Sonntag, 22. November 2015

305 »Rätselraten um eine Schlacht«

Teil 305 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Foto 1: Hermann alias Arminius
»Schade, dass Sie gleich weiter müssen…«, bedauert der wortgewandte Touristenführer seine Schäflein. »Oder wollen Sie doch noch ein paar Stündchen warten? Um 18 Uhr erfolgt der berühmte Schwertwechsel! Dann nimmt Hermann sein Schwert in die andere Hand!« Unglaubliches Staunen, gelangweilte Gleichgültigkeit und müde Geistesabwesenheit sind die Reaktionen der gemischten Gruppe. Ob es wirklich je jemand dem Touristenführer abnimmt, dass der Hermann, ein riesiges Denkmal in Metallhülle, sein Schwert von der einen in die andere Hand wandern lässt?

»Das Hermannsdenkmal…«, rattert der Touristenführer weiter, »hat eine Gesamthöhe von 53,46 Metern, die Figur des Hermann selbst misst stolze 26,57 Meter. Bis zur Errichtung der Freiheitsstaue in Amerika war der Hermann die höchste Statue der westlichen Welt! Den rechten Arm hat Hermann emporgestreckt. Er hält darin ein eisernes Schwert… Länge sieben Meter. Gewicht 550 Kilogramm. Krupp hat die riesige Waffe gestiftet! Links hält Hermann ein mächtiges Schild zu seiner Verteidigung. Höhe zehn Meter!«

Das Hermannsdenkmal ist eines der beliebtesten Touristenziele Deutschlands. Es dürfte eines der bekanntesten Denkmäler Europas sein. Errichtet wurde es zur Erinnerung an die »Schlacht im Teutoburger Wald«. Im Jahre 9 des Herrn besiegten germanische Stämme unter Führung des Arminius, alias Hermann, eine an Zahl weit überlegene römische Armee. Die römische Niederlage beeinflusste die weitere Geschichte Europas. Die Römer verzichteten darauf, ihr Imperium über den Rhein nach Osten auszudehnen.

Foto 2: Zeitgenössische Darstellung des Sockels

Ernst von Bandel verfolgte das Projekt »Hermannsdenkmal« gegen alle möglichen Widerstände über Jahrzehnte. Es gab immer wieder bittere Rückschläge, auch der Bau des Denkmals selbst verlief nicht ohne Unterbrechungen. 1838 wurde nach gründlicher Vorbereitung mit dem Bau des monumentalen Denkmals begonnen. Für das Denkmal – schon für den mächtigen Sockel – benötigte man Baumaterial. Also nutzte man den Jahrtausende alten Ringwall als »Steinbruch«.

Die Finanzierung machte immer wieder Probleme. So wurde das »deutsche Volk« 1840 in einem Spendenaufruf gebeten, sich an den immensen Kosten zu beteiligen.

Foto 3: Eine der zahllosen Spendenlisten

1872 waren endlich die einzelnen Teile des Denkmals fertig. Sie wurden nach Detmold auf den Teutberg geschafft. Ernst von Bandel zog in ein bescheidenes Blockhaus vor Ort und organisierte die Errichtung eines gewaltigen Holzgerüsts zum Hochziehen der einzelnen Bauelemente des Denkmals. Anno 1875, am 16. August,  wurde das Denkmal schließlich eingeweiht, am 25. September 1876 verstarb Ernst von Mandel, nur wenige Monate nach Vollendung seines Lebenstraums.

Umstritten ist bis heute, ob das Denkmal an der richtigen Stelle steht, ob die legendäre Varus-Schlacht wirklich bei Detmold stattfand. Gern wird von interessierten Kreisen behauptet, die legendäre Varus-Schlacht habe gar nicht bei Detmold stattgefunden, sondern in Kalkriese bei Bramsche im Osnabrücker Land. Als »Beweise« wird auf Münzfunde hingewiesen. Und in der Tat wurden 627 Münzen geborgen, zum Teil mit der Prägung »VAR«. Diese Münzen stammen aus den Jahren 7 bis 9 nach Christus. Verschwiegen wird von den »Kalkriese-Fans« allerdings die Tatsache, dass in Kalkriese auch »Asse«-Münzen aus der Zeit von 12 n.Chr. bis 14 n.Chr. ans Tageslicht kamen.

Vermutlich handelt es sich bei den »Beweisen« für Kalkriese als Ort der »Hermannsschlacht« um Spuren eines anderen Gemetzels. Die Besatzung des römischen Nordlagers Tulifurdum war auf dem Rückzug und wurde wohl um 14 oder 15 n.Chr. in Kalkriese in einen Hinterhalt gelockt und vernichtend geschlagen.

