heute ist der Berg der Herlingsburg dicht bewaldet... und steil wie eh‘ und je! Das macht sich bei mir schon nach einer halben Stunde deutlich bemerkbar. Um 8 Uhr morgens bin ich am 7. Juni 2014 in Glashütte aufgebrochen. Um 8 Uhr 30 scheint meine Kameratasche eine alchemistische Transformation durchgemacht zu haben. Dem gefühlten Gewicht nach zu urteilen hat sie sich in einen massiven Bleiklumpen verwandelt.

Nicht wirklich leichter fühlt sich der Anstieg, als die schmale geteerte Straße zum Waldweg wird. Zum Glück hat meine Frau ausreichend Wasser dabei. Ich lege immer wieder eine kleine Pause ein und trinke. Meine Frau eilt, flink wie eine Gämse, voraus und erkundet den weiteren Weg. Ich denke an angreifende Krieger, die sich vor Jahrtausenden die Anhöhe hinauf kämpfen mussten. Sie mussten jeden Moment damit rechnen, von oben angegriffen zu werden. Und ihre Ausrüstung war ganz gewiss sehr viel schwerer als meine. Ich konnte ja auf jegliche Form der Bewaffnung verzichten, musste auch weder Schild noch Schwert tragen. Und der Waldweg von heute war sicherlich – trotz der Steile – sehr viel besser begehbar als der Anstieg durchs Unterholz.

Hinweistafeln »Zur Herlingsburg« gibt es einige wenige. Ein paar mehr würden die Suche nach dem Ziel wesentlich erleichtern. Munter plaudert meine Frau. Sie erzählt mir von der Legende der zwei Brüder. Ich zitiere die Version von Hagemeier (3):

»Auf der Burg lebten einest zwei Brüder, die, ihren Göttern treu ergeben, tapfer gegen den christlichen Frankenkönig Karl kämpften. Im Kampf gegen die Eindringlinge waren sie zwar vereint, im Herzen jedoch trennte sie ein unritterlicher Hass gegeneinander. Der Grund für diese Rivalität war ein schönes Sachsenmädchen, das sie beide sehr lieb hatten und begehrten. Die Liebe zu dem Mädchen hatte sie zu Todfeinden gemacht. Während eines Heerzuges gegen die Sachsen belagerte Karl der Große nun die Skidrioburg und konnte sie lange nicht einnehmen, weil sie so fest gebaut und tapfer von Sachsen verteidigt wurde. Als nun das Weihnachtsfest nahte, ließ der König die beiden Brüder einladen, mit ihm gemeinsam Weihnachten zu feiern. Sie kamen der Einladung nach und hörten zum ersten Mal die frohe Botschaft von der Geburt des Heilands und von der Liebe Gottes. Dadurch wurde ihr Herz so ergriffen, dass sie sich versöhnten und auch den Kampf gegen Karl und den christlichen Glauben aufgaben.«

Unterwegs zur »Burg«. Foto W-J.Langbein

Die Bezeichnung »Herlingsburg« ist irreführend. Wer die 334 Meter zum Berggipfel erklommen hat, der kann enttäuscht werden. Von einer »Burg« ist dort oben nichts zu erkennen. Eine »Burg«, so wie wir sie uns vielleicht vorstellen, hat es dort oben nie gegeben. Folgerichtig finden sich auch keine Mauerreste, geschweige denn steinerne Tore oder Türme mit Zinnen. Einst gab es oben auf dem heute wegen der Bewaldung kaum zu erkennenden »kuppelförmigen Hochfläche« (4) eine Wallanlage. Angreifende Feinde mussten den Berg hinauf stürmen, wobei sie immer wieder Gräben und Erdwälle überwinden mussten. Die Verteidiger der »Burg« waren im Vorteil, konnten – zum Beispiel – vorbereitete Felsbrocken gegen die Angreifer anrollen lassen. Oder sie ließen einen Steinregen auf die Feinde niederprasseln.

Waren die Angreifer erst einmal oben angelangt, galt es wiederum einen Graben zu überwinden. Darauf folgte ein Erdwall, gekrönt von einer Palisade aus Baumstämmen. Vom Graben ist heute nichts mehr zu sehen, die Palisade aus Baumstämmen ist natürlich schon seit vielen Jahrhunderten verschwunden, und der einst beeindruckende Erdwall? Der unvorbereitete Wanderer übersieht ihn leicht. Wer ihn aber ersucht, erkennt ihn noch, auch wenn er zwischen Bäumen kaum auszumachen ist. Am und auf dem Wall stehen Bäume. Wanderer trifft man hier oben nicht sehr häufig an. Dabei lohnt es sich, nach den Überbleibseln der »Herlingsburg« zu suchen… in einem Waldgebiet, das manchmal märchenhaft, manchmal unheimlich düster, manchmal lichtdurchflutet unsere Fantasie anregt.

Reste eines Wallstücks. Foto Langbein

Einst gab es im Inneren der Wallanlage einen Brunnen. Leider wurde er schon vor vielen Jahrzehnten bei unsachgemäßen Ausgrabungen – so versicherte mir ein Heimatforscher vor Ort – zerstört. Wie lange die »Herlingsburg« als Zuflucht für die heimische Bevölkerung genutzt wurde? Wir wissen es nicht. Wann genau die Wallanlage erbaut wurde, auch das wissen wir nicht wirklich.

Im Inneren der Anlage wurden mehrere Grabanlagen entdeckt, unter einer Humusschicht. Tote wurden  in steinernen Särgen beigesetzt. Klaus Zetzsche weiß zu berichten (5): »Als nun eins (ein Grab) analysiert wurde, kam die bisher schönste, geöffnete Grabanlage von vier Meter Länge zutage. Sie enthielt eine sogenannte Steinkiste. Die Grababdeckplatte bestand aus einer acht Zentimeter dicken Sandsteinplatte, die von einer Sandsteinschicht unter dem Grabe herrührte und abgespalten war.«

Wie viele solche Steinsarggräber mag es einst gegeben haben? Wie viele möge noch unentdeckt unter dem Waldboden schlummern? Eine Hinweistafel zeigt, wie so eine Begräbnisstätte aufgebaut war, allerdings verborgen im Erdreich. Wie mag die Religion der Menschen damals ausgesehen haben? Glaubten sie an die Auferstehung der Toten, wenn man sie nur möglichst sicher für die Ewigkeit verwahrte? Wurden besonders wichtige Tote möglichst dem Himmel nah beigesetzt? Glaubte man, sie würden wieder auferstehen, so wie die Natur immer wieder aus der Starre des Winters erwachte?

