Sonntag, 2. September 2012

137 »Aufbruch in den Kosmos?«

Teil 137 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


So sieht der »Ort der Steine«
heute aus - Foto: W-J.Langbein
»Ort der Steine« nannten die Einheimischen den mysteriösen Ort im moskitoverseuchten Urwald am Fuße des Chiapas-Gebirgszugs. Antonio de Solis, geistlicher Kurator in Tumbala (im heutigen Chiapas, Mexiko) wurde anno 1773 von Gerüchten über die rätselhaften Ruinen im Urwald informiert, lachte aber nur über das »dumme Geschwätz«. Der katholische Geistliche Roman Ordonez, Seelsorger von Ciudad Real, vernahm ebenfalls von geheimnisvollen Mauern ... und machte sich mit einem kleinen Trupp auf die Suche. In der Nähe von Santo Domingo wurde der »Ort der Steine« entdeckt ... »Lakamha« (etwa »Großes Wasser«).

Im wohl klimatisierten Bus fahre ich bis an das Tor zu Palenque. Im kühlen, modernen Vehikel blättere ich in meinen Unterlagen. Ich lese, wie sich der Offizier Antonio del Rio von Santo Domingo aus durch die Urwaldhölle gekämpft hat. »Nur« sechs Kilometer waren zu überwinden ... und jeder Meter erwies sich als qualvoll. Während sich scheinbar Milliarden von Moskitos auf del Rio und seine Männer stürzten ... galt es, sich einen Weg durch das Dickicht zu schlagen.

Oft dauerte es Stunden, um nur wenige Schritte weiterzukommen. Machetenhiebe schlugen nur langsam eine Bresche ... und der Untergrund war häufig schlammig-morastig ...

Graf von Waldeck hauste im Tempel
des Kreuzes - Foto: W-J.Langbein
Ich steige aus dem Bus, zeige meine Eintrittskarte vor und betrete Palenque. Bequeme Wege wurden angelegt, da und dort kann der heutige Besucher auf einer der Bänke Platz nehme und die herrlichen Tempel von Palenque bewundern. Sie wurden zum Großteil auf künstlichen Hügelplattformen errichtet. Kalkig grau heben sie sich vom malerisch-satten Grün des dichten Urwaldblattwerks ab.

Ganz anders war das Bild, mit dem sich Antonio del Rio am 3. Mai 1787 konfrontiert sah. Tempel auf künstlich aufgeschütteten Terrassen waren nicht auszumachen. Stattdessen gab es nur vereinzelt freiliegende Mauersteine ... und dicht vom Urwald überwucherte pyramidenartige Hügel.

Del Rio war auf schnelle Entdeckungen aus. Mit brutaler Härte zwang er seine indianischen Arbeiter, planlos Löcher zu graben. Die erhofften Goldschätze wurden nicht entdeckt, dafür aber Hinweise auf eine uralte Ruinenstadt. Del Rio raffte – so heißt es – 32 archäologische Fundstücke zusammen. Mit den Artefakten aus der stolzen Geschichte des Maya-Reiches und 25 Zeichnungen der mysteriösen Stätte kehrten Del Rio und seine Leute zurück ... in die »Zivilisation«. In die Urwaldhölle von Palenque wollte er auf keinen Fall wieder zurückkehren. Und die einheimischen Zwangsarbeiter sollen von steinernen Monsterfratzen erzählt haben, die sie auf Befehl des verrückten weißen Mannes hätten ausgraben müssen.

Das verborgene Palenque ...
Foto: W-J.Langbein
Heute gehört Palenque zum absoluten Muss jedes Mexiko-Besuchers. Doch in der Regel werden die Touristen im Eiltempo durch die saubere Parkanlage Palenque geführt. »Hier sehen Sie den berühmten Tempel der Inschriften, wo dieser Däniken einen Astronauten entdeckt haben will. Leider ist er im Moment geschlossen ... Die steilen Treppenstufen zur Gruft hinab sind aber sowieso eine Zumutung. Und dann die Hitze da unten. Gehen wir schnell zum ›Palast‹ hinüber. Auf der Treppe davor machen wir ein Gruppenfoto. Schnell ... schnell ... in zwei Stunden müssen wir zum Mittagessen im Hotel sein ...« Ihnen entgeht das verborgene Palenque ...

