Sonntag, 29. September 2013

193 »Ein fliegender Gott, Wolkenmenschen und rätselhafte Figuren ...«

Teil 193 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein



Wer sich Zeit nimmt und auf der Osterinsel sorgsam stehende und liegende Steine studiert, wird wiederholt auf Make-Make stoßen. Seine Maske wurde immer wieder ins poröse Vulkangestein geritzt. Nach und nach werden die Reliefs vom Zahn der Zeit zum Verschwinden gebracht. Make-Make war ein fliegender Gott. Als das »Atlantis der Südsee«, »Maori Nuinui« (»groß Maori«) genannt, nach und nach  in den Fluten versank, griff der Himmlische rettend ein, als göttlicher Lotse, sozusagen!

Das uralte Gesicht von Make-Make
Foto: W-J. Langbein
»Hotu Matua, der junge Ariki (König) ... sah mit Bestürzung, daß er sein Heimatland verlassen mußte, da dies langsam in den Tiefen des Meeres versank.« (1) Verzweifelt wurde nach einer neuen Heimat gesucht, aber vergeblich. Da half Make-Make aus (2): »Eines Nachts hatte Hau Maka, ein großer Weiser und Priester ..., einen Traum, in dem Make-Make, der mächtigste Gott seines Volkes, ihn durch die Lüfte trug und ihm eine unbewohnte Insel zeigte. Er erklärte Hau Maka, wie er dorthin kommen könne, und versprach ihm seinen Schutz, wenn sein König Hotu Matua dieses Land besiedele, als Dank für seine Treue.«

So erfuhr Priester Hau-Maka wo das rettende Eiland zu finden war, wonach seine Späher zur See vergeblich gesucht hatten. Make-Make gewährte ihm vor Ort eine schnelle Insel-Tour. Er zeigte ihm zum Beispiel den besten Ankerplatz, die besten Fischgründe und wo die Landwirtschaft besonders gute Erträge bringen würde ... Am nächsten Morgen erfuhr König Hotua Matua von der rettenden Insel. Sofort schickte er seine sieben besten Seeleute los. Sie entdeckten just dort, wo Make-Make dem Priester das Eiland gezeigt hatte ... die »Osterinsel«. Es kam im letzten Moment zum Exodus: vom versinkenden Atlantis der Südsee zur Osterinsel, die König Hotu Matua »Te Pito O Te Henua«, »Nabel der Welt« nannte.


Retter Make-Make, der fliegende Gott, kam so vom Atlantis der Südsee zur Osterinsel. Make-Make wurde verehrt und angebetet. Er galt als Schöpfer der Welt, der so heilig war, dass »man es nicht wagte, seine Gestalt wiederzugeben. Nur eine Andeutung seines Gesichts ist in Felsen gehauen: Zwei Augen und die Nase, nichts weiter.«
 
Make-Make, daran glaubten seine Anhänger, hatte den ersten Menschen erschaffen. Ein Messdiener informierte mich über den alten Glauben: »Make-Make formte den ersten Mann aus seinem eigenen Samen und roter Erde ... so wie die biblischen Elohim Adam aus roter Erde schufen. Im biblischen Schöpfungsbericht wird immer wieder betont, dass Gott am Abend sein Tagwerk wohlgefällig begutachtete. Genauso verhielt sich Make-Make. Make-Make ... der fliegende Gott, der das geheimnisvolle Eiland der Südsee aus großer Höhe bewundert haben soll, wie ein Astronaut im Erdorbit.

Satellitenaufnahme der Osterinsel
Foto: NASA-commons
Gern besuchte ich auf der Osterinsel den sonntäglichen Gottesdienst. Mit manchem gläubigen Osterinsulaner sprach ich über die biblischen Mythen. »Auch wenn es unser Geistlicher nicht gern hört, aber auf unserer Insel gab es ganz ähnliche Geschichten wie in der Bibel, nur schon viel früher. Wir kannten sie schon, bevor die Missionare uns das Buch der Christen brachten!«

»Make-Make war zufrieden, da der Mensch, den er eben geformt hatte, ihm ähnlich war und sprechen und denken konnte«, zitiert Felbermayer (3) eine alte Osterinsel-Überlieferung. Im »Alten Testament« lesen wir (4): »Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei.«

Bald bemerkte Make-Make, dass sein namenloses Geschöpf einsam war. »Er schläferte ihn ein, legte sich zu ihm und befruchtete seine linke Rippe, so die Frau erschaffend.«, heißt es weiter bei Felbermayer (5).


Unverkennbar ähnelt die Osterinsel-Mythologie der biblischen: Der biblische Schöpfergott durfte nicht bildlich dargestellt werden (6): »Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist.«


Der biblische Gott formte den ersten Menschen aus roter Erde und Eva wurde aus einer Rippe Adams geschaffen. Auch mit seiner Kreation der ersten – namenlosen – Frau war Make-Make sehr zufrieden. Make-Make, so heißt es, sprach geheimnisvolle Worte zum ersten Menschenpaar. Sie sind bis heute überliefert worden, doch niemand vermag sie zu übersetzen (7): »Vivinavivina hakapiro e ahue.«

Make-Make in der christlichen Kirche
der Osterinsel. Foto: W-J.Langbein
Wie der biblische Gott, so war auch der fliegende Make-Make manchmal recht zornig. Als Mata Poepoe Gott Make-Make den nötig Respekt verweigerte, beschloss Make-Make (8), »den Spötter zu strafen.« So sollte den Bewohnern von »Te Pito O Te Henua« ein Exempel statuiert werden. »Make-Make beschloß, mit dieser Strafe eine Warnung all den übrigen Bewohnern zu geben, welche seine Gebote nicht beachteten.«

Den Priester Hau-Maka hatte er als Retter durch die Lüfte zur Osterinsel geflogen, Mata Poepoe »entführte er durch die Lüfte« (9), immerhin über eine Distanz von rund 460 Kilometern von der Osterinsel zum winzigen Eiland Sala y Gómez. Das Leben auf dem öden Felsriff in den Weiten des Pazifiks war hart und entbehrungsreich. Huldvoll begnadigt wurde der Sünder, als er Make-Makes Autorität wieder anerkannte.


»Make-Make ist nicht nur unser Gott!«, flüsterte mir ein Gottesdienstbesucher in gebrochenem Englisch zu. »Er ist auch in anderen Ländern auf anderen Erdteilen bekannt ... Dort hat er aber andere Namen!« Make-Make habe das Wissen der Osterinsulaner auch Menschen anderer Länder mitgeteilt. »Meine Vorvorvorfahren errichteten die Moai (Osterinselstatuen). Im Reich der Menschen in den Wolken waren die Moai auch bekannt. Allerdings gelangen den Menschen dort bei weitem nicht so schöne Moai wie bei uns auf Rapa Nui!«  Als ich nachfragte, wo denn die weniger gelungenen Moai zu finden seien, winkte mein Gesprächspartner ab. »Du musst sie selbst finden!«


Ich suchte viele Jahre vergeblich ... Bis ich fündig wurde. Nachdem ich, allein oder als Anführer einer kleinen Gruppe von Reisenden, die klassischen Reiseziele in Peru mehrfach besucht hatte ... zog es mich in den Norden Perus! 2001 führte ich eine kleine Gruppe ins Reich der Chachapoyas in den nördlichen Anden Perus, zu den »Wolkenmenschen«. Meinte mein Gesprächspartner die Chachapoyas mit den »Menschen in den Wolken«?

