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Sonntag, 7. Juli 2019

494. »Berichte vom Leben nach dem Tod«

Teil 494 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: »Aufstieg der Seligen«
Um das Jahr 1500 malte Hieronymus Bosch (* um 1450, † August 1516) ein faszinierendes Ölbild, das stark an Nahtoderlebnisse erinnert: »Die Himmelfahrt der Seligen«. Die glücklichen Seelen werden, wie häufig in christlicher Kunst, nackt dargestellt. Halb schweben sie aus irdischen Gefilden in den Himmel, halb werden sie von Engeln in die Schwärze des Alls gebracht. Eine Himmelfahrt im eigentlichen Sinne findet, streng genommen, nicht statt. Nur Jesus fuhr aus eigener Kraft gen Himmel, Normalsterbliche werden in den Himmel aufgenommen. Ziel der Reisenden der besonderen Art ist eine Art »Licht-Tunnel«, der Übergang vom Diesseits ins Jenseits. Den geretteten Seelen steht der Wechsel vom finsteren Diesseits ins lichtdurchflutete Jenseits bevor. Kaum ein zweiter Künstler hat diese Verbindung von Diesseits und Jenseits so konkret und doch zugleich fantastisch dargestellt wie Hieronymus Bosch.

Viele Parapsychologen und Esoteriker sind davon überzeugt, dass es diesen Tunnel ins Licht tatsächlich gibt. Fakt ist: Menschen, die klinisch tot waren, aber ins Leben zurück geholt wurden, schildern so einen Tunnel, an dessen Ende ein unbeschreibliches Licht auf sie wartete. Allerdings traten ihnen Engel entgegen oder Stimmen ließen vernehmen, dass ihre Zeit noch nicht gekommen sei. So mancher wollte dann gar nicht zurück ins Leben kehren. Alle, die derlei positive Jenseitserlebnisse haben, verlieren jede Angst vor dem Tod. Gibt es also so einen Übergang tatsächlich? Können Lebende mit Toten in der anderen Welt, jenseits des Tunnels, Kontakt aufnehmen?

Foto 2: Engel helfen beim »Aufstieg«...
Anders als in Deutschland werden in England Parapsychologen häufiger bei rational unerklärlichen Vorkommnissen zu Rate gezogen. Und das nicht nur von Privatpersonen, sondern auch von Behörden und von der Polizei. Die Engländer zeichnet ein wesentlich ungestörteres Verhältnis zu übersinnlichen Wahrnehmungen aus. Es wird einfach akzeptiert, dass es Wesen und Wesenheiten gibt, die zu unserer Realität gehören. Deutscher Bildungsdünkel und Hochmut tun sich da schwer. Betty und Laurence Stroud waren Ende des 20. Jahrhunderts sehr angesehene Parapsychologen in London. In London durfte ich Einblick in Unterlagen des Ehepaars nehmen. Da wurden zum Teil sehr erstaunliche Phänomene beschreiben. Beispiel: Eine Kraft hielt die alte Frau im Bett fest. So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte sich, den sicheren Tod vor Augen, nicht von der Stelle rühren. Denn es brannte. Innerhalb weniger Sekunden wandelte sich das Bett von Mary Bailey in ein Flammenmeer, aus dem es kein Entrinnen mehr zu geben schien.

Dann folgte ein ohrenbetäubender Knall. Schweißgebadet und vor Angst zitternd wachte Mary Bailey, 89 Jahre, in ihrem Schlafzimmer auf. Hatte sie alles, auch den Krach, nur geträumt? Nein! Sowohl die Decke als auch die Matratze ihres Bettes waren von einem gewaltigen Riss gezeichnet. Die Angelegenheit wurde der alten Dame unheimlich. Sie dachte an Spuk und Poltergeister und verständigte die in England bekannten Parapsychologen Betty und Laurence Stroud. Als das Forscherpaar von den seltsamen Erlebnissen der Rentnerin Mary Bailey erfuhr, besuchten die beiden die alte Dame in ihrer Wohnung in Streatham, London.

Foto 3: Diese Kirche birgt eine mysteriöse Treppe.

Die beiden sahen sich im Haus um und  nahmen   systematisch mit einem  Geist Verbindung auf.»Der Krach wurde von Ihrem Cousin hervorgerufen, Frau Bailey!«, erklärte schließlich Betty Stroud, die auch eine Erklärung für das Phänomen hatte. »Ihr Cousin möchte Sie warnen! Große Gefahr geht von Ihrer Heizdecke aus!« Mary Bailey ließ die Heizdecke überprüfen. Ergebnis: Lebensgefahr ging von der Decke aus. Das lag an einem Kabel, dessen Isolierung stark beschädigt war. Die Rentnerin war nun überzeugt: Ihr toter Cousin, der zu Lebzeiten so etwas wie ein Bruder für die Frau war, hat ihr das Leben gerettet. Betty und Laurence Stroud halten diesen Gedanken durchaus für möglich: »Poltergeister haben ja bekanntlich keinen besonders guten Ruf, weil sie zu nächtlicher Stunde oft entsetzlichen Krach machen, manchmal auch schwere Gegenstände umher wirbeln. Das aber geschieht höchst selten, um jemanden zu erschrecken. Vielmehr verbirgt sich allzu oft hinter einem scheinbar unheimlichen Spuk ein Toter, der Lebende vor einer Gefahr warnen, sie auf eine gefährliche Situation aufmerksam machen möchte.«

