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Sonntag, 1. September 2013

189 »Spuk auf der Osterinsel«

Teil 189 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,


Glotzende Augen - Fotos: W-J.Langbein
»Jahrelang litt ich unter grässlichen Albträumen. Ich erlebte einen grässlichen Spuk im Traum. Da waren gespenstische Gestalten, die mir unbeschreiblichen Schmerz zufügten! Sie hatten seltsam verkümmerte Ohren. Immer wieder starrten mich weiße Augen an, als wollten sie mich hypnotisieren! Es dauerte Monate, bis sich in meinem Kopf unzählige Traumbilder zu einem Ganzen zusammenfügten. Es war wie ein Spuk aus einem blutrünstigen Horrorfilm. Im Traum aber fühlte sich der Schmerz sehr realistisch an!«

Birgit Achter* (29) ist in einem Dorf in Oberösterreich zu Hause. Jahrelang fürchtete sich die Tierarzthelferin davor, verrückt zu werden. »Ich wusste einfach nicht, was diese quälenden Träume Nacht für Nacht zu bedeuten hatten.« Immer wieder wurde sie von verstörenden Träumen gepeinigt. Es war nicht der gleiche Traum, vor dem sie sich fürchtete. Vielmehr bekam sie in heftigen Träumen nach und nach wie als »Serie in Fortsetzungen« immer neue Ergänzungen, die ein erschreckendes Gesamtbild ergaben.

In zwei mehrere Stunden währenden Gesprächen teilte Birgit Achter mit, was sie in wahren Horrorträumen erlebte. Zunächst war da nur eine diffuse, nicht näher erkennbare Gefahr, vor der sie große Angst hatte. Dann starrten sie wieder diese Augen ... weiße Augen mit schwarzen Pupillen an. Sie spürte manchmal diese hasserfüllten Blicke auch im Wachzustand. Immer fühlte sie sich im Traum von einer Gruppe Menschen bedroht, die doch ganz in ihrer Nachbarschaft lebten. Sie dachte an Flucht, doch das war nicht möglich. Lebte ihr Traum-Ich doch auf einer winzigen Insel im Pazifik.

Augen aus einem Albtraum - Fotos: W-J.Langbein
Ihre Albträume wurden immer konkreter. Im Traum schlief sie, nachdem heftige Angstgefühle sie lange wach gehalten hatten, endlich ein. Lärm ließ sie wieder wach werden. Sie hörte Geschrei. Und plötzlich waren kräftige Männer in ihrer Hütte und zerrten sie, noch immer schlaftrunken, von ihrem Lager. Sie schlugen sie und trieben sie aus der Hütte. Ihre Familienangehörigen, aber auch alle ihre Nachbarn flohen. Sie wurden verfolgt, von Menschen, die fast Hütte an Hütte mit ihr gelebt hatten. Hasserfüllt waren die Angreifer, die immer brutaler wurden.

Birgit Achter fiel es bei unserem letzten Gespräch sehr schwer, die richtigen Worte zu finden. Sie genierte sich sichtlich über den Schrecken ihrer Träume zu erzählen. »Es war schlimmer als Albträume, die mit dem Aufwachen verschwunden sind. Es kam mir vor, als würde die Angst aus den Träumen wie ein Spuk in mein reales Leben vordringen. Wenn ich im Wachzustand Rauch roch, überfiel mich eine schlimme Panik.« Zurück zu Birgits Träumen ...

Birgit Achters Traum-Ich stolperte weiter. Ein wüster Kerl wollte ihr Gewalt antun, schleuderte sie zu Boden. Sie verletzte sich an scharfkantigen Steinen im Gesicht und an den Schenkeln. Sie blutete heftig. »Sie muss ins Feuer!«, grölten die Angreifer. Der wüste Kerl zerrte Birgit Achters Traum-Ich hoch, stach Birgit mit einem Steinmesser in den Rücken. »Weiter ... weiter!« schrie er. »Oder ich behandele dich so, dass du dich nach dem Tod im Feuer sehnst!« Weiter und immer weiter ging es. Die Angreifer packten kleine Kinder an Armen und Beinen. »Ins Feuer mit der Brut!« grölten sie.