Die Stadt der Wolkenmenschen - Foto: W-J. Langbein

Auf unserer strapaziösen Reise wollten wir gemeinsam das Erbe eines der geheimnisvollsten Völker unseres Planeten kennenlernen. Woher kamen die Chachapoyas? Niemand vermag das zu sagen. Rätselhaft ist auch ihr Verschwinden aus der Geschichte. Wir haben Kuelap, die Festung der »Wolkenmenschen«, besucht. Es war strapaziös, hat sich aber gelohnt! Mit mehreren Geländewagen sind wir so nah wie möglich an die mysteriöse Anlage heran gefahren. Fast dreitausend Meter über dem Meeresspiegel haben da die »Wolkenmenschen« eine kolossale Anlage errichtet. Für uns Europäer ist die Luft dort unangenehm dünn und eiskalt.

Wir besuchten die gewaltige Monstermauer von Kuelap, mit ihrer heute noch gigantisch anmutenden Mauer. Wir nahmen strapaziöse Wege auf uns, um zu den Totenhäusern der »Wolkenmenschen« zu gelangen, die hoch oben in den Anden an senkrecht abfallenden Felswänden wie Schwalbennester kleben. An versteckten Orten, oft nur bergsteigerisch erreichbaren Stätten, standen die seltsam geformten Sarkophage der »Wolkenmenschen«: Sie hatten die Form von stoisch dreinblickenden Statuen. In ihrem Inneren kauerten, in Fötushaltung ... mumifizierte Tote. Die Verstorbenen hofften wohl, so wie ein Baby wieder geboren zu werden. Die fremdartigen Riesenfiguren ... sollten sie die Toten in ein neues Leben nach dem Tod, ins Jenseits gebären?


Die Sarkophage in menschenähnlicher Gestalt ... sie erinnern tatsächlich an die Riesen der Osterinsel. Sind diese seltsamen Statuen die weniger gelungenen Moai, von denen ich bei einem Gottesdienstbesuch auf der Osterinsel hörte? Ein direkter Vergleich lässt durchaus Ähnlichkeiten erkennen!


Zum Vergleich: »Moai« der Chachapoyas (links)
und Steinstatuen der Osterinsel. Collage. Fotos:W-J. Langbein

In Leimembamba lagerten 200 Mumien in einem, so wurde uns versichert, »klimatisierten« Raum. Davon war allerdings nichts zu spüren. Dabei sollte das so künstlich geschaffene Klima die uralten Mumien vor weiterem Zerfall bewahren. Wir durften den alles andere als pietätvoll gestalteten Raum betreten. Er wirkte auf mich wie eine Rumpelkammer, in dem in einem unüberschaubaren Durcheinander zahllose Kisten und Kartons lagerten. Diese Behältnisse waren provisorische Särge, in denen die Toten der »Wolkenmenschen« nach wie vor auf ihre Auferstehung warteten. Sie sollten so bald wie möglich in ein eigens für sie gebautes Museum gebracht werden. Fotografieren war strengstens verboten.


In einem Nebenräumchen entdeckte ich altehrwürdige »Grabbeigaben« der Chachapoyas. Die hölzernen Figuren ähneln in verblüffender Weise den »Moai«-Statuen der Osterinsel. Die rätselhaften Figuren aus Holz aus Gräbern der Chachapoyas haben typische Merkmale der Kolosse der Osterinsel: Sie tragen so etwas wie »Helme« auf dem Kopf, oder sind es Frisuren? Manche Forscher meinen auch, es handele sich um Federschmuck von Fürsten ... bei den roten Zylindern auf den Häuptern der Osterinsel-Kolosse. Auch die  Nasen und verlängerten Ohren der Holzfiguren erinnern deutlich an die der Osterinselriesen. Und die hölzernen Figuren der Wolkenmenschen enden in der Hüftregion, wie die Statuen der Osterinsel!


Holzfiguren der Chachapoyas und ein Moai der Osterinsel (Collage)
Fotos: W-J. Langbein


Fußnoten
1 Felbermayer, Fritz: »Sagen und Überlieferungen der Osterinsel«,
Nürnberg o. J., S. 13
2 ebenda
3 ebenda, S.28
4 1. Buch Mose Kapiel 1, Vers 26
5 Felbermayer, Fritz: »Sagen und Überlieferungen der Osterinsel«,
Nürnberg o. J., S. 28
6 2. Buch Mose Kapitel 20, Vers 4
7 Felbermayer, Fritz: »Sagen und Überlieferungen der Osterinsel«,
Nürnberg o. J., S. 28
8 ebenda, S. 41
9 ebenda

Anmerkung
Im voranstehenden Text habe ich wiederholt Werke zitiert, die vor der Rechtschreibreform erschienen sind. Ich habe die Zitate im Original belassen und nicht an die heutige Schreibweise angepasst.

Abschied von Rapa Nui                                                                                                                                 
Teil 194 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 06.10.2013



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Samstag, 28. September 2013

Herbstzauber im Garten Picker

Liebe Leserinnen und Leser!

Der Herbst naht mit großen Schritten. Nur noch bis Mitte Oktober ist der Garten Picker in Borken-Weseke für Besucher geöffnet. Darum habe ich gestern den Sonnentag genutzt, um mich wieder von der schönsten Gartenperle im Westmünsterland verzaubern zu lassen. Einige Bilder habe ich Ihnen mitgebracht.







Was Sie, sofern es Ihnen möglich ist, nicht verpassen sollten, sind die letzten Lichterabende in 2013. Für sinnlichen Genuss sorgen am Tag der deutschen Einheit, 03. Oktober ab 19.00 Uhr, das Deegeeri Duo mit ihrer Gitarrenmusik. Am Donnerstag den 10. Oktober präsentiert sich der Cantamus Chor aus Weseke. Ein ganz besonderer Ohrenschmaus erwartet den Besucher am Donnerstag, 17. Oktober. Dann zeigt der Familienchor Picker/Temming/Gröner unter der Chorleitung von Eva-Maria Gröner sein ganzes Können. 

Lichtillumination im Spätsommergarten lassen ihn in verwunschenem Licht erscheinen. Genießen Sie den früh herbstlichen Garten, im Schein vieler Lichter, Kerzen und Flammen. Herbstliche Dekorationen einige Aussteller und die Kinderkrebshilfe Weseke sorgen für sinnliche und leibliche Genüsse.

Übrigens habe ich bei meinem Besuch in der Gartenscheune den neuen Krimi von Tuna von Blumenstein entdeckt. »Blauregenmord« liegt dort zu Preis von 5 Euro für Krimifreunde bereit. Den Trailer zu dem Münsterlandkrimi möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten. Immerhin sind die Bilder an Originalschauplätzen erstellt worden. Und wenn Sie es nicht zum Garten Picker schaffen, erhalten Sie den Münsterland - Krimi hier.



Vielleicht sehen wir uns bei einem der Lichterabende? Ich würde mich freuen.

Bleiben Sie mir gewogen Ihre

Sylvia B.





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Montag, 23. September 2013

Fido Buchwichtels Sonderbeitrag zur Wahl: #gehwählen

Hallo liebe Leute!

Fido Buchwichtel
meldet sich heute nicht mit dem
Bestseller der Woche
aus dem Wichtelland!

Was ist passiert? Was ist mit Fido los? Werdet Ihr Menschen Euch fragen. Und womit? Mit Recht! Warum heute ein Sonderbeitrag zur Wahl? Ihr Menschen hattet ja gestern die Qual der Wahl.

Selbst schuld, kann ich da nur sagen, wenn Ihr gleich hier bei »Ein Buch lesen!« vorbei geschaut hättet, wäre Euch jede Quälerei erspart geblieben. Denn hier gibt es keine Wahl, hier gibt es Auswahl! Und nicht nur ein oder zwei Kreuzchen sind hier zu machen, nein, Ihr könnt klicken und kaufen und das soviel Ihr wollt! 

