Sonntag, 13. Dezember 2020

569. »Das wäre eine armselige Wissenschaft…«

Teil 569 der Serie »Monstermauern, Mumien und Mysterien« von Walter-Jörg Langbein, erscheint am 13. Dezember 2020
 
Foto 1: »Hochschloss Pähl«,
Gemälde vom Meister der Pollinger Tafeln (um 1440).

Am Himmel schwebt ein Engel. Menschen Blicken zu ihm auf. Sie staunen. Vielleicht sind sie auch ängstlich. Entstanden ist das Gemälde um 1440. Ein wahrer Könner hat es geschaffen, nämlich der Meister der Pollinger Tafeln. Die stolze Burganlage rechts oben konnte man identifizieren. Es ist das »Hochschloss« von »Pähl im Pfaffenwinkel«. 

Das heutige »Pähl im Pfaffenwinkel« im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau entstand anno 1818 als in den Urkunden benannte Gemeinde. Bereits 1782 wurden bei Pähl erste archäologische Untersuchungen uralter Hügelgräber durchgeführt. Einige entstanden um das Jahr 450 v.Chr., die älteren stammen angeblich aus dem 15. Jahrhundert v.Chr. 

Mit einer Spezialdrohne wurden aufschlussreiche Fotos von der Region erstellt, die eine 3D-Karte ermöglichten. Rund 900 Luftaufnahmen des Geländes wurden dabei mit einer geeichten Photogrammetriekamera aufgenommen. Die Fotos wurden inzwischen in ein präzises digitales Geländemodell (DGM) umgewandelt. Damit war nicht nur die Grundlage für eine genaue Kartierung des Bodendenkmals geschaffen, es konnte auch ein digitales Geländemodell erarbeitet werden. Deutlich zu erkennen sind bis heute unerforschte Hügelgräber. Es soll ausgeschlossen werden, dass die uralten Sakralstätten zum Beispiel beim Ausbau des Straßennetzes beschädigt oder gar zerstört werden. 

Unklar und umstritten ist, wann »Pähl im Pfaffenwinkel« ursprünglich und unter welchem Namen auch immer gegründet wurde. Nach einer alten Sage gab es einst eine große Stadt, die sich bis nach Pähl erstreckte, die vor Jahrhunderten ausgestorben und verschwunden sei. Die alte Überlieferung mag ein Körnchen Wahrheit zu bieten haben (2). Verschiedene Forscher vertraten offenbar im 19. Jahrhundert die These, bei Pähl handele es sich um eine Fortführung des römischen »Urusa«. Nach Prof. Dr. Ludwig Steinberger existiert die wohl älteste Schreibweise von »Pähl« als »Pouile« und »Poule«. Nach Dr. Steinberger steckt in diesem Namen das lateinische Wort »bovile«, zu Deutsch »Rindergehege«. 

Foto 2: Pähl im Pfaffenwinkel (17. Jahrhundert).

Wurden also zu Zeiten der Römer in der Region des heutigen »Pähl im Pfaffenwinkel« Rinder gehalten? War ein römisches Kastell der Vorläufer von »Pähl«? Weniger profan ist eine andere Erklärung für den Ursprung des Namens »Pähl«! Ich glaube, dass im Ortsnamen die Göttin oder ein Gott weiterlebt, nämlich Pales, Göttin oder Gott des Viehs (3). Pales wurde bei den römischen Bauern hoch verehrt. An ihrem Fest wurden Dufthölzer angezündet. Es wurde gebetet und gesungen. Bekannt ist, dass Marcus Atilius Regulus († um 250 v. Chr.), ein römischer Politiker und Feldherr während des Ersten Punischen Krieges, einen Pales-Tempel stiftete. Wahrscheinlich wurde der Palatinus (Palatin) in Rom nach Pales benannt. Am 21. April fand die Parilia oder Palilia statt, ein Reinigungsfest, das von Hirten gefeiert wurde. Am 21. April wurde der Legende nach Rom gegründet. 

