»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Eine fiktive Falschmeldung führt zu einer satirischen Homepage mit skurrilen Enten. Und doch scheint die Geschichte einen wahren Kern zu haben.
Foto 1: Angeblicher Moai auf »Henderson Island? Fake! |
»Moaisstatue auf Pitcairn gefunden« titulierte die seriöse und immer höchst interessante Internet-Seite »osterinsel-freunde.de« (1) und ließ einen Artikel in englischer Sprache folgen: »Landslide Unearths Moai Statue In Pitcairn Islands«, zu Deutsch »Erdrutsch lege Moai Statue in den Pitcairn Inseln frei«. Dann folgt gleich die »Sensation«: »Kürzlich legte ein Erdrutsch auf ›Henderson Island‹ die erste Moai Statue frei, die fern der Osterinsel gefunden wurde, eine Entdeckung, die bisherige Annahmen über die Erbauer der mysteriösen Steinriesen erschüttern könnte.«
Biologen einer nicht näher bezeichneten chilenischen Universität hätten beim Studium der einzigartigen Fauna und Flora des (un)bewohnten (2) Korallenatolls, so heißt es im Artikel weiter, zufällig die Statue fernab ihrer Heimat, der Osterinsel, entdeckt. Davon erfuhren natürlich die Wissenschaftler der »Archäologischen Abteilung der Universität von Chile«, die sofort die Reise zu den Pitcairn-Inseln antraten und die »Henderson-Insel« aufsuchten.
Die Pitcairn-Inseln liegen etwa 2.100 Kilometer westlich von der Osterinsel und sind alle – mit Ausnahme der Pitcairn-Insel selbst – unbewohnt. Die »Henderson-Insel«, ein Atoll, hat eine Fläche von nur 37 Quadratkilometern und ist somit sehr viel kleiner als die Osterinsel, die immerhin 162 Quadratkilometer groß ist. Und auf diesem kleinen Atoll soll eine Osterinsel-Statue durch einen Erdrutsch freigelegt worden sein?
Foto 2: Die »Bounty Bucht« der »Pitcairn-Insel« |
Sollte tatsächlich ein sensationeller Zufallsfund unser Wissen in Sachen Osterinselstatuen erschüttern? Ein gewisser »Professor Juan DeSilva« jedenfalls äußerte sich angeblich höchst enthusiasmiert: »Vielleicht gibt es noch weitere solcher Moai Statuen auf anderen Inseln, womöglich unter Wasser. Hat eine gewaltige Katastrophe diese Inseln zu einem Zeitpunkt der Geschichte unter Wasser gedrückt und mit Bergen von Schlamm und Steinen bedeckt? Diese Fragen können nur durch weiteres Forschen beantwortet werden!«
Ein »Dr. Vincento Morales«, der – so der Artikel – an der Forschungsreise in die Südsee teilgenommen hat, erklärte: »Man hat bislang angenommen, dass die Insulaner selbst die aufrecht stehenden Moais niedergerissen und begraben haben, nachdem ihre Zivilisation zusammengebrochen war. Manche Theoretiker glauben, dass die Zivilisation sich selbst zerstört hat, indem sie die natürlichen Ressourcen der Osterinsel übermäßig belasteten, etwa indem sie die heimischen Wälder rodeten, um Feuer zu entfachen oder um die Moai Statuen zu bauen. Aber würde nicht eine gewaltige Flutwelle oder ein großer Hurrikan die auf der Insel zu Hunderten begrabenen Statuen und den Mangel an Wäldern in der Region besser erklären?«
»Professor Juan DeSilva« von der »Universität von Chile« wird mit einer provokativen Frage zitiert: »Haben große Katastrophen in alten Zeiten von einem Moment auf den anderen alle Spuren einer großen Zivilisation, die sich über den Pazifik erstreckt hat, zerstört? Der Aufschlag eines großen Meteoriten oder der nahe Vorbeiflug eines Kometen, wie in der Tradition der polynesischen Völker berichtet, könnten derartige dramatische Änderungen des Klimas erklären.«
Vergeblich suchte ich nach weiteren Äußerungen der Wissenschaftler »Dr. Vincento Morales« und »Professor Juan DeSilva« zum mysteriösen Fund auf auf »Henderson Island«. Ja ich fand überhaupt keinerlei Hinweis auf die Existenz der beiden Herren. Und nirgendwo war ein Bericht über die Südseeexpedition zu lesen.
Allerdings tauchte im auf der Seite »osterinsel-freunde.de« wiedergegebenen Artikel ein Link auf, und das gleich vier Mal, der angeblich zu weiteren Informationen führen würde (3). Leider führt der Link ins Nichts (4). Ich rief die Seite von »worldnewsdailyreport« und fand keinen weiteren Hinweis mehr auf die mysteriöse Geschichte vom Fund einer Osterinselstatue auf »Henderson Island«.
