Sonntag, 20. Oktober 2013

196 »Der Gott der Zerstörung«

Teil 196 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Im bayerischen Urschalling am schönen Chiemsee fotografierte ich in einer fast tausendjährigen Kirche eine ganz besondere »Dreifaltigkeit«. Fast schon ketzerisch: Der »Heilige Geist« wird als Frau dargestellt. In Indien entdeckte ich etwas ganz Ähnliches. In Indien begegnete mir das Pendant zu Uwoke, dem Gott der Zerstörung der Osterinsel! Im »Alten Indien« gab es eine Göttin der Vernichtung! Bevor wir aber gemeinsam ins südliche Indien reisen ... geht es nach Erlangen, ins schöne Frankenland!

Die Heilige Dreifaltigkeit mit
weiblichem Heiligen Geist
in der Mitte - Foto: W-J. Langbein
Die kleine Feier sollte die Bewohner der beiden Studentenheime einander ein wenig näher bringen. Ob das gelungen ist? Man hat gemeinsam gespeist, teils leidend-tolerant, teils begeistert lauter Musik aus der Welt des Islam gelauscht. Inzwischen sind die meisten Teilnehmer wieder auf ihre Zimmer verschwunden. Ein kleines Grüppchen diskutiert. Nasir*, was er studiert weiß keiner so genau, redet sich in Rage: »Ihr Christen seid Ungläubige!«, schimpft er. »Ihr behauptet, dass ihr an einen Gott glaubt ... dabei betreibt ihr Götzenverehrung! Ihr glaubt doch an drei Götter!« Milde-herablassend versucht Philipp* zu erklären: »Wir glauben an die Dreifaltigkeit Gottes! An Vater, Sohn und Heiligen Geist!« Nasir winkt ab. Philipp zitiert aus dem Glaubensbekenntnis: Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria ...«

Nasir unterbricht: »Dann war also der Heilige Geist der Vater, Maria die Mutter ...« Philipps Erklärungen, frömmelnd und wenig überzeugend, bringen Nasir zu Lachen. »Empfangen durch den Heiligen Geist ... also hat der Geist Jesus gezeugt und die Mutter war Jungfrau. Und was hatte Gott mit der Sache zu tun?« Philipp doziert, genervt-herablassend und aufgesetzt milde: »Gottvater ... Gott-Sohn und Heiliger Geist ...« Wütend stapft Nasir davon. »Gott ist einer, er hat keine Mutter und keinen Vater...« Philipp hastet hinterher: »Natürlich hat Gott keine Mutter! Maria ist die Mutter Jesu!« Es fällt ihm schwer, mit Nasir Schritt zu halten. »Aber sagtest du nicht, dass Jesus auch Gott ist? Und Gottvater ist Gott bei euch. Dann ist Jesus sein eigener Vater! Und der Gottvater ist auch sein eigener Sohn!« Philipp bleibt stehen. »Dem ist nicht zu helfen ...«, murmelt er in seinen nicht vorhandenen Bart.

Ich erinnere mich noch gut an das Streitgespräch zwischen Philipp und Nasir ... vor etwa 35 Jahren in Erlangen. Damals studierte ich noch evangelische Theologie. Wirklich einleuchtend fand ich schon damals die christliche Lehre der Dreifaltigkeit nicht. Was mir damals aber noch nicht klar war: Die vermeintlich im Ursprung »christliche« Lehre der Trinität ist sehr viel älter als das Christentum.

Außenansicht des Tempels von Hoyasaleshwara
Foto: wikicommons Dineshkannambadi

Der Hoyasaleshwara-Tempel lockte mich schon viele Jahre, als ich eines Tages zu einer Indienreise aufbrach. Im südindischen Bundesstaat Karnataka besuchte ich die einstmals stolze Hauptstadt des Hoysala-Reiches. Doch was ist aus ihr geworden? Im 12. Jahrhundert war Dorasamudra eine mächtige Metropole mit mächtigen Mauern, die aber letztlich nicht als Schutz ausreichten. Heute ist nur ein Dörfchen namens Halebid geblieben. Auf den staubigen Straßen gehen greise Weise mit wallenden Bärten majestätisch und unbeirrt, sausen Fahrräder und Motorräder um die Wette, schlängeln sich altersschwache PKWs geduldig um Menschen, Kühe und Ziegen.

Die meisten Menschen, die man trifft, sind allem Anschein nach entweder zufrieden.. oder mürrisch. Bei den Mürrischen handelt es sich in der Regel  um Touristen, denen deutlich anzusehen ist, dass sie eigentlich nicht schon wieder noch einen Tempel besichtigen wollen. Sie schimpfen gern, sehen nicht ein, dass sie beim Betreten von Tempeln ihre Schuhe ausziehen sollen und knausern mit Trinkgeld. Vor allem sind ihnen die wortgewaltigen Erklärungen ihrer Guides viel zu detailreich. So viel wollen sie doch gar nicht erfahren ... Wichtig ist ihnen, dass  die Mahlzeiten pünktlich serviert werden.