Der Berg der »Herlingsburg« hat schon vor Jahrtausenden Menschen angezogen. Berggipfel waren ja oft den Göttern vorbehalten. Auf Berggipfeln gab es Heiligtümer. Und auf Berggipfeln wurden Tote rituell beigesetzt, so auch im Inneren der »Herlingsburg«. Da wurden einst Totenrundhäuser über Grabstellen errichtet: Nach sorgsamen archäologischen Untersuchungen geschah dies etwa zwei Jahrtausende vor Christus. Jünger sind große Erdhügel. Scherbenfunde wiederum weisen auf 800 nach Christus hin. Man muss also davon ausgehen, dass der Berg der »Herlingsburg« vor mindestens vier Jahrtausenden als »heilig« angesehen wurde und Jahrtausende als »heiliger Berg« gegolten hat, von der Jungsteinzeit bis in die Zeit Karls des Großen.

Rekonstruktion eines Grabes auf einem Info-Schild.

Ich bin nach intensivem Studium der wissenschaftlichen Literatur zur »Herlingsburg« zur Überzeugung gekommen, dass es dort oben schon ein altes Heiligtum gegeben hat, bevor die Wallanlage gebaut wurde. Welche Riten vor Jahrtausenden abgehalten wurden? Wir wissen es nicht. Gab es Pilger, die vor Jahrtausenden Sonnwendfeiern zelebrierten? Begrüßte man den Frühling? Im Christentum wurden ja heidnische Frühlingsfeste – etwa auf dem Brocken – im wahrsten Sinne des Wortes verteufelt. Einst trafen sich die Menschen auf Bergeshöhen, um zu feiern: Wenn die Sonne wieder stieg und wenn sich der Winter verabschiedete, die Natur aus der Starre der Kälte erwachte. Klaus Zetzsche (6): »So kam es beispielsweise, dass das große Frühlingsfest auf dem Brocken zu einem Meeting des Teufels und der Hexen abgestempelt wurde, die am ersten Mai dort zusammenkamen. Da aber das Volk weiterhin mit größter Zähigkeit an dem Fest der Lebensfreude festhielt, legte man die beiden großen Kirchenfeste, nämlich Ostern und Pfingsten, in seine Nähe und zog somit das alte Brauchtum einfach auseinander, so daß der ganze heidnische Charakter dadurch abgeschwächt wurde.«

Aber auch zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus lebt einstiges, einstmals heidnisches Brauchtum fort… zum Beispiel, wenn am Ostersonntag abends die Feuerräder von Lügde zu Tal rollen…

Osterräderlauf, uraltes heidnisches Brauchtum hat überlebt!

ALLE FOTOS: Walter-Jörg Langbein


Fußnoten:

1) Schäfer, Ulrike: »Geheimnisvolles Worms«, Gudensberg-Gleichen, 2003, S. 8
2) Hagemeier, Hubertus: Sagenhaftes Lipperland/ Sagen und Legenden, Erfurt
     2012, S. 118
3) ebenda
4) Zetzsche, Klaus: »Das sagen uns die Externsteine«, Köln-Seeberg 1983/84/85, S. 123
5) ebenda, S. 132
6) ebenda, S. 137

»Ein totes Pferd und eine Göttin«
Teil 242 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 07.09.2014


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Sonntag, 24. August 2014

240 »Der Drache, die Schöpfung und die Göttin«


»Der Drache, die Schöpfung und die Göttin«
Teil 240 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         

von Walter-Jörg Langbein


Wer einen Drachen sucht,
wird auch in Urschalling fündig ...

Das berühmte Nibelungenlied ist ein gewaltiges Heldenepos. Die vielleicht wichtigste Gestalt ist der hünenhafte Siegfried. Siegfried – er lebt als Sohn des Königspaares Siegmund und Sieglinde –  erfährt von einem geheimnisvollen Drachen. Das Untier haust in einer Höhle und bewacht einen gewaltigen Schatz, den »Hort der Nibelungen«. Was das Untier für Siegfried besonders anziehend macht: Angeblich macht das Blut des Drachens unverwundbar. Siegfried macht sich also auf die Reise, es gelingt ihm, das Monster zu töten und so badet er in seinem Lebenssaft. Tatsächlich wird er am ganzen Leibe unverwundbar, mit Ausnahme einer kleinen Stelle am Rücken. Im »dritten Abenteuer« lesen wir:

»Noch ein Abenteuer ist mir von ihm bekannt:
Einen Linddrachen schlug des Helden Hand;
Als er im Blut sich badete, ward hörnern seine Haut.
So versehrt ihn keine Waffe: das hat man oft an ihm geschaut.«

Generationen von Forschern haben gegrübelt, recherchiert und spekuliert, ob denn Siegfrieds Drachenkampf Ausgeburt reiner Fantasie sei. In der »Thidrekssage« wird sehr viel ausführlicher als im Nibelungenlied, wie ein gewisser Mime einem grässlichen Lindwurm den Auftrag erteilt, den jungen Sigfrid zu überfallen und zu töten. In der »Thidrekssage« hat dieses monströse Wesen einen Namen: Regen. Sigfrids Kampf mit dem Lindwurm oder Linddrachen wird gern mit dem Kampf des »Heiligen Michael« mit dem »Drachen« verglichen. (1)

Auch in Worms wurde ich
in Sachen Drachen fündig ...

Mich fasziniert die biblische Drachenmythologie schon seit Jahrzehnten. Im Buch Hiob wird der Drache erwähnt (2): »Bin ich denn das Meer oder der Drache, dass du eine Wache gegen mich aufstellst?« Psalm 91 beschreibt Drachen als eine Gefahr für jeden Menschen, der nicht von Gott selbst beschützt wird (3): »Über Löwen und Ottern wirst du gehen und junge Löwen und Drachen niedertreten.« Jesaja (4) warnt vor einem »fliegenden Drachen«. An anderer Stelle (5) prophezeit Jesaja, dass Gott den Drachen töten wird. Und nochmal Jesaja (6): »Dies ist die Last für die Tiere des Südlandes: Im Lande der Trübsal und Angst, wo Löwe und Löwin, wo Ottern und feurige fliegende Drachen sind, da führen sie ihre Habe auf dem Rücken von Eseln und ihre Schätze auf dem Höcker von Kamelen zu dem Volk, das ihnen nichts nützen kann.«

Hesekiel siedelt Drachen im Meer an. Er beschreibt zwar nicht direkt derartige monströse Wesen, verwendet aber Drachen sehr anschaulich im Vergleich (7): »Du Menschenkind, stimm ein Klagelied an über den Pharao, den König von Ägypten, und sprich zu ihm: Du Löwe unter den Völkern, wie bist du dahin! Und doch warst du wie ein Drache im Meer und schnaubtest in deinen Strömen und rührtest das Wasser auf mit deinen Füßen und machtest seine Ströme trübe.«