Foto 4: Engel an der Heiligen Stiege
Freilich darf man sich, so die Strouds, Poltergeister auch nicht einfach als engelähnliche Wesen, vorstellen, die ständig und überall in unserer Welt umher schweben, stets auf der Suche nach Möglichkeiten, gute Taten zu vollbringen. Sie sind vielmehr, das ergaben die langjährigen Forschungen von Betty und Laurence Stroud, die ihre Forschungen in Woolwich, Südlondon, begannen, häufig an Gebäude oder bestimmte Personen gebunden. »Irgendeine Beziehung muss vorhanden sein. Poltergeister treten zum Beispiel in Häusern auf, in denen sie zu Lebzeiten lange Jahre verbrachten, oder in denen sie starben. Oder sie sind irgendwie verwandt oder doch zumindest besonders jenen Menschen bekannt, denen sie als Spuk erscheinen. Wie unheimlich die Spukerscheinung auch aussehen mag, wie furchteinflößend sie von den betroffenen Menschen auch empfunden werden mögen, meist handelt es sich um verzweifelte Versuche von Geistwesen, mit Lebenden Kontakt aufzunehmen und sie zu warnen.«

Davon jedenfalls waren die Strouds überzeugt. Diese ihre Überzeugung kam keineswegs von ungefähr, sondern ist durch zahllose Spukfälle, die das Ehepaar selbst recherchiert und vor Ort geprüft hat, belegt. Ein typischer Fall, der sich in Woolwich ereignet hat: Eine junge Frau erlebte furchteinflößende Spukphänomene in ihrem Haus. So erschütterten einmal drei Donnerschläge ihr Haus. Wie von unsichtbaren Händen gepackt, wurden die Kinder aus den Betten geschleudert. Dabei wurden die Betten hochgewirbelt. Krachend stürzten sie zu Boden.

»Im Zimmer, in dem die Wiege des Babys stand, waren die Möbel förmlich in sich zusammengebrochen.«, berichten die Strouds. Das Baby war unverletzt geblieben, was an ein Wunder grenzte, angesichts des fürchterlichen Durcheinanders, der nach dem Spuk im Zimmer herrschte. Welche Kräfte waren für das Werk der Zerstörung verantwortlich? Was hat die Möbelstücke so zugerichtet? Angeblich wiesen sie keine Spuren auf, die eine »natürliche Erklärung« nahegelegt hätten. Man kann der »übersinnlichen Arbeit« der Strouds durchaus skeptisch gegenüberstehen, ihre Resultate stimmen nachdenklich. Im vorliegenden Fall identifizierte das Forscherpaar den Geist der Großmutter als Urheberin der Poltergeistphänomene. Die Dahingeschiedene, so Ehepaar Stroud, wollte der jungen Frau eine Warnung zukommen lassen. Ihr Mann saß wegen schwerer Körperverletzung im Gefängnis und würde bald entlassen werden. Seine Frau hatte gegen ihn ausgesagt. Dafür wollte sich der Mann nach der Haftentlassung blutig rächen. Der Geist wollte die Frau, so die Strouds, warnen. Die junge Frau packte das Nötigste zusammen und verließ fluchtartig ihr Haus, rechtzeitig bevor ihr Mann mit Mordabsichten auf der Bildfläche erschien.

Immer wieder wurden die Strouds von der Polizei zugezogen, so in einem unheimlichen Spukfall, der sich in Greenwich abspielte. Im Hause einer Frau begann immer wieder eine Gitarre zu spielen, obwohl keine sichtbare Hand das Instrument berührte. Dann verschwanden alle möglichen Gegenstände aus der Wohnung. Was gefährlicher war: Backsteine wurden mit vehementer Kraft an die Haustür geschleudert. Halbstarke waren nicht die Übeltäter, sondern eine unsichtbare, geheimnisvolle Kraft. Betty und Laurence Stroud wurden konsultiert. Sie erkannten sofort, dass da ein Geist eine Mitteilung machen wollte. Die Strouds nahmen Kontakt mit diesem Wesen auf. Es war der Bruder der vom Spuk betroffenen Frau, der von einem Zug überfahren worden war. Die amtliche Untersuchung hatte Selbstmord ergeben. Die Botschaft des Geistes aber lautete: Der Mann wurde bei einem Asthmaanfall ohnmächtig und stürzte vor den Zug. Für den kritisch-aufgeklärten Zeitgenossen unserer Tage mag es unerklärlich sein, wie die Strouds arbeiteten.