Jetzt seid nicht traurig, denn diese Option der Bestseller der letzen Wochen bleibt Euch Menschen erhalten, über den Wahltag hinaus. Ist das ein Angebot oder ist das ein Angebot?

Wie enträtselt man Dante Alighieris ›Göttliche Komödie‹? und wie kann man die Geheimnisse dieses epochalen Meisterwerks verstehen? Die Antwort findet Ihr in Das Inferno und die Heiligen Frauen von meinem Lieblingsmenschenautor Walter-Jörg Langbein.

Nach allem was wir über Euch Menschen wissen verwundert es uns nicht, dass bei Euch Beziehungsstress zum Alltag gehört. In
nimm es nicht persönlich: Poetische Texte und erotische Bilder von Sylvia B. wird das deutlich.

Was hat es mit dem Rosenkrieg auf sich?  Was ist das für ein Tabu, eins der letzten, das Ihr Menschen meint hüten zu müssen. Was mag es in einem Apothekergarten und dem Garten Picker für Geheimnisse geben? Natürlich weiß ich es, schließlich habe ich Blauregenmord: Ein Münsterland - Krimi von Tuna von Blumenstein gelesen.

Liebe macht blind, das kann auch einem Wichtel passieren. Ein Beziehungsdrama der besonderen Art wird in Mord im ostfriesischen Hammrich: Tödliches Wiedersehen von g.c.roth beschrieben. Wenn Frauen von ihren Partner nur an der Nase herum geführt werden, kann das kein gutes Ende nehmen.

Es ist zwar noch etwas Zeit für das Grauen an Halloween - Denn Hass zieht dunkle Kreise von Ursula Prem. Ein alles verschlingendes Band aus Nebel frisst sich von den ostfriesischen Inseln ausgehend hinein ins Land. Wobei wir wieder bei den Wahlen wären.

Wählt Leute! Wählt sie alle! Die Bestseller der letzten Wochen aus dem Wichtelland:
Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen! 

Bis nächste Woche und 
winke winke Euer

Fido Buchwichtel





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Sonntag, 22. September 2013

192 »Von dicken Jungfrauen und eingesperrten Jünglingen«

Teil 192 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Autor Langbein in einer der Höhlen
im Leib der Osterinsel
Foto: Anne Choulet, Frankreich
Die Jungfrauen der Osterinsel fristeten ein trauriges Los in der Dunkelheit ihrer engen  Höhle. Hunderte Meter weit reichte sie in den felsigen Leib des Eilands. Bei meinen Besuchen auf Rapa Nui lernte ich die friedliche Atmosphäre der Südseeinsel lieben. Aber Rapa Nui hat auch eine finstere, düstere Seite. Damit meine ich nicht die Verbrechen, die an den Insulanern verübt wurden ... von Vertretern der »zivilisierten Welt«.  Fast die gesamte Bevölkerung wurde im 19. Jahrhundert ausgerottet ...

Alfred Métraux schreibt, dass junge Mädchen »von ihren Eltern in Höhlen eingesperrt wurden, in denen sie in völligem Nichtstun lebten.« Die »Jungfrauenhöhle«, aber auch andere »Gefängnishöhlen« für »neru« (1), waren ja so eng, dass man sich darin kaum bewegen konnte. Längere Aufenthalte in diesem Gefängnis müssen unglaublich qualvoll gewesen sein.

Unserem Schönheitsideal entsprachen die Jungfrauen nicht. Wenn wir an holde, liebreizende und sehr feminine Ladies denken, wie sie in Hollywoodfilmen auftreten, machen wir uns vollkommen falsche Gedankenbilder. Die Wirklichkeit sah ganz anders aus ... Ihre Fingernägel wurden »übermäßig lang«. Ernährt, man muss wohl sagen gemästet, wurden die jungen Damen von ihren Eltern. Essen war das einzige »Vergnügen« der eingesperrten Mädchen, die deshalb immer dicker und dicker wurden. Bewegung hatten sie ja keine. An die frische Luft kamen sie, wenn überhaupt, in höchst bescheidenem Maße ... und das nur bei Nacht.

Wiederholt schilderten mir Einheimische das Aussehen der weggesperrten »Jungfrauen«: Überlange, oft verfilzte Haare, überlange Fingernägel, starkes Übergewicht und  Bemalung in Rot. Welche Mädchen wurden in Höhlen weggesperrt? Wir dürfen nicht mit heutigen Wertmaßstäben beurteilen. Vor Jahrhunderten waren es auf der Osterinsel vermutlich nicht gesellschaftliche Benachteiligte, sondern – ganz im Gegenteil – Töchter aus privilegierten Schichten, die in Höhlen hausen durften.

Blick in eine der Osterinselhöhlen
(Ana Kai Tangata)
Foto: Jürgen Huthmann
Wir wissen nichts darüber, wann und wie es zu den uns seltsam vorkommenden Praktiken kam. Wir wissen auch nicht, warum die Mädchen in dauernder Finsternis kaserniert wurden. Wenn wir nur die rätselhaften Felszeichnungen in der Jungfrauenhöhle »Ana O Keke« wie ein Buch lesen könnten. In der wissenschaftlichen Literatur ist zu lesen, dass die langen Aufenthalte in der Finsternis nicht in erster Linie irgendwelchen modischen Vorstellungen dienten, »sondern zur Vorbereitung von Initiationsriten genutzt« wurden.

Man muss demnach davon ausgehen, dass die Jungfrauen auf mysteriöse Rituale von wohl religiöser Bedeutung in der Abgeschiedenheit vorbereitet wurden. Wie diese Rituale ausgesehen haben? Wir wissen es nicht. Ging es um den Übergang vom Kind oder Jugendlichen zum Erwachsenen?
Prof. Hans Schindler-Bellamy, Wien, bezweifelte das: »Solche Riten, die das Erwachsenwerden bewusst betonen, gab es sicher auch. Aber die ›bleichen Jungfrauen‹ wurden wohl auf etwas anderes vorbereitet. Ich kann mir vorstellen, dass es eine eher kleine Zahl von Jungfrauen war, die in den Höhlen auf das Amt der Priesterin vorbereitet wurden!«

Für die künftigen Priesterinnen oder Schamaninnen ging es um die Kernfrage des Lebens, so der Wissenschaftler im Gespräch mit dem Verfasser, um Geburt, Leben, Sterben, Tod und was danach kommt!

Der Übergang vom Kind zum Erwachsenen erlebt jeder Mensch. Weltweit gab es in allen Kulturen Initiationsriten, die diesen natürlichen Wandel begleiteten. Lange Aufenthalte in einer Höhle indes machen den Menschen nicht gerade fit für das Alltagsleben. Und deshalb meinte Prof. Hans Schindler-Bellamy, dass eben nur ein kleiner Kreis von auserwählten Jungfrauen initiiert wurde, eben zur »weisen Frau«, zur »Priesterin« oder »Schamanin«.

Besuch in der Höhle
Ana Te Pahu
Foto: Jürgen Huthmann
1915 starb auf der Osterinsel die angeblich  letzte ehemalige »Jungfrau aus der Bleichhöhle«, die einst in ihrer Kindheit in der Dunkelheit hatte hausen müssen ... als hochbetagte Greisin. Sie soll die letzte Wissende gewesen sein, die das Geheimnis der Kulthöhle kannte. Sie nahm es mit ins Grab. Fast gleichzeitig verstarb damals in einer Lepra-Kolonie, der angeblich letzte Osterinsulaner, der noch die alten Osterinsel-Schriftzeichen wie ein Buch lesen konnte. Katherine Routledge besuchte den Sterbenden. »Es ist besser, dass das uralte Wissen mit mir für immer vergessen wird, als dass ich es einer Fremden anvertraue!«, soll er der großen Osterinselforscherin zugeflüstert haben.