In der »Apokalypse des Johannes« kommt der Drache immer wieder vor. Um einem Missverständnis vorzubeugen: »Apokalypse« wird heute gern grundsätzlich als »Weltuntergang« übersetzt. Tatsächlich aber bedeutet der biblische Begriff »Apokalypse« zunächst einmal nur »Offenbarung«. Sehr interessant ist der Hinweis (8), dass der Drache quasi göttliche Funktionen hat, sprich verehrt wird: »Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier die Macht gab, und beteten das Tier an und sprachen: Wer ist dem Tier gleich und wer kann mit ihm kämpfen?«

Daniel in der Löwengrube.
Dom zu Worms. Foto Langbein

Das Buch Daniel findet sich nur äußerst bruchstückhaft in unseren Bibelausgaben. Der ursprüngliche Daniel-Text freilich war sehr viel umfangreicher, wurde aber der frommen Christenheit nur auszugsweise zugemutet. Warum? In manchen Luther-Ausgaben (9) der Bibel finden sich in der Abteilung »Apokryphe Schriften« Fragmente der »Zusätze zu Daniel«. Sehr viel ausführlicher freilich ist die nach wie vor beste Ausgabe der »verbotenen Bücher der Bibel«, nämlich in der Ausgabe von Prof. Emil Kautzsch (10). Ich zitier aus Kautzsch (11): »An dem gleichen Orte war auch ein Drache; dem erwiesen die Babylonier göttliche Verehrung.« Der biblische Daniel wird zum Drachentöter wie der »Heilige Georg«. Doch während der frühchristliche Georg dem Untier wie ein fahrender Ritter zuleibe rückt, wendet Daniel eine kurios anmutende Tötungsart an.

Drachentod von Urschalling. Foto Walter-Jörg Langbein

Der »Heilige Georg« ist uns aus zahllosen Darstellungen in christlichen Gotteshäusern bekannt. Hoch zu Ross rammt er dem Drachen einen Spieß in den Leib oder setzt dem Untier mit einem Schwert ein Ende. Mir kam allerdings der »Drachen« schon in meiner Kindheit oft nicht wie ein einem Horrorfilm entsprungenes Monster vor, sondern wie ein Fabelwesen aus dem Repertoire der »Augsburger Puppenkiste«. Im der kleinen Wehrkirche von Urschalling, am Chiemsee gelegen, fotografierte ich die spärlichen Reste eines Gemäldes. Eindeutig stellte es einen »Heiligen Georg« von beachtlicher Größe da, der hoch zu Ross einem eher kleinen »Drachen« in Hundegröße einen gewaltigen Spieß in den Leib rammt. Eine Heldentat sieht anders aus.


Drachentöter von Marienmünster.
Foto Langbein

In Marienmünster, wo ich für eine TV-Dokumentation gefilmt wurde, mutiert der Drachen zu einem weitestgehend »menschlichen« Teufel. Flügel am muskulösen Leib des sich windenden Sterbenden erinnern daran, dass der Teufel nach christlicher Tradition ein aus dem Himmel verbannter Engel war. Als satanisches Kennzeichen sind Hörner am Haupt des Teufels zu erkennen. Und in der Gesäßregion entspringt ein offensichtlich gewaltiger schlangenartiger Fortsatz, der jedem Lindwurm zur Ehre gereicht hätte. Im Dom zu Paderborn wiederum entdeckte ich in Holz geschnitzt einen Drachen, der eher als anmutig und graziös zu bezeichnen ist und ganz und gar nicht furchteinflößend auf mich wirkt.

Im Buch Daniel begegnen wird dem Vorgänger des »Heiligen Georg«. Der erledigt den Drachen nicht im ritterlichen Kampf, sondern als heimtückischer Fladen-Bäcker. Ausdrücklich bittet Daniel den König, den Drachen zu töten zu dürfen und schreitet dann perfide zur Tat (12): »Du aber, o König, gib mir die Erlaubnis, so will ich den Drachen ohne Schwert und Stab töten. Darauf nahm Daniel Pech, Fett und Haare, kochte sie zusammen und bereitete Fladen daraus und gab sie dem Drachen ins Maul. Nachdem der Drache sie gefressen hatte, zerbarst er.«  Wie gut, dass der »Heilige Martin« nicht auf derlei widerliche Fladen setzte. Drachen, die sich den Magen verderben und dann auch noch explodieren, sind kein ideales Bild für sakrale Kunst. Als Gemälde würden sie ekelhaft wirken, in Form von Statuen wären sie nicht darstellbar.

Was Daniel aber verdeutlicht: Der Drache steht für den »falschen« Glauben, der mit allen Mitteln vernichtet werden muss. In diesem Sinne hat sich Karl der Große (etwa 747 – 814 n.Chr.) als »Drachentöter« bewährt! Mit Gewalt bekämpfte er fanatisch vorchristliches Gedankengut, das sich bis in seine Zeit erhalten hatte. So war es vermutlich Karl der Große, der in Paderborn unweit des Doms einen heidnischen Tempel zerstören ließ. Reste einer Inschrift verweisen auf einen »Drachen«, dem dort die heidnischen Sachsen noch geopfert haben sollen. Offensichtlich ist es Karl dem Großen gelungen, den Drachenkult von Paderborn zu zerstören!

In einer Gruft von Worms wurde
ein Drache gefunden ... aus Stoff.

Folgen wir der Spur des Drachen. Sie führt uns zur biblischen Schöpfung, oder genauer … in die Zeit vor der biblischen Kreation. Denn was selbst emsige Bibelleser nicht wissen: Laut Bibel gab es vor der Schöpfung durch Gott … die Göttin. Und diese geheimnisvolle Geschichte wird im Text des »Alten Testaments« beschrieben. Dabei meinen wir doch genau zu wissen, was die Bibel über den Anfang der Schöpfung schreibt! Auch Atheisten meinen den einfachen Sachverhalt zu kennen, ob sie nun selten oder nie in der Bibel lesen! So beginnt die Bibel (13):

»Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe. Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.«

Eher harmlos wirkt der Drache von Paderborn.

