Samstag, 16. Oktober 2010

Samstagsrezension Helga König: Der Tote im Zwillbrocker Venn

Meine langjährige Freundin Tuna von Blumenstein, eine jung gebliebene ältere Dame aus dem Münsterland, hat sich entschlossen, einen Krimi zu schreiben.

Der Grund hierfür ist ihre Liebe zum "Zwillbrocker Venn", einem Naturschutzgebiet im Kreis Borken, das einst ein Hochmoor war. Hochmoore sind die ideale Kulisse für Texte dieses Genres und erzeugen per se Gruseleffekte.

Im "Zwillbrocker Venn", das die nördlichste Flamingokolonie der Welt beherbergt, gibt es u.a. eine Allee mit bizarren hohlen Kopfeichen, auch einen Prozessionsweg, der dort eine alte Barockkirche umgibt und ein riesiges Holzkreuz, das auf dem Buchdeckel des Krimis abgelichtet ist. Das Kreuz soll ein magischer Anziehungspunkt im Venn sein und erinnert mich in gewisser Weise an Droste von Hülshoffs Judenbuche.

Wer hier einen Toten findet, ahnt, dass dieser Tote eher ein Täter als ein Opfer ist.

In welchem Zusammenhang steht die in Blut getauchte Natur auf dem Buchdeckel mit dem idyllischen Foto eines liebevoll dekorierten hölzernen Gartentores?

Welches Drama breitet die Autorin in ihrem dicht geschriebenen Krimi aus, der sich teilweise so schnörkellos wie ein Polizeibericht liest und von lyrischen Texten Sylvia Bs. begleitet wird?

Ich war es übrigens, die Tuna darum gebeten hat, Gedichte von Sylvia in ihren Krimi einzubinden, einerseits, weil ich diesen Mix für ein gelungenes Experiment halte, andererseits, um die Bandbreite des Könnens von münsterländer Autoren aufzuzeigen. Kritiker mögen diese Vorgehensweise in Frage stellen, ich aber finde Arbeit im Team sehr gut, wenn es darum geht, eine Sache voranzubringen. In diesem Fall geht es darum, das Münsterland auch als Reiseziel interessant zu machen.

Nun zum Krimi: Ein Mann argentinischer Herkunft wird im Venn tot aufgefunden. Wurde er ermordet oder hat er sich selbst getötet?

Tuna hat ein interessantes Verwirrspiel inszeniert. Ihr Krimi beginnt mit einer Intrige. Dass sie nahe an der holländischen Grenze auch die Drogenproblematik nicht außen vor lässt, zeigt, dass sie die Region, die sie fokussiert, mit all ihren Facetten, auch den dunkleren, thematisiert.

Diebstahl, Rauschgiftdelikte, Kindesmord und Mord bestimmen den Handlungsablauf, in dem es immer wieder pychologische Reflektionsebenen gibt und Tuna sich der Schwarz-Weiß-Malerei bewusst enthält, wenn es um das Opfer- oder das Täterprofil geht: "Mein Eindruck ist der, dass der Verstorbene als Kind zeitweise unter Kalzium-Mangel-Rachits gelitten hatte, die durch einen Vitamin-D-Mangel verursacht wird. Die Fehlstellung der Zehen kann durchaus auf das Tragen nicht geeigneten Schuhwerkes zurückzuführen sein..." ( S. 55).

Zwei Frauen spielen im Krimi, neben dem verstorbenen Argentinier mit dubiosem Vorleben, eine entscheidende Rolle. In welchem Zusammenhang sie zu ihm standen, werde ich nicht verraten.

Es gibt Menschen, die, bevor sie ein Buch zu lesen beginnen, einen Blick auf die letzte Seite werfen. Tuna lässt ihren Krimi mit einem Gedicht enden. Die letzten beiden Verse lauten:

es wird der moment kommen
in dem ich spüre
da ist nichts mehr
weder liebe
noch hass
weder angst
noch kälte

wärme wird
meinen körper durchfluten
dann werde ich ruhig
und gefasst sein
und wissen
dass ich abschied
nehmen
kann.

Diese Zeilen sind der Schlüssel zu diesem Beziehungs-Krimi, der von einem Mann handelt, von dem man sich wünscht, er habe nie gelebt.

Sehr spannend zu lesen, empfehlenswert.