»Ana O Keke«, das wissen wir, war eine uralte Kultstätte. Kurioser Weise soll es auf den Kanaren eine ähnliche Höhle geben, in der ganz ähnliche Petroglyphen wie in der Jungfrauenhöhle der Osterinsel gefunden wurden. In der Kulthöhle der Osterinsel wurde eine Vielzahl von seltsamen Zeichen gefunden, die sonst nirgendwo auf dem Eiland vorkommen. Die Übereinstimmungen zwischen den Höhlen der Osterinsel und auf den Kanaren verblüffen. Hartwig-E. Steiner schreibt (2): »Wer beide Höhlen, die Ana O Keke auf Rapa Nui und die Cueva del Agua auf der Kanaren-Insel El Hierro, besucht und studiert hat, ist von der Vielzahl an Übereinstimmungen überrascht. Die eine Höhle ist ein nahezu spiegelbildliches Abbild der anderen.«

Steiner kommentiert (3):
»Es ist sicher, das die beiden Gesellschaften auf den Kanaren und der Osterinsel keine Verbindung oder Kenntnisse voneinander hatten. Aber es ist durchaus vorstellbar, dass unter selben Bedingungen sich auch gleichartige kulturelle Phänomene, Bräuche, Lebensformen und Techniken entwickeln.«

Erkundung einer Höhle
Foto: Jürgen Huthmann
Ist das die Erklärung für die Übereinstimmungen zwischen der Höhle auf einer Kanaren-Insel im östlichen Zentralatlantik ... und einer Höhle auf der Osterinsel, auf der anderen Seite des Globus, im Pazifik? Ein Kontakt zwischen beiden Inseln vor vielen, vielen Jahrhunderten ... ist eigentlich nicht vorstellbar. Oder doch?

»Ana More Mata Puku« heißt eine weitere Höhle, ebenfalls auf der Halbinsel Poike gelegen. Sie ist im Vergleich zur Bleichhöhle der Jungfrauen geradezu winzig. Die Grundfläche entspricht mit etwa 24 Quadratmetern einem heutigen Zimmer. Die »Höhe« von durchschnittlich nur 1,30 m allerdings gestattet nur ein Sitzen, Hocken oder Liegen.

Bei meinen Besuchen auf der Osterinsel versuchte ich immer wieder, Näheres über sie zu erfahren. Vergeblich! Es sieht so aus, als ob nur sehr wenige Kundige wissen, wo sich die mysteriöse Höhle genau befindet.  Ihr Standort ist nur wenigen Eingeweihten bekannt ... und die schweigen, selbst gegenüber anderen Osterinsulanern, von Fremden ganz zu schweigen. Einige handverlesene Osterinsulaner, so heißt es, haben die mysteriöse Stätte zwei oder drei Mal besucht. Die überwiegende Mehrheit auf dem Eiland hat angeblich noch nie davon gehört. Nach mehreren Besuchen auf der Osterinsel glaube ich herausgefunden zu haben, wo in etwa der Eingang zu finden ist.
»Maunga Parehe« liegt im Nordosten von Vulkan Poike ... ein eher unscheinbarer Hügel. Ob es sich um einen kleinen Nebenkegel des Poike handelt? »Maunga Pehe«, davon bin ich nach intensiven Recherchen überzeugt, muss erklommen werden, um zur mysteriösen Höhle zu gelangen. Der Anstieg ist problemlos, der Abstieg zur Höhle ... lebensgefährlich. Man muss einen gefährlichen Steilabhang meistern ... und genau wissen, wo der versteckte Eingang zu finden ist.

Der Eingang soll früher besser zu erkennen gewesen sein. Im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte lösten sich vom Steilhang immer wieder Gerölllawinen, stürzten teils Lavabrocken von beachtlicher Größe in die Tiefe ... und versperrten den Blick auf den Zugang zur Höhle. Heute soll nur noch ein Spalt von weniger als einem Quadratmeter offen sein.

Ritzzeichnung in der Höhle
der Jünglinge
Foto: Archiv W-J.Langbein
»Ana More Mata Puku« ist das Pendant zu »Ana O Keke«. Hier hausten aber einst keine Jungfrauen ... sondern Jünglinge. Der Name der Höhle - »Ana More Mata Puku« - lässt sich bis heute nicht eindeutig übersetzen. »Ana« bedeutet »Höhle« ... aber was heißt »More Mata Puku«? Ein Einheimischer machte im Gespräch mysteriöse Andeutungen: »More ... Messerwunde, Schmerz, Bestrafung. Mata ... Grausamkeit.« Was geschah in der Höhle der Jünglinge? Und wie viele Jünglinge waren einst kaserniert? Vermutlich waren es nur einige wenige. Wurden mehr Jungfrauen auf mysteriöse Einweihungszeremonien vorbereitet als Jünglinge? Wir wissen es nicht. Unbekannt ist auch, wie die Riten der Jünglinge aussahen. Die Ritzzeichnungen in der Höhle könnten vielleicht Aufschluss geben ... wenn wir sie nur wie ein Buch lesen könnten! (5)

Eine Skizze so einer Ritz-Zeichnung erhielt ich ausgerechnet ... bei einem Gottesdienst in der kleinen Kirche von Rapa Nui. Steiner hat ganz ähnliche veröffentlicht, vermag aber auch nicht zu erklären, was dargestellt ist ...

Die Osterinsel - Panoramafoto; Foto: Rivi


Fußnoten

1 »neru«, Osterinsulanisch für Jungfrau
2  Steiner, Hartwig-E.: »Die Jungfrauen-Höhle auf der Osterinsel«, in »Institutm Canarium«, Wien 2008, S. 286
3 ebenda
4 Meine Informationen decken sich mit den Angaben von Steiner.
5 Meine Angaben basieren weitestgehend auf eigenen Recherchen vor Ort, decken sich weitestgehend mit den Erkenntnissen von Steiner. Siehe hierzu...
Steiner, Hartwig-E.: »Ritual-Höhle für Jünglinge der Osterinsel«, in »Institutm Canarium«, Wien 2012, S. 261-290
6 ebenda S. 284, S. 285 und S. 290

Anmerkung zu den Fotos: Wo keine Fotos von den Originalschauplätzen vorliegen, habe ich möglichst passende, ähnliche Motive ausgewählt.


Mein Dank geht an meine Reisegefährten Ingeborg Diekmann und Jürgen Huthmann,
die mir immer wieder vorzügliche Fotos zur Verfügung gestellt haben!



Ein fliegender Gott, Wolkenmenschen und rätselhafte Figuren ...
Teil 193 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 29.09.2013


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Montag, 16. September 2013

Fido Buchwichtel und das Netz der Gutmenschen

Hallo liebe Leute!

Montag ist mein Tag und auch Euer, liebe Menschen!
Denn
Fido Buchwichtel
bringt Euch den
Bestseller der Woche
aus dem Wichtelland.

Wie eine Gesellschaft sich selbst erledigt, könnt Ihr Menschen in dem E-Book des Menschenautors Hanns B. Ürgerschreck lesen. Der Mensch ist krank und schwach, deshalb braucht er Hilfe. Hilfe. Hilfe. Ob Kind oder Erwachsener: Der Mensch kommt nicht aus ohne Vorsorge. Nachsorge. Prophylaxe. Beihilfe. Fürsorge. Zulage. Denn er braucht Hilfe. Hilfe. Hilfe. Deshalb gibt es Unterstützung. Entlastung. Aufstockung. Abschläge und Zuschläge. Vorschüsse und Nachschüsse. Ob Sie wollen oder nicht: Auch Sie sind in den Augen der Gutmenschen grundsätzlich hilfebedürftig. Die Frage ist nur: Wollen Sie sich tatsächlich Ihr Leben lang derartig beleidigen lassen?