Foto 5: Heilige Stiege, Kalvarienberg Bad Tölz.
Wem Spukphänomene zu profan sind, besuche doch einmal Bad Tölz in Bayern. Vor rund 300 Jahren gab es da ein besonderes »Bauwerk«. Fromme Pilger erklommen den steilen Kalvarienberg. Es kostet wirklich einige Kraft aus dem Isartal heraus auf den Kalvarienberg hinauf zu steigen. Der Blick ins Tal entschädigt. Oben angekommen sahen die erschöpften Menschen vor drei Jahrhunderten die »Heilige Stiege«, die direkt in den Himmel zu führen schien. Gläubige, die nun auch noch die steile Treppe, womöglich auf den Knien rutschend und intensiv betend, meisterten, sie mögen sich Stufe für Stufe dem Himmel näher gefühlt haben. 

1726 allerdings wurde über die Heilige Stiege die Kalvarien-Berg-Kirche gebaut, die Heilige Treppe verschwand unter einem barocken Gotteshaus mit zwei Türmen. So schön das Gotteshaus ist, die »Himmelsstiege« ist nicht mehr das, was sie einst war.

Der Kalvarienberg von Bad Tölz stellt für den informierten Christen den Hügel von Golgatha dar, auf dem Jesus  zwischen den zwei Sündern am Kreuz starb. Da der Opfertod nach christlicher Theologie Voraussetzung für die Erlösung und damit die Auferstehung in den Himmel ist, führt für den Gläubigen der Weg auf den Hügel von Golgatha in den Himmel.

Als Kalvarienberg bezeichnete man ursprünglich den Hügel vor der Stadtmauer Jerusalems, auf dem Jesu Kreuz stand. Kalvarienberge sollten den Gläubigen das letzte Stück von Jesu Leidensweg begreifbarer machen. So entstanden in der christlichen Welt »Kalvarienberge«, als Nachbildungen der Hinrichtungsstätte Jesu. Wem Nachbildungen nicht genügen, kann in Rom ein angebliches »Original« erleben. Zur Kapelle »Sancta Sanctorum« führt die »Heilige Treppe«. Angeblich handelt es sich dabei um die Original- Treppe aus dem Palast des römischen Statthalters von Judäa Pontius Pilatus. Pontius Pilatus hat nach christlicher Tradition Jesus verhört und zum Tod durch das Kreuz verurteilen lassen.

Foto 6: »Kreuzkirche«, Bad Tölz
Im Jahr 326 soll die Mutter Konstantins, die »Heiligen Helena«, die »Heilige Treppe« in Jerusalem ausfindig gemacht, ausgegraben und nach Rom geschafft haben. Für den gläubigen Christen sind diese Steine eine fantastische Realität der besonderen Art. Er kann auf Knien jenen Weg zurücklegen, den Jesus vor rund zwei Jahrtausenden ging: zu seinem »Prozess«, zu seiner Verurteilung zum Tode. Noch im 16. Jahrhundert stand die mysteriöse Treppe im Freien und führte zum Palast des Lateran. Erst Ende des 16. Jahrhunderts wurde sie im Auftrag von Papst Sixtus V. überbaut. Der rege Pilgerstrom machte es erforderlich, die steinernen Stufen vor Abnutzung zu schützen. So wurde anno 1723 eine Verkleidung aus Nussbaumholz angebracht. An der elften und an der 28. Stufe erlauben Fenster den Blick auf die marmornen Originalstufen, wo angeblich Blutspuren des gepeinigten Jesus zu sehen sind.

Zunächst gab es also die »Heilige Stiege« von Bad Tölz, die der Witterung schutzlos ausgeliefert war. Anno 1723 wurde sie mit einer Kirche überbaut. Davor entstand die 1726 geweihte Kreuzkirche. Beiden Kirchen wurden schließlich vereint und bildeten so eine Doppelkirche. Heute thront das weithin sichtbare Gotteshaus auf dem »Kalvarienberg« und bietet dem Weg aus irdischen in himmlische Gefilde Schutz. Dankbar erinnere ich mich an einen Besuch des christlichen Heiligtums mit guten Freunden aus Gerblinghausen. Vor blauem, grenzenlos wirkendem Himmel zeichnete sich das strahlende Weiß der Doppelkirche ab.


Literatur
Bonin Werner F. (Hrs.): »Lexikon der Parapsychologie, Das gesamte Wissen der Parapsychologie und ihrer Grenzgebiete«, Herrsching 1984
»Das Neue Zeitalter«: »Die guten Poltergeister. Tote warnen ihre Verwandten - Entschlüsselte Mitteilungen«, Ausgabe vom 9.4.1986
Höhne, Anita: »Lexikon des Übersinnlichen/ Altes Wissen und neue Phänomene«, München 1994
Holzer, Hans: »PSI-Kräfte/ Beweise für das Unglaubliche«, München, 3. Auflage 1975
Jacobson, Nils-Olof: »Leben nach dem Tod?/ Über Parapsychologie und Mystik«, Düsseldorf 1985
Keller, Werner: »Was gestern noch als Wunder galt/ Die Entdeckung geheimnisvoller Kräfte des Menschen«, Zürich 1973
Lucadou, Walter von: »Psi-Phänomene. Neue Ergebnisse der Psychokineseforschung«,Frankfurt am Main 1997
Neher, Andrew:  »Paranormal and Transcendental Experience: A Psychological Examination«, Dover 2011
Sanders, Pete A.: »Das Handbuch übersinnlicher Wahrnehmung: Übersinnliche Fähigkeiten entdecken und trainieren. Feinfühligkeit, Intuition, Hören innerer Stimmen, Hellsehen, Aurasehen und Selbstheilung«, Oberstdorf 2012
Zahlner, Ferdinand: »Paraphänomene und christlicher Glaube«, Innsbruck 1998

