»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein
Gott wird nicht nur von christlichen Theologen als allwissender Beobachter jenseits oder außerhalb von Raum und Zeit gesehen, der genau weiß, wie ein Mensch handeln wird. Gott greift aber, nach christlichen Theologen zumindest, nicht ein, das würde ja den freien Willen des Menschen einschränken. Die Folge: Der Täter handelt kriminell (»freier Wille«), das Opfer leidet und bezahlt den freien Willen des Täters womöglich mit seinem Leben. In diesem obskuren Weltbild hat offensichtlich nur der Täter einen freien Willen, das Opfer nicht. Gott lässt den Bösen gewähren, und das auf Kosten der Opfer.
Schopenhauer (*1788; †1860) hat sich zum Thema »Mensch und freier Wille« so geäußert (1): »Der Mensch kann tun was er will; er kann aber nicht wollen was er will.«
Ich wiederhole bewusst das Zitat von »Christliches Radio für den Alltag«: »›Macht euch die Erde untertan‹ – ein Satz, den man in den falschen Hals kriegen kann.« Das sehe ich nicht so. Die knapp formulierte Aussage ist eindeutig: Der Mensch steht außerhalb oder über der »Schöpfung«, die er im Auftrag Gottes beherrscht. Diese Sichtweise ist Ausdruck des grenzenlosen Egoismus des Menschen und hat dazu geführt, dass der Mensch die Welt mit unglaublich wachsender Effektivität ausplündert.
Der Bibelvers legitimiert den unverantwortlichen Umgang des Menschen mit der Welt. Freilich darf die Bedeutung des Bibelverses für die Weltgeschichte nicht überschätzt werden. Wer die Erde gewissenlos ausbeutet und plündert, dem ist eine biblische Legitimation gleichgültig. Atheist wie monotheistischer »Denker« sehen nicht, dass der Mensch keineswegs außerhalb oder über der »Schöpfung« steht. Der Mensch ist Teil der »Schöpfung«. Dass er die »Schöpfung« ausbeutet und in rasendem Tempo zerstört, das beweist die Dummheit des Menschen und nicht seine »Intelligenz«. Damit disqualifiziert sich der Mensch selbst als »Krone« von »Schöpfung« oder »Evolution«.
Der Bibelvers legitimiert den unverantwortlichen Umgang des Menschen mit der Welt. Freilich darf die Bedeutung des Bibelverses für die Weltgeschichte nicht überschätzt werden. Wer die Erde gewissenlos ausbeutet und plündert, dem ist eine biblische Legitimation gleichgültig. Atheist wie monotheistischer »Denker« sehen nicht, dass der Mensch keineswegs außerhalb oder über der »Schöpfung« steht. Der Mensch ist Teil der »Schöpfung«. Dass er die »Schöpfung« ausbeutet und in rasendem Tempo zerstört, das beweist die Dummheit des Menschen und nicht seine »Intelligenz«. Damit disqualifiziert sich der Mensch selbst als »Krone« von »Schöpfung« oder »Evolution«.
Papst Franziskus (*1936) nannte seine zweite Enzyklika »Laudato si’« (»umbrisches Altitaloromanisch« für »Gelobt seist du«). Titel und Anfangsworte der Enzyklika entstammen dem Mit diesen zwei Worten beginnt der »Sonnengesang« (2) des Franz von Assisi (*1181 oder 1182; †1226). Der erste Satz des »Sonnengesangs« lautet: »Laudato si’, mi’ signore, cun tucte le tue creature!«, zu Deutsch »Gelobt seist du, mein Herr, mit all deinen Geschöpfen!«
Der umfangreiche Text der Enzyklika (3) trägt das Datum »24. Mai 2015« und wurde am 18. Juni 2015 in acht Sprachen veröffentlicht. Es geht Seine Heiligkeit um »die Sorge für das gemeinsame Haus«, um Umwelt- und Klimaschutz.
Papst Franziskus beschreibt ein Weltbild, das einen die »Schöpfung« beherrschenden und plündernden Menschen verabschiedet. Ich darf einen besonders wichtigen Passus aus der Enzyklika zitieren (4): »Es ist nicht überflüssig zu betonen, dass alles miteinander verbunden ist. Die Zeit und der Raum sind nicht voneinander unabhängig, und nicht einmal die Atome und die Elementarteilchen können als voneinander getrennt betrachtet werden. Wie die verschiedenen physikalischen, chemischen und biologischen Bestandteile des Planeten untereinander in Beziehung stehen, so bilden auch die Arten der Lebewesen ein Netz, das wir nie endgültig erkennen und verstehen. Einen guten Teil unserer genetischen Information haben wir mit vielen Lebewesen gemeinsam.«
Wir stehen nicht neben und auch nicht über der Natur (»Schöpfung« im religiösen Sprachgebrauch), wir sind Teil der Natur . Wo wir der Natur aus kurzsichtigem Egoismus heraus Schaden zufügen, zerstören wir auch unsere eigne Lebensgrundlagen. Leidtragender wird der Mensch sein. Die Natur wird sich nach dem Verschwinden unserer Spezies von der Erde aus erdgeschichtlicher Sicht sehr schnell wieder erholt haben.
