Sonntag, 15. November 2015

304 »Die Externsteine und das Blutloch«

304 »Die Externsteine und das Blutloch«,
Teil 304 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein


Fotos 1 und 2: Blutloch und Drachenkampf

Unzählige Male habe ich in den vergangenen Jahrzehnten die Externsteine bei Detmold besucht. Noch in den 1970er Jahren war es problemlos möglich, in die verschlossenen Kammern in Fels I zu kommen. Man musste nur warten, bis vor Ort etwas Ruhe eingekehrt war. Oft gab es stundenlang kaum Besucher…. und dann wahre Massenabläufe. Besonders viel Publikum strömte herbei, wenn Reisebusse eben auch die Externsteine abhakten, um dann rasch und programmgemäß der nächsten Sehenswürdigkeit zuzustreben.

Kaum hatten genervte Führer ihre Schäflein zurück in die Busse getrieben, war der Zeitpunkt günstig. Man konnte den freundlichen Wächter im Kartenhäuschen um den Schlüssel bitten, und schon durfte man eine geheimnisvolle Welt in den Externsteinen betreten, die den Massenströmen verborgen blieb. Leider kam es immer wieder zu Vandalismus. Da wurden, zum Beispiel, die Wände in den altehrwürdigen Kammern im gewachsenen Stein mit Farbe beschmiert. »Besonders schlimm waren Schulklassen!«, erinnerte sich im Gespräch vor vielen Jahren ein Mann im Kiosk. »Manchmal haben sogar Lehrer tatenlos zugesehen…« So ist es verständlich, dass man heute als Einzelner nur noch mit besonderer Genehmigung die mysteriösen Räume betreten darf.

Foto 3: Autor Langbein vermisst

Vom Hauptraum aus gelangt man, vorbei an einer kleinen in den gewachsenen Stein gemeißelten »Wanne«, in den unheimlichsten Raum in den Externsteinen. Der sehr kurze Verbindungsgang ist verwinkelt. Es ist zu vermuten, dass er erst nachträglich aus dem Fels geschlagen wurde. Vermutlich waren »Kuppelraum« und »Hauptraum« zunächst zwei Kammern ohne Verbindung. Im Kuppelraum macht sich ein Kuriosum bemerkbar. Laut gesprochene Worte hallen seltsam nach.

Den einstigen Eingang zum »Kuppelraum« bewacht seit jeher eine etwa lebensgroße Gestalt. Heute verwehrt ein festes Metallgitter den Zutritt.  Die stark verwitterte, halbreliefartig herausgearbeitete Figur hält so etwas wie einen Schlüssel in der Hand. Heute ist und bleibt der Eingang verschlossen. Durch metallene Gitterstäbe kann man in die Kammer mit der Kuppel blicken. Wann wurde sie geschaffen und zu welchem Zweck? Waren es christliche Mönche, die sich hier versammelten?

Foto 4: Die steinerne Kuppel

Professor Wolfhard Schlosser, studierter Physiker Mathematiker und Astronom beschäftigte sich intensiv mit den Externsteinen. Auch er setzte sich wissenschaftlich mit der Frage auseinander, wann denn die mysteriöse Kultanlage »Externsteine« zum ersten Mal benutzt wurde (1). Über die Frage der Datierung schrieb er (2):

»Ein bearbeiteter Standstein läßt sich allenfalls stilistisch oder von den Bearbeitungsspuren her altersmäßig einordnen; ein physikalisches Verfahren (vergleichbar mit der Radiokarbonmethode bei organischem Material) existiert zunächst nicht…. Eine willkommene Ergänzung zu diesen, im weitesten Sinne als kunsthistorisch zu bezeichnenden Alterszuweisungen war die Entdeckung von U. Niedhorn, daß im Inneren des Kammersystems von Fels 1 heftige Feuer gebrannt haben müssen.«

Foto 5: »Humanoide Gestalt«

Bleiben wir noch bei der »Wächtergestalt«. Die humanoide Gestalt ist – trotz geschützter Positionierung am Fels unter einem künstlich geglätteten Vorsprung – bemerkenswert schlecht erhalten. Der Körper ist, so scheint es, vom Zahn der Zeit in ein Relief ohne echte Konturen verwandelt worden. Der Kopf erinnert stark an einen Totenschädel. Gewiss: Die Gestalt hält offenbar einen Schlüssel in der Hand, der aber könnte nachträglich gemeißelt worden sein. Auch weist ein solcher Schlüssel nicht zwangsläufig auf Petrus hin. Es könnte sich bei dem vermeintlichen »Petrus« auch um den heidnischen Wächter eines Totenreiches gehandelt haben, vielleicht um einen Totengott am Eingang zur Unterwelt.