Zu den Fotos 
Foto 1: »Aufstieg der Seligen« von Hieronimus Bosch. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Engel helfen beim »Aufstieg«... Heilige Stiege, Bad Tölz, Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 3: Diese Kirche birgt eine mysteriöse Treppe.Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 4: Engel an der Heiligen Stiege, Bad Tölz, Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Heilige Stiege, Kalvarienberg Bad Tölz. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: »Kreuzkirche«, Bad Tölz. Foto Heidi Stahl


495. »Grenzbereich Tod«,
Teil 495 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 14. Juli 2019




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Sonntag, 10. Dezember 2017

412 »Jakobs Himmelsleiter und das Tor zum Himmel«

Teil  412 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein



Foto 1: Jakobs Traum von der Himmelsleiter,  Kupferstich von 1694

»Das ist doch alles ein Scheiß!« ließ der Religionslehrer ärgerlicher als sonst vernehmen. Ich war damals 14 und löcherte den »Gottesmann« gern dann und wann mit Fragen über Erich von Dänikens »Erinnerungen an die Zukunft«, speziell wenn es ums Alte Testament ging. Auf meine Frage, warum er sich  denn so sicher sei, dass die Bibel wirklich keine Hinweise auf prähistorische Astronautengötter enthalte, kam wieder sein »Das ist doch alles ...«. Und selbstgefällig ließ der Geistliche und Religionslehrer vernehmen: »Ich habe die biblischen Texte in den Originalsprachen gelesen, da kommen keine Außerirdischen drin vor!«

Im Verlauf meines Studiums an der evangelischen Theologie an der »Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/ Nürnberg« übersetzte ich die fünf Bücher Mose und zahlreiche andere Textpassagen des Alten Testaments wie die »UFO-Sichtungen« des Propheten Hesekiel aus dem Hebräischen ins Deutsche. Dabei bemühte ich mich, dem hebräischen Originaltext möglichst gerecht zu werden. Vor allem wollte ich den Text selbst sprechen lassen, ohne eine theologische Interpretation hinein zu übersetzen. Gerade der Theologe neigt ja dazu, eine bestimmte Sichtweise als richtig vorauszusetzen, um dann Bibeltexte so zu übersetzen, dass die theologische Voreingenommenheit bestätigt wird.

Foto 2: Die Himmelsleiter, 16. Jahrhundert

Der brave, konservative Theologe jeder Religion geht von einer unbezweifelbaren religiösen Wahrheit aus, über die nur die eigene Religion verfügt. Er hat keinen Zweifel, dass nur seine Religion allein die Wahrheit von Gott, Schöpfung und Welt zu bieten hat. Er übersetzt dann Texte entsprechend, sprich er hinterfragt die Lehre seiner Theologie niemals. Er übersetzt vielmehr – bewusst oder nicht – so, dass eben seine vorgefasste Meinung bestätigt wird. Wie sollte das auch anders gehen? Wenn man sich im Besitz der allein gültigen Wahrheit sieht, und das im Gegensatz zu den vermeintlich Ungläubigen aller anderen Religionen, kommt bei jeder Übersetzung heraus, was die Lehre der eigenen Religion vorschreibt. Was davon abweicht gilt als falsch.

So kann man schließlich sehr schön die Übersetzung als Beweis für die Richtigkeit der eigenen religiösen Glaubenswelt heranziehen. Dabei bestand nie die Gefahr, dass eine Übersetzung die eigene Glaubenslehre in Frage stellen würde. Man ist überzeugt, allein zu wissen, was wahr ist und nimmt erst gar nicht wahr, was diesem Glauben widerspricht.

Foto 3: Der Kalvarienberg, Bad Tölz, Foto Heidi Stahl

Maria Montessori (*1870 in Chiaravalle; † 1952 in Noordwijk aan Zee) war eine italienische Ärztin, Reformpädagogin, Philosophin und »Erfinderin« der Montessoripädagogik. Kritisch äüßerte Maria Montessori über die herkömmliche Pädagogik: »Die Schule ist jenes Exil, in dem der Erwachsene das Kind solange hält, bis es imstande ist, in der Erwachsenenwelt zu leben, ohne zu stören.« Diese Aussage trifft auch, ja besonders auf jede fundamentalistische Theologie zu. Der Student wird so lange mit der angeblich alleingültigen Lehre traktiert, bis er sie verinnerlicht hat. Dann stört er nicht mehr im religiösen Getriebe. Und wenn doch, wird er in gewissen Ländern eben einen Kopf kürzer gemacht.