Manche Querulanten sind unerträglich und beschweren sich ständig. Ich erlebte eine Reisende, die es unerträglich fand, dass es in Delhi keine Rote Grütze als Nachspeise gab. Ein Mitreisender beklagte sich, weil es so schwierig sei, in Belur ein richtiges »Wiener Schnitzel« serviert zu bekommen.

Bei den Zufriedenen handelt es sich in der Regel um Einheimische, die nach unserem Verständnis bettelarm sind. Sind strahlen eine innere Ruhe aus. Manches Mal beobachtete ich einen »bettelarmen Schlucker«, der voller Mitleid einem abgehetzten, protzig-reichen Touristen hinterher lächelte. Und »ärmste« Frauen schreiten in natürlicher Schönheit kerzengerade, ja majestätisch. Würdevoll verrichten sie oft schwere Arbeiten.

Schöne, stolze Inderin
Foto: W-J.Langbein
Im »Alten Indien« gab es schon Götter-Triaden. Die Dreifaltigkeit des Christentums hat einen Vorläufer im Hinduismus. Schon Jahrtausende vor der christlichen Zeitwende gab es in Indien, im Hinduismus, die »Trimurti«: Brahma, Vishnu und Shiva bilden die indische Trinität. Brahma gilt als der Schöpfer, Vishnu als der Erhalter und Shiva als der Zerstörer.

In der Kunst werden diese drei Gottheiten manchmal als ein Wesen mit einem Leib, drei Köpfen und drei Armpaaren dargestellt. »Das kann nur ein schwacher Versuch der Abbildung des Nicht-Abbildbaren sein!«, erklärte mir Prof. Dr. Kumar Kanjilal. »Das Göttliche Brahman ist das formlose Unveränderliche. Ursprünglich bedeutete Brahman : das Wort. Es ist: der Urgrund des Seins, ... keine  individuelle Person!«

Der Hoyasaleshwara-Tempel lässt noch erahnen, wie bedeutend die Hauptstadt einst war. Malik Kafur plünderte Dorasamudra im Auftrag des Sultans von Delhi zwei Mal, 1311 und 1327. Die einstige Hauptstadt war nach dem zweiten »Besuch« der »Gesandten« des Sultans verwüstet, verfiel rasch. Wie viele einst stolze Bauwerke mögen inzwischen vollkommen verschwunden sein? Von der angeblich einst so abschreckenden, monströsen Mauer zum Schutz ist kaum etwas erhalten. Erhalten sind zum Glück die Bildnisse von Brahma, Vishnu und Shiva.

Göttertriade Brahma, Visnu, Siva
wikicommons, Foto: Calvinkrishy

Ich frage Professor Kumar Kanjilal, wie denn »Trimurti« zu verstehen sei: »Es gibt ein ständiges Erschaffen, Erhalten und Zerstören! Der hinduistische Kosmos ist immer da, wird immer erschaffen, erhalten und zerstört ...«, versuchte mir Professor Kumar Kanjilal zu erklären.

In der überreich mit Wandmalereien versehenen St. Jakobus-Kirche in Urschalling am Chiemsee werden biblische Geschichten dargestellt, die eine »Bibel der Armen« ergeben. In eine für eine christliche Kirche höchst ungewöhnliche »Dreifaltigkeit« setzte der unbekannte Künstler vor vielen Jahrhunderten eine Frau als »Heiligen Geist«.

Im »Alten Indien« gab es eine »Trimurti«, die nur aus Frauen bestand Die weibliche »Dreifaltigkeit« heißt in Indien »Tridevi«. Saraswati ist die Schöpferin, Maha Lakshmi ist die Erhaltende und Maha Kali die Zerstörerin.


Göttin Saraswati wurde einst in der alten Mythologie als die Gattin Brahmas dargestellt. In den Überlieferungen aus jener Zeit scheint Brahma der dominante Partner gewesen zu sein. Heute ist sie zum großen Star am »Götterhimmel« aufgestiegen.

Brahma ist heute fast abgeschrieben, aber zu Saraswati wird emsig gebetet. Einer ihrer Beinamen   Jagaddhatri, zu Deutsch »Herrin der Welt« macht deutlich, wie mächtig sie geworden ist. Nach einer anderen Übersetzung bedeutet der Name »die, die die Welt hält«. Ohne ihre göttliche Hilfe würde unser Planet nach uraltem Glauben abstürzen.

Brahma reitet auf einer Gans,
Hoyasaleshwara Tempel, Halebid
Foto: WJL
Eine ähnlich steile Karriere machte im christlichen Glauben des Katholizismus Jesu Mutter, Maria. Von der unscheinbaren Frau, der im »Neuen Testament« nur eine bescheidene Nebenrolle gegönnt wird ...  wurde nach und nach die Himmelskönigin, die leibhaftig gen Himmel gefahren ist. Sie ist zur »Regina caeli«, zur »Königin des Himmels«, avanciert!