Diese Frage ist berechtigt aber es gibt tatsächlich Hilfe für Euch arme Menschen: Hanns B. Ürgerschreck zeigt in seinem humorvoll geschriebenen E-Book gangbare Wege, sich aus dem Netz der Gutmenschen zu befreien und endlich ein autarkes Leben zu führen. 

Uns Wichteln hat aber auch der Trailer zu dem E-Book gut gefallen. Darum stelle ich ihn Euch heute vor. Seht selbst, besser lässt sich ein Gutmensch kaum darstellen – oder?




Der Bestseller der Woche aus dem Wichtelland.

Winke winke Euer

Fido Buchwichtel







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Sonntag, 15. September 2013

191 »Von Tunneln, Höhlen und Jungfrauen«

Teil 191 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Die Osterinsel - Panoramafoto - Foto: Rivi

Auf der Osterinsel gab es einst Hunderte von seltsamen »Gebäuden«. Viele dieser bunkerartigen Anlagen sind verschwunden, verschüttet oder vergessen. Einige habe ich besuchen können. Oft erkennt man sie kaum, geht achtlos an ihnen vorbei. »Hühnerställe«, so werden sie gewöhnlich genannt. Hühnerställe? Man stelle sich einen Erdhügel vor. Eine schmale, von Steinen umrahmte Öffnung lädt selbst schlanke Menschen nicht wirklich zum Betreten ein.

Von »Betreten« kann man auch nicht wirklich sprechen. Man muss nämlich bäuchlings kriechen. Und zwar durch einen Gang, für dessen Bau kolossale Steinquader verwendet wurden – und zwar meist sowohl für den Boden, die Seiten und die Wände. Das Anlegen dieser Tunnel war ein Meisterwerk.

Wenn man dann gleich direkt hinter dem Eingang eine Räumlichkeit für Gockel, Hennen und Küken vermutet, so erweist sich das rasch als Irrtum. Es folgt nämlich in allen diesen kuriosen Anlagen ein meterlanger, niedriger, schmaler Tunnel. Wenn man sich mutig hindurch windet, gelangt man erst nach Metern in einen niedrigen »Raum«, in den eigentlichen »Hühnerstall«.

Dieser Interpretation der kuriosen »Bauten« kann ich beim besten Willen nicht folgen! Warum sollte man derart unpraktische »Ställe« angelegt haben? Etwa um das liebe Federvieh vor Räubern zu schützen? Raubtiere wie etwa Reineke Fuchs hat es auf der Osterinsel nie gegeben. Raubvögel gab es auch nie. Schwalben nisteten auf der Osterinsel, stellten aber nie eine ernsthafte Gefahr für das Federvieh dar. Wollte man die Hühner vor Entführung vor Dieben auf zwei Beinen bewahren? Eine Verschlussvorrichtung ist an keinem der Eingänge zu erkennen.

Gang zum »Hühnerstall«
Foto: W-J.Langbein
Wer sich mit dem lieben Federvieh auch nur etwas auskennt, weiß, dass die eierlegenden Tierchen nicht so leicht davon zu überzeugen sind, dass sie durch einen meterlangen stockdunklen Tunnel marschieren sollen, um in eine stockdunkle Kammer zu gelangen. Mag sein, dass man sie mit Futter locken kann. Dann muss der menschliche Lockvogel mit Hühnerkost den Tunnel vorankriechen, mit dem schnatternden Gefolge hinterher.

Sollten die langen Tunnel Dieben den Zugriff auf Hühner und Eier erschweren? In der Tat, leicht hat man es eventuellen Räubern nicht gemacht. Nicht minder strapaziös war dann aber auch der Zugriff auf Hühner und Eier für die rechtmäßigen Besitzer. Die mussten sich genauso durch die röhrenartigen Zugänge quälen. Und das  täglich. Ganz zu schweigen vom Reinigen der Ställe ... Auch wer so einen Stall sauber machen wollte, musste erst auf dem Bauch durch den Gang kriechen. Gleiches gilt auch noch für die Fütterungen im »Stall«.

Nun werden heute noch Hühner auf der Osterinsel gehalten. Kein einziger der einst mit enormem Aufwand angelegten »Hühnerställe« wird heute als eben solcher benutzt! Warum nicht? So solide Behausungen für die gackernden Eierlegerinnen, deren Nachwuchs und stolze Hähne wären einmalig! Warum nutzt man sie dann nicht auch heute noch, Hühner gibt es ja auf der Osterinsel! Ich meine, weil diese an Ganggräber erinnernde Anlagen als Hühnerställe vollkommen ungeeignet sind. Richtig ist, dass diese Erklärung von Touristenguides mit ernster Miene vorgetragen wird. Stimmt sie aber auch? Ich habe da meine Zweifel!

Mich erinnern die langen Gänge mit anschließender Kammer an Kulthöhlen. Unser Guide Evelyn berichtete mir: »Vor einigen Jahren war plötzlich eine kranke Frau aus Hanga Roa verschwunden. Die Familienangehörigen wussten, dass sie krank war. Ob sie Selbstmord verübt hatte? Oder hatte sie versucht, auf die winzige Vogelinsel zu gelangen? Das ist selbst für gut trainierte Schwimmer eine Kunst! War sie bei dem Versuch ertrunken? Oder wollte sie sich irgendwo auskurieren?« 

Weiter geht's!
Foto: Ingeborg Diekmann
Schließlich entdeckte man die Vermisste ... Sie war durch einen der längeren Korridore in eine der »Hühnerstallkammern« gekrochen, um dort auf ihren Tod zu warten? Oder um gesund zu werden? Sollte es sich bei den merkwürdigen Anlagen um religiöse Kultanlagen handeln, in denen religiöse Riten vollzogen wurden, die mit Leben und Tod zu tun hatten?


Der antike Philosoph Porphyrios (ursprünglich Malik, syrisch) lebte im dritten Jahrhundert nach Christus. Die meisten seiner Schriften sind verloren gegangen. Porphyrios, einer der großen Universalgelehrten seiner Zeit, beschäftigte sich auch mit den Anfängen von Religion. Nach Porphyrios fanden alle religiösen Riten, bevor es Tempel gab, in Höhlen statt. (1)

John M. Robertson hat sich in seinen Werken kritisch mit der Gestalt des Jesus aus dem »Neuen Testament« beschäftigt. Er setzte sich aber auch intensiv mit den ältesten Religionen der Menschheit auseinander. Dabei betonte er die  Bedeutung von Höhlen in alten Kulten. Wo es keine natürlichen Höhlen gab, wurden künstliche geschaffen, schreibt er. (2) Robertson verweist darauf, dass zum Beispiel bei den »Alten Persern« Höhlen als höchst bedeutsame Orte angesehen wurden. Sie standen für die Unterwelt, in welche die Seelen der Toten hinab stiegen, um dann in der Wiedergeburt wieder an die Oberfläche zurückzukehren. So könnte die Frau auf der Osterinsel auf Gesundung gehofft haben: Sie vollzog einen Ritus. In die Kammer kriechend vollzog sie rituell ihren Tod, wieder heraus kommend ... ihre Auferstehung!

Für unsere Altvorderen waren, so Robertson, die Höhlen den höchsten Göttern geweiht. Zeus, Pan, Dionysos. Auch der Mithras-Kult hatte heilige Stätten in Höhlen. Auferstehung vom Tode wurde in Riten zelebriert: Man stieg in Höhlen und starb symbolisch im Ritus, um wieder ins Leben zurückzukehren. Kein Wunder: Galt doch »Mutter Erde« als Mutter allen Lebens. Dann war es auch naheliegend, Höhlen oder künstlich angelegte Tunnel für religiöse Riten zu verwenden.