Meine Suche wurde aber dennoch, allerdings auf ganz eigene und unerwartete Weise belohnt. Bietet die Seite von »worldnewsdailyreport« – Slogan »Nachrichten, denen man vertrauen kann! – eine Fülle von Meldungen, die in der übrigen Medienwelt aus nachvollziehbaren Gründen nicht aufgegriffen wurden.
Da lesen wir von »Jason Barclay, 28«, einem amerikanischen Bergsteiger, der im Himalaya von einer yetiartigen Kreatur angegriffen wurde. Das Monster, so der Bericht, versuchte ihn zu vergewaltigen. Nur weil sich »Jason Barclay« tot stellte, überlebte er den brutalen Angriff. Ähnlich soll es einem Jäger in Colorado ergangen sein. Der 57-jährige »Darrel Whitaker« aus »Glenwood Springs«, Colorado, behauptet, dass ein Sasquatch ihn im Walde überfallen habe. Die fast 2,40 Meter große yetiartige Kreatur habe versucht, ihn zu vergewaltigen.
Foto 5: Echter Moai, auf dem Rücken liegend. |
Beliebt sind Meldungen aus der Tierwelt, und besonders dann, wenn angeblich Tote zu beklagen sind. Gar nicht glimpflich kamen, so eine weitere Meldung von »worldnewsdailyreport«, japanische Walfänger davon. An der »südöstlichen Küste von Südafrika« wurden sie von einer Gruppe von Killerwalen attackiert. 16 der Walfänger wurden, so der Bericht, bei lebendigem Leibe von den Killerwalen gefressen. Ein weiteres Lieblingsthema sind skurrile Unfälle aller Art. Ein pikantes Beispiel: »Chris Mumford«, 43, und »Janet Smith«, 41, frönten ihrer ganz besonderen Leidenschaft: Außerhalb von Woodsfield, Ohio, vergnügten sie sich intim. Dabei trugen sie Sasquatch-Kostüme. Die Verkleidung überzeugte zwei Jäger, »Mr. Burns« und seinen Sohn. Die beiden Männer hatten keinen Zweifel an der Echtheit der vermeintlichen Kreaturen und eröffneten das Feuer. Erst als die beiden Kostümierten zu schreien und zu fluchen anfingen, erkannten die Jäger ihren Irrtum. So überlebte das Ehepaar. Jäger Jerot Burns glaubt weiter an die Existenz des Fabelwesens Sasquatch. Sollte ihm je so eine Kreatur begegnen, so will er sie mit gezielten Schüssen erlegen. Ob die beiden Jäger für ihr Versehen vor Gericht gestellt werden, das wird noch entschieden.
Foto 6: Moai von Foto 5 hochgestellt |
In Israel, so liest man staunend, stellte sich ein Zeitreisender den Behörden. Der Mann, gekleidet als römischer Soldat, trug eine blutverschmierte lanzenartige Waffe und gestand, Jesus getötet zu haben. Ob es Verständigungsprobleme mit dem Mann gab, darauf geht der Bericht nicht ein. Es heißt lediglich, dass der Zeitreisende nur Latein spricht. Schließen wir den Reigen der ungewöhnlichen Meldungen aus »World News Daily Report« mit einer wahrhaft erfreulichen Nachricht! Bergmann Cheung Wai, heute 59, wurde anno 2001 mit 78 Kollegen bei einem durch ein Erdbeben ausgelöstes Grubenunglück verschüttet. Alle Bergleute galten als tot, ihre Leichen konnten nicht geborgen werden.
Nach siebzehn Jahren in der Unterwelt wurde Cheung Wai nun zufällig entdeckt und kehrte als einziger Überlebender der Katastrophe an die Erdoberfläche zurück. 17 Jahre lang, so vermeldet »World News Daily Report«, ernährte er sich von Ratten und einem fluoreszierenden Moos. Leicht übersieht man am Ende eines jeden dieser Artikel den Hinweis, dass der »World News Daily Report« ausdrücklich jede Verantwortung für die »satirische Natur seiner Artikel und die fiktionale Natur ihres Inhalts« übernimmt. Alle Charaktere in den Artikeln, auch jene, die auf realen Menschen basieren, seien rein fiktiv und jede Ähnlichkeit mit ihnen und Personen, egal ob lebend, tot oder untot, sei einfach nur ein Wunder.