Das Bildmaterial wurde uns freundlicherweise von der Biologischen Station Zwillbrock zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns dafür herzlich.
Covergestaltung:
Satzstudio Roth, Emden

Sonntag, 10. Oktober 2010

Eindrücke von der Messe von Helga König

Die Frankfurter Buchmesse 2010 nahm für mich am Donnerstagabend ihren Anfang. Der Fischer-Verlag  hatte Autoren und Freunde zum Empfang ins Verlagshaus eingeladen. Auf diesem Empfang hatte ich Gelegenheit, zahlreiche Autoren,  namhafte Literaturkritiker der Printmedien, einige netteVerleger aus der Schweiz, einen überaus eloquenten Museumsdirektor aus Goch und schließlich Roger Willemsen persönlich kennenzulernen, dem ich auf seinen Wunsch hin vorgestellt wurde. Der Dialog mit diesem amüsanten  Gesprächpartner streifte die Person und Romane des diesjährigen Nobelpreisträgers Vargas Llosa, auch unterhielten wir uns über lateinamerikanische Literatur, über seinen Blickwinkel auf die Buchmesse und über Wein. Der weitgereiste Intellektuelle trinkt gerne Riesling aus dem Rheingau. Willemsen gefiel mir aufgrund seines jugendlichen Charmes, seines Esprits und  seiner feinen Art der Dialogführung. Derzeit lese ich übrigens gerade sein Buch "Die Enden  der Welt", das ich im Oktober rezensieren werde. Darauf freue ich mich schon jetzt.

Sehr lange habe ich mich mit einem namhaften Hamburger Literaturkritiker  der Printmedien unterhalten, der auch zu den Freunden des Hauses Fischer zählt und habe mir mit großer Neugierde seine Definition  eines Rezensenten  angehört, mit ihm auch sehr lange über Lyrik  gesprochen und  mich von dessen Ritterlichkeit beeindrucken lassen.  Ich dachte, Männer dieser Art seien im letzten Jahrhundert bereits ausgestorben. So kann man sich irren.

Mit einer schweizerischen Verlegerin, die bislang ausschließlich Bücher über Kunst verlegt hat, unterhielt ich mich angeregt über ihr Projekt, ein Kochbuch  zu verlegen und ihre Motive, die sie dazu bewegt haben.  Alles in allem ein wunderschöner Abend mit vielen netten Eindrücken.

Am Freitag hielt ich mich  den Tag über auf der  Buchmesse auf.  Dieses Jahr begann  ich den Besuch  in der Halle, die für argentinische Bücher vorgesehen war. Ein wenig hoffte ich, meinen alten argentinischen Professor dort anzutreffen, bei dem ich im Rahmen meines Politologiestudiums zwei Hauptseminare über Lateinamerikanische Literatur belegt hatte, an der wir  das Verhalten der Mittelschichten  in Lateinamerika untersuchten. Ernsto dürfte mittlerweile etwa 85 Jahre  alt sein, sicher lebt er mittlerweile im sonnigen Spanien oder im Bücherhimmel. Die Buchmesse scheint er nach meinen Recherchen jedenfalls nicht  besucht zu haben. Schade eigentlich. Mitunter vergesse ich, wie viele Jahre seit den Unizeiten ins Land gegangen sind.

Der Aufbau der argentinischen Literatur in der Halle war gelungen. Ich versuchte mir einen kurzen Überblick zu verschaffen  und war von den vielen Argentinierinnen begeistert, die sich in dieser Halle aufhielten. Eine der älteren Damen sprach leise ein Gedicht, während sie das Buch eines argentinischen Dichters noch geschlossen in den Händen hielt. Diese Szene berührte mich sehr.

Anschließend  nahm ich mir, wie in jedem Jahr, die Hallen für Literatur vor. Zunächst stattete ich allen  namhaften Verlagen meinen Besuch ab, weil ich weiß, dass  es dort am Nachmittag  schwierig ist, sich in Ruhe mit den Buchneuheiten zu befassen, da immer mehr Interessenten zu den Büchern greifen. Auf einzelne Neuerscheinungen im Rahmen meines Messeberichts einzugehen, halte ich für wenig sinnvoll. Ich habe mir eine Liste mit den Büchern, die mich am meisten interessieren, erstellt  und werde diese Bücher  in den nächsten Monaten lesen und rezensieren. Wie immer sind meine Interessen kunterbunt. Einige Romane, viele Psychologie- und Philosophiebücher sind dabei und natürlich auch  Kunst- Koch- und Kinderbücher. Wie stets habe ich mit vielen Presseleuten gesprochen, auch vom te-Neues-Verlag. Dieses Gespräch war für mich besonders erhellend.

Am späten Nachmittag besuchte ich den Stand von "Collection Rolf Heyne", weil ich wusste, dass ich dort dann Dr. Ruth K . Westheimer antreffen werde. Die Sexualwissenschaftlerin stellte ihr neues Buch "Mythen der Liebe" vor, das ich dieser Tage rezensieren werde.  Die quirlige, hocheloquente, über 80 Jahre junge Dame doziert nach wie vor in Princeton und Yale und hat eine sehr bemerkenswerte Vita, über die ich  mich im Rahmen meiner Rezension äußern werde.