Blick in die »Kammer«
am Ende des Ganges
Foto; W-J.Langbein
Ich bin geneigt, die seltsamen Gänge, die zu einem niedrigen Raum führen, in diesem religiösen Zusammenhang zu sehen ... und nicht als »Hühnerställe«.  Fritz Felbermayer bestätigte meine Vermutung. »Das Kriechen in eine Höhle oder einen Korridor symbolisierte den Tod. Man gelangte am Ende der Höhle oder des Ganges in das Totenreich, aus dem man wieder herauskriechen konnte.« So habe man rituell Tod und Wiedergeburt gespielt.

Auf der Osterinsel bestätigte mir ein Geistlicher, dass mit dem Aufkommen des Christentums die Höhlen und künstlich geschaffenen Korridore der Osterinsel noch an Bedeutung gewonnen hätten. »Heidnische Rituale wurden verboten. So wurden die Anhänger des alten Glaubens förmlich in die Unterwelt gedrängt.«

Die Osterinsel ist heute mysteriöser denn je. So schreibt der Osterinselexperte Hartwig E. Steiner (3): »Seit Ende des 19. Jahrhunderts haben mehrere Expeditionen versucht, den Geheimnissen auf der Osterinsel (Rapa Nui) näher zu kommen oder sie im idealen Fall zu entschlüsseln. Je mehr geforscht wurde, umso mehr wurde der immense archäologische Bestand dieser Insel erkennbar. Und umso weniger wurden eindeutige, beweiskräftige Erkenntnisse gewonnen. Dies gilt auch für das von den Einheimischen mündlich überlieferte Ritual des Bleichens auserwählter Jugendlicher. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Höhle »Ana O Keke.« Man nennt sie auch die »Höhle der Jungfrauen« oder »Höhle der Bleichung«. Für diese kurios anmutende Bezeichnung gibt es eine Erklärung: Angeblich wurden Jungfrauen lange in die Höhle gesperrt. Sie wurden, vom Sonnenlicht der Südsee geschützt, angeblich »bleich«.

Aber warum wurde dieses Ritual in der nur sehr schwer zugänglichen Höhle auf der Halbinsel Poike vollzogen? Poike war einst das beliebteste Siedlungsgebiet auf der Osterinsel. Hier gedieh alles am besten. Nirgendwo sonst konnte so erfolgreich Landwirtschaft betrieben werden. Hier wohnte die Elite, der »Adel«. Und hier fand sich auch die wohl geheimnisvollste Höhle, 440 Meter lang.

Blick in einer der Höhlen
Foto: W-J.Langbein
Und in dieser Höhle wurden die »Jungfrauen« durch Fernhalten vom Sonnenlicht »gebleicht«. Warum? Die Osterinselforscherin Katherine Routledge (4) vermeldet, dass bei den Osterinsulanern »weiße Haut bewundert wurde«. Während der zivilisierte Europäer oder Amerikaner sich so lange auf der Sonnenbank rösten lässt, bis seine Haut möglichst braun wird ... mied der vornehme Osterinsulaner die Sonne so gut er nur konnte, um möglichst bleich und hellhäutig zu wirken. Warum wurden die »Jungfrauen« in eine gespenstisch-unheimliche Höhle gesperrt, um sie zu »bleichen«? Aus modischen oder religiösen Erwägungen?

Nicht nur in der »Ana O Keke«-Höhle wurde »gebleicht«, es gab auch spezielle Häuser. Sie dienten besonders hübschen Kindern, Mädchen wie Jungen, als Gefängnis der Schönheit. Die Auserwählten durften die Häuser nicht verlassen, um so vor der Sonne geschützt zu sein ... um schön bleich zu werden und zu bleiben. Spielen mit Kameraden im Freien war verboten.

Der Aufenthalt in der Bleichhöhle für die »Jungfrauen« war ohne Zweifel eine Tortur.  Ich bin in mancher Höhle der Osterinsel herumgekrochen ... angenehme Aufenthaltsorte waren sie nie. Wer ans Ende der Jungfrauenhöhle gelangen will, muss schon eine gewisse Neigung zu Masochismus mit sich bringen und darf keine Platzangst haben. Immer wieder haben Forscher vorzeitig aufgegeben und sind ans Tageslicht zurückgekehrt. Walter Knoche (5) verweist darauf, dass es vor rund 100 Jahren auf der Osterinsel noch einen »Vestalinnen-Kult« gegeben haben. Vestalinnen waren im »Alten Rom« jungfräuliche Priesterinnen, die der Göttin Vesta dienten. Knoche berichtet also von »Priesterinnen«, die auf der Osterinsel zeitlebens in der »Jungfrauenhöhle« gefangen gehalten wurden. Um sie schön erbleichen zu lassen? Oder sollten die »Vestinnen« besonders rein gehalten und vor der Umwelt geschützt werden? Die »Jungfrauen« sollen bei den jungen Männern besonders beliebt gewesen sein. Mancher hat sich, so heißt es, in die Höhle der Jungfrauen eingeschlichen.

Pfeil weist auf Halbinsel Poike.


Welcher Göttin mögen die bleichen Jungfrauen einst gedient haben? Wir wissen es nicht. Wenn es auf der Osterinsel noch Erinnerungen an einen alten Göttinnen-Kult gibt, so wird das als Geheimnis gehütet. Wie lange der alte Kult noch zelebriert wurde, wir wissen es nicht. Angeblich wurde er schon längst nicht mehr ausgeübt, als die Osterinsel von »Entdeckern« heimgesucht wurde. Auch haben Missionare nie über ein derartiges »heidnisches Spektakel« berichtet.

Fußnoten

1 Walker, Barbara: Das geheime Wissen der Frauen, Frankfurt 1993, Seite 403
2 Robertson, John M.: Pagan Christs/ Studies in Comparative Hierology, London
     1903, S. 316
3  Steiner, Hartwig-E.: »Die Jungfrauen-Höhle auf der Osterinsel«, in »Institutm Canarium«, Wien   
     2008, S. 253
4 Routledge, Katherine: The Mystery of Easter Island, 1919, Nachdruck
     Kempton 1998, S. 235
5 Knoche, Walter: »Die Osterinsel/ Eine Zusammenfassung der chilenischen Osterinselexpedition 
     des Jahres 1911«, Concepcion, Chile, 1925, S. 253

»Von dicken Jungfrauen und eingesperrten Jünglingen«,
Teil 192 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                                                                                              
erscheint am 22.09.2013


Die allerbesten Grüße

und Wünsche senden

meine Frau und ich

an unsere Freundin

Nadine Ahrens!



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Montag, 9. September 2013

Fido Buchwichtel liebt fluffige und andere Zeiten!

Hallo liebe Leute!

Hier bin ich wieder:
Fido Buchwichtel
mit dem
Bestseller der Woche
aus dem Wichtelland.

Es ist nicht so, dass in unserem Wichtelland ständig eitel Sonnenschein herrscht. Nein, bei uns gibt es auch Meinungsverschiedenheiten oder dusselige Aktionen, die immer mal wieder Wirbel in den Alltag bringen und ja, ich gebe es zu, auch bei uns gibt es den einen oder anderen Schlauberger, der nicht nur hin und wieder seine gute Erziehung vergisst, sondern auch schon mal versucht, andere übers Ohr zu hauen oder hinters Licht zu führen. Derartig menschenverachtendes, wie es sich rund um den Gustl Mollath zugetragen hat, gab es in unserer langen Wichtelhistorie allerdings nicht. Und ich bin mir sicher, dass es das niemals geben wird. 