Mit diesen Worten wird die Bibel eingeleitet. Versteckt – und selbst Theologen oft unbekannt – im »Alten Testament« findet sich aber ein anderer Anfang der Geschichte von Gott. Bevor Gott mit der Schöpfung beginnen konnte musste er erst Rahab besiegen (14): »Durch seine Kraft hat er das Meer erregt, und durch seine Einsicht hat er Rahab zerschmettert.«    

Gott hat, noch bevor er mit seiner Schöpfung begann, das Meer aufgewühlt und Rahab getötet. Vor dem Beginn der biblischen Geschichte von Gott, wie sie das Alte Testament erzählt, war also Rahab. Wer oder was aber war Rahab? Diverse Lutherausgaben der Bibel erklären in Fußnoten, Rahab sei »der Drache der Urzeit« gewesen. Und in der Tat: der Prophet Jesaja umschreibt Rahab als Drachen. Jesaja appelliert an Gott (15): »Wach auf, wach auf, zieh’ Macht an, du Arm des Herrn! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat?«

Bevor der Gott des Alten Testaments mit der eigentlichen Schöpfung anfangen konnte, musste er erst einmal den »Drachen« Rahab töten. Rahab existierte also schon bereits vor der Schöpfung. Verschweigt uns die Bibel da etwas? Der Schlüssel zum Geheimnis um Rahab findet sich gleich zu Beginn des Alten Testaments, allerdings muss man den Text gründlich im hebräischen Original untersuchen. In der Übersetzung heißt es wenig aussagekräftig (16): 

»Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe.«. Übersetzt man das hebräische Original wörtlich, lautet der zweite Teil des Verses: »Finsternis lag auf dem Antlitz von Tehom.« Tehom aber lässt sich auf uralte babylonische Mythologie zurückführen: Auf die babylonische Gottheit Tiamat, die auch als Meeresdrachen bezeichnet wird. Ursprünglich aber war Tiamat die Meeresgöttin.

Drache von Worms. Rekonstruktion 1


Nach Jahrzehnten der Forschung habe ich keinen Zweifel mehr: Der Drache aus christlichen Darstellungen ist eine Chiffre für die Zentralfigur sehr viel älterer Religionen, für die Göttin! Es lohnt sich nach diesem uralten Symbol zu suchen – in unseren Kirchen! Übrigens, ich wurde auch in Worms fündig! In einem uralten Bischofsgrab wurde ein schon arg zerfallenes Stück Stoff gefunden, das einst einen hohen christlichen Würdenträger geschmückt haben mag. Zu erkennen ist nach wie vor, was einst auf der Textile prangte….ein Drache. Mir stand ein schlechtes Foto von dem Drachen zur Verfügung. Ich habe versucht, die geheimnisvolle Kreatur zeichnerisch zu rekonstruieren….

 
Drache von Worms. Rekonstruktion 2


ALLE FOTOS: Walter-Jörg Langbein 
Zeichnerische Rekonstruktionen des Drachen von Worms: Langbein

Fußnoten

1) Zum möglichen historischen Hintergrund des Nibelungenlieds hat sich sehr ausführlich Heinz Ritter-Schaumburg geäußert. Empfehlenswert ist die Lektüre von Heinz Ritter-Schaumburg: »Sigfrid ohne Tarnkappe«, München 1990 und, vom gleichen Verfasser: » Die Nibelungen zogen nordwärts«, 5. Auflage, München 1981

2) Buch Hiob, Kapitel 7, Vers 12
3) Psalm 91, Vers 13
4) Jesaja 14, Vers 29
5) Jesaja 27, Vers 1
6) Jesaja 30, Vers 6
7) Hesekiel 32, Vers 2
8) Offenbarung 13, Vers 4

9) »Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers/ Neu durchgesehen nach dem vom deutschen Evangelischen Kirchenausschuß genehmigten Text«, Stuttgart 1915, »Anhang: Die apokryphischen Bücher«, »11. Vom Drachen zu Babel«, S. 133 und 134

10) Kautzsch, E.: »Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments«, »Erster Band: Die Apokryphen des Alten Testaments«, Tübingen 1900, S. 172-S.193
11) ebenda, S.191
12) ebenda, S. 191
13) 1. Buch Mose Kapitel 1, Verse 1-3
14) Hiob Kapitel 26, Vers 12
15) Jesaja Kapitel 51, Vers 9
16) 1. Buch Mose Kapitel 1, Vers 2

»Nikolaus und eine geheimnisvolle Burg«,
Teil 241 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 31.08.2014

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Sonntag, 17. August 2014

239 »Drei Heilige Frauen und eine Teufelin!«

Teil 239 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                        
erscheint am 17.08.2014

Die drei Heiligen Bethen. Foto Langbein
Die drei heiligen Jungfrauen vom Dom zu Worms stammen aus einem Kloster »Maria Magdalena«. Warum hat man sie in die Nikolauskapelle des Doms geschafft? »Wer aber waren die Drei Bethen, die in der Taufkapelle des Doms noch heute in Stein gehauen zu sehen sind?«, fragt Franjo Terhart (1). Dass die drei Bethen sehr gut in das große »Gotteshaus« passen, liegt auf der Hand. Wurde doch die Stadt Worms nach einer der drei holden Wesen benannt. Franjo Terhart bestätigt (2): »Schließlich verdankt die Stadt einer von ihnen, nämlich der Borbeth ihren Namen. (Aus Borbetomagus wurde über Wormazfelt schließlich der heutige Stadtname.)« Zur Erinnerung: »Borbetomagus« bedeutet »Stadt oder Ort der Borbet«.

Mindestens genauso interessant wie die Heilige Borbeth ist ihre Gefährtin »Wilbeth«. Dieser in unseren Ohren ungewohnt klingende Name geht auf das englische Wort »wheel«, auf das Rad zurück. Alljährlich wird noch heute in Lügde ein alter heidnischer Brauch zelebriert, der allerdings leider immer mehr als Attraktion eines lärmenden Rummels Touristen anlocken soll. Die in Lügde zu Tal rollenden brennenden Feuerräder symbolisieren den Mond. Das »wheel« im Namen Wilbeth« weist darauf hin, dass die »christliche« Wilbeth ursprünglich eine heidnische Mondgöttin war!

Die Heilige Borbeth. Foto Langbein

Die drei Bethen, so legt Richard Fester überzeugend dar (3), waren einst Göttinnen, Sinnbilder des ewigen Lebens und der Wiedergeburt. Für den Heidelberger Forscher Hans C. Schöll, Verfasser des wichtigen Werkes »Die Drei Ewigen« (4), waren Ambeth, Wilbeth und Borbeth Muttergöttinnen, die Erde, Mond und Sonne verkörperten. Die weibliche Dreifaltigkeit aus »heidnischen« Zeiten finden im Christentum ihre Entsprechung in den »drei Bethen«.

Besonders interessant: »Wilbeth«, die einstige Mondgöttin! Richard Fester (5): »Wilbeth ist also eine göttliche Mondmutter, die in die Zeiten steinzeitlichen Mütterglaubens und Mütterrechts zurückreicht und zurückweist. Ihre Stelle im christlichen Kult übernahm oftmals die ›Muttergottes auf der Mondsichel‹, ein Motiv, das sich schon im alten Kreta, 3 000 Jahre zuvor, findet.« Deshalb steht die Muttergottes im Dom zu Paderborn fast verschämt auf der Mondsichel, deshalb findet sich zu Füßen der Maria von Guadalupe die Mondsichel: weil Maria in die Rolle der »heidnischen« Muttergöttin geschlüpft ist!