Und so wird Palenque im Sauseschritt absolviert, so wie andere Maya-Stätten auch. Gilt es doch, möglichst viele Orte zumindest kurz besucht zu haben. Und so sieht der moderne Tourist umso weniger, je mehr ihm gezeigt wird ... Von Palenque nimmt er die Erinnerung an herrlich restaurierte Tempel mit. Dass der undurchdringliche Urwald nur wenige Meter hinter den sorgsam angelegten Wegen beginnt, erlebt er nicht. Wer sich aber auch nur ein Stückchen in den Urwald wagt, erkennt sofort, dass nur ein winziger Bruchteil von Palenque freigelegt worden ist. Man schätzt, dass erst fünf Prozent der einst stolzen Stadt dem Urwald entrissen werden konnten.

Schon Graf von Waldeck interessierte
sich für die »Universität«
Foto: W-J.Langbein
Ein noch viel kleinerer Prozentsatz der einst so imposanten Bauwerke wurde rekonstruiert. Wobei zu hinterfragen ist, in wieweit die Fantasie der Archäologen beim Wiederaufbau die »Rekonstruktionen« bestimmte ...

Bei seinen Auftraggebern in Zentralamerika stieß del Rio mit seinem Bericht über die Expedition in den höllischen Urwald auf vollkommenes Desinteresse. Aha ... Mauerwerk wurde entdeckt. Aha ... und keine Schätze? Kein Gold? Nicht einmal Silber? Weitere Erforschung kostet doch nur unnötig Geld. Del Rios Aufzeichnungen hätten leicht verlorengehen können. Sie gelangten aber zufällig und auf verschlungenen Umwegen nach Europa. Im Jahre 1822 wurden sie schließlich sogar in London als dünnes Bändchen in Druck gegeben. Sollte sich tatsächlich jemand für die gescheiterte Expedition interessieren?

So erfuhr Jean-Frederic Graf von Waldeck von der geheimnisvollen Urwaldstadt. Graf von Waldeck war sofort vom Palenque-Bazillus infiziert. Er musste unbedingt vor Ort ergründen, was es da im Urwald wirklich zu sehen gab.

Ruinen heute wie einst
zu Waldecks Zeiten
Foto: W-J.Langbein
Nur ... die finanziellen Mittel für so eine Exkursion ins ferne Zentralamerika hatte er nicht. Damals war eine Reise nach Mexiko noch ein sündhaft teures Abenteuer. So gesehen war das Land der Mayas damals noch sehr viel weiter entfernt von Europa als heute. Eine Spendenaktion brachte nicht den erhofften Geldsegen. Kurzentschlossen machte sich von Waldeck – wie echt sein Grafentitel war, sei dahingestellt – nach Mexiko auf. Er sprach in Mexiko bei Regierungsvertretern vor, erhielt aber keinerlei finanzielle Unterstützung.

Stattdessen stattete man den wissbegierigen Europäer mit einem amtlichen Dokument aus. Die pompöse Urkunde räumten von Waldeck hochoffiziell das Recht ein, die Ruinen von Palenque gründlich zu erforschen. Die Kunst der Fotografie stand von Waldeck nicht zur Verfügung. Er fertigte Zeichnungen und Gemälde der geheimnisvollen Welt von Palenque an ... und versuchte immer wieder, die Ruinen vom alles übewucherndem Gestrüpp des Urwaldes befreien zu lassen.

Zu seiner herben Enttäuschung war den Einheimischen von Waldecks amtliche Urkunde höchst gleichgültig. Sie arbeiteten nur gegen Barzahlung. Fantastisches, so glaubte von Waldeck, wurde so zutage gefördert: zum Beispiel Reliefs von Elefanten. Heute wissen wir, dass Elefanten vor mehr als zwölf Jahrtausenden in Zentralamerika ausgestorben sind.