Foto 6: Schlüssel Petrie...

Nach genauer Untersuchung des »Wächters« drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Figur von Anfang an so konzipiert war, wie sie heute – noch – aussieht. Ich glaube, die vagen Umrisse waren so beabsichtigt. Der Wächter war als Geistwesen an der Grenze zum Jenseits gedacht. Oder ist diese fast undefinierbare Gestalt von Witterungseinflüssen im Lauf der Zeit so stark abgeschliffen worden, dass heute nicht mehr viel zu erkennen ist? Dann müsste sie wirklich sehr alt sein, zumal sie unter einem künstlich geglätteten Felsvorsprung steht.

Oder hat Ralf Koneckis-Bienas recht, wenn er beschreibt die mysteriöse Gestalt als (3) »halbfertig eingehauen«. Auch Ralf Koneckis-Bienas, profunder Experte in Sachen Externsteine, erkennt, dass die »menschengroße Gestalt... in der rechten Hand einen Schlüssel hält und in der linken einen Riegel, der zum Verschließen der Tür diente.«

Der Unsicherheiten gibt es aber noch viele. Ist der vermeintliche »Riegel« nicht vielleicht doch ein Schwert? Irren wir uns, wenn wir vom Schlüssel auf den biblischen Petrus schließen? Externsteine-Forscher Karl Haug, so Koneckis-Bienas (4), »zieht zum Vergleich eine schwertbewehrte keltische Wächterfigur aus Süddeutschland zu Rate«.

Wer auch immer vor der Tür zur Kuppelgrotte  Wache schob – ob Petrus oder ein keltischer Krieger – ist gar nicht so wichtig. Es kommt vor allem darauf an, dass sich in der Höhle etwas Wichtiges abgespielt haben muss. Da loderten Feuer, Ruß  schlug sich an der kuppelförmigen Decke nieder.

Foto 7: Das »Blutloch«
Meiner Meinung nach ist dieser Kuppelraum von ganz besonderer Wichtigkeit im Komplex der Externsteine-Stätte. Die Tür wird von einem steinernen Wächter gesichert. An der Außenwand just jener Kammer prangt das große Kreuzabnahme-Relief. Es muss eine Beziehung zwischen der Kuppelkammer und dem Kreuzabnahmerelief geben! So wurde aus dem Inneren des Kuppelraums eine Verbindung nach draußen durch den Stein gemeißelt. Diese Röhre endet im unteren Bereich des Kreuzabnahme-Reliefs. Besonders christlich mutet das Teilstück des Reliefs nicht an, neben dem der Ausgang der »Röhre« ins Freie tritt.

Ralf Koneckis-Bienas: »Unter dem Laufboden ist ein drachenähnliches Wesen zu erkennen, das zwei kniende Gestalten umschlingt.« Direkt neben diesen Gestalten erkennen wir den Ausgang der »Röhre«, die – so berichtet Koneckis-Bienas – noch im 19. Jahrhundert den Namen »Blutloch« trug. Sollte das ein Hinweis auf eine uralte Opferstätte sein? Waren die Feuer in der Kuppelgrotte Teil eines Kults?

Eine Felsenkammer mit Kuppel, in der gewaltige Feuer Höllenglut entwickelten … ein »Blutloch« … und ein »drachenähnliches Wesen«… diese Kombination klingt nicht nach christlichem Brauchtun, sondern nach heidnischem Ritual. 

Foto 8: Links im Bild: Das »Blutloch«

Wann aber, diese Frage drängt sich auf, loderten die Flammen? Diese Frage wollte Professor Wolfhard Schlosser geklärt wissen. Er ließ einige »Proben des gebrannten Sandsteins entnehmen und kernphysikalisch untersuchen«, und zwar vom renommierten Max-Planck-Institut für Kernphysik zu Heidelberg. Die Ergebnisse wurden 1990 ganz offiziell publiziert (6). Professor Wolfhard Schlosser erklärt (7):

»Es ist nämlich mit den Methoden der Thermolumineszenzanalyse möglich, das Verlöschen des letzten Feuers grob zu datieren. Es zeigte sich, daß dies weit in vorchristlicher Zeit erfolgt sein muss, die Kammern also mindestens ebenso alt sind.«

Damit war wissenschaftlich bewiesen, dass zumindest die »Kuppelhöhle« schon in vorchristlichen Zeiten in Gebrauch war! Seltsam: Jahre später führte das gleiche Institut eine zweite Datierung von Proben aus der Kuppelkammer durch. Und plötzlich  lauteten die Ergebnisse ganz anders. Plötzlich hieß es dass die Feuer nicht vorchristlichen Zeiten loderten, sondern erst sehr viel später! Zwei Feuerspuren in der Haupt- und Nebengrotte entstanden demnach erst Spätmittelalter, nämlich um 1325 und 1425 n. Chr. Die ältesten Spuren stammten aus der Kuppelgrotte. Wie alt sind sie?