»Unsere Erde wird überleben.« (5), so lautet der Titel eines der wichtigen Werke von James Lovelock (*1919), bereits anno 1982 erschienen. Davon bin ich auch überzeugt. Planet Erde hat ganz sicher eine Zukunft. Eine sichere Zukunft hat Terra ohne uns Menschen. Planet Erde kann aber auch mit uns Menschen eine Zukunft haben. Neurobiologe Stefano Mancuso sieht eine Chance: Der Mensch hat nur dann eine Zukunft, wenn er radikal umdenkt: »Der wichtigste Faktor der Evolution ist nicht der Wettbewerb. Unser Gehirn kann uns dabei helfen, den nächsten Schritt zu gehen. Der wäre, uns nicht über die anderen Lebewesen zu erheben, sondern eine Lebensform wie die der Pflanzen zu verstehen und einzusehen, dass Kooperation viel erfolgreicher ist als Konkurrenz. Kooperation ist für das Überleben der Spezies wesentlich aussichtsreicher.«
Damit der Mensch aber diese Chance nutzen kann, muss er radikal umdenken. Ob er dazu bereit ist? Ob er überhaupt dazu in der Lage ist? James Lovelock ist allerdings skeptisch (6): »Könnten wir mit vereinten Kräften unsere eigene Natur ändern und gute Verwalter, freundliche Gärtner werden, die Sorge tragen für alle Lebewesen dieses Planeten? Ich glaube, daß bereits diese Frage viel Hybris verrät. Selbst beim Management unserer selbst und unserer Institutionen haben wir kläglich versagt. Ich würde eher erwarten, daß eine Ziege als verantwortungsvolle Gärtnerin mehr Erfolg hat als wir Menschen.«
Wenig hoffnungsvoll stimmt Lovelocks Schlussfolgerung (7): »Ein Planetenarzt, der das Elend sieht, das wir diesen Lebewesen und uns selbst antun, würde uns ermahnen, mit der Erde in Partnerschaft zu leben. Sonst wird die restliche Schöpfung als Teil von Gaia die Erde unbewußt in Richtung auf einen neuen Zustand bewegen, bei dem wir Menschen nicht mehr länger willkommen sind.« Muss man nicht fragen, ob wir das überhaupt noch sind? Gemessen an der Erdgeschichte ist der Mensch im Gegensatz zu Pflanzen beispielsweise bislang ein Kurzzeitphänomen. Die Präsenz des Menschen auf Terra gleicht einem Wimpernschlag im Meer der Zeit. Verabschiedet sich der Mensch nach seinem »Kurzauftritt« schon wieder oder überlebt er die selbst geschaffene Katastrophe? Hat der Mensch Zukunft oder nicht?
James Lovelock deutet ein, dass wir Menschen unter Umständen nicht mehr willkommen sein könnten auf Planet Erde? Wem könnten wir nicht mehr willkommen sein?
James Lovelock ist davon überzeugt, dass wir Jetztmenschen eine revolutionäre Zeit des Umbruchs erleben. Seiner Meinung nach werden die Systeme künstlicher Intelligenz, die der Jetztmensch bereits entwickelt hat, »Cyborgs« entstehen. Lovelock (8): »Diese Wesen werden bald tausend und schließlich Millionen mal intelligenter sein als wir.«
Ich habe mich wiederholt mit dem Thema »künstliche Intelligenz« beschäftigt. Am 10. Juni 2018 fragte ich in meinem Sonntagsblog »Werden wir sein wie die ›Götter‹?« Ich erinnerte an die Fernsehserie »The Avengers«. Die Serie, eine Mischung aus Science-Fiction, Thriller, Krimi und Spionage, wurde rasch zum Kult. Im deutschsprachigen Raum wurde die Serie als »Mit Schirm, Charme und Melone« ausgestrahlt. Am 7.11.1967 bekam das deutschsprachige Publikum Folge 114 zu sehen, die als 10. Folge von Staffel 5 ausgestrahlt wurde. Der deutschsprachige Titel lautete »Duplikate gefällig?«, der den Inhalt sehr viel treffender wiedergab als der Originaltitel »Never, never say die« (etwa: »Niemals, niemals sag stirb«).
Zum Inhalt: Der verbrecherische Professor Frank N. Stone, dargestellt vom großartigen Sir Christopher Lee (*1922; †2015) fertigte exakte Kopien wichtiger Menschen als Roboter an. Diese bedeutsamen Menschen wurden entführt und sollten durch Roboter, ausgestattet mit künstlicher Intelligenz, ersetzt werden. Auf diese Weise wollte Professor Stone die Weltherrschaft an sich reißen. Fast wäre der geniale Plan auf schlimme Weise gescheitert! Die Roboter wollten die sehr viel weniger intelligenten Menschen aus Fleisch und Blut verdrängen und selbst die Herrscher über die Welt werden. Die Wesen mit künstlicher Intelligenz wollten sich, so wie es im »Alten Testament« heißt, die Erde untertan machen. Mit Mühe konnten Emma Peel (dargestellt von Diana Rigg, *20.07.1938; †10.09.2020) und John Steed (dargestellt von Patrick Macnee, *1922; †2015) diesen Plan verhindern.