Eine Treppe im Urwald
Foto: W-J.Langbein
Während ich durch die Grünanlagen von Palenque schlendere, versuche ich mir vorzustellen, unter welch unsäglichen Bedingungen von Waldeck anno 1832 in den Ruinen hauste, ständig misstrauisch bespitzelt. Ich versuche mir auszumalen, was für ein wuchernder Urwald damals die Ruinen versteckte ... und dringe, von den sicheren Pfaden abweichend ... in das schier undurchdringliche Dickicht vor. Nach wenigen Metern komme ich nicht weiter ... stehe ich vor einer grünen Wand. Ich zwänge mich hindurch, stehe vor Mauerresten und steinernen Treppen. Steile Hügel sind unter dichtem Pflanzenwuchs eher zu erahnen als zu erkennen.

Moskitoschwärme stürzen sich auf mich, als wollten sie sich nicht nur an meinem Blut laben, sondern auch ihr Territorium gegen Eindringlinge wie mich verteidigen. Immer wieder sausen unzählige dieser Minivampire an meinen Ohren vorbei. Immer wieder landen ganze Geschwader und stechen ... auch durch Hemd und Hose. Trotzdem gelingen mir einige Fotos des Palenque abseits der Wege, wo noch viele Entdeckungen auf heutige Forscher warten. Doch schon wie zu von Waldecks Zeiten fehlen die nötigen Finanzen!

Von den schmerzhaften Angriffen der beißlustigen Moskitos zermürbt, ziehe ich mich aus dem Urwald zurück ... und marschiere Richtung »Tempel der Inschriften«. In seiner Gruft ruht die monströse Grabplatte von Palenque.

In der Gruft des Tempels
liegt das Geheimnis.
Foto: W-J.Langbein
Dokumentiert die uralte Reliefarbeit tatsächlich, dass es einst außerirdische Besucher auf Terra gab? Bietet die durch Erich von Däniken (1) zu Weltruhm gekommene Steinmetzarbeit tatsächlich Indizien (oder gar Beweise?) für den Aufbruch in den Kosmos? Ist eine fantastische Interpretation der Grabplatte glaubhaft oder haltlose Spinnerei? Kann man sie wie ein Buch lesen, das mehr nach Sciencefiction als nach Archäologie klingt?

Gern lachen manche offizielle Mayaforscher herablassend über von Dänikens Astronautengötter-Theorie. Ich habe den Eindruck, dass sie sich um so lauter lustig machen, je klarer zutage tritt ... dass sie, die Vertreter der angesehenen wissenschaftlichen Mayaforschung, selbst keine wirklich nachvollziehbare Antwort haben. Vor allem widersprechen die Palenque-Forscher einander eklatant. Wenn angeblich so klar zu erkennen ist, dass Däniken irrt ... wieso kann sich die Wissenschaft bis heute nicht auf die richtige Erklärung des Phänomens Palenque einigen?

So lange es aber unzählige, völlig unterschiedliche Interpretationen der berühmten Grabplatte von Palenque gibt ... ist die Astronautengötter-Theorie für mich genauso vertretbar wie die Thesen der Wissenschaft!

Hand aufs Herz: Mir leuchtet die »Astronautengötter-Erklärung« ein, die »wissenschaftlichen« Antworten klingen oft sehr viel skurriler!

Astronaut oder ...
Zeichnung:
Alfred Maudslay, 1902,
Wikipedia, gemeinfrei
Fußnoten
Erich von Däniken schrieb wiederholt über die Grabplatte von Palenque. 1968 zierte sie das Cover von Dänikens Erstling »Erinnerungen an die Zukunft«. Sehr informativ ist auch....
Däniken, Erich von: »Der Tag, an dem die Götter kamen/ 11. August 3114 v.Chr.«, München 1984, siehe Kapitel VII, »Palenque – entdeckt, doch nicht enträtselt«, S.257-303

Literaturempfehlung
Walter-Jörg Langbein: »2012/ Endzeit und Neuanfang«, 2. Auflage, München 2011



»Ein Götterastronaut und die Wissenschaft«,
Teil 138 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 09.09.2012


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