Wir haben uns Herzenswärme, Wichtelkeit und vor allem, einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Fairness als oberstes Gebot für ein zufriedenes Zusammenleben erhalten. Gier, Missgunst und brutale Übergriffe, bei denen anderen Mitwichteln, Tieren und Pflanzen wissentlich Schaden zugefügt wird, sind undenkbar. Macht ja auch keinen Sinn.

Vielleicht ist das der Grund, weshalb mich Geschichten, die sich um Schikanen und Dummheiten der Menschheit drehen, immer wieder staunen lassen. Dabei muss es nicht gleich eine so ungeheuerliche und empörende Story wie die des Gustl Mollath sein. Nein, es gibt kleine Geschichten, in denen schon die Ansätze erkennbar sind, wo frustrierte Unkündbare es sich gemütlich machen in ihrer Position und willkürlich kleine brave Bürger piesacken. 


In dem Büchlein Fluffige und andere Zeiten habe ich solche Geschichten gefunden, die mich teils kichernd, teils ungläubig und kopfschüttelnd zurückgelassen hat. Dabei ging es z.B. um eine einfache Gewerbeanmeldung. Man glaubt nicht, wie sich eine solche Angelegenheit zu einem verzweifelten Spießrutenlauf entwickeln kann, wenn man Pech hat und an den falschen Sesselpupser gerät!

Aber – und deshalb will ich dieses Buch gern empfehlen – die Autorin hat die Gabe, alles, was sich unverhofft zu einem mehr oder weniger großen Malheur entwickelt, mit Humor in eine erträgliche Episode des Alltags zu verwandeln. Fluffige und andere Zeiten, der Titel beschreibt eine Sammlung von Kurzgeschichten, Fabeln und Gedichten, die man nicht unter dem einfachen Titel wie »Kurzgeschichten« zusammenfassen kann. Der Inhalt hat mich mal als satirische Kurzgeschichte, mal gestaltet in poetischer Form oder verdichtet auf den Punkt gebracht, ebenso unterhaltsam durch lustige Ereignisse geführt, wie auch herzlich berührt, durch empfindsame nachdenkliche Augenblicke des Lebens. Ich konnte feststellen, dass es nicht nur Unterschiede zwischen Menschen und Wichteln gibt, sondern auch Gemeinsamkeiten, die mir die Menschen wieder sympathischer machen, nachdem sie doch ziemlich viel Bockmist veranstalten.

Fluffige und andere Zeiten ist ein Lesevergnügen, in dem sich mancher Mensch wiedererkennen kann, ganz gleich, ob es um Hoffnung, Fröhlichkeit, Trauer oder ganz stille Stunden geht. Ob um nervige Ehemänner, übermütige Kinder, verlorene Menschen, stressige Wichtigtuer, um innere Freiheit, Gewichtsprobleme, Gefühle und auch um das Ende eines Menschenlebens. Hier ist wirklich für jeden ein Bonbon drin. Gut geeignet als Geschenk für liebe Familienmitglieder und Freunde, als Mitbringsel ans Krankenbett oder einfach so, um sich ein kurzweiliges aber dennoch nachhaltiges Lesevergnügen zu bereiten. 

Fluffige und andere Zeiten der Bestseller der Woche aus dem Wichtelland: Kaufen! Lesen! Weiterempfehlen!

Liebe Menschen, macht nichts, was ich nicht auch machen würde! 
Eine schöne Woche und
winke winke Euer

Fido Buchwichtel


g.c.roth, Jahrgang 1954, Ostfriesland
Weitere derzeit erhältliche Bücher:
Mord im ostfriesischen Hammrich Tödliches Wiedersehen.
Love & Crime Story einer psychopathischen Beziehung, die in vielen Familien Alltag ist.
"Bestatten, mein Name ist Tod!"  Friedhofsgeschichten aus dem Leben gerissen.



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Sonntag, 8. September 2013

190 »Begegnung auf dem Friedhof«

Teil 190 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Die Anakenabucht - Foto: Wiki Commons, Rivi
Zwei kräftige, junge Männer tragen die fast mannshohe hölzerne Statue gemessenen Schritts zum Friedhof, der direkt am Strand liegt.  Heftig spritzt die Gischt von scharfkantigen Felsen. Noch ist die hölzerne Figur in ein weißes Tuch gehüllt. Noch sind nur ihre Konturen zu erahnen. Zielstrebig gehen die beiden Männer, gefolgt von einer vergrämten Frau, auf ein Grab zu, wo sie die hölzerne Figur absetzen. Sie gehen sehr sorgsam mit dem hölzernen Idol um. Ihre Bewegungen lassen vermuten, dass sie den für sie heiligen Akt sorgsam geübt haben. Es geht um den Aku Aku ihres toten Vaters, erfahre ich später.

Ihre Mutter tritt hinzu, zupft nervös am Tuch. Ihre beiden Söhne überprüfen, ob die Statue auch wirklich sicher steht. Sie bewegen sie sanft hin und her. Kippt sie auch nicht? Dann ziehen sie langsam, geradezu ehrfurchtsvoll, die Hülle von der Statue. Noch einige Minuten verharren die drei Insulaner, dann entfernen sie sich, langsam rückwärts gehend. Erst in einigen Metern Entfernung haben sie es plötzlich eilig und entfernen sich hastig vom Friedhof.

Wie wurden die riesigen Osterinselstatuen aus dem Vulkangestein gemeißelt, transportiert und aufgestellt? Warum wurden die Kolosse geschaffen? Wen sollen sie darstellen? Warum wurden alle Steinkolosse zu Fall gebracht? Was steht auf den hölzernen Tafeln in rätselhaften Schriftzeichen? Werden wir je die Botschaften wie ein Buch lesen können?

Über diese Fragen wird seit Generationen diskutiert. Und immer wieder heißt es, dass endlich die Geheimnisse der Osterinsel entschleiert worden seien. Jetzt wisse man, wie die bis zu 20 Meter hohen Figuren kilometerweit geschleppt wurden. Bislang haben aber alle Lösungen nur auf dem Papier wirklich funktioniert. Wirklich  in die Realität umgesetzt werden konnte keine einzige der ach so einleuchtenden Antworten auf die »brennenden Fragen«.

Bei Licht betrachtet wird klar dass selbst simpelste Fragen nicht widerspruchslos beantwortet können. Ein Beispiel soll genügen ... So behauptet Wilhelm Ziehr nüchtern (»Zauber vergangener Reiche«, Stuttgart 1975): »Die Existenz monumentaler Steinplastiken auf der Osterinsel ist keineswegs so rätselhaft, wie oft behauptet wurde. Da Holz auf der Insel außerordentlich knapp war, bot sich das hingegen reichlich vorhandene Tuffgestein an.«

Nach wie vor rätselhaft ...
die Kolosse der Osterinsel
Foto: W-J.Langbein
Demnach waren also die Steinmetzen der Osterinsel künstlerisch veranlagt. Weil sie kaum Holz zur Verfügung hatten, stillten sie ihren Drang, Kunstwerke zu produzieren, indem sie riesenhafte Figuren aus dem Stein meißelten. Warum es dann aber teilweise über zwanzig Meter hohe Kolosse sein mussten, darüber schweigt sich Wilhelm Ziehr aus. Er bietet auch keinen Erklärungsversuch dafür an, wie denn die Statuen befördert wurden. Diese Frage meint Thor Heyerdahl hinlänglich beantwortet zu haben. Der Transport der Kolosse, so schreibt er (»Die großen Steine der Osterinsel« in »Versunkene Kulturen«, Zürich 1963), sei problemlos möglich gewesen, da auf der Osterinsel Holz in Hülle und Fülle zur Verfügung stand. Man habe Holzrollen, aber auch schlittenartige Vehikel gebaut – aus Holz, natürlich – und so die Riesenfiguren kilometerweit bewegt.
           