Ein Riese mit bedrohlichen Augen ...
aus Traum und Wirklichkeit
Foto: W-J.Langbein
Eines Tages sah Birgit Achter in einem Buch Fotos von den berühmten Statuen auf der Osterinsel, die mitten im südlichen Pazifik, 3700 Kilometer vor der Küste des chilenischen Festlandes liegt und die »einsamste Insel der Welt« genannt wird. Beim Anblick der steinernen Köpfe überkam Birgit plötzlich eine große innere Ruhe und ihr wurde klar: »Ich habe schon einmal gelebt – auf der Osterinsel!«

Und plötzlich wusste sie, woran sie sich heftig blutende Wunden zugezogen hatte ... an scharfkantigen Brocken Vulkangestein. Die Furcht einflößenden Riesen aus dem Traum ... waren die steinernen Osterinselkolosse. Die »weißen Augen« der Statuen fand sie auch auf einigen der Fotos von der Insel im Pazifik. Einst hatten die Statuen keine leeren Augenhöhlen wie heute, sondern weiße Augen aus hellem Kalk. Je mehr Fakten aus dem Traum mit der Realität auf der Osterinsel übereinstimmten, desto größer wurde Birgit Achters Angst vor dem Einschlafen. Musste sie doch mit weiteren Albträumen rechnen.

Traumforscher interpretieren ihre nächtlichen »Visionen« auf ihre Art. Von »allgemeiner Todesangst« bekam Birgit Achter zu hören, von der »Angst ihre Weiblichkeit zu verlieren« schwadronierten andere. Leider kannten sich die Interpreten, die Birgit Achter um Hilfe gebeten hatte, überhaupt nicht mit der Geschichte der Osterinsel aus. Denn sonst hätten sie erkannt, dass die Horrorvisionen im Schlaf auf ein reales Ereignis in der Geschichte von Rapa Nui hinwiesen: auf einen höchst realen Massenmord auf der Osterinsel in »grauer Vergangenheit«. Davon aber wollten die konsultierten Traumexperten und Psychologen nichts wissen.

Ich wies einen der Ärzte, die vergeblich versucht hatten, Birgit von ihren bösen Träumen zu befreien, auf den Osterinsel-Experte Fritz Felbermayer hin. Der Mann war felsenfest davon überzeugt, dass es vor vielen Jahrhunderten tatsächlich ein blutiges Massaker auf der Osterinsel gab. Die »Langohren«, Nachfahren der Erbauer der riesenhaften Statuen, wollten die »Kurzohren« ermorden. Sie hoben einen langen Graben aus und füllten ihn mit Holz. Darin sollten die »Kurzohren« verbrannt werden. Doch der Stamm erfuhr von diesen grausamen Plänen.

Einer der rekonstruierten Riesen
der Osterinsel - Foto: W-J.Langbein
Mitten in stockfinsterer Nacht überfielen die Kurzohren die Langohren, trieben die Feinde in den Graben und zündeten die Holzstöße an. Dieses Massaker, das qualvolle Sterben in den Flammen, erlebte Birgit in ihren Träumen wieder und wieder. Die Österreicherin in ihrem Brief an den Verfasser: »Ich schwöre, dass ich nie zuvor etwas von der Osterinsel oder den schrecklichen Vorkommnissen dort gehört hatte. Ich bin überzeugt, dass ich nur davon in meinen Träumen geplagt werden konnte, weil ich eine der Langohrfrauen war, die damals in der Nacht so grässlich ums Leben kamen.«

Inzwischen hat sich Birgit intensiv mit der geheimnisvollen Geschichte der Osterinsel auseinander gesetzt. Sie glaubt sogar auf Bildern erkannt zu haben, wo genau sie ermordet wurde. »Mit einer Keule schlug mir ein widerwärtiger Kerl ins Gesicht, so dass meine Nase mehrfach gebrochen wurde. Blut schoss aus meinem Gesicht. Ein zweiter Keulenschlag zerschmetterte mein Knie. Mit einem fürchterlichen Tritt in den Rücken schleuderte mich mein Mörder in eine Höllenglut aus loderndem Feuer, in einen scheinbar glühenden Graben. Die Zeit dehnte sich, Sekunden wurden zu höllischer Unendlichkeit. Meine Haare brannten, meine Augen kochten. Ich wurde blind. Mein ganzer Körper war ein einziger Schmerz. Plötzlich war da nichts mehr, kein Schmerz, keine Angst, keine Hitze, ja nicht einmal mehr Hass auf meinen Mörder. Der Tod kam als eine Erlösung.«