Foto 9: Grundriss der Räume in Fels 1

Bei der Bewertung der Messergebnisse der Thermolumineszenzanalyse können erhebliche Abweichungen auftreten. Messungen in der Kuppelgrotte ergaben, dass die letzten Feuer in der Zeit um 934  und um 735 nach Christus brannten. Kalkuliert man mögliche Abweichungen von etwa 180 Jahren ein, dann ergibt das immerhin noch ein Höchstalter der Feuerspuren von 1460 Jahren. Aber Vorsicht! Gemessen wurde, wann zuletzt an bestimmten Stellen Ruß abgelagert wurde. Kalkuliert man Messungenauigkeiten mit ein, dann brannten die ältesten Feuer womöglich im Jahr des Herrn 555. Es ist natürlich denkbar, dass die Spuren aus dem Jahr 555 noch sehr viel ältere überdeckt haben.

Ich bin verwirrt. Welche wissenschaftlichen Datierungen des Max-Planck-Institut für Kernphysik zu Heidelberg sind denn nun richtig und welche falsch? Wie ist es möglich, dass ein und dasselbe Institut zu so unterschiedlichen, stark voneinander abweichenden Ergebnissen kommt? Zunächst hieß es, die Aktivitäten in der Kuppelkammer hätten weit in vorchristlichen Zeiten stattgefunden. Und dann wurde plötzlich ein ganz anderes Ergebnis verlautbart, plötzlich wurden die Spuren als deutlich nachchristlich datiert. Die Datierungen – vom gleichen Institut vorgenommen – wichen in den Extremwerten um bis zu 2400 Jahre voneinander ab! Ist die Thermolumineszenzanalyse womöglich gar nicht so verlässlich wie gern behauptet wird? Oder beeinflussen weltanschaulich-ideologische Überzeugungen die Ergebnisse dieser so wissenschaftlichen Datierungsmethode?

Fußnoten

Foto 10: Blüten und Stein
1) Schlosser, Wolfhard: »Externsteine« in »Archäoastronomische Objekte der Hallweg-Region, Teil 2«, »Externsteine«, erschienen in »Andromeda/ Zeitschrift der Sternfreunde Münster E.V.«, 13. Jahrgang, Heft 2, S.8-11, Münster 2000
2) ebenda, S.8
3) Koneckis-Bienas, Ralf: »Derr Teufel am Externstein/ Ein Forschungsabenteuer«, Detmold 2015, S. 21, mittlere Spalte oben
4) ebenda
5) ebenda
6) Lorenz, I.B., Rieser, U., Wagner, G.A.: »Thermolumineszenz-Datierung archäologischer Objekte«, Jahresbericht (ed. H.V. Klapdor-Kleingrothaus, J. Kiko), Max-Planck-Institut für Kernphysik,1990
7) Schlosser, Wolfhard: »Externsteine« in »Archäoastronomische Objekte der Hallweg-Region, Teil 2«, »Externsteine«, erschienen in »Andromeda/ Zeitschrift der Sternfreunde Münster E.V.«, 13. Jahrgang, Heft 2, S.8, Münster 2000 


Zu den Fotos:

1und 2: Fotos Walter-Jörg Langbein 
Foto 3: Walter Langbein sen.
Fotos 4-8: Walter-Jörg Langbein
Fotos 9: Archiv Walter-Jörg Langbein
Foto 10: Walter-Jörg Langbein


305 »Rätselraten um eine Schlacht«,
Teil 305 der Serie
»Monstermauern, Mumien und Mysterien«                         
von Walter-Jörg Langbein,                       
erscheint am 22.11.2015


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2 Kommentare:

  1. Eine Spitzen-Seite zu den Externsteinen. Sie stellt viele der amtlichen Darstellungen in den Schatten.

    Danke!

    AntwortenLöschen
  2. Guten Abend und vielen Dank für das Kompliment! Ich habe mich sehr gefreut! Recht herzlich - Walter-Jörg Langbein

    AntwortenLöschen

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