Sonntag, 12. Juni 2011

73 »Der Gott von El Baúl«

Teil 73 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein


Monument Nr.27
Foto: W-J.Langbein
»El Baúl Museo Arqueologico« kündet stolz ein blechernes Schild. Doch die weißen Buchstaben auf blauem Grund passen nicht so recht zur Realität. Selbst bescheidenen Ansprüchen an ein Museum wird die Sammlung archäologischer Artefakte von El Baúl kaum gerecht. Ich trete an einen maroden Maschendrahtzaun. Offensichtlich wurde er schon häufig überstiegen. An einigen Stellen ist er mühelos mit einem großen Schritt zu überwinden.

Eine wuchtige Dampfmaschine aus alten Zeiten rostet vor sich hin. Stammt sie aus dem 19. oder schon aus dem 20. Jahrhundert? Reif fürs Museum ist sie allemal. Vulkane haben einst das Landschaftsbild geprägt, und so finden sich auch heute noch viele Spuren von Ausbrüchen. Dunkle Steinbrocken liegen einzeln verstreut oder zu kleinen Haufen aufgetürmt in einer wild wuchernden Wiese. Bei näherem Betrachten durch mein Teleobjektiv zeigt es sich, dass die Brocken unterschiedlicher Größe von Künstlerhand bearbeitet worden sind.

Im Hintergrund mache ich so etwas wie einen Unterstand aus Holz aus. Das »Dach« war wohl einst mit einer Art Schilfrohr gedeckt, zumindest lassen einige spärliche Reste des »Regenschutzes« so etwas vermuten. Unter dem »Dach« stehen dicht gedrängt steinerne Stelen, Kernstück des »archäologischen Museums von El Baúl«.

Museo Arqueologico
Foto: Ingeborg Diekmann
El Baúl liegt vier Kilometer nördlich von Santa Lucía Cotzumalguapa nahe der Pazifikküste Guatemalas. Zuckerrohr wird hier schon seit vielen Jahrzehnten angebaut. Weite Areale wurden gerodet. Der Urwald wurde brutal zurückgedrängt, galt es doch immer größere Flächen für die Zuckerrohrgewinnung brauchbar zu machen.

Dabei wurden Hunderte von archäologischen Objekten gefunden. Oder waren es Tausende? Bereits 1862 fertigte der österreichische Reisende Dr. Habel Zeichnungen von Stelen an, die er im Raum von El Baúl entdeckt hatte. 1876 erschien Adolf Bastian, Direktor des Völkerkundemuseums von Berlin, vor Ort. Der Gelehrte kaufte die seiner Ansicht nach schönsten Stelen auf. Da die tonnenschweren Steinkolosse nur sehr schwer zu transportieren waren, wurden sie zersägt. Genauer gesagt: Man begnügte sich mit den Reliefs, die als flache Scheiben oberflächlich vom Stein getrennt, zur Küste geschafft und auf Schiffe verladen wurden. Einer der kunstvoll gravierten Steine wartet noch heute im Hafen von Josef darauf, geborgen zu werden. Er ist bei der Verschiffung ins Hafenbecken gefallen, im Morast versunken. Wird er je wieder entdeckt und gehoben werden? Sieben »Stelen« wurden nach Berlin geschafft, wo sie viele Jahre im Treppenhaus des Dahlemer Museums gezeigt wurden. Heute befinden sie sich im Ethnologischen Museum Berlin.

Dicht gedrängt stehen
Stelen unter einem
maroden Dach
Foto: W-J.Langbein
Adolf Bastian bekam aber nur einen Bruchteil der archäologischen Schätze zu sehen. Viele waren damals nur nach tagelangen Märschen durch unwegsamstes Dschungelgelände zu erreichen. Als der Urwald immer weiter vernichtet wurde, traten diese steinernen Zeugnisse einer mysteriösen Vergangenheit ans Tageslicht. Die Besitzer der Zuckerrohrfabrik von El Baúl waren nicht besonders an Archäologie interessant. Aber auch sie erkannten die Bedeutung der Funde und trugen eine große Zahl von steinernen Kunstwerken zusammen, die bei El Baúl deponiert und notdürftig geschützt wurden.

Von Deutschland aus habe ich schriftlich um die Genehmigung ersucht, das private Gelände mit einer kleinen Reisegruppe betreten zu dürfen. Die Genehmigung wurde erteilt. Und so warteten wir geduldig, bis uns das Tor zum »archäologischen Museum« geöffnet wurde.

In der Nähe des altersschwachen Maschendrahtzauns mache ich mehrere seltsame »Donuts« aus schwärzlichem Lavastein aus. Räder sind es nicht. Vielleicht dienten sie einst als Füße für Stelen? Oder steckten in den Löchern in der Mitte Pfosten für Häuser?