Ist das nicht kurios? Da hatten die Bewohner der Osterinsel einen unstillbaren Drang nach künstlerischer Betätigung. Für Schnitzwerk stand ihnen nur ein Material in Hülle und Fülle zur Verfügung. Also mussten die armen Osterinselkünstler Riesenfiguren aus Stein herstellen, weil ihnen kein Holz zur Verfügung stand. Und sie konnten die Statuen kilometerweit transportieren, weil Holz in Hülle und Fülle zur Verfügung stand. Der Widerspruch ist evident!

Meißelten die Osterinsulaner zunächst aus Holzmangel große, teilweise riesige Statuen aus Vulkanstein, ohne zu wissen, wie sie die Kolosse transportieren würden? Und legten sie dann riesige Wälder an, um Holz für Schlitten zu haben? Warteten sie  Jahrzehnte, um mit Hilfe des nun reichlich vorhandenen Holzes das Transportproblem lösen zu können?

Die Wirklichkeit sieht anders aus: Es gab einst reichlich Holz. Also hätten von Anfang an Statuen aus Holz geschnitzt werden können!

Was ich bei meinen Aufenthalten auf der Osterinsel gelernt habe: So manches Rätsel von Rapa Nui konnte bis heute nicht gelöst werden. Aber die wirklich spannenden Fragen werden in der Öffentlichkeit nicht einmal gestellt. So wissen wir so gut wie nichts über geheime Rituale, die heute noch praktiziert werden. Und die es offiziell gar nicht gibt, ist doch Rapa Nui ein Hort des christlichen Glaubens ... Angeblich!

Nichts ist bekannt über die mysteriösen Höhlen mit unzähligen Figürchen aus Stein und Holz. Nichts ist offiziell darüber bekannt, ob der alte Aku-Aku-Glaube noch lebt und gelebt wird. Nichts ist darüber bekannt, wie Aku-Aku-Zeremonien aussehen, wenn sie denn noch zelebriert werden. Ich weiß auch nicht, ob meine Begegnung auf dem Friedhof von Hanga Roa auf das Fortbestehen einer alten Religion im Volk hinweist ... oder ob da eine einzelne Familie einen seltsamen Kult zelebriert.

Stunden später ... Die Familie kehrt auf den Friedhof zurück. Die beiden Söhne tragen die hölzerne Statue ... sie erinnert an die weltberühmten Kolosse von Rapa Nui aus Stein ... einige Hundert Meter entfernt fast direkt an das steinige, zerklüftete Ufer. Dort haben sie offenbar eine Art »Scheiterhaufen« vorbereitet. Sie entzünden trockenes Gras und dürres Holz. Schon lodert die Flamme auf, der Holzstapel brennt lichterloh. Sie legen die Holzstatue in die Flammen. Ich entferne mich so diskret wie möglich.

Eine Holzstatue als »Zuflucht«
für einen Aku Aku
Foto: W-J.Langbein
Eine ganz ähnliche Holzfigur entdeckte ich bei einem meiner Besuche im »B. P. Bishop Museum«, Honolulu, Hawaii.

Am nächsten Mittag treffe ich einen der beiden Söhne am kleinen Hafen. Es kommt mir so vor, als bete er vor der steinernen Figur des christlichen Petrus. Als er wieder Richtung Dorf geht, spreche ich ihn an. Gemeinsam gehen wir den Weg empor zur Kirche. »Du hast unsere Insel schon mehrfach besucht ...«, stellt er trocken am Eingang zur Kirche fest. »Und du hast unser Ritual mit der hölzernen Figur beobachtet!« Ich nicke. »Ich hoffe, ich habe nicht gestört ...« Er schüttelt den Kopf. »Und du hast auch nicht fotografiert ...!« Das wäre doch unangebracht gewesen ... beteuere ich.

Der Friedhof der Rapa Nui
Foto: W-J.Langbein
Ungefragt erklärt mir der junge Rapa Nui: »Vor einigen Jahren verstarb unser Vater. Bald darauf wurden einige Familienangehörige krank, teils schwer. Keine Medizin half. Unser kleines Boot, mit dem wir zum Fischen fahren, wurde stark beschädigt. Meine Schwester und meine Mutter hatten Albträume. Vater erschien ihnen und rief ihnen wie aus weiter Ferne etwas zu, was sie nicht verstanden. Eines Tages gestand dann unser Onkel, nach Vaters Tod eine nicht unerhebliche Summe in US-Dollar in Vaters Sachen gefunden zu haben. Er behielt das Geld, ohne uns etwas zu sagen.«

Für die Söhne und die Witwe des Verstorbenen gab es keinen Zweifel. Der Aku Aku des Verstorbenen war empört, weil sein Bruder Geld, das unter  seinen Erben aufzuteilen war, unterschlagen hatte. Der Bruder des Toten verteilte das Geld, jeder bekam seinen gerechten Erbteil. Der Bruder des Toten selbst verzichtete. Vom Erbe ließen die Söhne des Toten das Boot reparieren. Sie schafften einen Außenbordmotor an. Die Albträume blieben von nun an aus. Die erkrankten Familienangehörigen wurden schnell wieder gesund.

Aku Akus können erheblichen
Schaden anrichten
Foto: W-J.Langbein
Der junge Rapa Nui: »Der Aku Aku meines toten Vaters hatte erreicht, was er bewirken wollte. Sein Erbe war, so wie er das immer gewollt hatte, gerecht verteilt worden. Jetzt hatte er keine Aufgabe mehr in unserer Welt!« Seine Mutter bat den Aku Aku in die hölzerne Statue einzuziehen, die seine beiden Söhne geschnitzt hatten. Die beiden Männer trugen dann die Statue würdevoll zum Friedhof, ans Grab des Vaters.

»So konnte der Aku Aku von seinen sterblichen Überresten Abschied nehmen und unsere Insel verlassen.« Nach einer Pause fragte ich: »Und wo ist der Aku Aku ihres verstorbenen Vaters jetzt?« Der junge Rapa Nui hebt beide Arme gen Himmel. »Der Himmel ist weiter und größer als das Meer, das Pazifik genannt wird.« Er deutet in das wolkenlose Blau des Himmels, der so tief über der Osterinsel liegt. »Der Aku Aku meines toten Vaters ist frei!« Er nickt mir noch einmal zu, dann geht er in die Kirche, in der es so viele Hinweise auf den alten Glauben der Osterinsulaner gibt.

Wir rätseln über die Statuen der Osterinsel, grübeln über Transportmethoden und über Methoden, die Kolosse auf steinernen Podesten aufzustellen. Die wirklich interessanten Fragen aber werden erst gar nicht gestellt. So bleibt der wahre alte Glaube von Rapa Nui weiterhin im Dunkeln, so wie die zahllosen Familienhöhlen für Fremde nach wie vor Tabu sind.

Moderne
Osterinsel-Skulptur
Foto: W-J.Langbein
Die heutigen Rapa Nui scheinen sich verstärkt wieder der eigenen Kultur zuzuwenden. Heutige Künstler schaffen wieder steinerne Skulpturen. Uralte Motive, die vor Jahrhunderten in Reliefs verewigt wurden, tauchen wieder auf: in ausdrucksstarken, mysteriösen Bildwerken. Kennen die heutigen Künstler die wahre Bedeutung der uralten Darstellungen, die sie uns »Besuchern« verschweigen? Oder ahmen sie nur nach, was ihre Vorfahren hinterlassen haben? Ich bin davon überzeugt, dass es ein verborgenes Wissen aus uralten Zeiten auf Rapa Nui gibt, das uns Fremden vielleicht für immer verschlossen bleiben wird ...


»Von Tunneln, Höhlen und Jungfrauen«, 
Teil 191 der Serie 
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                          
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 15.09.2013


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