Birgits Albträume hörten nicht schlagartig, aber nach und nach auf. Sie sind seit Jahren vollkommen verschwunden. Im Gespräch erklärte mir Birgit: »Als ich wusste, was mir einst zugefügt worden ist, hatte ich keine Angst mehr vor der Nacht und vor den Träumen. Ich wusste, dass das entsetzliche Leid vor Jahrhunderten durchlitten worden ist ... und mit mir in der Gegenwart nichts zu tun hat!«

Düstere Geheimnisse ...
Foto: W-J.Langbein
Jetzt möchte sich Birgit, sobald sie das nötige Geld zusammengespart hat, auf die weite Reise zur Insel im südlichen Pazifik machen und dort ihr eigenes Grab suchen. Birgit: »Ich weiß genau, an welcher Stelle der Graben war. Vielleicht finde ich bei dieser Gelegenheit ja auch die geheimnisvollen Werkzeuge wieder, mit denen die riesigen Statuen hergestellt wurden. Sie sind nämlich bisher unentdeckt geblieben. Möglicherweise bringt mich auch hier ein Traum auf die Spur. Dass es Steinfäustlinge waren, mit denen die Kolosse gemeißelt wurden, das glaube ich nämlich nicht!«

Birgit ist überzeugt: Was in ihren Träumen ein Horrorspuk war ... das hat sie in einem früheren Leben wirklich durchlitten ... Sollte es ihr gelingen, zumindest einige der großen Rätsel der Osterinsel zu lösen? Sie hält es für möglich. Vielleicht erinnert sie sich an ihr Vorleben auf dem Eiland, wenn sie vor Ort mit der realen Osterinsel konfrontiert wird? Ob sie hinter die Geheimnisse der rund 800 Köpfe, Moais genannt, kommen kann, indem sie sich an ihr früheres Leben erinnert? Wie wurden beispielsweise die Tonnen schweren Skulpturen zu ihren Standorten transportiert? Archäologen werden sich bei dem Gedanken an Hilfe aus der Traumwelt mit Grausen abwenden. Aber sollte nicht jeder, auch ein »unwissenschaftlicher« Weg beschritten werden, der vielleicht zu mehr und neuem Wissen führt?

* Name und Alter geändert

»Begegnung auf dem Friedhof«,
Teil 190 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 08.09.2013


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Sonntag, 25. August 2013

188 »Massenmord auf der Osterinsel«

Teil 188 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Die Osterinsel war und ist für mich das friedlichste Fleckchen Erde. Jedes Mal, wenn ich bei meiner Ankunft den Flughafen von Hanga Roa verlassen habe, kam es mir vor, als sei die Zeit irgendwann vor Jahrhunderten stehen geblieben. Jedes Mal kam es mir vor, als beträte ich ein kleines Fleckchen Erde, wo die Hektik unseres Alltags rasch vergessen ist.

Kirche von Hanga Roa
Foto: W-J.Langbein

Jedes Mal bezog ich mein Zimmer ... am liebsten in einer kleinen Pension ... und schlenderte dann die »Hauptstraße« von der Kirche hinab zum kleinen Hafen. Dann wandte ich mich nach rechts und ging die Uferstraße weiter. Gelegentlich knatterte ein Motorrad an mir vorbei ... oder ein stolzer Einheimischer trabte hoch zu Ross querfeldein.

Ich setzte mich zu Füßen einer der Osterinselstatuen ... und ließ die Atmosphäre des Eilands auf mich wirken. Ich empfand eine nicht zu beschreibende Ruhe, eine Stille die ich sonst nirgendwo auf unserem Globus angetroffen habe. Selten gab es eine Störung ... Zum Beispiel, wenn ein kleiner Bus ganz in meiner Nähe hielt und eine Gruppe von Japanern mich als Motiv wählte und emsig fotografierte.