Ich wage eine ketzerische Prognose: Die offizielle Theologie passt ihre Grundsätze dem Volksglauben an, wenn sie befürchten muss, zu viele Gläubige zu verlieren. So kommt es zu Ergänzungen im Glaubensgut, die  oft mit der Religion der Bibel nicht wirklich etwas zu tun haben müssen. Im Volksglauben wird Maria, die Himmelskönigin, neben Jesus und Gottvater in eine neue »Dreifaltigkeit« aufsteigen! Im theologischen Untergrund brodelt es jedenfalls schon gewaltig. Aus der ledigen Mutter Maria wurde die Gottesmutter. Maria ist im Katholizismus längst zur »Miterlöserin« geworden ... somit also gottähnlich. Zur Gott-Gleichheit Marias ist der Schritt nicht mehr so groß! Auch wenn davon nichts in der Bibel steht ... Wenn Maria die Mutter des göttlichen Jesus ist, und so sieht es ja die Theologie, müsste dann Maria nicht auch göttlich sein?

Der Rosenkranz in Brahmas Hand
Foto: W-J.Langbein
Der gläubige Katholik mag derlei Gedanken für zu ketzerhaft halten und besorgt einen Rosenkranz beten. Ihm dürfte dabei nicht bewusst sein, dass schon der vedische Brahma vor Jahrtausenden einen Rosenkranz besaß. Der gläubige Hindu nennt ihn »Japa Mala«. Er verwendet ihm beim Beten und Meditieren ... wie der gläubige Katholik! Wie sich doch manchmal die Bilder gleichen ...

* Name geändert
                                                                                                                                                            Lektüre-Empfehlung

Wer sich in die Welt der indischen Göttinnen und Götter einlesen möchte, kann aus wichtigen Quellen schöpfen. Ich empfehle dem wirklich interessierten Zeitgenossen ...

Bhagavdgita, die
     Sanskrittext mit Einleitung und Kommentar von S. Radharkrishnan/ Mit dem indischen Text verglichen und ins Deutsche übersetzt von Siegfried Lienhard, Wiesbaden 1970;

Bhagavd gita, die
     Mit einem spirituellen Kommentar von Bede Griffiths/ Aus dem Sanskrit übersetzt, eingeleitet und erläutert von Michael von Brück, München 1993;

Bhagavdgita
     As ist is/ Abridged Edition/ with translations and elaborate purports by his Divine Grace A.C. Bhaktivedanta Sywami Prabhupada/ Founder-Acarya of the International Society for Krishna Consciousness, New York;

»Stadt der Tausend Tempel«
Teil 197 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 27.10.2013


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3 Kommentare:

  1. Lieber Walter!
    Vor allen Dingen viel Glück und alles Gute anlässlich des "Geburtstags" Deines neuesten Werkes!
    Zum Thema Deines obigen Artikels: höchstwahrscheinlich kennst Du das sog. "Drei-Hasen-Fenster" im Paderborner Dom. Du weisst ja: Der Hasen und der Löffel drei, und doch hat jeder Hase zwei. Nun, der Hase selbst wurde bereits im Mittelalter in der Kirche als Symbol der Auferstehung Christi betrachtet. Osterhase!). Viel interessanter ist es, dass einige Theologen die merkwürdige Verknüpfung der drei Gestalten im Paderborner Fenster als einen Hinweis auf die Dreifaltigkeit Gottes sehen wollen. Dagegen spricht immerhin, dass ähnliche Darstellungen meines Wissens vielerorts in der Welt zu sehen sind. Deine Meinung darüber würde mich äusserst interessieren!
    Rezső Weltler
    Győr / Ungarn

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    Antworten
    1. Lieber Rezső!

      Vielen Dank für Deine lieben Wünsche, über die ich mich sehr gefreut habe!

      Zu Deiner Frage: Eigentlich müsste ich mit einem sehr langen Traktat antworten, um Deiner Frage auch nur halbwegs gerecht zu werden.

      Ich versuche es kurz zu machen. Die drei Hasen mit den drei Ohren kenne ich. Sie symbolisieren meiner Meinung nach die Dreifaltigkeit, unterstreichen die Heiligkeit dieser besonderen Drei.

      Was das Symbol des Hasen angeht, so nehme ich an, dass es älter als die christliche Interpretation ist und aus heidnischen Zeiten stammt, als Symbol für die Fruchtbarkeit.

      Was die Dreifaltigkeit angeht, so gibt es Trinitäten lange vor dem Christentum, etwa in Gestalt von Götter/Göttinnen-Triaden, die im Katholizismus als »Heilige« fortbestehen. Ich denke da - zum Beispiel - an die »drei Bethen«, die im Dom zu Worms sehr schön dargestellt sind.

      Gern denke ich an die Zeit in Erlangen zurück. Du hast damals das Manuskript meines ersten Buches (»Astronautengötter«) gelesen. Es erschien erst Jahre später, anno 1979, in gedruckter Form.

      Recht herzliche Grüße und beste Wünsche!

      Walter

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    2. Lieber Rezső! Kürzlich war ich in Paderborn, habe auch den Dom besucht und das Drei-Hasen-Fenster bestaunt. In einer späteren Folge meiner Serie werde ich ausführlich berichten! - Recht herzlich - Walter.

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