Im Sommer 2014 erlebte ich, wie fromme Pilgerinnen gedankenverloren im Gebet versunken den »drei Bethen« huldigten. Ob vielen der Gottesdienstbesucher bei den Andachten in der Nikolauskapelle vor den »drei Bethen« bewusst ist, wie lange schon die Drei verehrt und angebetet wurden? Wenn Theologie eine wirklich wichtige Aufgabe hat, dann diese: Sie muss die Wurzeln der eigenen religiösen Überzeugungen erkunden. Leider gibt es für fanatische Anhänger unterschiedlichster Religionen nur den eigenen, den angeblich wahren Glauben. Bevor dieser jeweils einzig anerkannte Glaube – von Religionsgründern und Propheten – verkündet wurde, darf es keine wahre Religion gegeben haben. Wir haben nur eine echte Chance, zum Frieden aller über die Grenzen der Religionen hinaus zu kommen: Die Erkenntnis, dass alle Religionen sehr viel ältere gemeinsame Wurzeln haben!

Die Heilige Wilbeth. Foto Langbein

Es beeindruckt mich zutiefst, wie vielen Muttergöttinnen ich auf meinen Reisen begegnet bin – von Malta bis Mexiko, von Perus Pachamama bis zu Paderborns Maria. Offensichtlich gibt es uralte religiöse Bilder, die seit Jahrtausenden leben. Es ist tragisch, dass es zu Religionskriegen kam, bei denen gemetzelt und gemordet wurde. Es ist kein Zeichen menschlichen Mitgefühls, wie viel Leid verursacht wurde und wird, weil für Fanatiker nur der eigene Glaube gilt, der »fremde« Glaube bekämpft wird!

Wilbeth, die göttliche Mondmutter, führt uns weit zurück in die Vergangenheit… und sie ist im Katholizismus heute noch präsent: Aus der Wilbeth wurde die Fir’pet, die der gläubige Katholik heute noch als »Fürbitterin« kennt. Die »Fürbitterin« hat heute einen festeren Glauben im religiösen Brauchtum als in der vermeintlich wissenschaftlichen Theologie, nämlich als Maria. Es sind aber nicht in erster Linie theologische Dispute, die an theologischen Hochschulen ausgefochten werden, die den hilfesuchenden Menschen im Glauben Rückhalt geben. Das mehr oder minder intellektuelle Gedankengut wissenschaftlicher Theologie wird vom gläubigen Volk so gut wie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und sicher kaum verstanden.

Im Zentrum: Isis oder Maria?
Mit Horus oder Jesus. Foto Langbein

Man mag zum Volksglauben stehen wie man will, viele Menschen in Not finden in den Gotteshäusern Trost, und das allen Skandalen zum Trotz. Schon vor Jahrtausenden spendete die Muttergöttin Isis im Reich der Pharaonen Trost. Darstellungen von Göttin Isis, die sie mit ihrem Sohn Horus zeigen, erinnern in verblüffender Weise an Himmelsgöttin Maria mit ihrem Sohn Jesus. Isis und Horus wurden von griechischen und römischen Künstlern noch zu christlichen Zeiten verewigt. Christliche Künstler wurden zu Darstellungen von Himmelsgöttin Maria mit dem Jesusknaben inspiriert. Würde ein Isis-Gläubiger heute eine christliche Kirche betreten, er würde in den zahlreichen Gemälden und figürlichen Darstellungen von Maria »seine« Isis und in Jesus »seinen« Horus erkennen und – nach seiner Art – beten.

Wenn aber Gläubige aus dem »Alten Ägypten« und Christen unserer Tage in Ehrfurcht vor Isis/ Maria verstummen könnten, sollte es dann nicht auch möglich sein, dass heute Menschen muslimischen und Menschen christlichen oder jüdischen Glaubens in wirklichem Frieden miteinander leben? Die Frage ist nur, ob das wirklich erwünscht ist!

So wie heute Millionen von Christen nach Lourdes pilgern, um zu Maria zu beten, in der Hoffnung, von Krankheit geheilt zu werden, so mag einst die mysteriöse Steinzeitinsel Malta so etwas wie ein Pilgerort gewesen sein. Unzählige Tempel aus gigantischen Steinmonstern  finden sich da auf engstem Raum. Wahrhaftige Monstermauern trotzen seit Jahrtausenden der Zeit, sie würden auch King Kong mühelos Paroli bieten können. Auf Malta wurden vor vier bis sechs Jahrtausenden 22 riesige Tempel gebaut. Bis zu zwanzig Tonnen wiegen die gewaltigen Kalksteinquader, die damals scheinbar mühelos bewegt und aufeinander getürmt werden konnten. Tief unter der Erde wurde die »schlafende Dame« verehrt und angebetet. Lockte die Steinzeit-Maria vor Jahrtausenden Pilger aus ganz Europa an, so wie das heute noch die Himmelskönigin Maria tut?

Die Kreuzkirche auf dem Kalvarienberg. Foto Langbein

Auf meinen Reisen durch die Welt zu den großen Rätseln unseres Planeten begegneten mir immer wieder bewegende Zeugnisse des Glaubens an Heilige Mütter. So stieg ich voller Erwartung von Bad Tölz auf den »Kalvarienberg«. Fromme Pilger reisen aus aller Welt an, um den Kalvarienberg von Bad Tölz zu besteigen, wobei sie die verschiedenen Stationen von Jesu Leidensweg abschreiten, die kunstvoll dargestellt wurden. Diese Form der Frömmigkeit ist mir, ich gebe es zu, fremd. Mich lockte auch nicht in erster Linie der herrliche Blick ins Isartal, sondern die »Krone von Tölz«. 1718 ließ der Zollbeamte Friedrich Nockher sieben Wegkapellen errichten, dann die »Heilige Stiege«. 1735 entstand der »Golgathahügel«, gefolgt von der »Kreuzigungsgruppe« und der »Heiligen Stiege«. Die »Heilige Treppe« stand erst im Freien, wurde dann aber mit einem Gotteshaus überbaut.
 
Im zweiten Raum des heutigen Gotteshauses steht der Besucher vor einer breiten Holztreppe. Rechts und links davon führen steinerne Treppen nach oben. Die mittlere Treppe, so informiert uns eine Schrifttafel, wurde »nach dem Muster der wahren heiligen Stiege zu Rom hier errichtet und durch Einlegung mehrerer heiliger Reliquien eingeweiht«. Deshalb soll die »Heilige Stiege« nur »von den Schriftgläubigen ... nur kniend hinaufgebetet werden.« Die seitlichen Treppen sind für profanere Besuche bestimmt.