Annäherung an einen Riesen
Foto: Ingeborg Diekmann, Bremen
Wie groß doch diese Osterinselkolosse sind. Bei einer der »kleineren« Statuen musste ich mich auf die Zehenspitzen stellen und den Arm weit nach oben recken, um mit Mühe das Kinn der stoisch drein blickenden Statue zu erreichen. Dabei steckte die Statue noch zu einem erheblichen Teil im Boden!

Und nun saß ich in einer der mysteriösen »Familienhöhlen«, umgeben von seltsamen Statuetten aus Stein und Holz. »Aku Aku Figuren sind keine Aku Akus ...«, erklärte mir geduldig mein Guide. »Aku Akus sehen auch nicht unbedingt aus wie die Figürchen. Aber die Geister können von einem Figürchen Besitz ergreifen und darin wohnen wie in einem Haus ... oder in einem besessenen Menschen!«

»Und Make Make?« fragte ich. Mein Guide ließ den Lichtkegel seiner Taschenlampe über die Decke der Höhle gleiten. Er hielt inne, als das seltsame Gesicht der altehrwürdigen Gottheit auftauchte. »Er rettete mein Volk vor dem Untergang, als Maori Nui Nui im Pazifik versank. Er zeigte seinem Volk die Osterinsel, auf die meine Vorfahren übersiedelten, als ihre Heimat in den Fluten des Pazifik versank.«

Das maskenartige Gesicht des fliegenden Gottes Make Make tauchte in der Höhle immer wieder auf: an der Decke, an den Wänden und auf unterschiedlichsten Steinfiguren. Eine einförmige Miniaturplastik von etwa 20 Zentimetern Durchmesser war aus schwarzem Lavastein gemeißelt.

Deutlich war darauf das Gesicht Make Makes zu erkennen. Ganz ähnliche Zeichnungen gab es einst überall auf der Osterinsel, die meisten davon sind so stark verwittert, dass man sie kaum oder gar nicht mehr erkennt. Ich durfte das seltsam anmutende Kunstwerk in die Hand nehmen. Es kam mir seltsam leicht vor. »Das ist Make Make?«, fragte ich neugierig. »Es sieht so aus, als trage der Gott eine Maske ... oder einen Helm, der nur das Gesicht freilässt ...«, sinniere ich halblaut. »Mit den Augen unserer Zeit gesehen ... ein Taucher oder ein Astronaut!« Mein Guide lacht leise. »Make Make war ein fliegender Gott. Er brachte einen Priester durch die Lüfte zur Osterinsel ...«

Rekonstruktion einer Ritzzeichnung
von Make Make
Foto: Archiv W-J.Langbein 
»Woher kamen denn die ersten Bewohner der Osterinsel?« wollte ich wissen. »Aus dem polynesischen Raum!«, lautete die Antwort. Ich habe auf allen meinen Reisen diese Frage gestellt. Die Antwort war immer gleich: Sie kamen aus dem Atlantis der Südsee. Und das lag einst im Westen der Osterinsel. Einige wenige frühe Siedler sollen von der Osterinsel enttäuscht gewesen sein. Sie wollten wieder in ihre alte Heimat zurückkehren. Sie segelten von der Osterinsel aus Richtung Westen. Was aus ihnen wurde? Wir wissen es nicht.

Vermutlich gab es mehrere »Besiedlungen«. Die ersten Ankömmlinge sollen ein besonderes Merkmal gehabt haben: besonders lange Ohren. Das trug ihnen den Beinamen »Langohren«, im Gegensatz zu den »Kurzohren«. Die »Originalkurzohren«, so heißt es, haben die Kolossalstatuen fabriziert, die die Osterinsel bekannt gemacht haben. Weltberühmt wurden die steinernen Statuen durch den Schweizer Schriftsteller Erich von Däniken.