Monströses Mischwesen
Foto: W-J.Langbein
Ein monströses Mischwesen aus Mensch und Krokodil fletscht furchteinflößend die Zähne. Das riesige Maul ist etwas aufgeklappt. Deutlich sind Reißzähne zu erkennen. Die Kreatur trägt – eigentlich unpassend für so ein »Monster« – schmückendes Ohrgehänge und so etwas wie einen Hut ... oder ist es ein Helm? Hatte der Künstler einen Kaiman im Sinn, ein krokodilartiges Wesen? Das ist durchaus möglich. Aber warum verlieh er dem schuppigen Tier menschliche Züge? Stell das Kunstwerk so etwas wie eine Gottheit dar? Gut möglich, dass der kurze »Rumpf« einst in einer Tempelmauer steckte, dass das Mischwesen als religiöser Wandschmuck diente.

Prof. Hans Schindler-Bellamy, Wiener Archäologie-Professor, erklärte mir: »Denkbar ist, dass ein Mischwesen aus Krokodil und Mensch geschaffen wurde, ein Gott der sozusagen für die gefürchteten Kaimane zuständig war. Dann galt es, dieses göttliche Wesen zu besänftigen oder gar zu bestechen ... um die Kaimane zu besänftigen. Wenn ihr Gott den Menschen gewogen war, dann sollten sie doch möglichst darauf verzichten, Menschen zu fressen ...« Ohne Zweifel: eine interessante Überlegung. Neben dem Mischwesen entdeckte ich im »Archäologischen Museum« noch eine eher realistische Darstellung eines Kaimans.

Kaiman oder Krokodil
Foto: W-J.Langbein
Von ganz besonderem Interesse war für mich »Monument Nr.27«, wobei der Begriff für Denkmal steht. »Nr. 27« ist eine flache Stele, zweieinhalb Meter hoch und eineinhalb Meter breit. Im Zentrum steht, stolz aufgerichtet, ein menschenähnliches Wesen. Das Wesen stemmt die angewinkelten Hände in die Hüftgegend. In beiden Händen hält es kleine Kugeln oder Bälle. Die Füße stecken in Stiefeln. Die an Pluderhosen erinnernden Beinkleider reichen bis zu den Knien.

Besonders mysteriös aber ist der Kopf. Mit den Augen unserer Zeit betrachtet ... er steckt in einem wuchtigen Helm, der bis zu den Schultern reicht. Trägt das Wesen so etwas wie einen eng anliegenden Anzug, der in den Helm übergeht? Es wird aber noch kurioser: Bei näherem Betrachten fällt auf, dass so etwas wie ein Schlauch aus dem Helm heraus geleitet wird ... zum Rücken. Auf dem Rücken trägt das Wesen so etwas wie einen Tornister, ein Behältnis ... oder einen Tank.

Deutlich ist zu erkennen, dass dieser kurze Schlauch aus dem Helm heraustritt, über die Schulter geführt wird und an das Behältnis auf dem Rücken angeschlossen ist. Deutlich ist auch zu erkennen, dass das Wesen auf dem Kopf einen Helm trägt. Der Kopf steckt eindeutig im Helm.

Monument Nr.27
Foto: W-J.Langbein
Im Helm befindet sich so etwas wie ein Guckloch, und dahinter sieht man das Auge des Wesen, die Augenbraue, einen Teil der Stirn und den Nasenansatz.Was, so fragen wir uns zu Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus, wurde da in den Stein gemeißelt? Ist es vielleicht gar ein Astronaut? Auch im Jahre 2000 galt die Kreatur auf der Stele als ein »Gott« aus uralten Zeiten. Einheimische entzündeten zu Füßen der Stele Kerzen an oder legte kleine Geschenke – wie Früchte – ab. Aller Christianisierung zum Trotz lebt der Glaube an die alten Götter fort. Aller Christianisierung zum Trotz wird auch noch den alten Göttern gehuldigt, selbst wenn ihre Namen längst in Vergessenheit geraten sind.

Mehrfach habe ich im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte El Baúl besucht. Stundenlang stand ich vor der Stele mit dem Namen »Monument Nr.27«. Sollte sie tatsächlich einen außerirdischen Besucher zeigen, der in grauer Vorzeit zur Erde kam. Oder ist es »nur« ein Taucher? Und was sagt die Wissenschaft zur mysteriösen Gestalt?

Wer steckt in diesem Helm
Foto: W-J.Langbein
»Der Astronaut von Zimbabwe«,
Teil 74 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«
von Walter-Jörg Langbein,
erscheint am 19.06.2011



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