Die Heilige Stiege. Foto Walter-Jörg Langbein

Auch in Bad Tölz soll unser Augenmerk auf die himmlischen Gefilde gelenkt werden. Und seit Jahrzehnten folgt die christliche Theologie, so wie sie in den Kirchen gepredigt wird, mehr und mehr dem Volksglauben. So wird nach und nach aus Maria, der Mutter Jesu eine mächtige Himmelskönigin. Der Weg von der im »Neuen Testament« eher unscheinbaren Randfigur Maria zur »Himmelskönigin« ist weit, länger und steiler als die »Heilige Stiege« auf dem Kalvarienberg. In der Kalvarienbergkirche findet sich so manche Maria als Himmelskönigin, wie in jedem katholischen Gotteshaus. Doch steht im krassen Gegensatz zur hohen, ja heiligen Frau Maria die Frau als böse gegenüber.

Nikolaus im Portal. Foto Walter-Jörg Langbein

Besonders  deutlich zeigt dies das Portalbild der Nikolauskapelle. In der Mitte steht riesenhaft der »Heilige Nikolaus«. Was genau dargestellt wird, ist umstritten. Zur Linken des Nikolaus sind drei Menschen vom Tod bedroht. Der Henker hat schon sein Schwert aus der Scheide gezogen und setzt zum tödlichen Hieb an. Der »Heilige Nikolaus« –  mit Bischofsstab – rettet die Bedrohten. Steht er drei zu Unrecht zum Tode Verurteilten bei? Auf der anderen Seite erkennen wir ein Boot auf dem Meere. Mehrere Pilger sitzen im kleinen Schiffchen. Über ihnen schwebt der Teufel, der einen mächtigen Pfahl in das Boot rammt. Eine »Nikolaus-Legende« weiß zu  berichten, dass einst fromme Pilger vom Teufel bedroht wurden. Er wollte ihr Schiffchen versenken.

Eine andere Version der Legende besagt, dass der Teufel die frommen Pilger vom rechten Weg abbringen wollte, indem er sie bat, ein kostbares Geschenk am Ziel ihrer Reise abzulegen. Wieder wissen wir heute nicht mehr genau, was die kunstvolle Steinschnitzerei genau darstellen soll. Unübersehbar aber sind die weiblichen Attribute des Teufels. Der Teufel am Dom zu Worms wird ganz eindeutig als Frau dargestellt. Das ist die unüberbrückbare Diskrepanz: Die Frau als Heilige (Maria) einerseits…. und die Frau als Teufelin andererseits.

Die Teufelin vom Nikolaus. Foto Walter-Jörg Langbein



Fußnoten

1) Terhart, Franjo: »Magische Bretagne«, Dortmund 2006, S. 220, rechte Spalte, Zeilen 5 bis 8 von unten
2) ebenda, rechte Spalte, Zeilen 1 bis 5 von unten
3) Fester, Richard: »Die Steinzeit liegt vor deiner Tür/ Ausflüge in die Vergangenheit«, München 1981, siehe Kapitel »Die Muttergöttin unserer Ahnen«, Seiten 173-189
4) Jena 1936
5) Fester, Richard: »Die Steinzeit liegt vor deiner Tür/ Ausflüge in die Vergangenheit«, München 1981, S. 186

»Der Drache, die Schöpfung und die Göttin«,
Teil 240 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                        
erscheint am 24.08.2014


Donnerstag, 14. August 2014

Pyrrhus

pyrrhus
könig von epirus
siegte
und
siegte
Illustration: Sylvia B.

er war
ein großer krieger
so groß
dass man heute noch
von ihm spricht


es waren
nicht mehr viele
die seine siege
hätten rühmen können
zu groß
waren die verluste
und denen
die übrig blieben
durfte die lust am feiern
vergangen sein

aber
er hat gesiegt
und er war
ein so großer krieger
dass man noch heute
von seinen siegen
spricht


Text: Sylvia B.

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Sonntag, 10. August 2014

238 »Das Pferd mit vier Köpfen und drei Göttinnen«,

Teil 238 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Der Dom zu Worms. Foto W-J.Langbein

Von der - wirklich empfehlenswerten - »Nibelungen-Jugendherberge« (1) erreicht man in wenigen Schritten das Restaurant »Domterrassen Worms«. Und dann sind es nur noch wenige Schritte bis zum Hauptportal des Doms. Das gewaltige Bauwerk birgt so manches Rätsel. Staunend steht man vor dem monumentalen Bauwerk. Es sieht so aus, als habe das sakrale Gebäude unzählige Jahrhunderte unbeschadet überstanden. 

 Der Eindruck aber täuscht. So waren es französische Truppen, die im sogenannten »Pfälzischen Erbfolgekrieg« (1688-1697) unter Führung des christlichen Grafen Mélac den Rhein-Neckar-Raum verwüsteten. Melác setzte rücksichtslos auf die Taktik der »verbrannten Erde«, ließ seine Truppen Worms, aber auch Heidelberg, Mannheim und Speyer so gründlich wie nur möglich zerstören. Kirchen wurden geplündert, in Brand gesteckt. Der Dom zu Worms sollte gesprengt werden, was aber nicht gelang. Dafür brannte er im Inneren fast völlig aus. Der Dom wurde wieder aufgebaut, im Rahmen der französischen Revolution aber wieder fanatischem Zerstörungswahn ausgesetzt. Um ihre antichristliche Haltung zu unterstreichen, nutzten die französischen Revolutionäre das Gotteshaus als Speicher und Pferdestall. Auch in vermeintlich zivilisierteren Zeiten ging es barbarisch zu. So wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts – vermutlich 1807 – der mysteriöse Bau der »Johannes-Kirche« direkt am Dom abgerissen. Kapellen, Kirchen und Klöster wurden zerstört, die Steine für den Häuserbau verwendet.

Und immer wieder wurde renoviert und restauriert. 1935 befand sich der Dom zu Worms in einem prächtigen Zustand, nach einem halben Jahrhundert aufwändiger Renovierung. 1945 allerdings wurden, der Krieg war längst entschieden, sinnlose Fliegerangriffe auf deutsche Städte durchgeführt. Ein Ziel war am 21. Februar 1945 auch der Dom zu Worms. Ein gewaltiger Stadtbrand wurde entfacht, das Domdach stand in Flammen, das Domarchiv wurde weitestgehend vernichtet. Für die angreifenden Flugzeuge bot sich der Dom als einfaches Ziel für Schießübungen, steht er doch auf der höchsten Erhebung des Stadtgebiets. Militärischen Sinn hatten diese Attacken wohl keine.