Diese Episode der Reihe »Mit Schirm, Charme und Melone« hat bereits 1967 vorweggenommen, was meiner Meinung nach in gar nicht so ferner Zukunft möglich sein wird. Schon heute entwickeln wir künstliche Intelligenz. Ich bin davon überzeugt, dass in Geheimlabors bereits heute Roboter gegtestet werden, die dank künstlicher Intelligenz uns Menschen überlegen sind. Ich muss an Lovelocks Vision erinnern, auf die ich eben schon hingewiesen habe. Ich wiederhole Lovelocks Zukunftsschau: »Diese Wesen werden bald tausend und schließlich Millionen mal intelligenter sein als wir.«
Stellen wir uns solche »Cyborgs« vor. Anders als wir sind sie überhaupt nicht an kurzfristigem materiellen Gewinn interessiert. »Cyborgs« werden vermutlich schon bald nicht wie wir Menschen als Individuen agiern, sondern als ein weltumspannendes Hyperwesen. Für so eine weltumspannende Superintelligenz hat Logik nicht nur Vorrang, sondern Logik tritt an die Stelle des alles andere als logischen Denkens von uns Menschen.
Ich gehe davon aus, dass die »Cyborgs« über einen Selbsterhaltungstrieb verfügen. Sie werden alles tun, um eine Selbstzerstörung zu verhindern. Sie werden, unbeeinflusst von irrationaler Gefühlsduselei, beseitigen, was ihre Zukunft gefährdet, also uns. Wenn wir unser »Denken« nicht radikal ändern, dann werden wir in der Tat nicht mehr auf Erden willkommen sein. James Lovelock sieht die Zukunft meiner Meinung nach realistisch. Die Cyborgs, künstliche Wesen mit gigantischem Intelligenzpotenzial (9), »werden zunächst nicht unabhängig von uns sein; tatsächlich werden sie unsere Nachkommen sein, weil die Systeme, die wir erschufen, sich als ihre Wegbereiter erwiesen haben.«
Foto 2: Erich von Däniken (links) mit Walter-Jörg Langbein vor einem steinzeitlichen Tempel auf Malta. Foto Ille Pollo |
Erich von Däniken (*1935) teilt einen solchen Pessimismus nicht. Er ist vielmehr sehr zuversichtlich. Bereits 1968 prophezeite er in seinem ersten Weltbestseller »Erinnerungen an die Zukunft« (10): »Der Mensch hat eine grandiose Zukunft vor sich, die seine grandiose Vergangenheit noch überbieten wird. Wir brauchen Weltraumforschung und Zukunftsforschung und den Mut, unmöglich erscheinende Projekte anzupacken. Zum Beispiel das Projekt einer konzentrierten Vergangenheitsforschung, das uns kostbare Erinnerungen an die Zukunft bringen kann. Erinnerungen, die dann bewiesen sein werden und ohne den Appell, an sie glauben zu sollen, die Menschheitsgeschichte erhellen. Zum Segen künftiger Generationen.«
Fußnoten
(1) Pais, Abraham: »Ich vertraue auf Intuition: der andere Albert Einstein«, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1995, Seite 176, 10. Und 9. Zeile von unten
Wieland, Michael: »Positionen«, Norderstedt 2012, S. 27, 4. Und 3. Zeile von unten
(2) https://franziskaner.net/der-sonnengesang/ (Stand 06.06.2020)
(3) http://w2.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html (Stand 06.06.2020)
(4) »Laudato si’«, 4. Kapitel, »Eine ganzheitliche Ökologie«, »I. Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialökologie«, 138. (»LS 138«)
(5) Lovelock, James: »Unsere Erde wird überleben. Gaia: eine optimistische Ökologie, München 1982
(6) Lovelock, James: »GAIA/ Die Erde ist ein Lebewesen«, Bern 1992, Seite 184, 20.-25. Zeile von oben (Rechtschreibung unverändert übernommen.)
(7) Ebenda, 5.-1. Zeile von unten (Rechtschreibung unverändert übernommen.)
(8) Lovelock, James: »Novozän: Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz«, 1. Auflage, München 2020, Seite 46
(9) Ebenda, Seite 47, 4.-7. Zeile von oben
(10) Däniken, Erich von: »Erinnerungen an die Zukunft – Ungelöste Rätsel der Vergangenheit«, Düsseldorf und Wien, 1968, Seite 221
Zu den Fotos
Foto 1: Gott steht außerhalb. Darstellung frühes 13. Jahrhundert
Foto 2: Erich von Däniken (links) mit Walter-Jörg Langbein vor einem steinzeitlichen Tempel auf Malta. Foto Ille Pollo
557. »Frankensteins Monster und der Golem«
Teil 557 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 20. September 2020
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