Die Parilia- oder Palilia-Festivitäten waren friedlich. Blutige Opfergaben wurden der Gottheit keine dargebracht, sondern Gersten- oder Hirsekuchen und Milch. Feuerzeremonien fanden statt. Man sprang durch brennendes Stroh, um sich zu reinigen. Auch als Laie erkennt man, dass die Kirche »St. Laurentius« in Pähl auf einer natürlichen Festung erbaut wurde. Nur wenig menschliche Eingriffe waren erforderlich, um das Gotteshaus gegen die damals modernsten Waffen sicher zu machen. Wo heute das »Hochschloss« steht, da ragte womöglich ein »burgus« der Römer in den Himmel. Eine Kette von »burgi« wurde von den Römern im dritten Jahrhundert n.Chr. angelegt. Tag und Nacht wachten römische Soldaten und beobachteten von den Türmen aus den Grenzverlauf. Von »burgus« zu »burgus« kommunizierte man mit einem Signalsystem. Tauchten irgendwo Feinde auf, konnten dort in kurzer Zeit römische Soldaten zusammengezogen werden, um einen feindlichen Angriff abzuwehren (4). Intensives Quellenstudium in Bibliotheken brachte mir mehr Verwirrung als Klarheit. 

War nun das »Hochschloss« von Pähl auf der Ruine einer römischen Festungsanlage errichtet worden? Granitblöcke von riesenhaften Ausmaßen sollen im Schloss verarbeitet worden sein. Sie stammen womöglich aus dem Schutt der einstigen römischen Festung, wenn es denn so etwas wie eine Festung als Vorgängerbau gab. Gesichert ist das nicht. Sind die Steinblöcke womöglich sehr viel älter als das Schloss? Angeblich wurden römische Münzen und eine Osiris-Statuette im Schutt des »Hochschlosses« gefunden. Münzen und eine Götterstatuette in der Mülldeponie der Zeit? Eine Burg auf der zerfallenen Ruine eines einst stolzen Bauwerks? Wir halten uns für so wichtig. 

Foto 3: »Hochschloss Pähl«,
Gemälde vom Meister der Pollinger Tafeln (um 1440).

Wir sehen nur uns selbst und erkennen nicht, dass die Menschheit auch nichts anderes ist als eine bescheidene Blüte auf einem gewaltigen Berg zur Unkenntlichkeit zerfallener Vergangenheit. Wir halten uns gern für die Krone der Schöpfung, ob wie sie für das Ergebnis göttlichen Wirkens oder einer unendlichen Folge von Zufällen halten. Wir sind so mächtig stolz auf unsere »Intelligenz« und horten angesichts einer vermeintlichen oder wirklichen Corona-Pandemie Toilettenpapier. Wir glauben, alles im Griff zu haben und streiten darüber, ob die Erderwärmung existiert oder nicht und ob sie, falls es sie gibt, ein Naturphänomen oder Folge menschlichen Handelns ist. Wir sind stolz auf die zahlreichen Erkenntnisse über die Wirklichkeit, die der Mensch mit unermüdlichem Forschergeist gewinnen konnte. Und doch leugnen wir die Existenz eines erheblichen Teils der Realität, weil sie unseren Horizont weit übersteigt. Wer sich mit den Grenzbereichen unseres Wissens auseinandersetzt, wird gern verächtlich als »Grenzwissenschaftler« bezeichnet. 

Foto 4: Gottheit »Pales« um 1730.

Dabei konstatierte schon Justus Freiherr von Liebig (*1803; †1873) sehr zutreffend: »Die Wissenschaft fängt eigentlich erst da an, interessant zu werden, wo sie aufhört.« Und Thomas Carlyle (*1795; †1881) stellte fest: »Das wäre eine armselige Wissenschaft, die die große, tiefe, geheiligte Unendlichkeit des Nichtwissens vor uns verbergen wollte, über welcher alle Wissenschaft wie bloßer oberflächlicher Nebel schwimmt.« Albert Schweitzer (*1875; †1965) erkannte: »Die Wissenschaft, richtig verstanden, heilt den Menschen von seinem Stolz; denn sie zeigt ihm seine Grenzen.« Verstehen wir Wissenschaft richtig oder leugnen wir unsere engen Grenzen? Beharren wir auf unserem Stolz? Dr. Fritz Fenzl (*1952), er studierte unter anderem Germanistik und Katholische Theologie an der »Ludwig-Maximilians-Universität München«, hat über zwanzig spannende Sachbücher verfasst (5). Darin geht es um Wirklichkeiten, die viele Zeitgenossen nicht zur Kenntnis nehmen wollen. 

Dr. Fenzl, der am » Städtischen Thomas-Mann-Gymnasium« in München katholische Religion und Deutsch unterrichtet, spürt seit über vier Jahrzehnten Aspekte der Wirklichkeit auf, die unser nur scheinbar fundiertes Weltbild infrage stellen. In seinem umfangreichen Werk schildert er ganz besondere Orte, die seiner Überzeugung nach schon zu allen Zeiten von Menschen aufgesucht wurden, die Heilung oder Wundersames erfahren woll(t)en.