Noch ist der Blick unverstellt...

Besiedelt war der dank seiner hohen Lage vor Hochwassern des Rheins sichere Platz schon vor Jahrtausenden. Schließlich ließen sich die Kelten dort nieder, wo später der Dom errichtet werden sollte. Die Römer kannten noch die Bezeichnung der Kelten für jenen Ort, überlieferten ihn als »Borbetomagus«, woraus sich der Name »Worms« entwickelte. Rudolf Pörtner erklärt in seinem Weltbestseller » Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit« (2):

»Wo heute Worms liegt, entwickelte sich .. eine stadtähnliche Siedlung, bedeutsam wahrscheinlich als Marktort und befestigter Stammesmittelpunkt mit dem Sitz eines Fürsten. Sie hieß Borbetomagus, Stadt oder Ort der Borbet, der keltischen Sonnenfrau, die mit Embede und Wilbede, der Erd- und Mondfrau, eine vielgenannte mythologische Dreiheit bildete.«

Diese »mythologische Dreiheit« habe ich im Sommer 2014 besucht – ein »heidnisches« Denkmal im christlichen Dom zu Worms. Wann genau es entstanden ist, ist nicht bekannt. Ursprünglich, vielleicht noch im frühen 15. Jahrhundert – um 1430 – befand sich der »Dreijungfernstein« im Frauenkloster »St. Maria Magdalena«, im »Bergkloster« ganz in der Nähe des Doms.

Blick auf den Dom von den Dom-Terrassen aus.

Ich nähere mich dem Dom von Süden her, stehe vor dem Südportal. Unzählige steinerne Figuren in unterschiedlichen Größen umrahmen es. Die Jahrhunderte alten Kunstwerke werden durch dichte Netze vor zudringlichen Tauben geschützt, deren Hinterlassenschaft nicht nur beschmutzt, sondern auch ganz erhebliche Schäden verursacht. Ich muss an den »Heiligen Geist« denken, der nach christlicher Überlieferung in Gestalt einer Taube auftritt. In zahllosen christlichen Kunstwerken wird der »Heilige Geist« in christlichen Gotteshäusern auch als Taube dargestellt. Wer denkt da nicht an den einen oder anderen Skandal, der die katholische Kirche in unserer Zeit erschüttert? Ein wenig mehr »Heiliger Geist« hätte dem Exkirchenfürsten Tebartz van Elst in Limburg gewiss geholfen. Die Schutznetze sichern die uralte sakrale Kunst, machen aber wirklich gute Fotos unmöglich. Fotografiert man mit Blitz, kommen die Netze deutlicher zur Geltung als die sakrale Kunst. Ich habe unzählige Fotos gemacht, zu allen Tages- und Nachtzeiten. Ich hoffe, dass mir einige gelungen sind, die erkennen lassen, wie kunstreich geschmückt das Südportal ist!

Deutlich zu erkennen sind – vom Betrachter aus gesehen links (Foto kinks) – die vier Evangelisten, die dank der ihnen beigestellten Symbole auch deutlich zu identifizieren sind:

Markus mit seinem Löwen, Matthäus mit seinem Engel, Lukas mit seinem Stier und Johannes mit seinem Adler.

Auf der anderen Seite des Torbogens – vom Betrachter aus rechts – stehen vier Propheten des Alten Testaments, es könnte sich um Daniel, Jeremias, Jesaia und Hesekiel handeln. Die Inschriften auf ihren Namenstäfelchen sind leider verschwunden.

Hoch oben über dem Portal findet sich eine Darstellung, die meines Wissens nach in der christlichen Kunst weltweit einzigartig ist. Da reitet eine stolze Frau mit einer Krone auf dem Haupt auf einem eigenartigen Tier. Bei näherem Betrachten fällt auf, dass das mysteriöse Wesen vier Köpfe hat. Merkwürdig muten auch die Beine und Füße des Reittiers an. Eine solche Kreatur hat es niemals gegeben, ein solches Wesen existierte niemals aus Fleisch und Blut.

Gängige Interpretation: Die vier Köpfe – Engel/Mensch, Stier, Löwe, Adler – stehen für die vier biblischen Evangelisten  Matthäus, Lukas, Markus und Johannes.

Die vier Köpfe des Pferdes. Netz teilweise wegretuschiert.

Ich visiere das seltsame Reittier mit meiner Kamera – unter Verwendung eines 300-Millimeter-Teleobjektivs an. Es kommt mir so vor, als habe das mysteriöse Fabelwesen nicht vier, sondern fünf Beine. Der Kirchenführer »Der Dom zu Worms« (3) vermeldet: »Die Krönung des Portals ist eine in der Tat einzigartige Figur, denn es existieren offenbar keine ähnlichen Darstellungen. Eine Frau reitet auf einem Tier mit verschiedenen Köpfen und Füßen; die Köpfe und Füße beziehen sich auf die Symbole der Evangelisten, die Frauengestalt repräsentiert die Kirche.«

Während ich vor der Südseite des Doms auf und abgehe, immer wieder fotografiere, wächst auf dem Domvorplatz eine Menschengruppe an. Die Wormser, so hatte ich bislang den Eindruck, sind ein ruhiges, friedfertiges, fast ein wenig behäbiges Völkchen. Aber wehe, wenn man ihren Zorn erregt. Und die Wut der aufgebrachten Menschen scheint mir wirklich berechtigt zu sein! Soll doch direkt vor der Südseite des Wormser Doms ein »hohes Haus« errichtet werden, das den heute noch letzten freien Blick auf den Dom erheblich verstellen würde. Geradezu abstrus ist die Behauptung, durch den Neubau werde der letzte freie Blick auf den Dom nicht verstellt, vielmehr komme dadurch der Dom erst richtig zur Geltung. Einem solchen »Argument« kann ich nur mit Zynismus begegnen:

Warum reißt man nicht die Hälfte des Doms zu Worms ab? Auf diese Weise würde ein Bauplatz für ein Kaufhaus frei. Und der dann noch verbleibende Rest des Doms käme noch sehr viel besser zur Geltung! Der Verkauf der Bruchsteine könnte weltweit erfolgen und brächte ohne Zweifel schöne Einnahmen!