Von besonderem Interesse war für mich schon als Schüler die mysteriöse Geschichte von Jakobs Traum. Im Traum sieht Jakob eine Leiter, die bis in den Himmel reicht. Auf dieser Leiter steigen Boten Gottes vom Himmel zur Erde herab oder von der Erde empor in den Himmel. Im hebräischen Original ist von »Boten Gottes« die Rede, aus denen später »Engel« wurden. Wie diese Boten ausgesehen haben, wir wissen es nicht. Der Text selbst gibt keinen Hinweis etwa auf Flügel, die ja im Christentum als Attribut von Engeln gelten.

Foto 4: Kreuzkirche Bad Tölz, Foto Heidi Stahl

Die genaue Lokalisation des Traums, sprich wo denn genau die Himmelsleiter gestanden haben soll, das lässt sich aus dem biblischen Text nicht herauslesen. Bei der knappen Beschreibung dieses Ortes gibt es Unklarheiten. Im 1. Buch Mose Kapitel 28, Vers 17 erfahren wir, dass dem Jakob angst und bange wurde. Aber warum?

Die altslavische Tradition kennt einen der mysteriösesten Texte, der niemals in den Kanon des Alten Testaments aufgenommen wurde und der doch die Geschichte von Jakob und der Himmelsleiter ausführlicher erzählt. Wie im biblischen Text (1) lesen wir auch hier die gleiche Rahmenhandlung (2): »Jakob machte sich auf den Weg zu Laban, seinem Onkel. Und er fand einen Ort und schlief ein, nachdem er (s)einen (3)  Kopf auf einen Stein gelegt hatte, denn die Sonne war untergegangen. Da hatte er einen Traum: Und siehe, eine Leiter war auf der Erde aufgestellt, deren Spitze bis zum Himmel reichte.«

Foto 5: Ein Engel vom Kalvarienberg 
Die altslavische  Bibelapokryphe ist aber sehr viel detailreicher als der kurze Text im »Alten Testament«. So erfahren wir (4), dass rechts und links von jeder Leiterstufe »menschliche Gesichter« zu sehen waren. Dann aber präzisiert der Text (5): »Gesichter, die bis zur Brust reichten«. Offenbar standen also auf jeder Stufe rechts und links so etwas wie Büsten, womöglich auch Statuen. Die »Himmelsstiege von Bad Tölz« kommt mir in den Sinn. Anno 1718 gab es hoch über dem Isartal nur eine Himmelsstiege: im Freien.  1726 wurde die »Kreuzkirche« auf dem Kalvarienberg über die »Himmelsstiege« gebaut.

Ehrfürchtig steht der fromme Pilger vor einer breiten Holztreppe, die aber offenbar nur von Engeln und hoher Geistlichkeit beschritten werden darf. Rechts und links davon führen steinerne Treppen nach oben. Die mittlere Treppe, so lesen wir auf einer Schrifttafel, wurde »nach dem Muster der wahren heiligen Stiege zu Rom hier errichtet und durch Einlegung mehrerer heiliger Reliquien eingeweiht«. Die seitlichen Treppen sind für profanere Besuche bestimmt.

Rechts und links von der eigentlichen Himmelsstiege stehen Engel,  just wie es der altslavische Text zu beschreiben scheint. Die Himmelsstiege von Bad Tölz wie die zu Rom verbindet auf plastische Weise irdische mit himmlischen Gefilden. Freilich ist die »Leiter Jakobs« im altslavischen Text recht kurz. Nur zwölf Stufen müssen die Engel überwinden, um von der Erde in den Himmel oder aus dem Himmel zur Erde zu gelangen.

Foto 6: Die Himmelsstiege von Bad Tölz
Der Übergang in den »Himmel« freilich erfordert im altslavischen Text einigen Mut (6): »Und die Spitze der Leiter war ein Antlitz wie eines Menschen, aus Feuer behauen.« Der unbekannte Textautor vergleicht das Tor zum Himmel mit einem »Antlitz eines Menschen, aus Feuer behauen«. Darf man den Text beim Wort nehmen? Dann gab es da eine »Leiter«, die zwölf »Sprossen« hatte und in ein Etwas mündete, das wie ein feuriges Menschenantlitz aussah. Prof. Ernst Bammel (*1923, †1996) versicherte mir, dass es nach jüdischer Legende aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christi Geburt über dem Boden ein »Tor zum Himmel« gab. Ein »Stargate«? War dieses »Tor zum Himmel« so schrecklich, dass die Menschen sich fürchteten? Denn als schrecklich und fürchterlich wird der Übergang beschrieben, der Ein- und Ausgang, das »Himmelstor«.

Wie dürfen wir uns ein Tor zum Himmel vorstellen? Als realen Ort des Wechsels vom Irdischen ins Himmlische und umgekehrt?