Foto 5: Klosterruine tom Roden (bei Corvey)
Dr. Fenzls Sachbücher sind Reiseführer der ganz besonderen Art. Sie sind unverzichtbar für jeden, der mysteriöse Stätten aufsuchen möchte, von denen es in Deutschland nicht wenige gibt. Dr. Fenzl beschreibt zahlreiche uralte heilige Orte (6) »und erklärt, wie auch in unserer Zeit die besondere Energie dort für jeden wahrnehmbar wird.

Seine ungewöhnlichen Ausflugstipps zeigen, dass sich hinter der scheinbaren Idylle oft okkulte Mächte verbergen, alte keltische Kultstätten noch immer als Heilplätze wirken und der Aufenthalt an Kraftorten die Menschen beeinflusst.« 

Sind es solche Kraftorte, die die Menschen schon seit Urzeiten angelockt haben: von den Externsteinen im Teutoburger Wald bis hin zum Staffelberg im Oberfränkischen, vom Urschallung am Chiemsee bis hin zur Klosterruine tom Roden bei Höxter, von der St. Christophorus Kirche von Wilschdorf (Dresden) bis zum Freiburger Münster? Howard Phillips Lovecraft fragte (7): 

Foto 6: Blick ins
Freiburger Münster
»Doch was überhaupt ist das Leben und was ist der Lebenssinn? Mit welchem Recht geht der Mensch so willkürlich von der eigenen Wichtigkeit in der Schöpfung aus?« Ich glaube, unser Leben bekommt Sinn, wenn wir unsere Welt in allen ihren Aspekten, auch den mysteriösesten, erforschen. Wenn der Mensch wichtig sein will, dann muss er versuchen, seine Stellung in der Schöpfung zu finden. Voraussetzung dafür ist es aber, die Vielseitigkeit der Schöpfung auch jenseits unseres engen Horizonts zu erkennen und zumindest zu erahnen. Dr. Fenzl kann uns dabei eine große Hilfe sein!  

Fußnoten
(1) Lovecraft, Howard Phillips (*1890; †1937): »Gegen die Religion/ Atheistische Schriften«, Leipzig Juli 2020 (Einmalige Vorzugausgabe limitiert auf 250 Stück), Seite 60, 13.-10. Zeile von unten
(2) Schmidtner, Andreas: »Geschichte von Raisting«, Weilheim 1886, S. 2-8
(3) Prescendi, Francesca : »Pales«, »Der Neue Pauly« Band 9, Stuttgart 2000.
(4) Fischer, Thomas: »Die Römer in Deutschland«, Stuttgart 1999
(5) Dr. Fenzls Bücher sind alle empfehlenswert. Vier habe ich ausgewählt, die jeder Suchende lesen sollte.
Fenzl, Dr. Fritz: »Keltenkulte in Bayern. Spurensuche an Kraftorten«, München 2003
Fenzl, Dr. Fritz: »Magische Orte in Bayern«, Rosenheim 2004
Fenzl, Dr. Fritz: »Magische Kraftorte in Bayern«, Rosenheim 2014
Fenzl, Dr. Fritz: »Magische Kraftorte in Franken« Rosenheim 2014
(6) Fenzl, Dr. Fritz: »Magische Wege und Orte in Bayern«, München 2007, Klappentext, Rückseite des Buches

(7) Lovecraft, Howard Phillips (*1890; †1937): »Gegen die Religion/ Atheistische Schriften«, Leipzig Juli 2020 (Einmalige Vorzugausgabe limitiert auf 250 Stück), Seite 60, 13.-10. Zeile von unten  

Foto 7: Die geheimnisvollen Externsteine
im Teutoburger Wald.

Zu den Fotos
Foto 1: »Hochschloss Pähl«, Gemälde vom Meister der Pollinger Tafeln (um 1440). Gemeinfrei. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein.
Foto 2: Pähl im Pfaffenwinkel (17. Jahrhundert). Gemeinfrei. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein.
Foto 3: »Hochschloss Pähl«, Gemälde vom Meister der Pollinger Tafeln (um 1440). Gemeinfrei. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein.

Foto 4: Gottheit »Pales« um 1730. Gemeinfrei. Foto Archiv Walter-Jörg Langbein.
Foto 5: Klosterruine tom Roden. Foto: Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Blick ins Freiburger Münster. Foto: Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Die geheimnisvollen Externsteine im Teutoburger Wald.
Foto: Walter-Jörg Langbein



570. » «,
Teil 570 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 20. Dezember 2020
 

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