»Moaisstatue auf Pitcairn gefunden« behauptete »World News Daily Report« und legte als Beweis ein Foto vor, das das Gesicht einer Osterinselstatue zeigt. Ich vermute, dass das Foto echt ist. Nur befindet sich die Statue nicht auf »Henderson Island«, sondern auf der Osterinsel. Die Osterinsel hat eine Fülle von Statuen zu bieten: Manche befinden sich, erst halbfertig, im Steinbruch, andere ragen in der Nähe des Steinbruchs zur Hälfte aus dem Erdreich, andere wiederum liegen zertrümmert bei den massiven Podesten, auf denen sie einst standen. So manche Statue hat man mit Hilfe eines Krans wieder aufgestellt. Und dann gibt es noch Moais, die auf dem Rücken liegend in den Himmel starren. Ihre Körper wurden wohl einst vergraben, kommen aber wieder zum Vorschein. (Siehe Fotos 5 und 6!)
Der Bericht von »World News Daily Report« ist auf der Internetseite der satirischen »Zeitung« wieder verschwunden und nicht mehr auffindbar (5). Die seriöse und immer höchst interessante Internet-Seite »osterinsel-freunde.de« macht sich die Aussagen von »World News Daily Report« natürlich nicht zu eigen, sondern gibt den Text (mit Link zur Quelle) in der Originalsprache (Englisch) und in Auszügen nach dem Motto »Was wurde sonst noch über die Osterinsel publiziert« wieder.
Die Meldung von »World News Daily Report« ist frei erfunden. Und doch hat mich der Artikel auf eine interessante Spur geführt. Es geht um »Henderson Island«, die »Meuterei auf der Bounty« und einen zerstörten »Heidentempel« auf »Pitcairn Island«.
1789: Nach der »Meuterei« auf der Bounty wurde der grausame »Kapitän« Lieutenant William Bligh mit seinen Getreuen auf einer Nusschale von einem Beiboot im Pazifik ausgesetzt. Fletscher Christian und die übrigen Meuterer flohen zunächst auf das Tubuai-Atoll im Südpazifik, wo es zu erheblichen Konflikten mit der Bevölkerung kam. Schließlich sahen sich die Meuterer gezwungen, wieder in See zu stechen. Zuflucht fanden sie auf »Pitcairn Island«. Sie versenkten die »Bounty«. Und sie entdeckten heidnische Tempel und seltsame Statuen.
Fußnoten
(1) http://osterinsel-freunde.blogspot.com/ Stand 8.2.2019 (Artikel datiert: 10.11.14). Die Überschrift lautet tatsächlich »Moaisstatue (sic!) auf Pitcairn gefunden«
Hinweis: Peter Hertel und Tim Gernitz haben mir per Mail vom heutigen 12.04.2019 mitgeteilt, dass dieser Beitrag auf der Seite osterinsel-freunde-blogspot.com nunmehr gelöscht wurde: »Offenbar ist dieser Beitrag durch unser ›Netz‹ gerutscht. Wir veröffentlichen prinzipiell keine absurden Theorien. ... Entschuldigung, dass wir Sie damit auf eine falsche Fährte geführt hatten. Inzwischen ist der Beitrag gelöscht.«
Falsch war die Fährte freilich nicht ganz: Auf der zu den Pitcairn-Inseln gehörenden Henderson-Insel gab es einst tatsächlich steinerne Plattformen mit Statuen. Sie wurden von Bounty-Piraten zerstört. Dazu mehr in meinem Blogbeitrag am 21.4.2019!
(2) Der Artikel bezeichnet zunächst die »Henderson-Insel« fälschlich als »inhabited« (»bewohnt«), später korrekt als unbewohnt.
(3) http://worldnewsdailyreport.com/landslide-unearths-easter-island-moai-statue-in-pitcairn-islands/#sthash.Zss2IH1b.dpuf
(4) Stand 10.02.2019
(5) Stand 10.02.2019
Zu den Fotos
Foto 1: Foto 1: Angeblicher Moai auf »Henderson Island? Fake! Foto: tangatawhenua, Neuseeland
Foto 2: Die »Bounty Bucht« der »Pitcainr Insel«. wikimedia commons
Foto 3: Von rechts nach links Osterinsel - Pitcairn. wikimedia commons
Foto 4: Fast vollständig mit Erdreich bedeckt... eine Osterinselstatue. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 5: Echter Moai, auf dem Rücken liegend. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 6: Moai von Foto 5 hochgestellt. Foto Walter-Jörg Langbein
Foto 7: Lieutenant Bligh und seine Getreuen verlassen die HMS Bounty. Robert Dodd 1790. wikimedia commons
482 »Erich von Däniken zum 84.«,
Teil 482 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 14. April 2019
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