Fußnoten
Foto 7
1) 1. Buch Mose Kapitel 28, Verse 11 und 12
2) Petkov, Julian: »Altslavische Eschatologie: 

Texte und Studien zur apokalyptischen Literatur 
in kirchenslavischer Überlieferung«, Tübingen 2016, 
Seite 320, »Text der ›Leiter Jakobs‹«, I. 1 und 2
3) Hier liegt wohl ein Druckfehler in der von mir 

zitierten Quelle vor. Jakob legte ja wohl kaum einen, 
sondern seinen Kopf auf einen Stein. 
Man darf ja wohl davon ausgehen, dass Jakob 
nur einen Kopf hatte!
4) Petkov, Julian: »Altslavische Eschatologie: 

Texte und Studien zur apokalyptischen Literatur in 
kirchenslavischer Überlieferung«, Tübingen 2016, 
Seite 320, »Text der ›Leiter Jakobs‹«, I. 1, 4 und 5
5) ebenda
6) ebenda, I.3


Zu den Fotos
Foto 8
Foto 1:Jakobs Traum von der Himmelsleiter,  Kupferstich von 1694. Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 2: Jakobs Himmelsleiter in  einer niederdeutsche Lutherbibel, spätes 16. Jahrhundert
Foto 3: Der Kalvarienberg, Bad Tölz, Foto Heidi Stahl Mai 2014, copyright Heidi Stahl
Foto 4: Kreuzkirche Bad Tölz, Foto Heidi Stahl, copyright Heidi Stahl
Foto 5: Ein Engel vom Kalvarienberg Bad Tölz Heidi Stahl, copyright Heidi Stahl
Foto 6: Die Himmelsstiege von Bad Tölz, Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Engel an der Himmelsstiege, Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 8: Engel rechts und links der Stufen, Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 9: Gemälde von Michael Willmann  (1630–1706), wikimedia
commons/ public domain

Ein herzliches Dankeschön geht an Hedi Stahl für ihre vorzüglichen Fotos (3-5). Das Copyright für die Fotos hat natürlich Heidi Stahl!


413 »Jakob und das schreckliche Tor zum Himmel«,
Teil  413 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 17.12.2017



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Sonntag, 17. August 2014

239 »Drei Heilige Frauen und eine Teufelin!«

Teil 239 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                        
erscheint am 17.08.2014

Die drei Heiligen Bethen. Foto Langbein
Die drei heiligen Jungfrauen vom Dom zu Worms stammen aus einem Kloster »Maria Magdalena«. Warum hat man sie in die Nikolauskapelle des Doms geschafft? »Wer aber waren die Drei Bethen, die in der Taufkapelle des Doms noch heute in Stein gehauen zu sehen sind?«, fragt Franjo Terhart (1). Dass die drei Bethen sehr gut in das große »Gotteshaus« passen, liegt auf der Hand. Wurde doch die Stadt Worms nach einer der drei holden Wesen benannt. Franjo Terhart bestätigt (2): »Schließlich verdankt die Stadt einer von ihnen, nämlich der Borbeth ihren Namen. (Aus Borbetomagus wurde über Wormazfelt schließlich der heutige Stadtname.)« Zur Erinnerung: »Borbetomagus« bedeutet »Stadt oder Ort der Borbet«.

Mindestens genauso interessant wie die Heilige Borbeth ist ihre Gefährtin »Wilbeth«. Dieser in unseren Ohren ungewohnt klingende Name geht auf das englische Wort »wheel«, auf das Rad zurück. Alljährlich wird noch heute in Lügde ein alter heidnischer Brauch zelebriert, der allerdings leider immer mehr als Attraktion eines lärmenden Rummels Touristen anlocken soll. Die in Lügde zu Tal rollenden brennenden Feuerräder symbolisieren den Mond. Das »wheel« im Namen Wilbeth« weist darauf hin, dass die »christliche« Wilbeth ursprünglich eine heidnische Mondgöttin war!

Die Heilige Borbeth. Foto Langbein

Die drei Bethen, so legt Richard Fester überzeugend dar (3), waren einst Göttinnen, Sinnbilder des ewigen Lebens und der Wiedergeburt. Für den Heidelberger Forscher Hans C. Schöll, Verfasser des wichtigen Werkes »Die Drei Ewigen« (4), waren Ambeth, Wilbeth und Borbeth Muttergöttinnen, die Erde, Mond und Sonne verkörperten. Die weibliche Dreifaltigkeit aus »heidnischen« Zeiten finden im Christentum ihre Entsprechung in den »drei Bethen«.

Besonders interessant: »Wilbeth«, die einstige Mondgöttin! Richard Fester (5): »Wilbeth ist also eine göttliche Mondmutter, die in die Zeiten steinzeitlichen Mütterglaubens und Mütterrechts zurückreicht und zurückweist. Ihre Stelle im christlichen Kult übernahm oftmals die ›Muttergottes auf der Mondsichel‹, ein Motiv, das sich schon im alten Kreta, 3 000 Jahre zuvor, findet.« Deshalb steht die Muttergottes im Dom zu Paderborn fast verschämt auf der Mondsichel, deshalb findet sich zu Füßen der Maria von Guadalupe die Mondsichel: weil Maria in die Rolle der »heidnischen« Muttergöttin geschlüpft ist!