Foto 4: Siegreicher Hermann
Die Behauptung, die Varus-Schlacht habe bei Kalkriese stattgefunden und nicht bei Detmold scheint sich mehr und mehr als Publicity-Gag zu erweisen…. Zweck: Hunderttausende, ja Millionen von Touristen, die bisher nach Detmold strömen, sollen nach Kalkriese umgeleitet werden. So kritisiert der Historiker Peter Kehne (1), Hannover, dass eine vage »Interpretationsmöglichkeit« von PR-Spezialisten »durch ständige Repetition zu einer angeblichen ›Gewissheit‹ und damit schon Kalkriese zur ›historischen Tatsache‹« hochgejubelt wird.

Was von der »PR-Fraktion Kalkriese« gern verschwiegen wird: Der Engpass bei Kalkriese, wo angeblich Varus und seine drei Legionen besiegt worden sein sollen, der ist einfach zu klein, bietet zu wenig Platz. Für mich ist es ein Fakt: Kalkriese kommt als Varus-Hermann-Schlachtfeld eher nicht infrage.

Foto 5: Ernst von Badel um 1875
Wo genau das große Gemetzel im Jahr 9 n.Chr. stattgefunden hat, konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden. Beim Streit um die Identifizierung dieses Orts geht es wenigen seriösen Historikern um geschichtliche Wahrheit und  vielen  eifirg wettstreitenden Tourismus- Managern um Millionen. Millionen von Touristen bringen Millionen von Euros…

Übrigens: Ernst von Bandel war mit der Wahl des Orts für das Hermanns-Denkmal  nicht wirklich einverstanden. Ernst von Bandel hätte den riesengroßen »Hermann« lieber bei den Externsteinen gesehen. Unklar ist, ob von Bandel wusste, dass beim Bau seines Denkmals eine mächtige germanische Wallburg aus eindeutig vorchristlichen Zeiten zerstört wurde.

Noch im frühen 19. Jahrhundert soll die imposante Wallanlage – wohl vergleichbar mit der Herlingsburg –  deutlich zu erkennen gewesen sein. Die – ich wiederhole – vorchristliche germanische Burg wurde zerstört, um das »Hermannsdenkmal« zur Erinnerung an eine Schlacht zu bauen, von der niemand wirklich weiß, wo sie stattgefunden hat.

Deutliche Indizien weisen aber mehr auf den Teutoburger Wald hin als auf Kalkriese. Varus verlegte anno 9 n.Chr. seine Truppen vom Sommerlager – vermutlich im Großraum Hameln – ins Winterlager an den Rhein. Vom vermuteten Sommerlager an den Rhein hätte der direkte Weg in die Region des heutigen Detmold geführt. Irgendwo hier muss zur berühmten Schlacht gekommen sein…. Vom Sommerlager aus ins Winterlager wäre der Weg über Kalkriese ein unnötiger Umweg gewesen. Kein Argument lässt sich  für einen  solchen längeren Weg
finden.

Foto 6: Unermüdlicher Hermann
Ein »guter Kandidat« für die Varusschlacht ist das sogenannte »Winfeld«. Hier wurden Waffen und Münzen gefunden. Fand also hier das legendäre Gemetzel statt? Das »Winfeld« überzeugt mich jedenfalls mehr als »Kalkriese«. Das »Winfeld« liegt bei Horn, unweit der Externsteine. Ernst von Bandel wollte ja sein Hermannsdenkmal bei den Externsteinen errichtet sehen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Also akzeptierte er den Standort bei Detmold. An einem Streit um den genauen Platz für das Monument sollte sein Projekt nicht scheitern! (2)

Wer meint, die alte Germanenburg fiel der Zerstörung ausschließlich  im 19. Jahrhundert zum Opfer, der irrt. Im »Führer zu archäologischen Denkmälern« heißt es (3) in Band 11 (»Der Kreis Lippe II): »Die etwa 11 Hektar große Innenfläche der der Grotenburg ist durch die Gaststätte, Parkplätze und Wegführung in Verbindung mit dem Hermannsdekmal weitestgehend zerstört oder versiegelt.«

                                                                                                  Fußnoten

Foto 7: Mini-Hermann vor der Tür
1) Kaifer, G. (Hrsg.): »Hermann Denkmal/ Naturpark Teutoburger Wald Wald«, Bad Salzuflen 2004, S. 27
2) ebenda, S. 26
3) Hohenschwert, Friedrich (Bearbeitung): »Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland/ Band 11/ Der Kreis Lippe II«, Stuttgart 1985, S. 140

Zu den Fotos...

Fotos 1, 4, 6 und 7: Walter-Jörg Langbein. Fotos 2, 3 und 5: Archiv Langbein


306 »Das Medaillon und eine Göttin«
Teil 306 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 29.11.2015


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