Ich hatte die Chance,  Dr. Westheimer  freitags und samstags ein wenig näher kennenzulernen und  bin glücklich, einer solch sexuell freizüg denkenden Frau begegnet zu sein. Meine Idee, auf meiner  Rezensensionsplattform eine Erotikabteilung eingerichtet zu haben, begrüßte sie und die kleine Filmsequenz von uns beiden, die eher zufällig entstand, weil sich in meiner  Handtasche  ein Knopf der Kamera versehentlich verstellt hatte, fand sie super und war vergnügt, diese Sequenz am Samstag  im Internet zu sehen.  Ich betrachte es als großes Glück, Dr. Westheimer kennengelernt zu haben.

Am Stand von "Collection Rolf Heyne" lernte ich die Verlegerin persönlich kennen. Anja Heyne ist eine sehr elegante, ungeheuer sympathische Frau, die das Schöne liebt und deshalb dem Schönen in den Büchern, die sie verlegt, huldigt. Das Bild, das ich von Dr. Ruth K. Westheimer und ihr gemacht habe, werde ich  heute noch beiden  Damen zusenden.  Zwei großartige Frauen. Jede eine Visionärin in ihrem Metier.

Am Stand von "Collection Rolf Heyne" traf ich auch Herbert Seckler, den Inhaber der "Sansibar" auf Sylt. Er berichtete mir, dass sein Buch sehr gut verkauft werde und er von seinen Lesern gehört habe, dass ihnen der Mix aus Liebeserklärungen seiner Gäste, den schönen Landschaftsbilder von Sylt und seinen Rezepten gut gefalle. Das kann ich soweit bestätigten. Nicht grundlos habe ich sein Buch "Das große Sansibar Buch" auf Amazon mit  5 Sterne bewertet.

Amüsant war auch die Begegnung mit dem Romancier Hanns-Josef Ortheil,  mit dem ich vor über 30 Jahren das letzte Mal sprach. Ortheil war damals junger Dozent in Mainz und  ich Studentin. Wir erinnerten uns an die Lesung seines ersten Romanes "Fermer". Sein Publikum waren primär Studentinnen.:-)) Zwischenzeitlich habe ich auf Amazon einige Bücher des schon lange arrivierten Schriftstellers rezensiert, dem es stets gelingt, die leisen Töne einzufangen.









Samstags begann mein Messetag mit einem netten Gespräch mit einer sehr jungen Psychologiestudentin, die mir berichtete, weshalb sie Psychologie studiere und weshalb sie Kinderpsychologien werden möchte. Mir gefiel ihre Argumentation, denn diese zeugte davon, dass das Mädchen klug ist. Von ihr habe ich ein Bild gemacht, weil mir ihr Enthusiasmus gefiel.


Zunächst stattete ich dem Diogenes-Verlag einen Besuch ab. Dort lernte ich den Schriftsteller und Amazon-Rezensenten Rolf Dobelli persönlich kennen, der gerade sein neues Buch "Massimo Marini" vorstellte. Wir unterhielten uns ausgiebig über "Dies und Das" und verstanden uns auf Anhieb prächtig. Dobelli hat den Schalk im Nacken. Solche Männer mag ich, insbesondere, wenn sie dazu noch  Esprit haben. Dobelli hat ihn. Ich wünsche ihm, dass sein Buch ein großer Erfolg wird.

Da samstags auf der Messe fast kein Durchkommen ist, galt dieser Tag den Kunstbüchern, wo ich mit großer Freude  in unzähligen Bildbänden blätterte, mit Verlagsleuten plauderte,  immer wieder einen Kaffee und viel Wasser trank, um schließlich erneut  bei Dr. Ruth Westheimer zu landen. Mit großem Vergnügen sah ich, wie verkaufstüchtig diese bodenständige Intellektuelle ist und am Stand nicht nur ihre, sondern auch alle anderen Bücher den Messebesuchern anpries.

Da es in den Hallen sehr heiß war, hielt ich mich immer wieder einmal  eine Weile im Freien auf. Dort habe ich viele junge Menschen in Phantasiekostümen fotografiert und mit ihnen geredet. Dabei habe ich mir erklären lassen, dass die Idee  aus Japan komme. Die Kostüme fertigen  sich die jungen Leute selbst an und möchten damit den Messebesuchern Freude bringen. Die Mädels und Jungs,  mit denen ich sprach, lieben Bücher und haben die Idee, durch ihre Kleidung an die Phantasie zu erinnern, die jeden guten Autor beflügeln sollte, wenn er zur Feder greift


Bevor ich nach Hause fuhr, traf ich noch Henryk M. Broder, den ich als einen der intelligentesten Köpfe in unserem Land betrachte. Zwei seiner brillanten Bücher habe ich bislang rezensiert.  Dass Broder kluge Augen hat, war mir bekannt, dass aber auch Feuer in seinem Blick ist, wurde mir bewusst als ich ihn
fotografierte.:-))

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