Im Sommer 2014 erlebte ich, wie fromme Pilgerinnen gedankenverloren im Gebet versunken den »drei Bethen« huldigten. Ob vielen der Gottesdienstbesucher bei den Andachten in der Nikolauskapelle vor den »drei Bethen« bewusst ist, wie lange schon die Drei verehrt und angebetet wurden? Wenn Theologie eine wirklich wichtige Aufgabe hat, dann diese: Sie muss die Wurzeln der eigenen religiösen Überzeugungen erkunden. Leider gibt es für fanatische Anhänger unterschiedlichster Religionen nur den eigenen, den angeblich wahren Glauben. Bevor dieser jeweils einzig anerkannte Glaube – von Religionsgründern und Propheten – verkündet wurde, darf es keine wahre Religion gegeben haben. Wir haben nur eine echte Chance, zum Frieden aller über die Grenzen der Religionen hinaus zu kommen: Die Erkenntnis, dass alle Religionen sehr viel ältere gemeinsame Wurzeln haben!

Die Heilige Wilbeth. Foto Langbein

Es beeindruckt mich zutiefst, wie vielen Muttergöttinnen ich auf meinen Reisen begegnet bin – von Malta bis Mexiko, von Perus Pachamama bis zu Paderborns Maria. Offensichtlich gibt es uralte religiöse Bilder, die seit Jahrtausenden leben. Es ist tragisch, dass es zu Religionskriegen kam, bei denen gemetzelt und gemordet wurde. Es ist kein Zeichen menschlichen Mitgefühls, wie viel Leid verursacht wurde und wird, weil für Fanatiker nur der eigene Glaube gilt, der »fremde« Glaube bekämpft wird!

Wilbeth, die göttliche Mondmutter, führt uns weit zurück in die Vergangenheit… und sie ist im Katholizismus heute noch präsent: Aus der Wilbeth wurde die Fir’pet, die der gläubige Katholik heute noch als »Fürbitterin« kennt. Die »Fürbitterin« hat heute einen festeren Glauben im religiösen Brauchtum als in der vermeintlich wissenschaftlichen Theologie, nämlich als Maria. Es sind aber nicht in erster Linie theologische Dispute, die an theologischen Hochschulen ausgefochten werden, die den hilfesuchenden Menschen im Glauben Rückhalt geben. Das mehr oder minder intellektuelle Gedankengut wissenschaftlicher Theologie wird vom gläubigen Volk so gut wie überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und sicher kaum verstanden.

Im Zentrum: Isis oder Maria?
Mit Horus oder Jesus. Foto Langbein

Man mag zum Volksglauben stehen wie man will, viele Menschen in Not finden in den Gotteshäusern Trost, und das allen Skandalen zum Trotz. Schon vor Jahrtausenden spendete die Muttergöttin Isis im Reich der Pharaonen Trost. Darstellungen von Göttin Isis, die sie mit ihrem Sohn Horus zeigen, erinnern in verblüffender Weise an Himmelsgöttin Maria mit ihrem Sohn Jesus. Isis und Horus wurden von griechischen und römischen Künstlern noch zu christlichen Zeiten verewigt. Christliche Künstler wurden zu Darstellungen von Himmelsgöttin Maria mit dem Jesusknaben inspiriert. Würde ein Isis-Gläubiger heute eine christliche Kirche betreten, er würde in den zahlreichen Gemälden und figürlichen Darstellungen von Maria »seine« Isis und in Jesus »seinen« Horus erkennen und – nach seiner Art – beten.

Wenn aber Gläubige aus dem »Alten Ägypten« und Christen unserer Tage in Ehrfurcht vor Isis/ Maria verstummen könnten, sollte es dann nicht auch möglich sein, dass heute Menschen muslimischen und Menschen christlichen oder jüdischen Glaubens in wirklichem Frieden miteinander leben? Die Frage ist nur, ob das wirklich erwünscht ist!

So wie heute Millionen von Christen nach Lourdes pilgern, um zu Maria zu beten, in der Hoffnung, von Krankheit geheilt zu werden, so mag einst die mysteriöse Steinzeitinsel Malta so etwas wie ein Pilgerort gewesen sein. Unzählige Tempel aus gigantischen Steinmonstern  finden sich da auf engstem Raum. Wahrhaftige Monstermauern trotzen seit Jahrtausenden der Zeit, sie würden auch King Kong mühelos Paroli bieten können. Auf Malta wurden vor vier bis sechs Jahrtausenden 22 riesige Tempel gebaut. Bis zu zwanzig Tonnen wiegen die gewaltigen Kalksteinquader, die damals scheinbar mühelos bewegt und aufeinander getürmt werden konnten. Tief unter der Erde wurde die »schlafende Dame« verehrt und angebetet. Lockte die Steinzeit-Maria vor Jahrtausenden Pilger aus ganz Europa an, so wie das heute noch die Himmelskönigin Maria tut?