Wiederholt wurde mir die Geschichte vom Massenmord auf der Osterinsel erzählt ... Seit vielen Jahrhunderten wird sie mündlich überliefert. Die Jungen müssen seit vielen Generationen die Geschichte bei Zusammenkünften der Insulaner zu Gehör bringen, versicherte mir Osterinselexperte Fritz Felbermayer. Wenn sich jemand in der Wortwahl irrte, wurde er von den Älteren korrigiert.

Dispute gab es, wer denn am Anfang kam und wer folgte: Langohren oder Kurzohren? Mir wurde wiederholt versichert: Es seinen die Kurzohren gewesen, die das rätselhafte Eiland erstbesiedelten. Dann aber gab es einen zweiten Schub, Langohren kamen an Land.

Urplötzlich waren die Langohren gekommen. Brachten sie die Bilder von Make Make mit? Stammt von ihnen die rätselhafte Schrift der Osterinsel, die bis heute nicht entziffert werden konnte? Verehrten sie den mysteriösen Make Make, der fliegen und Menschen durch die Lüfte entführen konnte?

Rekonstruktion einer Ritzzeichnung
von Make Make
Foto: Archiv W-J.Langbein
Und ebenso verschwanden sie einst wieder. Wohin? Darüber gibt die mündliche Überlieferung keine Auskunft. Ein von Dr. Fritz Felbermayer aufgezeichneter Mythos hält fest: »Nach dieser Nacht hörte man nichts mehr von ihnen, von den Meistern, die die Statuen geschaffen hatten. Niemand kennt ihr Ende.«

Zurückgeblieben sind unzählige »kleine« Statuen (drei bis fünf Meter), aber auch bis zu über zwanzig Meter hohe Steinriesen ... und Kinder, die aus Ehen zwischen Kurzohren und Langohren hervorgegangen waren. Die Osterinsel wurde aufgeteilt. Das wertvolle Ackerland ging in erster Linie an die Kurzohren. Die kargeren Regionen wurden den »neuen Langohren« zugeteilt ... den Kindern, die aus der Verbindung zwischen Lang- und Kurzohren hervorgegangen waren.

Den Mischlingen aus Ehen zwischen Lang- und Kurzohren blühte ein entsetzliches Schicksal. Eines Tages nämlich, so wird überliefert, starb ein Langohren-Kurzohren-Sprössling – und zwar auf Kurzohrenland. Und dort musste nach religiösem Brauch der »neuen Langohren« der Tote auch bestattet werden, in allen Ehren.

Die Nachfahren des Verstorbenen forderten nun, dass am Sterbeort ein Grabhügel errichtet werden müsse. Mein Guide versicherte mir beim Gespräch in der Familienhöhle: »Die ältesten Grabhügel hatten Pyramidenform. Sie wurden aus Lavastein-Brocken aufgetürmt. Aus diesen Pyramiden wurden im Lauf der Entwicklung schließlich Plattformen. Und dann setzte man auf die Plattformen die Statuen.«

Die Kurzohren reagierten empört. Sie lehnten es ab, auf ihrem Grund und Boden ein Grabdenkmal bauen zu lassen. Dadurch ginge ihnen wichtiges Ackerland verloren. Die Langohren-Kurzohren-Nachkommen mussten auf den Bau einer Grabpyramide verzichten. Aber sie schworen Rache für die erlittene Schmach. Sie ersannen eine heimtückische Hinterlist! Am Berg Poike hoben sie einen tiefen, etwa fünfhundert Meter langen Graben aus und füllten ihn mit dürrem Holz. Ein gewisser Toi musste Wache schieben. Seine Frau, ein Kurzohr, verriet aber den Plan an die Bedrohten. Die beriefen umgehend eine Versammlung ein und beschlossen: Die »neuen Langohren« sollen in der Falle sterben, die sie eigentlich für die Kurzohren vorgesehen hatten.

In der Nacht vor dem geplanten Überfall attackierten die Kurzohren die »neuen Langohren«. Sie trieben die vollkommen Überraschten aus ihren Behausungen, die am nächsten Tag ausgeruht sein wollten, um die Kurzohren zu massakrieren. Jetzt schlugen die Kurzohren brutal auf sie ein und drängten sie mit roher Gewalt zum Graben hin. Sie warfen ihre Opfer hinein und zündeten das Holz im Graben an. Alle Nachfahren der Langohren bis auf einen jungen Mann kamen elendiglich zu Tode, verbrannten bei lebendigem Leibe.