Offen gesagt: Mir ist unbegreiflich, wieso ausgerechnet die »Domgemeinde« selbst ihr »Gemeindehaus« direkt vor dem Dom hochziehen möchte. Es kommt mir wie der Kampf Davids gegen Goliath vor: Wormser Bürger kämpfen gegen… wen? Gegen die Kirche, die gegen den ausdrücklichen Wunsch vieler Wormser Kirchgänger direkt am Dom ein »Gemeindehaus« errichten möchte? Die Planung, so scheint es, ist schon weit fortgeschritten. Ist der Bau noch zu verhindern? Zu hoffen ist es! Mir drängt sich der Eindruck auf, dass man von oben ein Bauvorhaben so schnell wie möglich verwirklichen möchte, um die Gegner des Projekts vor vollendete Tatsachen zu stellen! Ich wünsche dem Verein »Freier Blick auf den Dom zu Worms Bürgerverein Dom-Umfeld e.V.« viel Erfolg (4).

Das Südportal. Foto: W-J.Langbein

Ich durchschreite das Südportal, halte mich links und betrete die »Nikolaus-Kapelle«. Sie wird von einem wuchtigen, von Löwen getragenen Taufstein dominiert. Er dürfte Ende des 15. Jahrhunderts entstanden sein und befand sich in der »Johannes-Kirche«, auch »Johannes-Kapelle«. Johannes der Täufer ist als Halbrelief in den Stein gemeißelt worden, sowie sieben Propheten des Alten Testaments. Im Halbdunkel erkenne ich den geheimnisvollen »Drei-Jungfrauen-Stein«, auch »Dreijungfernstein« genannt. Rudolf Pörtner hat sachlich auf den heidnisch-keltischen Hintergrund dieser Darstellung hingewiesen.

Der Tauftsein. Foto W-J.Langbein
Erstaunlich offen ist der Text im Führer »Der Dom zu Worms« (5): »Ihm (dem Taufstein) gegenüber an der Ostwand steht der sogenannte Drei-Jungfrauen-Stein… Der Inschrift nach handelt es sich um drei heilige Jungfrauen: Embede, Warbede und Willebede. Sie werden im ganzen Rheintal, aber auch im Hohenlohischen oder in Tirol verehrt. In Köln gelten sie als Gefährtinnen der Heiligen Ursula. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei ihnen ursprünglich um vorchristliche Gottheiten keltischen Ursprungs. Die Missionare versuchten häufig bei der Darstellung christlicher Normen und Werte auf bereits bertraute nichtchristliche Vorbilder zurückzugreifen, um sie der eingeborenen Bevölkerung umso plastischer begreiflich machen zu können. Möglicherweise wurden die drei Frauen auf diese Art zum Bestandteil der Verehrung durch die Bevölkerung.«

Der »Dreijungfernstein«. Foto Walter-Jörg Langbein

Vorsichtiger formuliert »Der Dom zu Worms/ Wegweiser und Deutung« (6): »Einzigartig ist der sogenannte Dreijungfrauenstein. .. Unter gotischer Architektur zeigt das Werk drei Jungfrauen mit Kronen, Palmen und Büchern, sowie oben und unten die Namen: Embede, Warbede, Willebede. Mancherlei Legenden umranken die Gestalten dieser drei Jungfrauen, über deren Herkunft und Bedeutung sich die Forschung nicht einig ist; vielleicht lassen sich die Ursprünge ihrer Verehrung in sehr frühe Zeiten zurückverfolgen.«

Erni Kutter lässt keinen Zweifel aufkommen (7): Die »drei Jungfrauen« gehen auf heidnische, sprich keltische Ursprünge zurück. Offensichtlich wurden sie in der Bevölkerung so verehrt, dass man ihren Kult trotz größter Anstrengung nicht verbieten konnte. Selbst Bischof Burchard, Erbauer des Doms zu Worms, gelang es nicht, die Anbetung und Verehrung der drei einstigen Göttinnen zu verhindern. Maßlos entsetzt wäre der Dombauer, würde er feststellen, dass in seinem Dom an zentraler Stelle die von ihm verteufelten »drei Jungfrauen« geehrt und geachtet, ja angebetet werden. Regelmäßig finden in ihrer Kapelle Gottesdienste statt.

Was für Bischof Burchard heidnisch war, umschreibt Erni Kutter anders (8). Demnach hat sich »in dieser Frauendreiheit … ein charakteristisches Merkmal aller frühen Göttinnen erhalten, nämlich ihre Jungfräulichkeit«.

Eine der drei Heiligen Jungfrauen... Willebede.


Alle Fotos: Walter-Jörg Langbein

Fußnoten

1) Nibelungen-Jugendherberge, Dechaneigasse 1, 
67547 Worms

2) Pörtner, Rudolf: »Mit dem Fahrstuhl in die 
Römerzeit/ Städte und Stätten deutscher Frühgeschichte«, Düsseldorf/ 
Wien o.J., S. 326 (13. Kapitel: »Stadt der Sonnenfrau« S. 324-343)

3) Englert, Siegfried: »Der Dom zu Worms«, Worms 1986, S. 35

4) http://www.kein-haus-am-dom.de/index.html

5) Englert, Siegfried: »Der Dom zu Worms«, Worms 1986, S. 32

6) Villinger, Carl J. H.: »Der Dom zu Worms/ Wegweiser und Deutung«, 
Worms 1981, S. 25

7) Kutter, Erni: »Der Kult der drei Jungfrauen«, München 1997

8) ebenda, S. 88 und 89


Die Jugendherberge direkt am Dom. Foto W-J.Langbein


 »Drei Heilige Frauen und eine Teufelin«,
Teil 239 der Serie

»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                        
erscheint am 17.08.2014




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Samstag, 9. August 2014

Poesie am Samstag: Dreckschleuderstrategie

Illustration: Sylvia B.
was für eine strategie
oder ist es eine machtfrage
oder eine frage der betrachtung
wieder murmel ich in mich hinein
da kann man mal wieder sehen
wer abitur hat

es ist die strategie derer
die sich im leben
zu kurz gekommen fühlen
dass sie
mit schmutz werfen und sich dafür
noch gut bezahlen lassen

und wieder
prallt der dreck ab
fliegt zurück
der herr der dreckschleuder
hat noch nie
westen getragen
und so landet der siff
auf seiner
seit langem schon
bröckelnden fassade
und lässt den betrachter
in ein hässliches gesicht sehen

der weg ist nicht immer
das ziel der strategie
denn besonders auf jene
die sich im leben
zu kurz gekommen fühlen
übt die macht
einen umwerfenden reiz aus
und das kann schon dazu führen
die feine mechanik der dreckschleuder
zu unterschätzen

dem ungeachtet
Illustration: Sylvia B.
kommt es
nach wie vor
auf das endergebnis an

bestimmt wird mann
am ende des weges
erkennen können

wer
wo und vor allem wie
abitur
gemacht hat

aus seinem eigenen
macht er jedenfalls
schon lange
nichts mehr



Sylvia B.
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