Die Kreuzkirche auf dem Kalvarienberg. Foto Langbein

Auf meinen Reisen durch die Welt zu den großen Rätseln unseres Planeten begegneten mir immer wieder bewegende Zeugnisse des Glaubens an Heilige Mütter. So stieg ich voller Erwartung von Bad Tölz auf den »Kalvarienberg«. Fromme Pilger reisen aus aller Welt an, um den Kalvarienberg von Bad Tölz zu besteigen, wobei sie die verschiedenen Stationen von Jesu Leidensweg abschreiten, die kunstvoll dargestellt wurden. Diese Form der Frömmigkeit ist mir, ich gebe es zu, fremd. Mich lockte auch nicht in erster Linie der herrliche Blick ins Isartal, sondern die »Krone von Tölz«. 1718 ließ der Zollbeamte Friedrich Nockher sieben Wegkapellen errichten, dann die »Heilige Stiege«. 1735 entstand der »Golgathahügel«, gefolgt von der »Kreuzigungsgruppe« und der »Heiligen Stiege«. Die »Heilige Treppe« stand erst im Freien, wurde dann aber mit einem Gotteshaus überbaut.
 
Im zweiten Raum des heutigen Gotteshauses steht der Besucher vor einer breiten Holztreppe. Rechts und links davon führen steinerne Treppen nach oben. Die mittlere Treppe, so informiert uns eine Schrifttafel, wurde »nach dem Muster der wahren heiligen Stiege zu Rom hier errichtet und durch Einlegung mehrerer heiliger Reliquien eingeweiht«. Deshalb soll die »Heilige Stiege« nur »von den Schriftgläubigen ... nur kniend hinaufgebetet werden.« Die seitlichen Treppen sind für profanere Besuche bestimmt.

Die Heilige Stiege. Foto Walter-Jörg Langbein

Auch in Bad Tölz soll unser Augenmerk auf die himmlischen Gefilde gelenkt werden. Und seit Jahrzehnten folgt die christliche Theologie, so wie sie in den Kirchen gepredigt wird, mehr und mehr dem Volksglauben. So wird nach und nach aus Maria, der Mutter Jesu eine mächtige Himmelskönigin. Der Weg von der im »Neuen Testament« eher unscheinbaren Randfigur Maria zur »Himmelskönigin« ist weit, länger und steiler als die »Heilige Stiege« auf dem Kalvarienberg. In der Kalvarienbergkirche findet sich so manche Maria als Himmelskönigin, wie in jedem katholischen Gotteshaus. Doch steht im krassen Gegensatz zur hohen, ja heiligen Frau Maria die Frau als böse gegenüber.

Nikolaus im Portal. Foto Walter-Jörg Langbein

Besonders  deutlich zeigt dies das Portalbild der Nikolauskapelle. In der Mitte steht riesenhaft der »Heilige Nikolaus«. Was genau dargestellt wird, ist umstritten. Zur Linken des Nikolaus sind drei Menschen vom Tod bedroht. Der Henker hat schon sein Schwert aus der Scheide gezogen und setzt zum tödlichen Hieb an. Der »Heilige Nikolaus« –  mit Bischofsstab – rettet die Bedrohten. Steht er drei zu Unrecht zum Tode Verurteilten bei? Auf der anderen Seite erkennen wir ein Boot auf dem Meere. Mehrere Pilger sitzen im kleinen Schiffchen. Über ihnen schwebt der Teufel, der einen mächtigen Pfahl in das Boot rammt. Eine »Nikolaus-Legende« weiß zu  berichten, dass einst fromme Pilger vom Teufel bedroht wurden. Er wollte ihr Schiffchen versenken.

Eine andere Version der Legende besagt, dass der Teufel die frommen Pilger vom rechten Weg abbringen wollte, indem er sie bat, ein kostbares Geschenk am Ziel ihrer Reise abzulegen. Wieder wissen wir heute nicht mehr genau, was die kunstvolle Steinschnitzerei genau darstellen soll. Unübersehbar aber sind die weiblichen Attribute des Teufels. Der Teufel am Dom zu Worms wird ganz eindeutig als Frau dargestellt. Das ist die unüberbrückbare Diskrepanz: Die Frau als Heilige (Maria) einerseits…. und die Frau als Teufelin andererseits.

Die Teufelin vom Nikolaus. Foto Walter-Jörg Langbein



Fußnoten

1) Terhart, Franjo: »Magische Bretagne«, Dortmund 2006, S. 220, rechte Spalte, Zeilen 5 bis 8 von unten
2) ebenda, rechte Spalte, Zeilen 1 bis 5 von unten
3) Fester, Richard: »Die Steinzeit liegt vor deiner Tür/ Ausflüge in die Vergangenheit«, München 1981, siehe Kapitel »Die Muttergöttin unserer Ahnen«, Seiten 173-189
4) Jena 1936
5) Fester, Richard: »Die Steinzeit liegt vor deiner Tür/ Ausflüge in die Vergangenheit«, München 1981, S. 186

»Der Drache, die Schöpfung und die Göttin«,
Teil 240 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                        
erscheint am 24.08.2014


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