Das Werk der Langohren - Foto: W-J.Langbein
Mein Guide war beim Erzählen spürbar ergriffen: »Ein Massenmord hinterlässt Totengeister. Während die Ermordeten schon längst vergangen sind, sinnen ihre Totengeister auf Rache. Vielleicht kam in den letzten Jahrhunderten so viel Leid über die Osterinsel, weil die Totengeister die Nachkommen der Mörder bestrafen wollten.«

Ich habe auf der Osterinsel eine andere Variante der alten Überlieferung gehört: Demnach kamen die Langohren als Erste auf die Insel und errichteten die Statuen. Es folgten die Kurzohren. Irgendwann verschwanden die Statuenbauer. Zurück blieben die »neuen Langohren«. Von hier an stimmen beide Varianten wieder überein!

Für die meisten Osterinsulaner von heute ist der Bericht vom Massenmord auf der Osterinsel kein unglaubwürdiges Märchen, sondern wahre Historie. Auch Dr. Fritz Felbermayer geht davon aus, dass sich die beschriebenen Ereignisse tatsächlich so abgespielt haben. Anders verhält es sich bei den aus Chile zugereisten Osterinsulanern, die vom »alten Aberglauben« nichts wissen wollen.

Tatsächlich ist bereits seit 1955 genau bekannt, wo einst der Scheiterhaufen zum Himmel loderte. Dr. Carlyle S. Smith machte den inzwischen verschütteten Graben ausfindig und untersuchte ihn. Archäologische Ausgrabungen ergaben: Er wurde einst künstlich erschaffen und ist nicht das Ergebnis eines natürlichen »geologischen Prozesses«. Im Graben selbst, daran kann es nach den wissenschaftlichen Recherchen keinen Zweifel mehr geben, wurde einst Holz gestapelt und angezündet. Dr. Carlyle S. Smith: »Im Graben muss es ein Feuer größeren Ausmaßes gegeben haben.« Schaudern befiel die Wissenschaftlerin. Sie stand am Schauplatz eines brutalen Massenmordes. Sie hatte den wissenschaftlichen Beweis dafür erbracht, dass es sich bei den mündlich überlieferten Geschichten um glaubhafte Quellen handelt.

Und ich saß in einer der »Familienhöhlen« ... Mein Guide erzählte mir vom Massenmord auf seiner Insel. »Nachdem die Flammen erloschen waren, fanden sich noch viele Knochen und Totenschädel. Die Gebeine wurden zerschlagen und in Höhlen versteckt.« Ob er denn wisse, wo noch solche Knochen zu finden seien? Mein Guide schwieg und mahnte zum Aufbruch. Beim Verlassen der Höhle sah ich, fahl im Taschenlampenlicht leuchtend ... Knochen in Nischen liegen ...

Wenn sie nur reden könnten ... Foto: W-J.Langbein

Literatur

Agassiz, Alexander: »Reports on the scientific results of the
expedition to the eastern tropical Pacific«, Cambridge 1906
»Berliner Zeitung«: »Autobahnkapelle für vagabundierende
Frühgallier«, Ausgabe 11. 03. 1997
Churchill, William: »Easter Island«, Washington 1912
Felbermayer, Fritz: »Sagen und Überlieferungen der Osterinsel«,
Nürnberg o.J.
Grey, George: »Polynesian Mythology«, London 1993
Joseph, Frank: »Editorial: Vindication at Easter Island«,
»Ancient American«, Nr. 12/ FebruaryFebruary/ March 1996, Colfax,
Wisconsin, USA
Lavachery, Henri: »Easter Island«, Smithsonian Institution, 1936
Metraux, Alfred: »Ethnology of Eatser Island«, Honolulu,
Hawaii 1971
Schmidt, Hans: »Die Steinbilder-Typen der Osterinsel und ihre
Chronologie«, Hamburg 1927
Willis, Roy (Hrsg.): »World Mythology«, London 1993

»Spuk auf der Osterinsel«,
Teil 189 der Serie »Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 01.09.2013



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